Tagesdosis

Nicht nur Ballweg: Querdenker vor Gericht | Von Paul Clemente

audio-thumbnail
Apolut 20250804 TD Montag
0:00
/464.363563

Ein Kommentar von Paul Clemente.

Weiß jemand noch, warum er im Februar die CDU gewählt hat? - Nun, ein Grund war gewiss die Hoffnung auf einen politischen Klimawandel. Auf eine Abschwächung der Wokeness in Politik, Justiz und Medien. Die Re-Demokratisierung öffentlicher Diskurse. Vielleicht sogar eine Aufarbeitung der Lockdown-Ära? Nichts da. Die letzten Wochen haben gezeigt: Der ehemalige Lockdown-Widerstand wird weiterhin verfolgt, verurteilt, wegen Bagatellen verknackt. Seien es Ärzte oder Juristen, die ihrem Gewissen folgten. Umgekehrt darf man Querdenker im Netz prangern und als Nazis beschimpfen. Merkel und die Ampel haben die Institutionen so weit infiltriert, dass ihre Politik dort weiterhin vertreten wird. Wenn nicht von allen, so doch von vielen.

Freilich könnte man erwidern: Wurde Michael Ballweg nicht vor wenigen Tagen freigesprochen? Hat die Justiz damit nicht ihre Unabhängigkeit bewiesen? Ja, aber erst, nachdem die Staatsanwaltschaft den Querdenker jahrelang verfolgt und  monatelang geknastet hatte. Damit wurde ein deutliches Signal gesetzt: Jedem lässt sich irgendetwas andrehen, jeder kann hinter Gittern landen. Selbst wenn es  – wie im Falle Ballwegs – letztlich nur um 19,53 Euro geht. Diese Botschaft kann auch ein Freispruch kaum noch relativieren. Zumal das Urteil womöglich nicht das letzte Wort ist:

Die Staatsanwaltschaft hat nämlich angekündigt, Rechtsmittel gegen den Freispruch zu prüfen. Peng! Dann müsste das höchste Strafgericht der Bundesrepublik, der Bundesgerichtshof, den Freispruch nochmal überprüfen. Trotz dieser Zähigkeit versichert der Südwestrundfunk: Das Verfahren gegen Ballweg sei keinesfalls politisch motiviert:

„In der Anklage dagegen ging es um klar definierte Straftatbestände, in denen nicht von politischen Ansichten die Rede ist.“

Schlaf weiter, möchte man dem Autor sagen. Sogar das Landgericht hatte über den „Belastungseifer“ der Staatsanwaltschaft geklagt. 

Andere Mainstream-Medien haben den Freispruch nur am Rande erwähnt. Einzig die Neue Zürcher Zeitung zeigte sich besorgt:

„Der Ruf des Rechtsstaats hat gelitten“. Und weiter: „Ermittlungen und Prozesse dürfen nicht als Strafe eingesetzt werden. Doch genau das geschieht in Deutschland immer öfter.“

Dabei sind Ballweg und seine Bewegung politisch kaum noch von Bedeutung. Als die Querdenker am Wochenende zur Friedensdemo nach Berlin riefen, kamen nur wenige Tausend. Diese kleine Gruppierung wird Bundeskanzler Merz kaum davon abhalten, US-Waffen zu kaufen, um sie anschließend der Ukraine zu schenken.

Ein weiterer Querdenker-Prozess fand letzte Woche vor dem Landgericht Essen statt. Diesmal ging es nicht um Finanzen, sondern um „Volksverhetzung“. Angeblich habe Michael Schele bei einer Demo via Lautsprecher gegen Juden gehetzt und Schräges über den Ukraine-Krieg geäußert. Das behaupteten Denunzianten gegenüber der Polizei. Natürlich anonym und telefonisch. Es kam zum Strafbefehl und zur Verhandlung vor dem Landgericht Essen. Dort erklärte ein Polizeibeamter, dass ein Mitschnitt der berüchtigten Rede existiere. Die wurde aufgetrieben und abgespielt. Die große Überraschung: In der gesamten Rede fiel kein Wort über Juden oder den Ukraine-Krieg. Kein einziges. Kurzum: Die Anschuldigungen waren frei erfunden. Oder?

Nein, denn Schele hatte nicht gegen Juden, aber gegen Grüne polemisiert, sie als „kranke Ideologiesekte“ bezeichnet. Daraus schlussfolgerte die Richterin: Die Denunzianten hätten womöglich die Bezeichnung „Die Grünen“ als „Juden“ missverstanden. Aber das ändere nichts. Der Strafbefehl umfasse auch Hetze gegen Grüne, befand die Richterin. Daher brauche man keine neue Anklage zu formulieren. Der Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB sei erfüllt. Schele wurde zu 160 Tagessätzen à 10 Euro, also 1600 Euro verdonnert.

Ein gefährliches Urteil. Gefährlich, weil es jegliche Polemik, jegliche Zuspitzung zur potenziellen Straftat erklärt. Je nach Lust und Parteibuch der Staatsanwälte und Richter. Umgekehrt: Wieviel Beleidigungen müssen oppositionelle Politiker wie Sahra Wagenknecht tagtäglich ertragen. Um diese Einengung rhetorischer Mittel zu erfassen, hilft ein Vergleich aus den neunziger Jahren: Der inzwischen verstorbene Aktionskünstler Christoph Schlingensief verspottete die Helmut Kohl- und Gerhard Schröder-Regierung bis zum Äußersten. Einmal forderte er auf der Bühne die Tötung von Kohl und, dass man ihm den Kopf von Schröder bringen solle. Nein, niemand klagte damals wegen Verhetzung oder ähnlichem. Alle, Politiker und Journalisten, begriffen: Hier findet kein Mordaufruf statt. Hier wird eine Performance abgezogen. Heute würde man Schlingensief mit Handschellen aus dem Theater zerren. 

Anders stehen die Dinge freilich, wenn SPD-Aktivistin und Stadträtin Irena Rudolph-Kokot einen Querdenker im Internet prangert. Auf ihrem X-Account postete sie einen Link zu Indymedia, einer linksradikalen Plattform, deren Subdomain  bereits 2017 vom Bundesinnenministerium verboten wurde. Der Beitrag behauptete Verbindungen zwischen Querdenkern und Neo-Nazis. Außerdem enthielt er Namen und Adressen von zwei rechten Aktivisten und einem Querdenker. Die Absicht der Indymedia-Autoren ist klar: Delegitimierung des Lockdown-Widerstands durch Kontaktschuld. Plus Einschüchterung durch Publizierung von Kontaktdaten. 

Tatsächlich landete Rudolph-Kokot wegen dieser Verlinkung vor Gericht. Ihre Anwältin argumentierte laut Report24: Die Mandantin habe nichts von der Rechtswidrigkeit ihres Tuns gewusst. Als man sie darauf hinwies, habe sie den Link sofort gelöscht. Mehr noch: Die SPD-Politikerin habe im „öffentlichen Interesse“ gehandelt. Ihre Absicht sei nämlich gewesen, die Stadt Leipzig und die Polizei über Teilnehmer der damaligen Querdenker-Demos zu informieren. Fazit der Anwältin:

„Meine Mandantin ist vom Tatvorwurf freizusprechen."

Das Amtsgericht in Leipzig schien dieser Argumentation zu folgen. Jedenfalls sprach es die Aktivistin frei: Sie habe schließlich nur eine „soziale Ächtung“ der Personen intendiert. Wenigstens darf Rudolph-Kokot nicht jede Person braun anpinseln. Bei einer Anti- Querdenker-Demo soll sie einen Polizisten als „Nazi“ tituliert haben. Der fand das gar nicht lustig. Und das Gericht ebenso wenig: Sie musste dafür 2400 Euro blechen.

 +++

Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

+++

Bild: Berlin, BerlinGermany, August 1, 2021. The so-called "Querdenker" have called for numerous demonstrations against the German Corona measures. All gatherings have been banned by the authorities.

Bildquelle: Juergen Nowak / shutterstock

 


+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit der:

Spenden-Kryptowährung „Nackte Mark“: https://apolut.net/unterstuetzen/#nacktemark

oder mit

Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoin

Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/

+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.

+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/

+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut

Paul Clemente cdu Querdenker Michael Ballweg Justiz Bundesgerichtshof Michael Schele Volksverhetzung hetze