
Selensky fordert beim Gipfel der „Koalition der Willigen“ eine Kriegsbeteiligung Europas.
Am Donnerstag traf sich in Paris die "Koalition der Willigen", die nach dem Willen von London und Paris Truppen in die Ukraine schicken will. Allerdings konnte man sich bei dem Treffen auf nichts einigen, dafür forderte Selensky statt Frieden eine europäische Beteiligung am Krieg in Russland.
Ein Kommentar von Thomas Röper.
Ich habe vor dem Treffen der „Koalition der Willigen“ in Paris berichtet, mit welchen Zielen der französische Präsident Macron die Staats-und Regierungschefs von fast 30 Ländern sowie die Chefs von NATO und EU nach Paris geladen hat. Macron will endlich Länder finden, die bereit sind, Truppen in die Ukraine zu schicken. Offiziell, um als „Friedenstruppe“ einen Waffenstillstand zu überwachen, tatsächlich aber, um für den Krieg gegen Russland bereitzustehen, den Macron vor dem Treffen sehr aktiv herbeigeredet hat.
Keine Einigkeit über Truppenentsendung in die Ukraine
Allerdings wurde daraus nichts, denn die „Koalition der Willigen“ ist äußerst unwillig und es finden sich außer den Briten und Franzosen bisher keine Länder, die Lust auf einen Krieg mit Russland haben. Beim polnischen Ministerpräsidenten Tusk klang das nach dem Treffen vor Journalisten so:
„Heute war es nicht das Ziel, Entscheidungen über die Entsendung einer Stabilisierungsmission in die Ukraine zu treffen. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, diese Pläne zu konkretisieren, solange es keine vorläufigen Ergebnisse der amerikanisch-russischen Verhandlungen gibt.“
Außerdem sagte Tusk, dass „bereits klar ist, dass Großbritannien, Frankreich und einige andere Länder“ bereit sind, auf dem Territorium der Ukraine eine Mission einzurichten, um „die Einhaltung des Friedens zu überwachen“. Der polnische Ministerpräsident forderte aber gleichzeitig ein Ende der Diskussionen über eine mögliche Beteiligung polnischer Soldaten an einer solchen Mission. Polen ist zwar einer der lautesten Falken, wenn es um anti-russische Parolen und Sanktionen geht, aber Truppen will es keine in die Ukraine schicken, weil die polnische Regierung Angst vor einem Krieg mit dem angrenzenden Russland hat – den sollen andere für sie kämpfen.
Beim französischen Präsidenten Macron klang die Zusammenfassung des Gipfels anders als bei Tusk, denn Macron sagte nach dem Treffen, die Frage einer möglichen Entsendung von Soldaten in die Ukraine als Teil einer Friedensmission – über die es laut Tusk nicht an der Zeit sei, Entscheidungen zu treffen – sei bei den Teilnehmern des Gipfels in Paris nicht auf einhellige Zustimmung gestoßen. Auch über das Format der Mission herrsche Uneinigkeit, sagte Macron:
„Diese Unterstützungstruppen wurden von Frankreich und Großbritannien vorgeschlagen. Sie werden von mehreren Ländern vertreten sein, da es nicht möglich war, in dieser Frage Einigkeit zu erzielen. Einige verfügen nicht über die Kapazitäten, andere werden durch den politischen Kontext behindert.“
Was genau diese „Unterstützungstruppen“ sein sollen, von denen Macron hier plötzlich spricht, dazu kommen wir noch. Nur eines schon jetzt vorweg: das sind keine Friedenstruppen, Macron hat seine Rhetorik wieder verschärft.
Um die französische und britische Entschlossenheit zu unterstreichen, fügte Macron noch hinzu, dass London und Paris „keine Einigkeit“ bräuchten, um ihre Pläne umzusetzen.
Das einzige, worin man sich in Paris einig war, war die Tatsache, dass die „Koalition der Willigen“ strikt gegen eine Lockerung der Russland-Sanktionen ist.
Selensky will keinen Frieden
Bemerkenswert waren die Aussagen des ukrainischen Machthabers Selensky nach dem Treffen und es überrascht nicht, dass deutsche Medien sie lieber verschweigen.
Zunächst verteilte Selensky eine Ohrfeige in Richtung USA, konkret an Steve Witkoff, den US-Verhandlungsführer bei den Gesprächen mit Russland und der Ukraine. Witkoff hat kürzlich erklärt, es werde bereits mit Russland und der Ukraine über Territorialfragen gesprochen und es sei klar, dass die Ukraine in dem Punkt Zugeständnisse machen müsse. Das hat Selensky nach dem Treffen in Paris bestritten und behauptet, die USA hätten mit der Ukraine darüber gar nicht gesprochen, davon habe er nur aus US-Medien gehört.
Als es um mögliche „Friedenstruppen“ aus Europa ging, zerriss Selensky auch die Formulierungen seiner europäischen Unterstützer, die bewusst von „Friedenstruppen“ sprechen, um die Menschen in ihren Ländern zu beruhigen, weil die Menschen in keinem europäischen Land einen Krieg gegen Russland wollen. Selensky forderte vor der Presse aber die Stationierung eines vollwertigen Militärkontingents aus den Partnerländern zum Schutz der Ukraine, keine Friedensmission:
„Wir haben über das Kontingent gesprochen, ein Militärkontingent. Über seine Präsenz und unseren Schutz. Und über die Präsenz der Länder, unserer Partner, auf See, in der Luft und am Boden.“
Selenskyj sagte, es seien auch Möglichkeiten der Entsendung von OSZE- oder UN-Missionen in die Ukraine vorgeschlagen worden, aber Selensky ist dagegen, wie er sagte:
„Wir wollen nicht einfach eine Präsenz der OSZE. Das ist keine Sicherheitsgarantie, sie haben ihre eigenen Aufgaben, aber nicht das entsprechende Mandat als Militärkontingent.“
Selensky fügte hinzu, dass die Stationierung des europäischen Kontingents „an strategischen Orten“ diskutiert werde, ohne Einzelheiten zu nennen. Über die Stationierung der europäischen Soldaten „an strategischen Orten“ hatte zuvor auch Macron gesprochen, ohne Einzelheiten zu nennen.
Nach dem Gipfel sagte Macron zu dem Thema, Frankreich und Großbritannien würden nicht anstreben, die ukrainische Soldaten an der Front durch eigene Truppen zu ersetzen, sondern dass künftige „Unterstützungstruppen“ durch ihre Stationierung an für Kiew strategisch wichtigen Orten in der Ukraine eine abschreckende Wirkung auf Russland haben würden.
„Unterstützungstruppen“
Dabei sprach Macron über die schon erwähnten „Unterstützungstruppen“ und dass es sich dabei nicht um Friedenstruppen handelt, sagte Macron auch ganz offen:
„Bei den Unterstützungstruppen handelt es sich nicht um Friedenstruppen, und sie werden weder Soldaten an der Kontaktlinie noch die ukrainischen Streitkräfte ersetzen. Aber diese Kräfte werden an bestimmten strategischen Orten präsent sein, die gemeinsam mit den Ukrainern bestimmt werden.“
Macron zufolge sei die Entsendung solcher Truppen erst nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens als eine der Sicherheitsgarantien möglich. Sie müssten „langfristige Unterstützung seitens der Europäer“ nachweisen und zudem „eine abschreckende Wirkung gegenüber einer möglichen russischen Aggression haben“.
Da Macron schon die Stationierung der europäischen Truppen entlang des Dnjepr ins Spiel gebracht hatte, dürfte unter anderem das Dnjepr-Ufer mit den „strategischen Orten“ gemeint sein. Der Dnjepr teilt die Ukraine in einer Nord-Süd-Linie und Macron hat früher vorgeschlagen, europäische Soldaten sollten die russische Armee daran hindern, den Dnjepr zu überqueren. Das allerdings wäre keine Friedensmission, sondern eine offene Kriegsmission, was deutsche Medien jedoch verschweigen.
Kriegstreiber als Friedensunterhändler?
Dass Selensky außerdem noch erklärte, welche Vertreter Europas aus Sicht Kiews irgendwann an Friedensgesprächen teilnehmen sollten, zeigt noch einmal, dass es ihm nicht um Frieden, sondern um die Fortsetzung des Krieges geht, denn Selensky sagte:
„Die Position der Ukraine ist klar: Europa muss am Verhandlungstisch sitzen. Europa ist sehr groß und muss eine eigene Vertretung haben. Wir haben uns heute alle darauf geeinigt, dass Europa durch Frankreich und Großbritannien, Macron und Starmer vertreten wird.“
Wenn das stimmen sollte, dann würde das bedeuten, dass die „Koalition der Willigen“ ausgerechnet die beiden europäischen Länder zu Friedensgesprächen schicken will, die sich am lautesten für eine Fortsetzung des Krieges gegen Russland aussprechen.
Deutsche Medien verschweigen das alles
Der Spiegel-Artikel, der nach dem Treffen in Paris unter der Überschrift „Gipfel der »Koalition der Willigen« – Keine Einigung über europäische Soldaten in der Ukraine“ erschienen ist, ist ein Wunderwerk der Kunst, wirklich gar nichts von dem zu berichten, was in Paris gesagt wurde. Außer der Tatsache, dass es bei dem Treffen keine Einigung über eine Truppenentsendung gab, erfährt der Spiegel-Leser nur von folgender Aussage eines beteiligten Regierungschefs nach dem Treffen:
„Der britische Premier Keir Starmer sagte vor dem Gipfel, dass Putin »kein ernst zu nehmender Akteur in diesen Friedensgesprächen ist«. Putin spiele mit Blick auf die jüngst vereinbarte Waffenruhe im Schwarzen Meer »Spielchen«.“
Mit keinem Wort erwähnt der Spiegel Selenskys Äußerungen, dass er keine Friedenstruppe, sondern Kampftruppen aus Europa will. Mit keinem Wort erwähnt der Spiegel, dass Macron schon vor dem Gipfel erklärt hat, dass er Kampfhandlungen mit Russland ausdrücklich nicht ausschließt. Und so weiter und so fort. Der Spiegel verschweigt einfach alles, was die Deutschen beunruhigen könnte.
Die europäischen Medien lullen die Menschen mit Nicht-Meldungen ein während ihre Regierungen sie in den Krieg führen.
Anmerkungen
Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
+++
Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++
Dieser Beitrag erschien am 27. März 2025 auf dem Blog anti-spiegel.
+++
Bildquelle: Juergen Nowak / shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut