
Nach den Schweizer Verhandlungen sind die Zölle zwischen China und den USA vorerst zurückgenommen worden. Sie haben aber die Probleme der USA nicht verringert. Welche unterschiedlichen Entwicklungen für die USA und China sind aufgrund der jeweiligen Grundlagen absehbar?
Ein Standpunkt von Rüdiger Rauls.
Heikle Lage
Trump und seine Leute wirken ratlos. Die jüngsten Zollaufschläge haben das Kernproblem der USA nicht gelöst. Die US-Wirtschaft ist besonders im Bereich der Industrie und Warenproduktion nicht mehr konkurrenzfähig und deshalb auch immer weniger in der Lage, den Staatshaushalt des Landes aus eigener Kraft zu finanzieren. Um aber die staatlichen Aufgaben weiterhin erfüllen zu können, insbesondere die hohen Kosten für das Militär und zunehmend auch für den Schuldendienst zu schultern, ist man auf private und institutionelle Investoren angewiesen, die bereit sind, dem amerikanischen Staat gegen Zinsen Geld zu leihen.
Mit der wachsenden Zinslast öffnet sich die Schere zwischen den Einnahmen und Ausgaben des amerikanischen Staates immer mehr. Die Defizite steigen und damit auch die Schulden. Diese haben inzwischen 36 Billionen (36.000 Milliarden) Dollar erreicht. Um Anleihe-Investoren bei Kauflaune zu halten, sind die USA gezwungen, ihnen attraktive, das heißt höhere Zinsen anzubieten. Die Coupons amerikanischer Anleihen sind gegenüber denen deutscher mit gleicher Laufzeit um etwa einen Prozentpunkt höher. Aber trotz der höheren Zinsen sinken die Kurse amerikanischer Anleihen; damit steigt deren Rendite.
Am Wochenende hatte mit Moody’s nun auch die dritte große Rating-Agentur ihre Einschätzung für die Schuldentragfähigkeit der USA gesenkt. Nachdem Standard & Poors bereits 2011 diesen Schritt gemacht hatte und Fitch 2023, folgte jetzt auch Moody’s mit einer Senkung der Bonität von AAA um eine Stufe auf AA1. Das hat für Verkaufsdruck bei den US-Anleihen mit entsprechendem Anstieg der Renditen geführt. „Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen erreichte 4,58 Prozent, die 30-jährige kletterte auf 5,08 Prozent.“(1)
Das sind keine guten Aussichten für die USA. Denn allein in diesem Jahr müssen sie zur Umschuldung „neun Billionen Dollar neue Staatsanleihen verkaufen“(2), um fällig werdende Anleihen zu tilgen und das Haushaltsdefizit weiter zu finanzieren. Der Zinssatz der neuen Anleihen wird sich aber in etwa am Stand der derzeitigen Renditen orientieren müssen, also bei etwa fünf Prozent für die Langläufer, ansonsten werden die Anleger kein allzu großes Interesse daran haben. Das bedeutet, dass die Zinskosten sich noch weiter beschleunigen und einen noch größeren Anteil am Haushalt in Anspruch nehmen werden. Damit dürften Defizite und Staatsschulden noch stärker steigen als bisher.
Dass amerikanische Anleihen auf so geringe Nachfrage stoßen, ist ungewöhnlich für Krisenzeiten. Normalerweise waren amerikanische Staatspapiere gesucht, wenn in der Welt Unsicherheit herrschte. Denn der US-Anleihemarkt hat den entscheidenden Vorteil, dass kein Finanzmarkt der Welt so liquide wie der amerikanische Rentenmarkt ist. Aufgrund seiner hohen Aufnahmefähigkeit konnten bisher Anleihen in nahezu unbegrenzter Höhe gehandelt werden. Es besteht also so gut wie kein Risiko für die Anleger, was die Verfügbarkeit über ihre Finanzen angeht.
Vertrauensverlust
Insofern galten die USA immer als der Fels in der Brandung, als sicherer Zufluchtsort für die Anleger der Welt. Die Bereitschaft internationaler Investoren sicherte den USA den notwendigen Zustrom an Kapital, was den Dollar stützte. Nun aber fließt Kapital aus den USA ab und nicht nur das. Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank AG stellte fest, dass amerikanische Anleihen „in großem Stil verkauft“ werden. Er führt das auf „wachsende Zweifel unter den Investoren“(3) zurück. Davon bleibt auch der Dollar nicht verschont. Das heißt: Amerika verliert das Vertrauen seiner Geldgeber.
Das Absenken der Bonität durch die drei wichtigsten Rating-Agenturen ist der vorläufige Endpunkt einer Entwicklung, die bereits im Jahre 2011 mit der ersten Herabstufung durch Standard & Poors öffentlich gemacht worden war. Trotz aller Maßnahmen amerikanischer Regierungen verliert die amerikanische Wirtschaft an Ertragskraft, jedenfalls reicht sie nicht aus, um langfristig den Staat zu finanzieren. Alle Theorien und Verheißungen der Wirtschaftswissenschaften führten in der Wirklichkeit zu einer weiteren Auszehrung der amerikanischen Finanzkraft.
Weder die als Allheilmittel gelobten steuerlichen Entlastungen, noch die Senkung der Zinsen durch die Geldpolitik, auch nicht Zölle oder Subventionen brachten die Wende. Nur die Schulden der USA stiegen unaufhaltsam weiter. Die Zinszahlungen „entsprechen in diesem Jahr dem Bruttoinlandsprodukt von … Schweden und übersteigen die Ausgaben für Verteidigung“ (4). Trotzdem will Trump die Steuern senken, wie er im Wahlkampf versprochen hatte.
Aber gerade das Versprechen von Steuersenkungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Zölle hat nun auch die letzte Rating-Agentur veranlasst, die Bonität der USA herabzustufen. Niedrigere Steuern sollten nicht nur die Bürger entlasten. Sie waren auch gedacht als Anreiz für Unternehmen. Die eingesparten Steuern, stellen nach Ansicht der Wirtschaftstheorien den Unternehmen mehr Kapital für Investitionen zur Verfügung. Und so sieht es auch Trump. Doch die Rating-Agenturen sehen die fehlenden Staatseinnahmen in einem ohnehin schon hoffnungslos überschuldeten Staat.
Diese Sicht scheinen viele Investoren besonders die ausländischen zu teilen und lassen amerikanische Staatsanleihen links liegen oder verkaufen sogar. Die USA verlieren das Vertrauen der Anleger, gleichzeitig verliert Trump an Ansehen bei seinen Unterstützern. „Der allgemeine Stimmungsindex der University of Michigan stürzte ab [... und] unter den sich selbst als Republikaner bezeichnenden Wählern sank die allgemeine Stimmung von 90,2 auf 84,2 – den schwächsten Wert seit letztem November“.(5) Die Inflationserwartungen erreichten sogar den schlechtesten Wert seit 1981.
Zweierlei Entwicklung
Die USA dürften in diesem Handelskonflikt Federn lassen, denn ihre finanzielle Lage hat sich weiter verschlechtert. Vieles wird abhängen vom Vertrauen der Investoren. Das aber kann Trump nicht durch Erlasse wieder herstellen. Das Handelsdefizit, das die Zölle mindern sollten, wird sich jetzt schon absehbar vergrößern, da viele Importeure die vorübergehende Entspannung nutzen und auf Vorrat in China bestellen. Es zeigt sich immer deutlicher, dass sich die amerikanische Wirtschaft ohne chinesische Produkte schlechter entwickeln dürfte.
Wenn China selbst auch unter diesem Handelskonflikt leidet, so sehen seine Aussichten für die Zeit danach wesentlich besser aus. Die Volksrepublik hat es selbst in der Hand, denn sie ist nicht so stark abhängig von der Gunst der Finanzmärkte wie die USA. Chinas Kraft liegt in der breiten industriellen Basis, die sich das Land in den vergangenen Jahrzehnten erarbeitet hat und die es zum größten Warenproduzenten der Welt machte. Unterstützt wird diese Stellung durch weit verzweigte Lieferketten und gefestigte Handelsbeziehungen, die es zu fast allen Staaten der Welt unterhält.
Das ist eine grundsätzlich andere Lage als die der USA. Diese versuchen ihren Markt immer mehr durch die Zölle abzuschotten, damit günstige Konkurrenzprodukte vom Markt ganz ferngehalten werden oder durch die Aufschläge auf ein Preisniveau kommen, das dem der US-Produkte und ihren Produktionsbedingungen entspricht. Die Zölle verbessern nur die Konkurrenzsituation amerikanischer Unternehmen auf dem amerikanischen Markt, nicht auf dem Weltmarkt.
Trumps Zollkonzept ist ein Abwehrkampf, ein Rückzugsgefecht gegenüber einem wirtschaftlich immer stärker werdenden China, ein mehr oder weniger geordneter Rückzug vom Weltmarkt. Die Zölle sind das Eingeständnis, dass man diesen Konkurrenzkampf aufgegeben hat, weil man ihn nicht gewinnen kann. Man will wenigstens die eigene Bastion noch halten können, den US-Markt.
China ist über die amerikanische Zollpolitik nicht erfreut, aber sie stellt auch keine Bedrohung für das Land dar. Im Gegenteil eröffnet der Rückzug der USA vom Weltmarkt den Chinesen neue Möglichkeiten. Denn während die Amerikaner zusehen müssen, wie sie chinesischen Produkte ersetzen können, haben die Chinesen Überfluss, sodass sie damit andere Märkte bedienen und sogar neue erschließen können.
Nicht umsonst befürchten besonders die Europäer eine Schwemme preisgünstiger chinesischer Waren. Was für viele europäische Staaten, darunter besonders Deutschland, eine Bedrohung darstellt, ist für manchen anderen europäischen Staat, besonders aber für viele Staaten der dritten Welt ein günstige Gelegenheit, billig einzukaufen. Chinesische Hersteller werden Preisnachlässe gewähren müssen, um die eigenen Produktionsmengen vermarkten zu können. Das gilt besonders für alles, was für den US-Markt vorgesehen war.
Nicht jeder Staat, auch nicht in Europa, hat eine eigene Auto- oder Schwerindustrie, denen chinesische Produkte Konkurrenz machen könnten, nicht einmal die reiche Schweiz. Sie werden sich sicherlich nicht über günstige Autos oder andere chinesische Waren beklagen, die ihnen nun billiger geliefert werden können. Gleiches dürfte für Staaten der dritten Welt gelten, die ärmer sind als die Schweizer und über eine noch geringere Wirtschaftskraft verfügen. Die chinesische Warenschwemme, vor der sich die Europäer fürchten, wird anderen Staaten sehr willkommen sein.
So konnte auch bisher kein Einbruch der chinesischen Wirtschaftstätigkeit festgestellt werden. Obwohl Trump die Zölle in der Spitze bis auf 145% erhöht hatte, wuchs Chinas Außenhandel im April um 5,6 Prozent. (6). China nutzt seine bereits bestehenden Lieferketten und Handelsabkommen, um einerseits die eigenen Produktionseinheiten auszulasten und darüber hinaus neue Märkte und Abnehmer zu gewinnen.
Auch die Wachstumsschwäche auf dem Binnenmarkt wurde mit einem Förderprogramm für den Kauf von Elektroautos und Inzahlungsnahmeprogramm für Konsumgüter weitgehend überwunden. Die Einzelhandelsumsätze bei Haushaltsgeräten verzeichneten bis April acht Monate in Folge ein zweistelliges Wachstum. Über 34 Millionen Verbraucher kauften mehr als „51 Millionen Geräte, wodurch der Umsatz mit entsprechenden Produkten auf 174,5 Milliarden Yuan (24,24 Milliarden US-Dollar)“(7) stieg. Das kam besonders einkommensschwachen Haushalten zugute.
Quellen und Anmerkungen:
(2) Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) 17.5.2025 Sewing sieht an den USA zweifelnde Investoren
(3) ebenda
(4) FAZ 19.5.2025 Amerika büßt Bonität ein
(6) CGTN 22.5.2025 Chinas Außenhandel im April stabil
(7) Chinadaily 23.5.2025 Chinas Einzelhandelsumsätze mit Haushaltsgeräten wachsen weiterhin zweistellig
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Rüdiger Rauls ist Buchautor und betreibt den Blog Politische Analyse.
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Bildquelle: DG FotoStock /shutterstock
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