
Ein Kommentar von Paul Clemente.
Wer hätte das gedacht: Einmal in ihrer Amtszeit, vielleicht nur ein einziges Mal, hat Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel tatsächlich deutsche Interessen vertreten: Beim Erdgasgeschäft mit Russland. Genau das macht sie dem links-grünen Mainstream inzwischen suspekt. Letztes Jahr forderte die Süddeutsche Zeitung vom Bundeskanzleramt: Die Freigabe von Dokumenten über Merkels Rolle beim Nordstream-Bau. Die Alpen-Prawda pochte auf „Informationsfreiheit“, drohte mit der Justiz. Schließlich rückte man 63 Dokumente raus. Und die haben es in sich: Danach hat Merkel den Ausbau der Ostseepipeline Nord Stream 2 noch im Jahr 2015 befürwortet. Also nach der Krim-Annexion. Ebenso den Verkauf deutscher Gasspeicher an Gazprom. Ja, die Ex-Kanzlerin wusste sogar vom sogenannten Asset-Tausch – einem Deal zwischen BASF/Wintershall und dem russischen Gazprom. Damit bekam der russische Konzern Zugang zur hiesigen Energieversorgung, während BASF/Wintershall Anteile an sibirischen Gasfeldern erhielt.
Laut der Tageszeitung „Die Welt“ sei Merkel sich der „Gefahr“ bewusst gewesen, Gazprom die Versorgung hiesiger Kunden zu übertragen: Wie konnte man sich nur so vom Russen abhängig machen? Schlimmer noch. Die Dokumente belegen deutlich: Es gab Warnungen aus Polen und der Ukraine. Anstatt auf sie hören, habe man versucht, die Einwände argumentativ zu zerpflücken.
Damit dürfte Merkel als Lieblingskanzlerin der Grünen ausgedient haben. Die fordern bereits schonungslose Aufarbeitung. Ein Untersuchungsausschuss müsse her. Aber schnell. Merkels Selbstverteidigung, sie habe in der Russlandpolitik keine Fehler gemacht, fliegt ihr jetzt um die Ohren. Laut der Süddeutschen ist „Angie“ zum Sinnbild einer „naiven deutschen Russlandpolitik“ mutiert. Nach außen habe sie den Kreml kritisiert, aber hinter den Kulissen ihren Erdgas-Deal durchgedrückt. In einem der Dokumente heißt es: „Der aktuelle Anlauf von Gazprom für einen 3./4. Nord Stream-Strang ist aus DEU(tscher, Anm.) und europäischer Sicht zu begrüßen.“ Und, Gipfel der Provokation:
„Energiewirtschaftlich kann es sich DEU(tschland, Anm.) nicht leisten, eine Position gegen Nord Stream 3/4 einzunehmen”.
Was für eine Ironie! Da hat Merkel ausnahmsweise etwas richtig gemacht und kassiert dafür Prügel. Nicht wegen ihrer Lockdown-Diktatur, nicht wegen ihrer Zerstörung der Meinungsfreiheit, sondern für die Bereitstelle einer preiswerten Energiequelle! Grünen-Vorsitzender Felix Banaszak tobte in der Süddeutschen, dass
„erst durch intensive Recherche Licht in das Engagement Angela Merkels für Nord Stream 2“
gekommen sei. In den gut verschlossenen Akten schlummerten „einige Erkenntnisse zu politischen Entscheidungen und damit zur Verantwortung für den größten energie-, wirtschafts- und außenpolitischen Schaden in der Geschichte der Bundesrepublik." Bis heute hätten die Verantwortlichen weder Bereitschaft noch Größe gezeigt und selbst für Transparenz gesorgt. Aber ohne tiefere Aufklärung verpatze man die Chance, „aus diesen Fehlern für die Zukunft zu lernen“.
Da muss man ja von Glück reden, dass die Ampel rechtzeitig an die Macht kam. Die machte kurzen Prozess mit dem Gas-Deal. Zufällig wurde kurz darauf die Nordstream-Pipeline 2 gesprengt. Damit stand dem Import von umweltschädlichem und teurem Fracking-Gas aus den USA nichts mehr im Wege. Ende gut, alles gut. Aber der Schock sitzt tief im grünen Herzen. Und die Gefahr ist keinesfalls gebannt. Was, wenn künftig wieder ein Politiker kommt, der auf linksgrünen Moralismus scheißt, Nordstream repariert und das Iwan-Gas nach Herzenslust fließen lässt?
Nun, dem will die EU-Kommission jetzt vorbeugen. Beim Gipfeltreffen in Tirana präsentierte sie Pläne, wie sich russisches Gas bis Ende 2027 vom EU-Markt verbannen lasse. Und zwar komplett. Außerdem will man die Nordstream-Pipeline endgültig beerdigen. Restlos. Jede Instandsetzung und Inbetriebnahme wird verboten. Fracking-Gas for ever! O-Ton von der Leyen:
„Wir wollen verhindern, dass die zerstörten Pipelines jemals wieder ein strategisches Werkzeug Russlands werden.“
Eine merkwürdige Argumentation. Russland hat die Pipelines doch niemals als Druckmittel eingesetzt. Noch während des Ukraine-Kriegs zeigte Putin Bereitschaft, den Gashahn wieder aufzudrehen.
Aber nicht nur die EU, auch unsere amerikanischen Freunde sorgen sich über potenzielle Comebacks von russischem Erdgas. Der Thinktank Atlantic Council hat nämlich eine Lücke im „Protecting European Energy Security Act“ (PEESA) gefunden. Danach gilt: Wer die Errichtung von Nordstream 2 fördert, wird mit Sanktionen belegt. Okay, aber gilt das auch für Reparaturen? Da fürchtet Atlantic Council eine juristische Grauzone. Aber keine Panik. Der Thinktank weiß Rat: Schnell noch ein paar Ergänzungen in den PEESA einbauen. Etwa so: Ab sofort führt auch die Reparatur der Pipelines zu Sanktionen. Schließlich stelle die russische Gasversorgung ein „geopolitisches Risiko“ dar. Ein reichlich billiger Trick: Mit dem Vorwand des Russland-Ukraine-Krieges soll ein Konkurrent ausgeschaltet werden. Und zwar dauerhaft. Der republikanische US-Senator Lindsey Graham, mit dem sich die EU beratschlagt, hat nach eigener Aussage genug Unterstützer, um im Senat neue Sanktionen zu präsentieren. O-Ton:
„Wir werden ihnen (den Russen, Anm.) die Knochen brechen, wenn sie versuchen, mit Nord Stream weiterzumachen“.
Aber auch in den USA gibt es Widerspruch zu dem Verrottungs-Plan des Atlantic Council. Tatsächlich liegt der republikanische Investor, Stephen P. Lynch, bereits auf der Lauer. Der möchte die Pipelines kaufen, um russisches Gas durch amerikanische Röhren nach Europa zu pumpen. Gegenüber dem Wall Street Journal bezeichnete er diesen Plan als einmalige Gelegenheit, die europäische Energieversorgung in amerikanische und europäische Hände zu bekommen. Vor allem natürlich in amerikanische.
An dieser Stelle sollte man erinnern, dass diese Pipelines ausschließlich für Erdgaslieferung von Russland nach Deutschland erbaut wurden. Daher die Frage: Was sagt die hiesige Regierung, wie kommentiert der Black-Rock-Kanzler diese Pläne? Nun, Friedrich Merz verwirft zwar eine Wiederaufnahme der Nordstream-Röhren, aber Medien wie der Merkur spekulieren, dass er seine Meinung noch ändern werde. Zum einen: Wie will Merz die Wirtschaft ankurbeln, wenn die Energiepreise astronomisch steigen? Erst im Januar hatte Sahra Wagenknecht darauf hingewiesen, dass es keine preiswerte Alternative zum russischen Gas gebe. Auch die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche schreibt diesem Energieträger eine hohe Bedeutung zu. So drängt sie auf den Bau von Gaskraftwerken. Das ist wiederum dem energiepolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Michael Kellner, höchst suspekt. O-Ton Kellner: „Die Sache stinkt. Kaum ist der Grüne Habeck weg, werden Hürden für die Nutzung von Nord Stream 2 aus den Weg geräumt.“ Dass man kürzlich die Nord Stream 2 AG vor der Pleite bewahrt habe, beweist für Kellner: „Bis heute haben sich entscheidende Akteure der deutschen Politik nicht aus ihrer Fixierung auf russisches Gas gelöst.“ - Vielleicht hat diese „Fixierung“ einfach etwas mit „Realpolitik“ zu tun.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: KI/ shutterstock
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