Der russische Außenminister Lawrow hat seine Jahrespressekonferenz gegeben und fast drei Stunden lang die Fragen der internationalen Journalisten beantwortet.
Ein Standpunkt von Thomas Röper.
Im Gegensatz zu westlichen – und vor allem deutschen – Politikern stellen sich russische Regierungsmitglieder regelmäßig den Fragen internationaler Journalisten, wobei auch Journalisten des „Gegners“ ausführlich die Gelegenheit bekommen, Fragen zu stellen. Heute hat der russische Außenminister Lawrow sich auf seiner Jahrespressekonferenz fast drei Stunden den Fragen der internationalen Journalisten gestellt. Da die Pressekonferenz zu lang war, um sie komplett zu übersetzen, übersetze ich hier die Zusammenstellung der wichtigsten Aussagen Lawrows, die die russische Nachrichtenagentur TASS veröffentlicht hat.
Beginn der Übersetzung:
Russlands Freunde und die Verhandlungen mit Kiew. Worüber Lawrow auf der Pressekonferenz gesprochen hat:
Russlands Ziel im Jahr 2024 ist es, sich von jeglicher Abhängigkeit vom Westen zu befreien. Das sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow auf der Pressekonferenz zu den Ergebnissen der russischen Diplomatie im Jahr 2023.
Der russische Außenminister zerstreute Gerüchte über angeblich bevorstehende direkte Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew und zählte auch die Länder auf, die „zu Russlands engstem Kreis“ gehören.
Die TASS hat die wichtigsten Aussagen Lawrows zusammengestellt.
Über Russlands Freunde
Russlands Beziehungen zu China erleben die beste Zeit in ihrer jahrhundertelangen Geschichte. „Diese Beziehungen sind stärker, zuverlässiger und fortschrittlicher als ein Militärbündnis in seinem früheren Verständnis der Ära des Kalten Krieges.“
„In allen Fällen sind die Interessen Russlands und Chinas durch Verhandlungen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht worden und das ist ein Modell für die Lösung jeglicher Probleme für alle anderen Teilnehmer der globalen Beziehungen.“
Die Beziehungen einer besonders privilegierten Zusammenarbeit mit Indien entwickeln sich schrittweise. Russland ist auch dabei, die Beziehungen zu den afrikanischen Ländern auf eine echte strategische Ebene zu bringen und die Beziehungen zum lateinamerikanischen Kontinent auszubauen. Zu Russlands engstem Kreis gehören der Iran, die Türkei, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar.
Über die BRICS
Etwa 30 Länder sind an einer Annäherung an die BRICS interessiert. Die Organisation hat eine große Zukunft. Als überregionale globale Struktur symbolisieren die BRICS „den Reichtum der multipolaren Welt“.
Die Erklärung der neuen argentinischen Regierung, den BRICS-Beitritt zum jetzigen Zeitpunkt abzulehnen, ist die souveräne Entscheidung des Landes. „Es ist keine Weigerung, [den BRICS] beizutreten, sondern eine Erklärung, warum sie jetzt nicht dazu bereit sind.“
Über die Ukraine
Russland ist nicht gegen Abkommen anderer Länder mit der Ukraine, aber das ändert nichts an den Plänen Moskaus: Die Ziele der Militäroperation werden erreicht.
„Es besteht keine Hoffnung, dass Russland in irgendeiner Weise besiegt wird. <…> Diejenigen, die die Geschichte nicht gelernt haben, und davon gibt es viele im Westen, können über dieses Thema phantasieren.“ Die Ukraine erwarte das Schicksal Afghanistans,
„denn wenn man sich auf den Herrn verlässt und nicht begreift, dass der Herr nur an sich selbst denkt und nicht an dich, dann kann man nicht erwarten, dass die Interessen deines Volkes irgendwie berücksichtigt werden.“
Russland steht den Signalen des Westens für eine Beilegung des Konflikts um die Ukraine philosophisch gegenüber. Im Jahr 2022 sagte der russische Präsident Wladimir Putin „noch einmal: Wir weigern uns nicht zu verhandeln, aber diejenigen, die sich weigern, sollten verstehen, dass es umso schwieriger wird zu verhandeln, je länger sie es hinauszögern.“ „Jetzt sehen wir, wie sich diese Prophezeiung bewahrheitet“.
Veröffentlichungen, wonach Moskau und Kiew angeblich direkte Verhandlungen in Genf führen könnten, sind Gerüchte. „Nicht die Ukraine wird entscheiden, wann es aufhört und sie anfängt, ernsthaft über realistische Bedingungen für die Beendigung dieses Konflikts zu sprechen“, „darüber muss man mit dem Westen sprechen“.
„Der Westen will keine konstruktive Lösung, die den legitimen Interessen der Russischen Föderation Rechnung trägt“. Das zeige sich daran, dass er Kiew
„zu einem immer aggressiveren Einsatz von Langstreckenwaffen anstiftet und drängt, um sowohl die Krim anzugreifen und unbewohnbar zu machen als auch tief in russisches Kernland vorzudringen, und zwar nicht nur durch Anstiftung, sondern auch durch den Transfer entsprechender Waffen.“
Über Rüstungskontrolle
Vor einiger Zeit hat Washington das Thema Rüstungskontrolle „nur deshalb angesprochen, um die Inspektionen und Besuche in [russischen] Atomanlagen wieder aufzunehmen“. „Gleichzeitig beliefern sie die Ukrainer mit Waffen, mit denen zum Beispiel die Basen unserer strategischen Bomber beschossen wurden.“ „Es sieht also so aus: ‚Ja, ihr seid unser Feind, wir haben euch zum Feind erklärt. Aber wenn es darum geht, dass wir uns euer strategisches Atomwaffenarsenal noch einmal ansehen, sind wir bereit zu reden. Das ist etwas anderes.'“
Es ist unmöglich, mit den USA über die Wiederaufnahme des Dialogs über strategische Stabilität losgelöst von der allgemeinen Sicherheitslage zu sprechen, daher gibt es jetzt keinen Grund für ein Gespräch. Moskau „lehnt diese Idee für die Zukunft natürlich nicht ab, ebenso wie die Möglichkeit einer politischen und diplomatischen Lösung der bestehenden Differenzen“.
„Aber wir knüpfen diese Möglichkeit strikt und fest an eine vorherige umfassende Ablehnung des bösartigen Kurses des Westens, der die Sicherheit und die Interessen Russlands umfassend untergräbt, und unsere Interessen demonstrativ und öffentlich missachtet“.
Doch „die Amerikaner haben sich noch nie zu einer so umfassenden Betrachtung der Probleme der strategischen Stabilität hinreißen lassen“.
Über die Situation im Jemen
Die USA und ihre Verbündeten haben alle Bestimmungen des Völkerrechts mit Füßen getreten. „Niemand hat irgendwen ermächtigt, den Jemen zu bombardieren“. „Und die entschuldigenden Erklärungen, die aus Washington ertönen, sie wirken <…> irgendwie sehr erbärmlich.“
Es sei schwierig, Prognosen über die Möglichkeit eines Dialogs abzugeben. „Das Wichtigste ist jetzt, die Aggression gegen den Jemen zu stoppen, denn je mehr die Amerikaner und Briten (den Jemen – Anm. TASS) bombardieren, desto weniger sind die Huthis bereit zu reden.“
Über den palästinensisch-israelischen Konflikt
US-Präsident Joe Biden und andere westliche Länder sind sich darüber im Klaren, dass die Situation im Nahen Osten ohne die Gründung eines palästinensischen Staates nur sehr schwer zu lösen sein wird. „Halbgeschlossene Kontakte“, an denen die USA, Israel und einzelne arabische Staaten beteiligt sind, „bedeuten keinen direkten Dialog zwischen Palästinensern und Israelis, sondern gehen davon aus, dass die großen Onkel sich darauf einigen, wie die Palästinenser leben sollen, und es ihnen dann verkünden.“ „Das wird keinerlei Erfolg haben.“
„Ohne die Gründung eines palästinensischen Staates kann es keine verlässliche Sicherheit für Israel geben. Und Russland ist sehr daran interessiert, dass Israel und die Israelis in Sicherheit leben. Es ist unser langjähriger Partner.“
Über Armenien und Aserbaidschan
Der Mangel an Fortschritten bei der Normalisierung der Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan ist auf die Position Jerewans zurückzuführen. Es wird vom Westen beraten, der die Umsetzung der trilateralen Abkommen zwischen Moskau, Baku und Jerewan verhindern will.
Aserbaidschan ist bereit, in Russland einen Friedensvertrag mit Armenien zu unterzeichnen, aber die Position Jerewans ist unklar. „Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass der Westen die von Russland vermittelten Vereinbarungen zwischen Jerewan und Baku nicht zulassen will.“
Das „3+3-Format“ für den Transkaukasus sei vielversprechend, „weil es von keiner globalen geopolitischen Konjunktur abhängt und frei vom geopolitischen Spiel der Hegemonieerhaltung ist, das Washington derzeit zusammen mit seinen Brüsseler Kollegen spielt.“
Ende der Übersetzung
+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.+++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 18.01.2024 bei anti-spiegel.ru +++ Bildquelle: Hussein Eddeb / shutterstock
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