Niveauregulierung – eine Kolumne (21)

Von Bernhard Loyen.

Wie schauen die Zukunftsperspektiven für unsere Jugend aus? Eine Gesellschaft schafft sich ab, oder anders formuliert,  ein System schafft sich die Gesellschaft ab. Made in Germany war mal eine Marke. Der Markt regelt ja vermeintlich die Gesetze. Wessen Gesetze? Unternehmen müssen profitabel sein, müssen gegen weltweite Konkurrenz bestehen. Wozu Ausbildungsplätze schaffen, ein Handwerk vermitteln, wenn die gewinnbringende Zukunft bei billigeren Arbeitsrobotern liegt[1]. Einmal investieren, nie mehr Stress mit Löhnen, Urlaubsgeld, Arbeitgeberabgaben, Krankheitsausfällen, Rentenzahlungen. Arbeitnehmerzustände wie in Indien, dem asiatischen Raum, oder wie in den USA über den Billiglohnsektor Gefängnisarbeit[2] gibt es bei uns noch nicht. Noch nicht.

Handwerk hat goldenen Boden, Handwerk hat Zukunft hieß es lange. Das sieht heute alles eher weniger gülden und glänzend aus. Es zählt nicht mehr die individuelle Arbeitskraft. Die Verbundenheit zum Betrieb, zur Firma, zur Region. Gewinne für wenige. Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit für die große Masse.

Welche Alternativen gibt es für die Schulabgänger der Zukunft? Gibt es noch ein traditionelles Unternehmen mit gesichertem Arbeitsplatz, auch nach der Ausbildung? Nun ja, eine solche Marke Made in Germany drängt sich in letzter Zeit wieder auf den so begehrten leeren Arbeitsmarkt – die Bundeswehr.

Sie haben Bedarf. Die Firmenziele sind klar formuliert. Lokal reicht nicht, es muss global sein. Verteidigungsarmee ist old school. Internationale Kriseninterventionsarmee ist new school = cool. Um dabei zu sein, bedarf es aber nicht nur an funktionierendem [3] Maschinenkapital, in Verbindung mit Robotern. Nein, diese Firma braucht Humankapital in Form von Soldaten und Soldatinnen. Da hilft die schwierige Arbeitsmarktsituation nach Schulabgang. Nun, wie bloß an die Jugend herankommen? Man muss sich als Firma, potentiellem Arbeitgeber ins Gespräch bringen. Worüber spricht die Jugend? Yo, reality soaps. Am Besten daily and fresh und das noch auf youtube. Yeah, gimme 5 bro.

Seit November läuft auf youtube die dreimonatige Serie – die Rekruten. Eine Doku-Soap im Stile von Pro7 und RTL2. Zwölf Rekruten werden bei  ihrer Entscheidung eine Ausbildung bei der Bundeswehr zu machen begleitet. Diesen Weg der Anwerbung lässt sich das Verteidigungsministerium 1,7 Millionen € kosten. Ab November wird draußen gespielt, heißt es salopp im Trailer[4]. Im professionellen Marketingtext der Bundeswehr lautet das dann so.

Bist du bereit für die vielleicht härtesten drei Monate deines Lebens? Dann sei bereit für die Grundausbildung bei der Bundeswehr! Drei Monate lang werden wir 12 neue Rekrutinnen und Rekruten mit der Kamera begleiten – und du bist täglich mit einer neuen Folge dabei!

Wie hart es dann danach werden kann, z.B. im Auslandseinsatz ist natürlich kein Thema. Erst mal weich kochen, Entschuldigung Julia, Jerome, Nathan und die anderen erst mal ausbilden, heranführen an die Materie. Was bewegt Jugendliche heute, in einer Zeit von permanenten Kriegen an allen Ecken der Welt, in dieser Firma eine Ausbildung zu machen? Können (sollten) kriegsbedingte Flüchtlingsströme auf drei Kontinenten junge Menschen vom Dienst an der Waffe nicht eher abschrecken? Antwort gibt vielleicht die Homestory von  – die Rekruten[5].

Man hört Hip Hop Musik. Jerome, 19 kommt aus Moers, in NRW.  Er erzählt – Hip Hop Fan, Breakdancer, seine Familie mit Brüdern, Mama und Oma. Alle lustig, gut drauf. Keine Fragen aus dem Off. Jerome erklärt – sein Ziel in der Bundeswehr: Karriere machen, Feldwebellaufbahn. Danach werden Sachen gepackt. Es wird wieder lustig – die Lieblingshose darf nicht fehlen. Dass er die länger nicht mehr braucht – egal. So, nochmal Jerome persönlicher – sportliche Grenzen will er erfahren und erwarte von der  Grundausbildung mehr Werte, Ordentlichkeit und Disziplin vermittelt zu bekommen. Dann die Mutter vom Sofa – dann muss ich mir einen neuen Sohn suchen, hahaha. So einen wie den ‘krieg‘ ich nicht wieder. Sie meinte natürlich nur die drei Monate. Ob sie das ähnlich sieht, wenn…..abschließend nochmal Jerome – aber an erster Stelle: Spaß an der Sache. Yo, das wird voll lustig, lol.

Die anderen Homestories verlaufen nach dem gleichen Muster. Sie sind jung und suchen das Abenteuer. Endlich geht es los, spricht die Julia in die Kamera. Dann wird es kurz spannend. Julia fragt ihren Vater – und findest du es gut, dass ich zur Bundeswehr gehe? Er antwortet – ja, das war eine schöne Entscheidung von dir, dass du bei der Bundeswehr einen ordentlichen Beruf erlernst. Danach fragt der Vater die Tochter, wie sie über die Entscheidung zur Bundeswehr zu gehen denkt. Sie antwortet, sie sei optimistisch(?), aber auch aufgeregt. Die Mutter informiert, die Tochter sei hilfsbereit – ob gegenüber Tieren, oder Menschen.

Tja, da kann ja der Afghanistan- oder der Malieinsatz kommen. Das ist alles zu traurig, um zynisch zu werden. An erster Stelle kann nur stehen – Kriege vermeiden, verhindern. Das Syrien, der Irak, Libyen, der Iran, Afghanistan, Russland, überhaupt ein Land der Welt Deutschland jemals angreifen würde ist surreal. Sind diese Länder angegriffen worden, oder im Visier altbekannter Nationen? Muss sich Deutschland beteiligen – nein! Will sich Deutschland beteiligen – anscheinend ja.

“Alle Leute haben eine Nähmaschine, ein Radio, einen Eisschrank und ein Telefon. Was machen wir nun? fragte der Fabrikbesitzer. Bomben sagte der Erfinder. Krieg sagte der General. Wenn es nicht anders geht, sagte der Fabrikbesitzer.‘‘ [6]

Doch, es geht anders. Nie wieder Krieg kann nur das Ziel lauten und der Jugend eine wahre Perspektive geben. Diese kann aber nicht Bundeswehr heißen.

[1] –  http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/arbeitsmarkt-der-zukunft-die-jobfresser-kommen-a-1105032.html

[2] – http://mumia-hoerbuch.de/text/Gefaengnisindustrie+USA+BRD_Nov_2012.pdf

[3] – http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-11/bundeswehr-funkgeraete-motako

[4] – https://www.youtube.com/watch?v=PTaTJezeuDo

[5] – https://www.youtube.com/watch?v=Ocmt1FHx-iY&t=139s

[6] – https://de.wikiquote.org/wiki/Wolfgang_Borchert

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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