Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
In der letzten Woche hatte ich über den neuen Starken Mann Syriens, sowie seinen Verteidigungsminister und Justizminister berichtet. Heute will ich mit einem weiteren wichtigen Mitglied der Regierung beginnen, damit jeder versteht, worum es sich bei dem neuen Regime in Syrien handelt. Dann schauen wir auf die „Massenvergewaltigung“svorwürfe vom 7. Oktober gegen die Hamas und beobachten, wie der Krieg Israels zur Eroberung Grossisraels, dessen aktive Phase mit dem Völkermord in Gaza begann, weiter geht. Wir schauen uns auch die neuesten Entwicklungen bei den Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Hamas und Israel an, und welche Rolle Trump spielt.
Der neue „Armeechef“ Syriens
Also ich interpretiere die Funktion, welche Sayfiddin Tadzhiboev, ein 41-jähriger gebürtiger Tadschikistaner ausüben soll, als vergleichbar mit der eines Armeechefs. Er soll der Kommandeur
„des operativen Hauptquartiers im Verteidigungsministerium“ werden.
Wie uns Kevork Almassian in seinem Tweet verrät, stammt Tadzhiboev aus dem Bezirk Spitamensky der Region Sughd und wird von den tadschikischen Behörden wegen Terrorismus und anderen Delikten gesucht.
„Tadzhiboev war zuvor Kommandeur der militanten Gruppe Jamaat al-Tauhid wal-Jihad, die mit Hayat Tahrir al-Sham gegen die syrischen Regierungstruppen zusammenarbeitete, und ist seit 2013 in Syrien aktiv. Beide Gruppen, zu denen zahlreiche Kämpfer aus Zentralasien gehören, wurden von mehreren Ländern als terroristische Organisationen eingestuft.“ (1)
Almassian berichtete, dass am 3. Januar Blogger, die mit HTS verbunden sind, Tadzhiboevs neue Rolle im syrischen Verteidigungsministerium unter der Übergangsregierung bekannt gaben. Und Tadzhiboev habe die Ernennung in Interviews mit den Bloggern bestätigt und erklärte, er arbeite bereits.
Reuters, so Almassian weiter, hatte zuvor berichtet, dass ausländische Kämpfer Positionen in Syriens neuen Streitkräften gesichert haben, wobei sechs von 50 Stellen im Verteidigungsministerium an Nicht-Syrer vergeben wurden. Jedoch habe Tadschikistan bereits reagiert und erklärt, dass Tadzhiboev zusammen mit seinem Bruder für Terrorgruppen arbeite und ein Verfahren gegen ihn eingeleitet worden sei. Tadzhiboev sei auch in der Datenbank der Nationalbank von Tadschikistan mit Personen aufgeführt, die mit Terrorismus in Verbindung stehen, was jegliche Finanztransaktionen mit ihm illegal mache.
„Bevor er nach Syrien ging, war Tadzhiboev Mitglied der verbotenen Islamischen Renaissancepartei Tadschikistans (IRPT). Er leitete 2012 kurzzeitig die Zweigstelle der Partei im Bezirk Spitamensky, verließ sie jedoch später. Die IRPT wurde 2015 zur Terrororganisation erklärt, eine Einstufung, die ihre Führer bestritten und politische Verfolgung geltend machten. Tadzhiboev ist seitdem innerhalb militanter Gruppen im Rang aufgestiegen. Blogger, die mit Hayat Tahrir al-Sham in Verbindung stehen, behaupten, er sei kürzlich zum Oberst ernannt worden, obwohl unklar bleibt, ob er die syrische Staatsbürgerschaft erhalten hat.“ (2)
Alsmassian erklärte uns Anfang des Jahres, dass tadschikische Behörden berichtet hatten, dass zwischen 2013 und 2017 über 2.000 tadschikische Bürger an Konflikten in Syrien und im Irak teilnahmen, wobei die meisten für den Islamischen Staat (IS) kämpften. Ungefähr 400 tadschikische Kämpfer sollten in der Provinz Idlib geblieben sein. Tadzhiboevs hochkarätige Ernennung habe in Tadschikistan erneut Bedenken über die Bedrohung durch die mögliche Rückkehr dieser Terroristen entfacht.
Und natürlich ging die Ermordung von Minderheiten auch nach dem Besuch der deutschen Außenministerin durch die neuen Machthaber Syriens weiter. Am 8. Januar zum Beispiel wurde im ländlichen Salamiyah Scheich Ali Deeb Abu Rami, der Sohn von Scheich Abdul Latif, und seine Frau Narman Hadid (Umm Rami), die der alawitischen Gemeinschaft angehörten, im Dorf Dniba ermordet. Das Dorf war am 7. Januar von HTS-Kräften durchsucht worden, und der Scheich und seine Frau an einen unbekannten Ort gebracht worden. Später wurden ihre Leichen auf einer Nebenstraße gefunden, die das Dorf Dniba mit dem Nachbardorf Snida verbindet (3).
Aber Deutschland unterstützte das neue Terrorregime mit dutzenden von Millionen Euro (4). Die Regierung behauptete auch im Januar noch, nur Assad sei der „Böse“ gewesen und sinngemäß, dass die aus al-Kaida hervorgegangene Organisationen wollten nun nur das Beste für Syrien. Und wenn der Bürgermeister von Dummar, eines Stadtteils von Damaskus zum Tode verurteilt wurde, und zwar durch öffentliches Erschlagen, auch und zuvorderst durch Kinder am 10. Januar, dann war das natürlich voll im Sinne der wertebasierten Ordnung westlicher Kolonialländer (5), konnte man nur zynisch vermuten. Und so ging die Terrorherrschaft von HTS eben weiter, wie zu erwarten war (6). Anzüge, Krawatte und gestutzte Bärte sind den Maskenbildnern der CIA-Medien geschuldet.
Aber was bei Berichten, wie am 13. Januar über die Ermordung von Scheich Omar Houri, einem „moderaten sunnitischen“ Gelehrten auffiel war: Die Mörder posteten nicht mehr stolz ihre Verbrechen im Internet. Offensichtlich hatte das Training des CIA Früchte getragen.
Israels ethnische Säuberung von Syrien
Nachdem die ethnische Säuberung nach dem Völkermord in Gaza und anderen Teilen des besetzten Palästinas noch in Arbeit war, im Libanon nicht wirklich geklappt hatte, obwohl Israel versuchte, alle Gebäude zu zerstören, wurde im Januar im Libanon der von Israel besetzte Teil für die Bewohner zur Sperrzone erklärt. Die Bewohner wurden von der Besatzungsarmee über UKW-Sendungen aufgefordert, aus den Bereichen weg zu bleiben, welche von Israel besetzt wurden[7], obwohl eigentlich Israel das Gebiet laut Waffenstillstandsvereinbarung verlassen sollte.
Aber in Syrien lief die Besatzung besser für Israel. Noch mal zur Erinnerung: Seit Jahrzehnten hatte Syrien keine Angriffe gegen Israel ausgeführt, denn Assad wusste genau, dass Israel nur auf einen Vorwand wartete, um gemeinsam mit den USA Damaskus dem Erdboden gleich zu machen. Israel hatte über 1000 Luftangriffe geflogen, Kurden und Terroristen mit Waffen und Geld unterstützt, Terroristen in eigenen Krankenhäusern gesundgepflegt, es kam sogar im israelischen Fernsehen, einigen sogar den Sold bezahlt, damit sie gegen "das Assad Regime" kämpfen konnten. Und schließlich lobte sich Netanjahu, dass ER Assad gestürzt habe. Und nun? Nun war die neue Herrschaft eine noch größere Gefahr, meinte er. Mit anderen Worten: Die Eroberung von Großisrael rückte näher, denn Terroristen zu bombardieren war noch viel einfacher als eine reguläre Armee. Israels Ministerpräsident Netanjahu:
„Wir befinden uns in einer Zeit radikaler Veränderungen im Nahen Osten, und neue Kräfte mischen sich in den Konflikt in der Region ein, und deshalb müssen wir unsere militärischen Fähigkeiten weiterentwickeln.“
Und das israelisches Nagel-Komitee (8) warnte:
„Eine radikale sunnitische Streitmacht, die als Vorhut für das Osmanische Reich fungiert, ist tausendmal gefährlicher als das iranische Projekt.“ (9)
Hatten israelische Politiker während Assads Regierungszeit behauptet, sie hätten lieber eine IS Regierung in Syrien, war es ihnen offensichtlich nach der Realisierung nun doch nicht recht. Obwohl zur Verwunderung uninformierter Beobachter, Israel das einzige Land in der Region war, das bis dahin nicht Ziel eines Terroranschlages des IS war.
Aber immerhin war ein Ende des Wirtschaftskrieges gegen die syrische Bevölkerung langsam in Sicht. Die US Regierung verbreitete am 6. Januar die Mitteilung, dass die Sanktionen gegen das nun nicht mehr von der Regierung, sondern al-Kaida-Derivaten geleitete Land aufgehoben seien (10). Dem dürften dann die europäischen und andere Vasallen bald folgen.
Gaza Völkermord geht weiter
Am 7. Januar wurde daran erinnert, wie israelische Soldaten ihre Kampfhunde auf die schwangere Palästinenserin Tahrir Husni al-Arian hetzten, die von dem Hund 10 Minuten lang brutal angegriffen wurde und dabei ihr Kind verlor (11). Ein Vorfall, über den in Deutschland niemand spricht.
Jeden Tag wurden grausige Details des Völkermords durch Israel bekannt. So berichtete Haaretz am 7. Januar (12), dass Palästinenser benutzt werden, um als menschliche Schutzschilde Gebiete zu erkunden, die möglicherweise mit Sprengfallen ausgerüstet wurden. Zu viele israelische Militärhunde waren bei diesem Auftrag ums Leben gekommen. Während aber die Hunde, die überlebten, gut behandelt wurden, mussten die Palästinenser damit rechnen, anschließend erschossen zu werden.
Das Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern (BIP) veröffentlichte Anfang Januar 2025 einen Vortrag von Prof. Dr. Norman Paech, der schon im November gehalten worden war, und noch einmal die 12 Monate Völkermord beschrieb. Im Prinzip beschrieb Paech, was in meiner Buchtrilogie „Gaza“ auch schon erklärt wurde. Aber wegen der komprimierten Form ist der Text ganz praktisch zum Erinnern (13).
Der Artikel basierte auf den Informationen einer hebräischsprachigen investigativen Internetseite (14). Laut dem Bericht, hatte ein Palästinenser, der gezwungen wurde, als menschliches Schutzschild zu dienen und Gebäude im Gebiet Khan Yunis zu durchsuchen, die „Erlaubnis“, oder sagen wir besser, den Befehl der israelischen Streitkräfte erhalten, sich in dem Gebäude aufzuhalten. Als ein Brigadekommandeur eintraf, identifizierte er den Mann als Palästinenser, zog eine Waffe und erschoss ihn.
„Laut der Website bestätigte die israelische Armee die Einzelheiten des Vorfalls und sagte in ihrer Antwort, dass ‚der Vorfall vom Brigadekommandeur untersucht wurde und die Ergebnisse während der aktuellen Operationen der Truppen umgesetzt wurden.‘‘ (15)
Es war also offensichtlich, dass jeder Palästinenser, der in einem Gebäude angetroffen wird, einfach mal schnell erschossen wird. Aber zurück zum Artikel. Palästinenser, die als menschliche Spürhunde eingesetzt werden, wurden von den israelischen Soldaten „Schawisch“ genannt. Dies sei ein obskures arabisches Wort türkischen Ursprungs gewesen, und bedeute Sergeant. Die menschlichen Spürhunde wurden in Gebäude geschickt, bevor israelische Soldaten das Gelände betraten. „Unser Leben ist wichtiger als ihr Leben“, wurde den Soldaten gesagt.
Ende Oktober hatte auch die CNN bereits darüber berichtet (16). Dem Bericht zufolge ist der Einsatz von Palästinensern als menschliche Schutzschilde unter IDF-Soldaten als „Moskito-Protokoll“ bekannt geworden.
Der Einsatz von Palästinensern als menschliche Schutzschilde begann nicht erst am 7. Oktober. Man konnte darüber bereits in meinen vorherigen Büchern lesen. Haaretz erklärt im Januar, dass während der Operation „Schutzschild“ (17), die 2002 im Westjordanland durchgeführt wurde, die IDF das sogenannte „Nachbarschaftsprotokoll“ nutzte. Dabei sind von den Soldaten Zivilisten eingesetzt worden, um Häuser nach Sprengfallen zu durchsuchen, oder Palästinenser vor IDF-Streitkräften in Häuser geschickt worden, um gesuchte Personen zu finden.
Obwohl schon 2005 ein israelisches Gericht diese Praxis für illegal erklärt hatte (18), scheint sich auch 20 Jahre später niemand wirklich darum zu scheren.
Die Ungeheuerlichkeit des Völkermordes in Gaza zu verstehen, übersteigt die Vorstellungskraft der meisten Menschen in Deutschland. Der Alltag ist nicht nur mörderisch, sondern ungeheuerlich. Einen Tag, nachdem das UN-Welternährungsprogramm berichtet hatte, dass es
„weiterhin versuchen werde, lebensrettende Hilfe für die Bevölkerung zu leisten, die unter extremem Hunger leidet und von einer Hungersnot bedroht ist“,
konnte man lesen, dass israelische Streitkräfte das Feuer auf den Konvoi des Programms in Gaza eröffnet hätten (19).
Vergewaltigungen am 7. Oktober 2023
Ich hatte in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass es sicher sexuelle Übergriffe gab, die aber nicht zur systematischen Strategie der Hamas gehörten, wie von Israel behauptet. Vielmehr wurden sexuelle Übergriffe vom Bodensatz der Schläger und Verbrecher, die es in jeder Gesellschaft gibt, durchgeführt, die gerne im Schatten von Chaos auftauchen. Insbesondere gab es am 7. Oktober keine „Massenvergewaltigungen“ durch die Hamas. Die israelische Regierung und ihre Unterstützer benutzten aber die Behauptungen von „Massenvergewaltigungen“ ebenso wie die Lügen über „geköpfte Babys“ um nicht nur die Hamas, sondern alle Palästinenser zu dämonisieren und einen Völkermord zu rechtfertigen.
Nun veröffentlichte die israelische Zeitung Haaretz am 8. Januar noch einmal einen zusammenfassenden Artikel über das Thema (20). Liza Rozovsky schreibt, dass Israel die UN-Untersuchung zu Sexualverbrechen der Hamas vom 7. Oktober verhinderte, um Untersuchung der Misshandlungen von Palästinensern zu vermeiden. Denn, das sollte man hinzufügen, eine solche Untersuchung hätte festgestellt, dass Israel selbst systematisch sexuelle Gewalt anwendet.
Richtigerweise hatte der UN-Sondergesandte für konfliktbezogene sexuelle Gewalt eine Untersuchung der mutmaßlichen Verbrechen der Hamas am 7. Oktober und an den Geiseln gefordert, doch Israel hatte die Bitte um Zugang zu israelischen Haftanstalten zur Untersuchung der Vorwürfe von Misshandlungen durch die IDF abgelehnt. Die Autorin wies richtigerweise darauf hin, dass eine solche Untersuchung laut israelischen Frauenrechtsgruppen dazu führen könnte, dass Israel statt der Hamas auf die schwarze Liste der UN für Fälle sexueller Gewalt gesetzt wird.
Nochmal: Israel blockierte dem Artikel zufolge die Untersuchung in die Vorgänge während des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober, um eine Untersuchung über sexuelle Gewalt durch eine neutrale Organisation zu verhindern, und insbesondere, um die Vorgänge in Israel nicht offen legen zu müssen.
Pramila Pattens Bericht, also die der UN-Sonderbeauftragten, vom März, der auf einem Besuch in Israel im vergangenen Jahr basiert, dokumentierte sexuelle Gewalt während des Angriffs der Hamas und angeblich fortgesetzte Angriffe auf Geiseln in Gaza. Diese Erkenntnisse wurden in den Jahresbericht des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres an den Sicherheitsrat über sexuelle Gewalt in Konflikten aufgenommen. Guterres hatte die Hamas jedoch nicht auf die schwarze Liste der UN mit Organisationen gesetzt, die wahrscheinlich für Sexualverbrechen verantwortlich sind.
Um eine neutrale Untersuchung in die Vorwürfe Israels zu veranlassen, hatte die Palästinensische Autonomiebehörde darum gebeten, eine Untersuchung vor Ort durchzuführen. Da die Hamas eine konkurrierende Organisation ist, konnte ihr egal sein, wie der Ausgang der Untersuchung ausfallen würde. Aber Israel verhinderte diese Untersuchung.
„Maya Schocken, Leiterin der internationalen Abteilung des Israelischen Frauennetzwerks (und Verwandte des Herausgebers von Haaretz, vollständige Offenlegung), sagte: ‚Die klare Sorge ist, dass Israel auf die schwarze Liste der Staaten und Organisationen gesetzt werden könnte, die für sexuelle Gewalt in Konflikten verantwortlich sind, während die Terrororganisation Hamas von der Liste fernbleibt.‘ Prof. Ruth Halperin-Kaddari, Leiterin des Rackman Center der Bar-Ilan-Universität, das sich für die Verbesserung des Rechtsstatus von Frauen in Israel einsetzt, hat bereits zuvor geholfen, Patten nach Israel zu bringen, und drängt weiterhin auf ihre Rückkehr. Sie unterstrich die Bedeutung von Pattens Arbeit und stellte fest, dass ihr Bericht die erste große internationale Anerkennung der Sexualverbrechen der Hamas sein könnte.“ (21)
Nach Pattens Bericht vom März drängten Frauenrechtsorganisationen in Israel, darunter das Israel's Women's Network und Hadassah, eine amerikanisch-jüdische Freiwilligenorganisation, UN-Beamte, Hamas auf die schwarze Liste zu setzen. Als Antwort auf Forderungen aus Israel, die Hamas auf die schwarze Liste der UN zu setzen, antwortete Patten, dass viele bewaffnete Gruppen an dem Angriff vom 7. Oktober beteiligt waren und dass es Zeit und mehr Zugang für die Untersuchung brauche, um sexuelle Gewalt einer bestimmten Gruppe zuzuschreiben. Im selben Brief, so der Artikel weiter, bezog sich Patten auch auf ihre Empfehlung an die israelische Regierung, die in dem von ihr veröffentlichten Originalbericht enthalten war, UN-Gremien mit Untersuchungsmandaten Zugang zu gewähren, damit sie ihre Arbeit verrichten können.
Die in dem Artikel genannte Kommission hatte in ihrem Bericht festgestellt, dass sie keinen direkten Zugang zu Zeugenaussagen und Beweisen erhalten habe, die ihre Schlussfolgerungen hätten untermauern und erweitern können, und dass die israelische Regierung ihren Zugang sogar eingeschränkt habe. Mit anderen Worten: Es wurde ausschließlich belastendes Material zur Einsicht erlaubt, aber kein Zugang zu allen Dokumenten.
Ein von Dr. Sarai Aharoni und Shira Barbirai-Shaham verfasster Bericht habe sich dann auf Versäumnisse vor und nach dem 7. Oktober konzentriert, und die Nichtumsetzung von Regierungs- und UN-Resolutionen zur Sicherheit von Frauen in Konflikt- und Notfallsituationen bemängelt, sowie das Versäumnis, ein staatliches Gremium einzurichten, das befugt war, die Folgen der sexuellen Gewalt beim Hamas-Angriff zu dokumentieren und zu behandeln. Der Bericht, so berichtet der Artikel, hebe auch hervor, wie das Thema sexuelle Gewalt für PR-Zwecke missbraucht wurde, wobei die Bedürfnisse der Opfer oft vernachlässigt wurden.
Der Artikel erklärte dann Einzelheiten über die Arbeit der UN-Beauftragten, und wie ihre Arbeit von Israel boykottiert wurde. Worauf das israelische Außenministerium mit der Erklärung antwortete, abgekürzt, dass das Ministerium „daran arbeite“ mit Patten zusammen zu arbeiten. Soviel also zu „Massenvergewaltigungen“.
Am 9. Januar wurde bekannt, dass Netanjahu den Generalmajor Avi Bluth angewiesen hatte, eine Offensive auf der Westbank durchzuführen. Alles deutete darauf hin, dass nun auf der Westbank die gleiche Strategie des Völkermordes angewandt werden sollte, wie in Gaza (22). Nach ersten brutalen Anfängen hörte man jedoch in den folgenden Tagen wenig darüber.
Bei einem Treffen akademischer Historiker haben Professoren mit 428 zu 88 Stimmen dafür gestimmt, Israels Zerstörung des Bildungssystems in Gaza, oder das, was sie als „Scholastik“ bezeichnen, zu verurteilen. In der New York Times wurde jedoch „Besorgnis geäußert“, weil
1. Historiker übersehen hätten, dass sich die Hamas angeblich in den Schulen in Gaza versteckt hätten und so Israel zwangen, sie zu zerstören.
2. Die Abstimmung die Schüler dazu bringen könnten, ihre Proteste zu wiederholen
3. Historiker sich auf kritisches Denken über „Geschichte“ konzentrieren sollten – vermutlich nur abstrakt und über längst vergangene Ereignisse – anstatt kritisch über aktuelle Politik nachzudenken.
4. Sich gegen den Völkermord auszusprechen, würde die Wissenschaft „politisieren“, anders als mitschuldiges Schweigen angesichts eines Völkermords.
5. Trump könnte verärgert sein, und die Abstimmung ihn noch rachsüchtiger gegenüber der Wissenschaft machen. (23)
Am 9. Januar schließlich wurde wie erwartet mit 243 Ja und 140 Nein-Stimmen ein Gesetz in den USA abschließend angenommen, welches Sanktionen gegen den IStGH oder ICC ermöglichen soll, sollte das Gericht irgendeine ‚geschützte Persönlichkeit“ der USA oder seiner Alliierten, insbesondere Israels, „verhaften, inhaftiert halten oder anklagen“.(24) Nicht, dass es noch eines Beweises bedurft hätte, dass das Gericht eigentlich als politisches Werkzeug für die Kolonialländer gedacht gewesen war, um besiegte oder andere Feinde, insbesondere afrikanischer Abstammung, zu verfolgen, damit die Kolonialländer die eigenen Kriege rechtfertigen konnten. Ebenso wie die Entscheidung der polnischen Regierung, die Haftbefehle des IStGH zu ignorieren, und Netanjahu nach Polen einzuladen, um an den Jahresfeierlichkeiten zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz teilzunehmen, öffnete es aber wieder einigen Menschen mehr die Augen. Die polnische Regierung hatte beschlossen, Netanjahu und anderen Vertretern Israels "freien und sicheren Zugang" zu diesen Gedenkfeiern zu garantieren. Allerdings schien Netanjahu dem Braten nicht zu trauen und schickte seinen Bildungsminister, gegen den bis dahin kein Haftbefehl vorlag. Die Seite WP wiadomosci (25) berichtet über die Reaktion des IStGH:
„Der Internationale Strafgerichtshof reagiert auf die Entscheidung der polnischen Regierung, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Garantien zu geben. ‚Die Staaten können jedoch nicht einseitig über die Gültigkeit der Rechtsentscheidungen des Gerichtshofs entscheiden‘, heißt es in der an Wirtualna Polska übermittelten Antwort. ‚Der Gerichtshof verlässt sich darauf, dass die Staaten seine Entscheidungen durchsetzen. Dies ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung gegenüber dem Gerichtshof gemäß dem Römischen Statut, sondern auch eine Verantwortung gegenüber anderen Vertragsstaaten. Wenn Staaten Bedenken hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof haben, können sie ihn konsultieren. Rechtzeitig und wirksam. Allerdings können die Staaten nicht einseitig über die Gültigkeit der Rechtsentscheidungen des Gerichtshofs entscheiden. Wie in Artikel 119 des Statuts festgelegt, ‚wird jede Streitigkeit über die richterlichen Aufgaben des Gerichtshofs durch eine Entscheidung des Gerichtshofs beigelegt, ', erklärte die Pressestelle des Internationalen Strafgerichtshofs gegenüber Wirtualna Polska.“ (26)
Dadurch weist das Gericht darauf hin, dass Polen als Unterzeichnerstaat an den Vertrag gebunden ist, demnach auch an die Urteile des Gerichtes. Theoretisch müsste eine Sanktionierung durch die anderen Mitglieder des Vertrages die Folge sein, sollte Polen den Haftbefehl missachten.
Hier endet das Format des PodCasts. Was weiter passierte, können Sie dem Text im Anhang entnehmen. Lassen Sie sich das nicht entgehen, damit Sie die Zusammenhänge verstehen. Sie erfahren dort mehr über den möglicherweise jetzt doch bevorstehenden Waffenstillstand in Gaza, und was Trump damit zu tun hat, wie die Libanon-Besetzung durch Israel läuft und ob Jordanien vielleicht die nächste Eroberung auf dem Weg zu Groß-Israel sein könnte.
Anhang
Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://x.com/jochen_mitschka
Bereits früher hatten sich die Schätzungen für Opfer auf Grund des Völkermordes in Gaza auf bis zu 600.000 belaufen. Wenn natürlich nur die namentlich bekannten und geborgenen Toten gezählt werden erscheint die Zahl dramatisch niedriger. Aber durch die indirekten Maßnahmen, wie Hunger, Durst, fehlende Hygiene, Krankheiten durch die Blockade, fehlende humanitäre Hilfe, und für die unzähligen namenlosen Toten unter den Trümmern, musste man im Januar 2025 davon ausgehen, dass das ganze Ausmaß der Zerstörung und des Verbrechens erst viel später bekannt werden wird. Vielleicht würde die Wahrheit sich einen Weg bahnen, wenn Israel zuließe, dass internationale Medienorganisationen nach Gaza gehen. Die renommierte Medienzeitschrift The Lancet schätzte am 9. Januar die Anzahl der direkt durch israelische Bomben, Raketen und Beschuss zu Tode gekommenen Palästinenser zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 30. Juni 2024 auf 64 260.
„Wir schätzten, dass es während des Untersuchungszeitraums 64.260 Todesfälle (95 % KI 55.298–78.525) aufgrund traumatischer Verletzungen gab, was darauf schließen lässt, dass das palästinensische Gesundheitsministerium die Sterblichkeit um 41 % unterschätzt hat. Die annualisierte rohe Sterberate betrug 39,3 pro 1000 Personen (95 % KI 35,7–49,4), was einer Rate von 14,0 (95 % KI 12,8–17,6) im Vergleich zur Gesamtmortalität im Jahr 2022 entspricht, selbst wenn man die nicht verletzungsbedingte Übersterblichkeit außer Acht lässt. Frauen, Kinder (<18 Jahre) und ältere Menschen (≥65 Jahre) machten 16.699 (59,1 %) der 28.257 Todesfälle aus, für die Daten zu Alter und Geschlecht verfügbar waren.“ (27)
Während also Rechtfertiger des Völkermordes in Deutschland behaupten, Palästinenser hätten die Zahlen künstlich vergrößert, erklärt diese Untersuchung, dass die Zahlen deutlich zu niedrig angesetzt wurden. Wohlgemerkt, nur die Zahlen für Tote, welche unmittelbar durch Beschuss oder Bombardierung starben.
Es gab im Januar eine belgische Nichtregierungsorganisation, welche versuchte, die Verbrechen der israelischen Besatzungstruppen nicht ungestraft zu belassen. Die Hind Rajab Foundation basiert dafür nicht nur auf Anzeigen beim IStGH in den Haag, da dessen Zukunft ungewiss war, sondern versucht Ankläger in der ganzen Welt zu aktivieren, um die Verbrechen, welche die Täter fast immer selbst ins Internet gestellt hatten, zu sühnen.
Der Name der Organisation ruft den Tod eine 6-jährigen Mädchens in Erinnerung. Hind Rajab wurde Anfang 2024 in Gaza mit über 300 Projektilen getötet worden (28), nachdem es vorher über Telefon aus dem bereits zerstörten Auto neben den toten Eltern um Hilfe gebeten hatte.
Diese Organisation hatte zu dem Zeitpunkt bereits über 1000 Soldaten auch beim IStGH angezeigt. Und da die Beweise unwiderlegbar waren, blieb diesem Gericht und den Gerichten in Ländern mit unabhängiger Justiz eigentlich nichts anderes übrig, als die Anzeigen zu verfolgen. Besonders unausweichlich, so konnte man vermuten, würde dies für die Soldaten, und das sind nicht wenige, welche eine doppelte Staatsbürgerschaft besaßen, und die zweite Staatsbürgerschaft zu einem Land gehörte, welches die Römischen Verträge ratifiziert hatte. Und diese Verfolgung von Kriegsverbrechen könnte zu dem größten Projekt des IStGH werden. Könnte … Mehr dazu später.
Es gab bereits Anfang Januar einige konkrete Fälle, in denen israelische Soldaten panikartig ihre Urlaubsländer verließen, weil ihnen die Verhaftung drohte. Angeblich hatte die IDF mindestens 30 Soldaten ausdrücklich vor Auslandsreisen gewarnt. Berichte sprachen davon, wie der Mossad angeblich Soldaten konspirativ aus den Ländern geschafft hätte.
Von Israel wurden die Organisatoren der Foundation natürlich als Terroristen nahestende Islamisten bezeichnet. Und Israel hatte eine spezielle Abteilung im Außenministerium eingerichtet, welche die Fälle von Verhaftungen weltweit verhindern sollte, und im Notfall eine Flucht.
In Haaretz las man jedoch israelische Selbstkritik:
„Die wahre Wurzel des Problems ist jedoch die mangelnde Verfolgung potenziell kriminellen Verhaltens durch die israelischen Behörden und Israels Vertrauenskrise mit Ländern auf der ganzen Welt, wie Prof. Vaios Koutroulis, ein Experte für internationales Recht an der Université Libre de Bruxelles, feststellt. Er drückt es so aus: Wenn Israel auf gutem Fuß mit einem anderen Land steht, können beide Länder jeden beliebigen Fall verhandeln und entscheiden, ob gegen einen Soldaten mit doppelter Staatsbürgerschaft in Israel oder im anderen Land ermittelt werden soll. Heute, fügt er hinzu, sehen die Länder eine Diskrepanz zwischen der Zahl der Verstöße Israels und der Zahl der von ihm eingeleiteten Ermittlungen, sodass es schwierig ist, andere Länder davon zu überzeugen, dass Israel gründliche Ermittlungen durchführt, die eine ausländische Beteiligung unnötig machen. So berichtete Haaretz im November, dass die israelischen Streitkräfte während des Gaza-Kriegs nur 15 Soldaten angeklagt hatten. Fast alle dieser Fälle betrafen Diebstahl, und in keinem ging es beispielsweise um die Verursachung des Todes von Gefangenen.“ (29)
Die Verfolgung von Kriegsverbrechen wurde, so der Artikel, insbesondere durch rechtsextreme Kreise in der Regierung und Gesellschaft verhindert. Es seien bereits zwei Militärstützpunkte von Extremisten gestürmt worden, um Verfahren zu verhindern.
Waffenstillstand?
Am 11. Januar konnte man lesen, dass die IDF Pläne genehmigt habe, welche einen Rückzug von Truppen aus einigen Gebieten Gazas vorsehen[30]. Als Begründung wurden Fortschritte in den Geiselverhandlungen genannt. Allerdings hatte es bereits oft angebliche „kurz bevorstehende Vereinbarungen“ gegeben, die dann von Netanjahu immer wieder im letzten Augenblick verworfen worden waren. Und zuletzt hatte er ja sogar erklärt, dass der „Krieg“ auch nach Lösung der Geiselfrage weitergehe.
Am 12. Januar sei aber eine Delegation unter der Leitung der Chefs des israelischen Mossad und Shin Bet ist in Katar eingetroffen, um über einen Waffenstillstand und ein Geiselnahmeabkommen zu sprechen. Der Minister für Gefangene der Palästinensischen Autonomiebehörde sagte über das in Verhandlungen befindliche Abkommen, dass in der ersten Phase des Abkommens Israel 1.200 palästinensische Gefangene freilassen werde, von denen 200 lebenslange Haftstrafen verbüßten. Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, meinte, es sei „möglich“, dass bis zum Ende der Amtszeit von Präsident Biden ein Abkommen abgeschlossen werden könne. (31)
Familien von Angehörigen israelischer Geiseln protestierten gegen die Politik Netanjahus, nicht sofort alle Geiseln einzutauschen. „Das Tikva Forum, eine Gruppe von Familien, deren Angehörige unter den Geiseln sind, die militärischen Druck auf die Hamas befürwortet, um die Freilassung der Gefangenen zu erreichen, protestierte gegen den aktuellen Vorschlag für einen teilweisen Geiselnahme-Deal. Tzvika Mor, deren Sohn Eitan in Gaza als Geisel festgehalten wird, sagte: ‚Premierminister Netanjahu, nach 15 Monaten Krieg ist der Deal, den Sie dem israelischen Volk vorschlagen, ein Deal, der den Tod der meisten Geiseln zur Folge haben wird... Wir fordern, dass Sie [alle Geiseln] zur gleichen Zeit, am gleichen Tag, in einem Bus zurückbringen... Ich möchte, dass mein Sohn zusammen mit allen anderen nach Hause kommt‘.“[32] Aber bis dahin hatte Netanjahu die Geiseln vor der Weltöffentlichkeit als Grund für seinen Völkermord in Gaza benötigt. So dass es fraglich war, ob er sich würde beeindrucken lassen.
Wenn man genau hinschaute, erkannte man, dass der „ausgehandelte“ Geiseltauschvertrag derselbe Vorschlag war, den die Hamas am 6. Mai und am 2. Juli 2024 bereits akzeptiert hatte, ein Vorschlag, der angeblich von Biden stammte. Damals war Netanjahu aber offensichtlich noch nicht weit genug mit seiner Zerstörung Gazas gewesen, weshalb er bis Januar 2025 immer neue Bedingungen gestellt hatte.
Die USA hatten die Hamas 8 Monate lang bedrängt, die immer neuen israelischen Bedingungen zu akzeptieren, um Netanjahu zu befriedigen. Aber immer wenn die Hamas etwas zugestimmt hatte, waren plötzlich neue Bedingungen aufgetaucht. Zum Beispiel
- die Besatzung von 33% der Fläche Gazas durch Israel in den so genannten Korridoren Netzarim und Philadelphia und der östlichen Pufferzone,
- die Beschränkung der Zahlen der Menschen, denen erlaubt werden sollte, zurückzukehren,
- die Erhöhung der Zahl der israelischen Geiseln, die Forderung nach einer Liste der lebenden israelischen Geiseln,
- das Bestehen darauf, dass freigelassene palästinensische Geiseln das Land verlassen, ins Exil gehen und nie mehr zurückkehren dürfen,
- die Forderung danach, dass die Soldaten unter den israelischen Geiseln als erste freigelassen werden,
- die Erschaffung einer zusätzlichen neuen Pufferzone im Norden Gazas (Beit Hanoun und Beit Lahia), wodurch die Enklave weiter geschrumpft würde,
- die Errichtung von Kontrollpunkten innerhalb Gazas mit Videokameras, die mit Gesichtserkennungssoftware ausgerüstet sind, um eine lückenlose Überwachung aller Bewohner zu ermöglichen,
- die Errichtung von Kontrollpunkten mit Gesichtserkennungskameras auf der Route der Gaza-Bewohner, die in den Norden zurückkehren;
- das Beharren auf einer vorübergehenden „Pause“ für 8 Wochen und dann zurück in den Krieg statt einen Waffenstillstand …
All diese Verzögerungstaktiken Netanjahus verstießen gegen den UN-Sicherheitsratsbeschluss vom Juni 2024, der auch von den USA abgesegnet worden war. Aber die USA vertuschten das, und übten keinerlei Druck auf Israel aus, dem Sicherheitsratsbeschluss zu folgen. Stattdessen wurde behauptet, „Hamas“ sei schuld.
Und so ging es auch bis in den Januar 2025. Wenn dieser Waffenstillstand nun erreicht werden sollte, dann, weil Netanjahu nichts mehr zu zerstören sah, weil die IDF für Syrien und den Libanon gebraucht wird, oder vielleicht wegen Trump?.
Am 13. Januar schien sich dann ein Waffenstillstand zu konkretisieren. Der hebräischsprachige Fernsehsender Channel 12 berichtete, dass Netanjahu den Waffenstillstandsvertrag am 14. Januar ins Kabinett einbringen wolle. Angeblich soll eine Mehrheit von 27 Stimmen gegen 7 Nein-Stimmen den Abschluss sicherstellen.
In der ersten Phase, die sich „humanitäre Phase“ nannte, die unerklärlicherweise über mehrere Wochen dauern sollte, würden 33 israelische Geiseln frei gelassen werden. Die Freilassung der restlichen sollte dann in der ersten Phase besprochen werden. Wobei man annehmen durfte, dass die Freilassung von 33 Geiseln für die Hamas eher eine Erleichterung sein würde, als eine Belastung.
Der Sender berichtete, dass sich die israelische Armee nicht aus Gaza zurückziehen wird, bis die letzte Geisel frei gekommen ist. Man kann davon ausgehen, dass sie auch danach weiter bleiben wird, weil es Netanjahu bereits früher angekündigt hatte. Angeblich soll es am Ende für Anwohner des nördlichen Teils von Gaza möglich sein, in die Ruinen ihrer Häuser zurückzukehren.
Am 14. Januar verbreiteten sich Gerüchte, dass Trump Druck ausgeübt habe, damit ein Waffenstillstand in Gaza endlich realisiert wird. Während er also in Reden laut der Hamas mit der totalen Vernichtung gedroht hatte, wird verbreitet, dass er angeblich den „rechten Flügel der israelischen Regierung zum Schmelzen“ gebracht habe (33). Der Rechtsextreme Meir Ettinger, ein Abkömmling von Rabbi Meir Kahane, der der Anführer der Siedlergruppe war, welche eine palästinensische Familie im Jahr 2015 in ihrem Haus lebend verbrannten, kommentierte das mit einem Foto von Trump und dem Bibeltext: „Verflucht ist der Mensch, der auf den Menschen vertraut und sein Vertrauen in das Fleisch seines Samens setzt“ (34).
Aber man sollte Trump nicht zu früh als Friedensengel loben. In israelischen Medien wurde verbreitet, dass Trump Netanjahu versprach, ihn bedingungslos zu unterstützen, sollte er die Kämpfe im Gaza-Streifen wieder aufnehmen wollen, wenn er nur jetzt erst mal den Waffenstillstand akzeptierte (35).
Aber die ultrarechte Regierung Netanjahu klagte darüber, zu dem Waffenstillstand „gezwungen worden zu sein“.
„Wir sind die Ersten, die den Preis für Trumps Wahl bezahlen. Wir werden zu diesem [Deal] gezwungen. Ich glaube nicht, dass wir das geplant oder erwartet haben. Wir dachten, wir würden die Kontrolle über den nördlichen Gazastreifen übernehmen und verhindern, dass humanitäre Hilfe dorthin gebracht wird.“ (36)
Darüber hinaus wurde berichtet, (37) dass Trump beabsichtige, einen Krieg gegen den IStGH zu führen, um die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant und weitere vermutliche Kriegsverbrecher in der israelischen Gesellschaft und dem Militär, die in Vorbereitung waren, zu „löschen“.
Trump war in seiner ersten Amtszeit schon erfolgreich damit gewesen, zu verhindern, dass der IStGH gegen Verbrechen der USA in Afghanistan und dem Irak vorging, ohne dass die Welt sich dagegen gewehrt hätte. Aber nun ging es darum, einen Völkermord zu verharmlosen, den die Täter selbst lautstark angekündigt hatten und darüber prahlten. Dies zu verhindern, dürfte bedeuten, das Ende sowohl des Internationalen Strafgerichtshofes, als auch des IGH und sogar der UN in seiner jetzigen Form einzuläuten.
Nun war aber der Mossad offensichtlich schon erfolgreich gewesen. Mitte Januar konnte man lesen, dass die einzige Richterin, welche im IGH-Verfahren gegen Israel in allen Punkten zugunsten Israel gestimmt hatte, nun zur Belohnung Präsidentin des IStGH wurde. Niemand kannte die Hintergründe, niemand konnte erklären, wie es dazu gekommen war, nachdem sich auch ihr Land von der Richterin distanziert hatte. Welche in Wunder! Wir erinnern uns, was schon in vorherigen Büchern und Artikeln berichtet wurde, wie der Mossad Richter des IStGH ausspionierte und bedrohte. Das würde nun nicht mehr notwendig sein. Nochmal: Richterin Sebutinde wegen ihres seltsamen Verhaltens von Uganda aus dem IGH abgezogen worden, nur um nun im IStGH in noch mächtigerer Position wieder aufzutauchen? Das, so konnte man annehmen würde das Ende des IStGH einläuten.
„Richterin Sebutinde, die erste afrikanische Frau an diesem Gericht, widersetzte sich im Juli 2024 auch einem IGH-Gutachten, in dem Israels Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebieten für rechtswidrig erklärt wurde. Sie sagte, der Fall käme einer ‚einseitigen forensischen Prüfung der Einhaltung des Völkerrechts durch Israel‘ gleich. Die ugandische Regierung hat sich von ihren Ansichten über Israel distanziert.“ (38)
Zurück zu Trump. Wie waren nun diese widersprüchlichen Meldungen zum Verhalten Trumps einzuordnen? Netanjahu und seine Regierung hatten über ein Jahr lang einen Geiselaustausch und Waffenstillstand verhindert. Dabei waren Blinken und Biden „nützliche Idioten“ des israelischen Premierministers gewesen, von dem Kritiker behaupten, er sei der „Handler“ Bidens gewesen. Die Wahl Trumps hatte jedoch alles verändert.
Zunächst hoffte Israel, dass die bloße Vorstellung einer neuen Regierung Trumps und seine verbalen Drohungen, die Hamas dazu zwingen würden, ihre Haltung aufzugeben und Israels immer weiter gesteigerte Bedingung zu akzeptieren, die nichts Anderes als eine unbefristete israelische Besetzung des Gazastreifens bedeuteten, zusammen mit der bedingungslosen Freilassung aller festgehaltenen Israelis.
Netanjahu hatte ja sofort nach der Wahl seinen “Minister für strategische Angelegenheiten“ Ron Dermer nach Mar-a-Lago geschickt, um Trump und seine Berater auch, wie Biden, für diesen Plan zu gewinnen. Als Trumps Nahost-Gesandter Steve Witkoff – der selbst ein jüdisch zionistischer Radikaler ist, die Region am 2. Dezember 2024 zum ersten Mal besuchte, ging er angeblich von derselben Annahme aus. Aber anscheinend hatte er vor Ort begriffen, dass die Situation anders einzuschätzen war. Es ist nicht bekannt, was er genau bei seinem Besuch erfuhr, aber vermutlich wurde ihm bewusst, dass die Hamas nichts mehr zu verlieren hatte, also gar nicht mehr mit irgendetwas erpresst werden konnte. 95 % der Gebäude in Gaza waren zerstört oder teilweise zerstört und 10 % der palästinensischen Bevölkerung in Gaza, darunter zahllose Kinder, waren getötet worden. Es gab gar nichts mehr, was noch schlimmer kommen könnte.
Witkoff war an Trumps Seite gewesen, als der seine jüngste „Höllendrohung“ aussprach, aber diesmal machte der Präsident, der sein Amt noch gar nicht, klar, dass die Warnung nicht nur an die Hamas gerichtet war. Zum ersten Mal schien Trump Netanjahu zu signalisieren, dass er wusste, dass dieser das Problem war. Und Trump tat dies nach der Pressekonferenz, indem er auf seiner Truth App ein Video von Professor Sachs postete, der Netanjahu als den ultimativen Bösewicht im Nahen Osten bezeichnete, der „die USA in unnötige Kriege hineinzieht“. Eindeutiger ging es gar nicht mehr, nachdem dieses Posting auch nicht entfernt oder irgendwie relativiert wurde. Was dann zur Absage der Reise Netanjahus zur Amtseinführung Trumps führte, obwohl, angeblich sei er gar nicht eingeladen gewesen.
Nach eine kurzen Schockpause hatten die ersten Analysten in Israel diskutiert, wie es sein konnte, dass Trump Netanjahu so offen gedemütigt hatte, während ich die Vermutung äußerte, dass nun ein Sündenbock gefunden worden war, der man in Zukunft den Völkermord anhängen würde. Während die Medien in den USA und Deutschland diesen ganzen Vorgang weitgehend „übersahen“.
In einem letzten Versuch hatte Netanjahu am Sonntag, dem 12.1.2025 unerwartet mit Biden telefoniert. Es war das erste Mal seit Oktober 2023, womit er indirekt seine Angst vor Trump ausdrückte. Und seine Befürchtung, dass Trump ihm den Rücken fallen würde. Netanjahus hektisches Handeln zeigte, dass man in Israel nun der Meinung war, dass Trumps verbale Drohungen angesichts der Totalzerstörung Gazas nun auf sie zielten.
In der Folge gab es zum ersten Mal Signale von Netanjahu, ernsthaft auf den vom UN-Sicherheitsrat geforderten Waffenstillstand einzugehen.
Schockiert und ungläubig wurde in Israel zur Kenntnis genommen, dass Trump angeblich einen Hisbollah zugeneigten islamischen Geistlichen eingeladen hatte, auf der Amtseinführungsfeier Trumps zu sprechen. Was steckte dahinter? Husham al-Husainy ist ein schiitischer Geistlicher, der schon in einer Demonstration gegen die Machthaber in Saudi-Arabien aufgetreten war, und der In Twitter / X als „Sprechpuppe der iranischen Mullahs“ bezeichnet wurde (39) und als Hisbollah-Unterstützer (40). Der Protest gegen das saudische Regime richtete sich gegen die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr durch die saudischen Herrscher. Natürlich wurde er von Zionisten zum Antisemiten erklärt, wie könnte es anders sein. Interessanterweise hatte sich al-Hsainy aber laut anderen Äußerungen in Twitter / X als Kritiker jeder Gewalt und Extremismus auch durch die Hisbollah. Allerdings ist ja schon die Weigerung, die Hisbollah als Terrororganisation anzusehen, für Zionisten ausreichend, ihn zum Unterstützer zu erklären.
The Indepent schrieb am 15. Januar, nachdem die Zeitung eine der üblichen Behauptungen Blinkens zitierte
„Wir warten nur noch auf eine Bestätigung der Hamas“:
„Seine Aussage kam, als Israels nationaler Sicherheitsminister einen letzten Versuch unternahm, den Waffenstillstand zunichte zu machen. Ben Gvir gab gestern bekannt, dass er im vergangenen Jahr wiederholt ein Geiselnahme- und Waffenstillstandsabkommen mit der Hamas vereitelt habe, und forderte Finanzminister Bezalel Smotrich auf, sich ihm bei der Verhinderung des neuen Abkommens anzuschließen. Ein israelischer Beamter sagte, in der ersten Phase des Abkommens würden 33 Geiseln freigelassen, darunter Kinder, Frauen – darunter einige Soldatinnen –, Männer über 50 sowie Verwundete und Kranke. Die erste Phase würde bis zu 60 Tage dauern, wobei die Verhandlungen für die zweite Phase am 16. Tag beginnen würden, wenn alles wie geplant verläuft. In dieser Phase würden die verbleibenden lebenden Geiseln – männliche Soldaten und jüngere Zivilisten – freigelassen und die Leichen der toten Geiseln zurückgegeben.“(41)
Am 14. Januar hatte übrigens der US-Außenminister Blinken zugegeben, dass die Hamas keineswegs „geschlagen“ war, sondern so viele neue Rekruten in den Reihen hatte, wie vor der völkermörderischen Zerstörung Gazas(42). Was niemanden überrascht, denn mit jedem Familienmitglied, was erschossen wurde, das verbrannte oder unter Trümmern begraben blieb, wurden neue Widerstandskämpfer motiviert. Widerstand lässt sich nicht mit Massenmorden beseitigen! Das funktionierte auch in Israel nicht seit 1948. Aber wie üblich wurde einfach immer wieder die gleiche Medizin, nur in noch höherer Dosis versucht.
Und dann gäbe es auch noch etwas zu der Behauptung der Bundesregierung Deutschlands zu sagen, dass Israel „die einzige Demokratie in der Region“ sei. Yanis Varoufakis erinnerte daran, dass 27 Mitglieder der Knesset, des Parlaments Israels, darunter ein oppositioneller Abgeordneter, am 13. Januar einen Gesetzentwurf eingebracht hatten, der Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen und jüdischem Terror unter Strafe stellen sollte.
„Der Gesetzesentwurf ändert das Gesetz zum Verbot der Diffamierung und schafft eine neue Form zivilrechtlichen Unrechts: ‚Falsche Anschuldigungen wegen Kriegsverbrechen oder nationalistischen Verbrechens‘; und sieht eine Entschädigung von bis zu 500.000 Schekel ohne Nachweis eines Schadens für den Kläger vor.
Insbesondere soll der Gesetzesentwurf Siedler schützen, die von der internationalen Gemeinschaft sanktioniert wurden.
Der Gesetzesentwurf nutzt das Deliktsrecht in schwerwiegender Weise, um die Meinungsfreiheit einzuschränken und jeden ins Visier zu nehmen, der Israel Kriegsverbrechen vorwirft oder die internationale Gemeinschaft auf Siedlerterrorismus und nationalistische Verbrechen gegen unschuldige Palästinenser aufmerksam macht.“(43)
Die Libanon-Besetzung
Am 9. Januar fand im Parlament des Libanons eine Abstimmung über den zukünftigen Präsidenten des Landes statt. Die USA versuchten das Land zu zwingen, den Armeechef zum Präsidenten des Landes zu wählen, obwohl seine Wahl gegen die Verfassung verstieß, und quasi einen Militärputsch darstellte. Außerdem wäre es kein Putsch aus dem Inneren des Landes. Denn 50% des militärischen Personals des Libanons wird ganz offiziell durch die USA bezahlt. Was auch erklärte, warum die libanesische Armee nichts gegen die Invasion Israels unternommen hatte. Der US-Gesandte für den Libanon war natürlich ein ehemaliger IDF-Offizier. Die USA, so die Gerüchte, drohten: "Solange der Armeechef nicht zum Präsidenten gewählt wurde, könne man den Rückzug Israels aus dem Süden des Libanons nicht 'garantieren'." Mit anderen Worten: „Entweder wählt ihr eine Marionette als Präsidenten, oder Israel bombardiert euch wie Gaza zu Staub“.
Dass dieser Rückzug eigentlich eine Bedingung des Waffenstillstandes ist zeigt, wie unwichtig irgendwelche Vereinbarungen für Israel und seine Unterstützer sind.
Die Botschafter der USA, Frankreichs und Saudi-Arabiens verbrachten den ganzen Tag im Parlament mit den verschiedenen Abgeordneten, um sie zu überzeugen, „richtig“ zu stimmen, da bei der ersten Abstimmung die notwendige Mehrheit nicht erreicht wurde. Aber am Nachmittag berichtete CNN, dass der Armeechef Joseph Aoun in der zweiten Abstimmungsrunde erfolgreich gewählt wurde.(44) Offensichtlich hatten auch die Hisbollah und politische Partner im zweiten Wahlgang für den Armeechef gestimmt.
Schauen wir uns genauer an, was am 8. und 9. Januar im Libanon passierte. Nach zwei Jahren und zwei Monaten ohne Präsidenten, nach zwei Monaten grausamer israelischer Versuche einer Invasion von Süd-Libanon, intervenierten ausländische Mächte unter Führung der Vereinigten Staaten und Frankreichs zusammen mit arabischen Diktaturen (Ägypten, Katar und Saudi-Arabien), unter dem Vorwand, libanesischen Politikern bei der Wahl eines Präsidenten zu helfen.
Angeblich wollten sie nur dabei helfen, eine politische Sackgasse zu überwinden. Bis dahin hatten sich bestimmte libanesische Fraktionen geweigert, überhaupt in einen Dialog über die Wahl eines Präsidenten einzusteigen. Dann folgte eine Phase, in der sich die Parteien nicht über den richtigen Kandidaten einigen konnten. Aber auch bei den „Mediatoren“ gab es Uneinigkeit über den „richtigen“ Kandidaten.
Während Katar zunächst die Wahl von Elias Bayssari förderte, blieb Saudi-Arabien ohne eindeutige Aussage, bis sich das Land nach dem Fall Syriens offen mit den USA verbündete und den nun gewählten Joseph Aoun unterstützte. Israel, die USA und Saudi-Arabien hatten also den Armeechef als angeblichen Konsenskandidaten durchgesetzt. Allerdings ist deutlich zu sehen, dass seine Wahl keineswegs im Konsens erfolgte.
Innerhalb des Libanons mag man nicht offen darüber sprechen. Aber die enge Beziehung des Gewählten zu den USA ist eine Hauptsorge. Er ist finanziell, politisch und in jeder Beziehung von den USA abhängig. Es ist schwer vorstellbar, wie er eine unabhängige Politik betreiben kann.
Frankreich, das ursprünglich Samir Assaf als seinen bevorzugten Kandidaten unterstützt hatte, änderte schließlich auch seine Position, um sich auf die Seite der USA zu stellen und Joseph Aoun zu unterstützen.
„Die Bemerkungen des französischen Botschafters während eines Treffens mit libanesischen politischen Blöcken enthüllten die offene Natur der ausländischen Einmischung, als er auf die Frage einiger Abgeordneter, was die Alternativen seien, unverblümt sagte: ‚Joseph Aoun – 1, 2, 3 … 10‘. Zu der Ernüchterung trägt auch die allgegenwärtige Korruption bei, die den Wahlprozess geplagt hat.
Berichten zufolge wurden Parlamentsstimmen für bis zu 200.000 Dollar pro Stimme gekauft, was das Ausmaß sowohl der ausländischen Einmischung (und des transaktionalen Ansatzes des Westens im Libanon) als auch der inländischen Korruption im Parlament verdeutlicht.
Schließlich ist Joseph Aouns Kandidatur auch mit verfassungsrechtlichen Problemen behaftet. Laut der libanesischen Verfassung ist er aufgrund seiner derzeitigen Position als Staatsbediensteter nicht für das Präsidentenamt wählbar, es sei denn, er tritt zurück und bleibt für einen bestimmten Zeitraum aus dem Amt – eine Bedingung, die er nicht erfüllt hat. Diese verfassungsrechtliche Anforderung hat den Widerstand gegen seine Nominierung geschürt, insbesondere seitens der Freien Patriotischen Bewegung, die seine Kandidatur für verfassungswidrig hält. Sie lehnten eine Teilnahme am sogenannten Konsens ab und gaben ihre Stimmen stattdessen unter dem Banner ‚Souveränität und Verfassung‘ ab (…)“(45)
Nochmal, damit das klar ist: Die Kolonialstaaten haben nicht nur ihren Kandidaten durchgesetzt, sondern außerdem erreicht, dass die Wahl einen Verfassungsbruch darstellte. Was den fehlenden Respekt für Gesetze und die Souveränität eines Landes allzu deutlich macht.
Statt wie erwartet 76 Stimmen, erhielt der Kandidat im ersten Wahlgang trotz Korruption nur 71 Stimmen. Also mussten die Botschafter noch mal neu ran. Und anscheinend hatte der Widerstandsblock, zu dem auch die Hisbollah gehörte, zusätzliche Zugeständnisse erhalten, denn im zweiten Wahlgang wurde Aoun dann schließlich mit einer ausreichenden Mehrheit bestätigt.
Dieser Widerstand und der Kampf um die Souveränität des Libanons gibt Unterstützern der libanesischen Souveränität Hoffnung:
„Ausländische Mächte können versuchen, ihren Willen durchzusetzen, aber kein Präsident kann im Libanon ohne die Zustimmung des Widerstandsduos gewählt werden – eine Erinnerung daran, dass es immer noch einige Libanesen gibt, die sich weigern, dass ihnen die Souveränität von außen diktiert wird. Vor allem ist es eine Erinnerung daran, dass diejenigen, die sich 2019 als unabhängig und souverän bezeichneten, sich als vom Westen beeinflusst und unterstützt erwiesen (mit Ausnahme von Halima Kaakour und Elias Jaradi). Dieser Moment markierte auch einen günstigen Zeitpunkt für das umfassendere Projekt der Vereinigten Staaten im Libanon, das darauf abzielt, den Widerstand politisch zu zerschlagen, nachdem es ihnen während der von ihnen unterstützten brutalen „israelischen“ Aggression gegen den Libanon nicht gelungen war, ihn militärisch zu besiegen. In dieser Hinsicht wurden alle Anstrengungen unternommen, durch Krieg, Zwang und Bestechung, was in der Einigung von 71 Abgeordneten gipfelte, die Joseph Aoun ohne Vorbedingungen wählten. Nur die Haltung von Hisbollah und Amal erwies sich als unerschütterlich und tatsächlich nicht bedingungslos. Die Entscheidung des Duos, die politische Stabilität nicht zu behindern, war weder bedingungslos noch ein Zeichen der Zustimmung. Sie spiegelte ihr Beharren auf der Wahrung der Interessen des Südlibanons wider – von anderen längst vergessen –, wo die „israelische“ Besatzung fortbesteht und wo die Menschen weiterhin nach den Überresten ihrer Märtyrer inmitten der Trümmer eines von den Vereinigten Staaten gegen ihr Heimatland geführten Krieges suchen. Ihre Botschaft war klar: Stabilität ist zwar unerlässlich, kann aber nicht auf Kosten der Souveränität, der Gerechtigkeit oder der Opfer derer erreicht werden, die die Würde des Libanon verteidigt haben.“(46)
Nächste Station: Jordanien?
Es war bekannt, dass der Libanon und Syrien auf der Speisekarte Israels standen. Schließlich ging es ja um „die Sicherheit Israels“, und dort waren „Feinde Israels“. Aber die wenigsten wussten, dass eigentlich Jordanien das begehrteste Ziel der zionistischen Eroberung war. Jordanien hatte sich bisher zwar verbal kritisch, aber faktisch devot dem Regime Israels bzw. der USA unterworfen. USA und Israel nutzten den Luftraum, Jordanien half dabei, die Raketen und Drohnen aus dem Iran über jordanischem Luftraum abzufangen. Gemeinsam mit den Luftwaffen anderer Länder. Nichts deutete also darauf hin, dass Jordanien eine Bedrohung sein könnte. Allerdings waren hunderttausende Palästinenser von Israel nach Jordanien vertrieben worden. Weshalb die Herrschaft des Königs durchaus nicht ungefährdet durch eine Revolution war. Aber die eigentliche Gefahr ging nicht von Jordanien gegen Israel aus, sondern umgekehrt.
Politisch einflussreiche Kreise in Israel veröffentlichten Karten, auf denen große Teile Jordaniens als jüdisches Siedlungsland ausgewiesen wurden. Worauf der jordanische Außenminister erklärte:
„Wir verurteilen entschieden die Veröffentlichung von Karten durch offizielle israelische Accounts in sozialen Medien, die angeblich historische Karten Israels sind und Teile der besetzten palästinensischen Gebiete, Jordaniens, des Libanon und Syriens umfassen. Die Veröffentlichung dieser angeblichen Karten durch die israelische Besatzungsmacht fiel mit rassistischen Äußerungen von Smotrich zusammen, in denen er zur Annexion des Westjordanlands und zur Besiedlung des Gazastreifens aufrief.“(47)
Man durfte als gespannt sein, wann es zu einer Bombardierung Jordaniens kommen würde.
Quellen und Anmerkungen
[1] https://x.com/KevorkAlmassian/status/1876950667396276259
[2] Ebd.
[3] https://x.com/reportsyrian/status/1877084009370435661
[4] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/syrien-hilfsprojekte-bundesregierung-60-millionen-100.html
[5] https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_100571128/syrien-ex-ortsvorsteher-laut-bericht-oeffentlich-hingerichtet.html
[6] https://x.com/Zlatti_71/status/1877751547280412716?t=x6oeWr27IXDUbWaQE5JFAg&s=19
[7] https://x.com/Seamus_Malek/status/1876717094902861893
[8] Das Nagel-Komitee, auch als “Komitee zur Bewertung des Verteidigungshaushalts und des Kräftegleichgewichts” bekannt, ist ein israelischer Regierungsausschuss, der 2023 vor dem Ausbruch des Kriegs gegründet wurde. Sein Hauptziel besteht darin, Empfehlungen für das Verteidigungsministerium zu erstellen, um die möglichen Konfliktbereiche für Israel in den kommenden Jahren zu bewerten.
[9] https://x.com/SprinterObserve/status/1876631268437192909
[10] https://x.com/RealAlexRubi/status/1876345604726542648
[11] https://x.com/jochen_mitschka/status/1876712811646083546
[12] https://www.haaretz.com/israel-news/2025-01-07/ty-article/palestinian-in-gaza-shot-to-death-by-israeli-commander-while-assisting-idf-report-says/00000194-41c0-dfbb-a7bc-6ff647500000
[13] https://mailchi.mp/1ec941f01aca/bip-aktuell-331-vlkermord-terrorismus-und-vlkerrecht-in-gaza?e=e9b191a683
[14] https://www.ha-makom.co.il/idf-human-shields/
[15] https://www.haaretz.com/israel-news/2025-01-07/ty-article/palestinian-in-gaza-shot-to-death-by-israeli-commander-while-assisting-idf-report-says/00000194-41c0-dfbb-a7bc-6ff647500000
[16] https://edition.cnn.com/2024/10/24/middleeast/palestinians-human-shields-israel-military-gaza-intl/index.html
[17] https://www.haaretz.com/israel-news/2024-04-18/ty-article-static-ext/.premium/what-happened-on-oct-7/0000018e-c1b7-dc93-adce-eff753020000
[18] https://www.haaretz.com/2005-10-11/ty-article/idf-to-ask-high-court-to-review-ban-on-human-shield-practice/0000017f-f786-ddde-abff-ffe79e8d0000
[19] https://us18.campaign-archive.com/?e=53c39a3f8e&u=d3bceadb340d6af4daf1de00d&id=191618b2da
[21] https://www.haaretz.com/israel-news/2025-01-08/ty-article/.premium/israel-blocks-un-hamas-sexual-crimes-probe-to-avoid-inquiry-into-abuse-of-palestinians/00000194-44e0-d087-a9bd-7de1d5f20000
[22] https://x.com/FranceskAlbs/status/1877251135620194467
[23] https://www.nytimes.com/2025/01/06/arts/historians-gaza-israel-education.html
[24] https://x.com/SuppressedNws/status/1877434010357608631
[25] https://wiadomosci.wp.pl/list-zelazny-dla-netanjahu-jest-odpowiedz-mtk-7112699178224352a
[26] Ebd.
[27] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(24)02678-3/fulltext?rss=yes
[28] Ihre Familie war auf der Flucht vor den Kriegshandlungen und wurde dabei von einem israelischen Panzer angegriffen. Hind überlebte zunächst den Angriff, blieb aber im Auto, das mit den Leichen ihrer Familie bedeckt war https://www.hindrajabfoundation.org/memory/hinds-story. Sie rief verzweifelt um Hilfe und sprach über das Telefon mit der Palästinensischen Rothalbmondgesellschaft (PRCS), die versuchte, einen Krankenwagen zu schicken. Leider wurde auch der Krankenwagen angegriffen, und Hind starb schließlich durchsiebt von kaum zählbaren Projektilen. https://de.wikipedia.org/wiki/Hind_Rajab .
[29] https://www.haaretz.com/israel-news/2025-01-09/ty-article-magazine/.premium/explained-how-the-hind-rajab-foundation-is-making-israeli-soldiers-fear-arrest-abroad/00000194-3bc0-d96e-a1d6-3be836630000
[30] https://www.haaretz.com/israel-news/2025-01-11/ty-article-live/report-hamas-offers-israel-to-postpone-resolution-of-key-issues-in-cease-fire-deal/00000194-5391-d327-a3fd-53f148100000
[31] https://us18.campaign-archive.com/?e=53c39a3f8e&u=d3bceadb340d6af4daf1de00d&id=bf58eaef64
[32] Ebd.
[33] https://x.com/dancohen3000/status/1878972608173248554
[34] https://x.com/dancohen3000/status/1878972608173248554/photo/1
[35] https://www.ynet.co.il/news/article/bkj07tfwjl
[36] https://x.com/SuppressedNws/status/1878954942716944649
[37] https://www.ynet.co.il/news/article/bkj07tfwjl
[38] https://www.thenationalnews.com/news/europe/2025/01/14/pro-israel-judge-set-to-replace-lebanons-nawaf-salam-at-helm-of-icj/
[39] https://x.com/MEMRIReports/status/1879173194281808146
[40] https://x.com/Sultanknish/status/1878892908549668974
[41] https://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/israel-gaza-hamas-ceasefire-deal-hostages-truce-blinken-latest-b2679786.html
[42] https://x.com/kenklippenstein/status/1879207542171279857
[43] https://x.com/yanisvaroufakis/status/1879129685239406882
[44] https://edition.cnn.com/2025/01/09/middleeast/joseph-aoun-elected-lebanon-president-intl/index.html
[45] https://x.com/trhxianl/status/1877401856306975094
[46] https://x.com/trhxianl/status/1877407127087559147
[47] https://x.com/QudsNen/status/1876645823636709799
+++
Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++
Bildquelle: Getmilitaryphotos / shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut