Vor allem zu Beginn der Corona „Pandemie“ bekamen Unternehmen eine sogenannte „Soforthilfe“. Nun gehen Länder daran, diesen angeblich „einmaligen nicht-rückzahlbaren Zuschuss“ zurückzufordern.
Ein Meinungsbeitrag von Prof. Dr. Werner Müller.
Auf der Grundlage der „Richtlinie des Landes Hessen zur Durchführung eines Soforthilfsprogramms für gewerbliche Unternehmen und Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, Selbstständige, Solo-Selbstständige und Angehörige Freier Berufe eine unbürokratische Soforthilfe als Festbetrag gestaffelt nach der Zahl der Erwerbstätigen gewährt. Bezugsberechtigt nach dem Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020 vom 23.03.2020“ waren Kleinunternehmen, die infolge der Corona-Virus-Pandemie 2020 in ihrer Existenz gefährdet waren.
Unternehmen mit bis zu 5 Mitarbeitern erhielten 10.000 Euro, mit bis zu 10 Mitarbeiter 20.000 Euro und Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeiter 30.000 Euro als Einmalzahlung für drei Monate, also für die Beschränkungen von Mitte März bis Mitte Juni. Nach einem einschränkungsarmen Sommer wurden ab November 2020 in einem komplizierteren Verfahren andere Hilfen gewährt. Eigentlich sollte es sich um einen „einmaligen nicht-rückzahlbaren Zuschuss“ handeln.
Einzelunternehmer und GmbHs
Von den meisten Einzelunternehmern und Personengesellschaften wurde die Soforthilfe aber bald wieder zurückgefordert. Die standardisierten Bewilligungsbescheide formulierten auf Seite 2 unter Nr. 1: „Die Soforthilfe ist zweckgebunden und wird ausschließlich zur Überwindung der existenzbedrohenden Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses gewährt, die durch die Corona-Virus-Pandemie von Frühjahr 2020 entstanden ist.
Liquiditätsengpässe, die vor dem 11. März 2020 entstanden sind, sind nicht berücksichtigungsfähig.“ Eine Fußnote erläuterte: „Ein Liquiditätsengpass ist gegeben, wenn der Antragsteller Forderungen zu befriedigen hat, für deren Begleichung absehbar keine ausreichenden liquiden Mittel zur Verfügung stehen, obwohl deren Eingang eingeplant ist.“ Damit war diese Variante relativ eng definiert.
Die Alternative einer existenzbedrohenden Wirtschaftslage setzt erhebliche Verluste voraus.
Nun leben aber Einzelunternehmer vom Gewinn ihres Unternehmens. Sie durften zwar die Löhne ihrer Arbeitnehmer aus der Beihilfe bezahlen, aber nicht ihren eigenen Lebensunterhalt. Sie hätten also zum Jobcenter gehen und dort dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen, also ihr Unternehmen aufgeben. Nur die Einzelunternehmer durften die Soforthilfe behalten, die mit ihr vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt wurden, während sie selbst am Hungertuch nagten. Während über die Gewährung der Hilfe breit in den Medien berichtet wurde, verschwieg der Mainstream die Rückforderungen.
Bei den kleinen GmbHs sind die Unternehmer aber formal Angestellte. Sie durften ihr Gehalt auch aus der Soforthilfe bezahlen und konnten für sich auch Kurzarbeitergeld beantragen. Hier wird eine existenzbedrohenden Wirtschaftslage zu bejahen sein, sobald nach einem Gewinn in 2019 in 2020 ein erheblicher Verlust entstanden ist, bei dem der größte Teil der Rücklagen aufgebraucht wurde.
Natürlich ist das aus der Perspektive des gesunden Menschenverstandes eine Ungleichbehandlung, aus der bürokratischen Sicht handelt es sich aber um unterschiedliche Sachverhalte, die auch unterschiedlich behandelt werden durften.
Faktische allgemeine Rückforderung
Nun hat das Land Hessen und mit ihm wahrscheinlich andere deutsche Bundesländer begonnen, auch von den kleinen GmbHs die Soforthilfe zurückzufordern.
In einem Standardschreiben vom 19.08.25 wurden sie aufgefordert, in einem eigens eingerichteten Online-Portal bis spätestens 09.09.25 Angaben zu ihren Einnahmen und Ausgaben separat für die Monate März, April, Mai und Juni 2020 zu machen. Nach der Alternative der „existenzbedrohenden Wirtschaftslage“ wurde jetzt nicht gefragt.
Dabei wurde zwischen den Zeilen ein erheblicher Druck aufgebaut, die Beihilfe „freiwillig“ zurückzuzahlen. Unternehmen, die keine Eintragungen gemacht haben, wurde das Standardschreiben nun mit Datum vom 16.09.25 und Fristsetzung bis 07.10.25 und per Postzustellungsurkunde nochmals zugeschickt. Mitteilungen der Unternehmen per normaler Post, z.B. über eine Namensänderung oder eine Änderung in der Geschäftsführung, wurden dabei ignoriert.
Viele Unternehmen, die nach der ersten Aufforderung keine Angaben gemacht hatten, wollen die Beihilfe wahrscheinlich nicht freiwillig zurückzahlen, und viele von ihnen werden auch auf die neuerliche Aufforderung nicht reagieren. Dieser Artikel soll ihnen eine Hilfestellung bei der Argumentation gegenüber der Behörde liefern; er kann aber keine individuelle Rechtsberatung darstellen.
Wie kann man die Rückforderung angreifen?
Im Punkt 2.7 der erwähnten Richtlinie werden folgende Bedingungen formuliert:
Der Zuschussempfänger ist verpflichtet, im Bedarfsfall der Bewilligungsbehörde die zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Bearbeitung des Antrags erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen.
(Anmerkung: Aus dieser Formulierung „Bedarfsfall“ ergibt sich, dass die Aufklärung des Sachverhalt im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Antrags oder einer zeitnahen Prüfung gemeint war, aber nicht mehr als 5 Jahre danach, denn dafür gab es nach dem fünften Punkt dieser Bedingungen keinen Bedarf.)
Mögliche Entschädigungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz sowie zustehende Versicherungsleistungen aus Absicherung von Betriebsunterbrechungen oder Betriebsausfall sowie Leistungen Dritter werden auf den nach Nr. 2.4 vorgesehenen Zuschuss angerechnet.
(Anmerkung: Es ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden, wenn Doppelerstattungen verhindert werden sollen.)
Unabhängig davon ist eine Kumulierung mit sonstigen staatlichen oder EU-Hilfen zum Ausgleich der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Liquiditätsengpässe im Rahmen der beihilferechtlichen Vorgaben möglich.
(Anmerkung: Die Soforthilfe war also gegenüber anderen staatlichen Leistungen wie dem Kurzarbeitergeld nicht nachrangig.)
Die Billigkeitsleistung gilt mit der Auszahlung grundsätzlich als zweckentsprechend verwendet.
(Anmerkung: Wenn die Auszahlung als zweckentsprechend verwendet gilt, entfällt ein Verwendungsnachweis durch den Empfänger der Leistung. Die jetzige Aufforderung zur Eingabe von Daten in ein Online-Portal ist aber die Anforderung eines Verwendungsnachweises.)
Das Regierungspräsidium Kassel überprüft die Richtigkeit der Angaben des Zuschussempfängers stichprobenartig.
(Anmerkung: Die Ankündigung der stichprobenartigen Überprüfung impliziert, dass eine flächendeckende Überprüfung Jahre später nicht stattfindet. Es gibt damit keinen allgemeinen Vorbehalt der Nachprüfung wie z.B. in § 164 der Abgabenordnung.)
Besonders wichtig ist hier der vierte Punkt. Bei einer staatlichen Projektförderung wird die Hilfe auf der Grundlage von geplanten Zahlen gewährt. Zügig nach dem Abschluss des Projekts muss der Antragsteller dann mit der Behörde abrechnen. War das Projekt teurer als geplant, hat er Pech gehabt. War es billiger, muss er die überschüssige Förderung zurückzahlen. Das Online-Portal hat den Aufbau eines Verwendungsnachweises, auf den aber mit der Formulierung „gilt mit der Auszahlung ... als zweckentsprechend verwendet“ ausdrücklich verzichtet wurde. Die zweckentsprechende Verwendung muss also vom Empfänger gerade nicht mehr nachgewiesen werden.
Mit dem fünften Punkt wurde ausdrücklich auf eine flächendeckende Überprüfung verzichtet, die jetzt nach 5 Jahren durchgeführt werden soll. Damit wird aus dem Zusammenhang mit dem ersten Punkt die Aufklärungspflicht auch für die stichprobenartige Überprüfung gegeben sein. Aus dem Umkehrschluss ergibt sich aber, dass sie nicht für eine flächendeckende Überprüfung gilt.
Neben der Bedingung aus dem Bescheid auf Seite 2, Nr. 1, die schon erwähnt wurde, soll noch auf die Nrn. 6 und 7 eingegangen werden.
Bescheid Seite 2, Nr. 6:
Die vorbezeichnete Richtlinie ist Grundlage dieses Bescheides.
(Anmerkung: Sie war Grundlage, aber nicht Gegenstand oder Bestandteil des Bescheides. Natürlich darf eine Behörde nicht ohne eine Grundlage Geld verteilen. Daraus ergibt sich also nicht, dass die Bedingungen der Richtlinie Inhalt des Bescheides geworden sind. Damit darf sich das betroffene Unternehmen zu seinem Vorteil auf die Richtline berufen, muss die aber nicht im vollen Wortlaut gegen sich gelten lassen.)
Bescheid Seite 2, Nr. 7:
Ich wiese darauf hin, dass die Soforthilfe u.a. ganz oder teilweise zurückzufordern ist, wenn die für die Gewährung maßgeblichen Voraussetzungen von Beginn an nicht vorgelegen haben oder nachträglich ganz oder teilweise weggefallen sind oder ein Insolvenz- oder Zwangsvollstreckungsverfahren beantragt oder durchgeführt wird. Sie sind verpflichtet, diese Änderungen gegenüber der Bewilligungsbehörde anzuzeigen.
(Anmerkung: Wenn eine existenzbedrohende Wirtschaftslage wegen hoher Verluste aus dem Jahresabschluss 2020 ablesbar war, gab es keine Änderung gegenüber dem Antrag, die der Bewilligungsbehörde anzuzeigen war. Das Unternehmen konnte nicht verpflichtet sein, diesen Verlust monatsweise zu ermitteln.)
Frage der Verjährung
Die mehr als 5 Jahre, die seit dem Ende des Bewilligungszeitraums vergangen sind, haben eine große Bedeutung. Nach ständiger Rechtsprechung gilt für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche – soweit keine spezialgesetzlichen Regelungen bestehen – die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB.
Der Beginn der Frist bestimmt sich nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und die Behörde Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Gemäß § 214 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch nach Eintritt der Verjährung nicht mehr durchsetzbar.
Das Verwaltungsgericht Köln hat mit Urteil vom 06.12.2024 (Az. 16 K 703/24) ausdrücklich festgestellt, dass § 199 BGB auch auf Rückforderungsbescheide im Rahmen der Corona-Soforthilfe anwendbar ist. Dort war unstrittig, dass die Kenntnis der Behörde bereits im Dezember 2020 vorlag. Die Verjährungsfrist begann somit am 01.01.2021 und endete am 31.12.2023. Ein im Dezember 2023 erlassener, aber erst im Januar 2024 zugestellter Rückforderungsbescheid war daher verjährt.
Der Förderzeitraum der Corona-Soforthilfe Hessen endete im Juni 2020. Es ist unstrittig, dass die Behörde vor einer Endabrechnung keine Kenntnis über einen möglichen Rückforderungsanspruch haben kann. Es ist aber zu prüfen, ob es mindestens grob fahrlässig war, mit der Prüfung eines möglichen Rückforderungsanspruchs erst mehr als fünf Jahre danach zu beginnen. Denkbar wäre auch eine vorsätzliche Vermeidung der Kenntniserlangung, um die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz nicht auszulösen. Nach dieser Vorschrift ist eine Rückforderung schon ein Jahr nach Kenntniserlangung nicht mehr zulässig. Auch wenn Vorsatz in § 199 BGB nicht ausdrücklich erwähnt wurde, ist er erfasst. Es ist mehr als nur grob fahrlässig, vorsätzlich keine Kenntnis von möglichen Erstattungsansprüchen haben zu wollen.
Die Behörde hatte ab dem Juli 2020 die Möglichkeit, Abrechnungen anzufordern und die Anspruchsvoraussetzungen zu überprüfen. Es wäre nicht grob fahrlässig gewesen, damit bis zu einem Jahr zu warten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte die Behörde aber tätig werden müssen. Wenn die Abrechnung erst mehr als fünf Jahre nach Ende des Förderzeitraums angefordert wird, stellt dies – sofern kein Vorsatz unterstellt werden soll – eine grobe Fahrlässigkeit i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB dar.
Ohne grobe Fahrlässigkeit hätte die Behörde die Abrechnungen spätestens Mitte 2021 einfordern müssen. Dann hätte sie von möglichen Erstattungsansprüchen im Herbst 2021 Kenntnis erlangt. Damit ergibt sich, das die Rückforderungsansprüche am 31.12.2024 verjährt sind. Aber eine Einrede der Verjährung muss ausdrücklich erhoben werden. Sollte ein Unternehmen in Unkenntnis der Verjährung die Soforthilfe freiwillig zurückzahlen, kann das Geld nicht nachträglich zurückgefordert werden.
Kein Vertrauen der Unternehmen in den Staat
Es wird also einen guten Grund haben, weshalb die Behörde in den Aufforderungen zur Eintragung von Daten in das Online-Portal hohen Druck aufbaut. Die Kleinunternehmen sollen anscheinend aufs Glatteis geführt werden. Nur wenige von ihnen werden die Kraft aufbringen, sich gegen den Staat, der für die Aufrüstung Geld braucht, zu wehren.
Und seit Corona haben sich besonders die Verwaltungsgerichte sehr regierungstreu gezeigt. Wer jetzt die Soforthilfe zähneknirschend und alles andere als freiwillig zurückzahlt, nimmt eine Erfahrung für die Zukunft mit: Man kann sich auf Zusagen des Staates nicht verlassen. Erst werden unbürokratische Zuschüsse versprochen, die dann aber doch in einem bürokratischen Verfahren zurückgefordert werden.
Und die Schlechterstellung der Einzelunternehmer und Personengesellschaften haben die Mittelständler nicht vergessen. Bis Ende 2021 regierte noch Angela Merkel. Der Unmut wird sich zu Recht gegen die CDU richten.
Allerdings ist das Problem ziemlich neu und es liegen bisher nur wenige Urteile vor. Die aktuelle flächendeckende Rückforderung kann aber auch eine politische Dimension entwickeln. Wenn sich eine nennenswerte Anzahl der kleinen GmbHs der Rückforderung widersetzt und sich erfolgreich auf die jetzt unterschlagene Variante „existenzbedrohende Wirtschaftslage“ und auf die Verjährung beruft und damit vor Gericht Erfolg hat, werden sich die anderen Unternehmen, die „freiwillig“ zurückgezahlt haben, vom Staat betrogen fühlen. Für die Beantwortung der Frage, welche Partei von diesem Unmut profitieren würde, braucht es nicht sehr viel Phantasie.
Eine kluge Regierung würde dieses Risiko nicht eingehen, bei einer großen Zahl von Verweigerern die Aktion stoppen, es bei dem bisherigen Erfolg des Fischzugs bewenden lassen und die Sache ansonsten totschweigen. Allerdings beschäftigt sich die Politik lieber mit dem Thema „Künstliche Intelligenz“ als mit „gesundem Menschenverstand“. Böse Zungen behaupten, das könnte an dem Mangel an natürlicher Intelligenz unter Politikern liegen.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 27. September 2025 auf tkp.at.
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Prof. Dr. Werner Müller, ehem. Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Mainz, seit 2023 pensioniert und wohnhaft in Spanien.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: Stempel mit der Aufschrift "Soforthilfe"
Bildquelle: M. Schuppich/ shutterstock
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