Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
In Band 2 der Gaza Trilogie (über dem gerade der Korrektor brütet) hatte ich einige Beispiele aufgezeigt, wie deutsche und andere westliche Medien im Prinzip wie Sprecher des israelischen Staates reagierten, und das als Journalismus verkauften. Ich berichtete über die Memos, mit denen Journalisten von Medien angewiesen wurden bestimmte Worte zu vermeiden und andere zu benutzen, um beim Publikum den Anschein zu erwecken, dass Israel sich verteidigt und seine Gegner böse Terroristen seien. Aber das Gleiche konnte man auch in den sozialen Medien feststellen. Tausende und Abertausende von tatsächlichen oder angeblichen Nutzern arbeiteten nach dem gleichen Schema. Aber auch über die „Endlösung Gaza?“ will ich berichten und andere Ereignisse rund um den Völkermord in Gaza.
Medienmanipulationen
Elija J. Magnier hatte am 30. Oktober 2024 darüber einen Text veröffentlicht(1), indem er seine Beobachtungen dazu beschrieb. Zunächst zeigt er einen der typischen Tweets in X, früher Twitter, der besagt:
„Ich weiß nicht, ob Sie da etwas weit herholen. Ich bin sicher, die Israelis setzen Drohnen, Hunde, Roboter und wahrscheinlich auch Gas ein. Der entscheidende Punkt ist, dass die Hisbollah vom Iran im Stich gelassen wurde und sich der Sache allein stellen muss. Die Hisbollah kann ihnen nichts anhaben, und das ist das Ergebnis: Nachhutaktionen, während die Hauptstreitmacht abzieht.(2)
Dann stellt er fest, dass dieser Text eine subtile psychologische Taktik verwendet, welche die Besorgnis über die Situation der Hisbollah vortäuscht und gleichzeitig die Idee verbreitet, dass „der Iran die Hisbollah im Stich gelassen hat“. Indem der Text einen neutralen Ton anschlage und behaupte, die Ereignisse lediglich unvoreingenommen zu beobachten, untergräbt er subtil die Glaubwürdigkeit der Hisbollah und die Loyalität des Iran. Dieser Ansatz sei clever, weil er keine der beiden Parteien offen kritisiert und Neutralität vorspiegele. Dennoch erzeuge er Zweifel, die das Vertrauen und die Solidarität zwischen dem Iran und der Hisbollah unter den Anhängern erodieren lassen können. Dann erklärt er weiter:
„Ansatz der psychologischen Kriegsführung:
Dieser Text folgt einem Muster, das in den sozialen Medien zunehmend sichtbar wird, wo der Autor eine Haltung der ‚neutralen Beobachtung‘ einnimmt und eine scheinbar beiläufige Besorgnis über die Hisbollah zum Ausdruck bringt, während er auf eine Abspaltung vom Iran hindeutet. Diese Taktik manipuliert die Leser, indem sie den Anschein der Unparteilichkeit erweckt und gleichzeitig unterstellt, dass die Hisbollah ‚in Ruhe gelassen‘ und nicht mehr vom Iran unterstützt wird. Es ist ein cleverer Schachzug, da er einen psychologischen Ansatz verwendet, der weder offen feindselig noch explizit unterstützend ist. Stattdessen nutzt er Mehrdeutigkeit und subtile Zweifel, um die Moral innerhalb der Hisbollah zu schwächen und Misstrauen unter ihren Anhängern zu schüren.“(3)
Indem der Autor des Tweets andeutet, dass die Hisbollah jetzt eine geschwächte Kraft sei, die „auf eigene Faust einem mächtigen Feind gegenübersteht“, ohne ihren wichtigsten Verbündeten, zeichne der Autor ein Bild von Isolation und Verwundbarkeit der Hisbollah. Dies sei eine effektive Methode zur Manipulation der öffentlichen Wahrnehmung, da sie es den Lesern ermöglicht, die Zweifel ins eigene Unterbewusstsein zu übernehmen. Diese Taktik sei Teil einer umfassenderen Strategie der psychologischen Kriegsführung, die auf Folgendem beruhe:
„Mehrdeutigkeit: Die scheinbare Neutralität des Autors lässt seine Worte wie eine ‚objektive‘ Beobachtung erscheinen und lässt ihn vertrauenswürdig erscheinen.
Misstrauen säen: Die Vorstellung, dass der Iran die Hisbollah ‚im Stich gelassen‘ hat, ermutigt die Leser subtil, die Zuverlässigkeit ihrer Allianzen in Frage zu stellen.
Die Stärke der Opposition unterschätzen: Indem die Hisbollah als jemand dargestellt wird, der ‚allein vor der Sache steht‘ und der israelischen Technologie und Taktik unterlegen ist, wird angedeutet, dass die Hisbollah weniger fähig und isoliert ist, als ihre Anhänger glauben könnten.
Eine Niederlage andeuten: Ausdrücke wie ‚Nachhutaktion‘ suggerieren, dass die Aktionen der Hisbollah defensiv und auf Rückzug beruhen, was ein Gefühl des unvermeidlichen Verlustes vermitteln kann.“(4)
Diese Strategie, so Magnier weiter, sei bei digitalen psychologischen Operationen (Psyops) immer häufiger anzutreffen, bei denen direkte Angriffe durch einen stetigen Strom zweifelhafter Aussagen ersetzt werden. Diese könnten wirksamer sein als offene Kritik, da sie keinen unmittelbaren Widerstand provozieren, und also auch nicht so sehr als Propaganda erkennbar sind, sondern wie ein langsam wirkendes Gift die Meinungen im Laufe der Zeit beeinflussen. Vermutlich meint er damit auch die ständige Wiederholung von Behauptungen durch zahlreiche unterschiedliche Accounts. In der Kriegsführung in sozialen Medien seien solche Strategien wirkungsvoll, da sie eine subtile kognitive Dissonanz erzeugen, die letztlich Allianzen und Vertrauen schwächen.
Diese Form der psychologischen Operation – Zweifel zu säen und Verrat anzudeuten, ohne offen Feindseligkeit zu zeigen – könne unglaublich effektiv sein, um die öffentliche Meinung und Moral subtil zu verändern, insbesondere in Gruppen, die auf Einheit angewiesen sind. Blieben diese Botschaften unwidersprochen, könnten sie mit der Zeit das Vertrauensverhältnis zwischen Verbündeten untergraben, „die wahrgenommene Stärke schwächen und dazu führen, dass Unterstützer die Widerstandsfähigkeit und Loyalität ihrer Sache in Frage stellen“.
Zu Israels Psychokrieg gehört auch die ständige Verleumdung von Nachrichten seiner Gegner, welche durch die von ihr beherrschten Medien und Politikern nur zu gerne weiterverbreitet wird. Ein Beispiel ist das Verwirrspiel um Opferzahlen. Tarek Baé schreibt dazu auf Twitter:
„Wie viele Menschen sind in Gaza wirklich getötet worden? Das ist eine Frage, die sich einige stellen. Während Israels Propaganda die Zahl stets als zu hoch oder unglaubwürdig darzustellen versuchte, war schon lange klar, dass die Zahl eher zu niedrig sein müsste. Denn: Das Gesundheitsministerium in Gaza meldet ausschließlich nur die Todesfälle, die von Kliniken und Leichenhallen in Gaza mitgeteilt werden. Dabei werden hauptsächlich identifizierbare Tote durch direkten israelischen Beschuss in die Statistik aufgenommen. Leichen die nicht identifizierbar sind oder Tote mit direktem Bezug zu Israels Genozid wie z.B. Hungertote, Seuchentote oder Tote durch einstürzende Gemäuer werden nicht systematisch in die Statistik aufgenommen. Hinzu kommt, dass zahlreiche Menschen gar nicht erst in Kliniken oder Leichenhallen landen, sondern in Massengräbern. Oder vermisst unter Trümmern verbleiben.
Deshalb gibt es weltweit weitaus höhere Schätzungen der tatsächlichen Getöteten durch Israels Krieg gegen Gaza. Laut einer Studie der Brown University in den USA wird von insgesamt 67.413 Palästinensern ausgegangen, die allein an der gezielten Aushungerung oder Seuchen, die durch Israels Zerstörung Gazas entstanden sind, getötet wurden. Von noch höherer Opferanzahl geht die medizinische Fachzeitschrift Lancet aus. Bis Ende Oktober seien der Rechnung nach mindestens 289.000 Palästinenser durch Israels Krieg gegen Gaza getötet worden. Wichtig: Israel schirmt Gaza als Ghetto vollständig von der Außenwelt ab. Internationale Untersuchungen werden damit durch Israel systematisch verhindert.“(5)
Der Autor und die meisten anderen Beobachter verwenden in ihrer Berichterstattung die Daten der Kliniken in Gaza und des Gesundheitsministeriums. Diese Daten waren durch UN, Human Rights Watch und WHO immer wieder bestätigt worden. Aber schon lange ist klar, dass diese Daten bei weitem nicht die tatsächlichen Opferzahlen spiegeln.
Dieser Psychokrieg Israels gegen den Rest der Welt geht so weit, dass Israel an einem Tag 50 Kinder tötet, aber man in den deutschen Medien so gut wie nichts darüber erfährt, oder wenn doch, dann nur in einer „interpretierenden“ Art und Weise(6). Dafür wird in den nicht westlichen ausländischen Medien immer „heftiger“ über Deutschlands Beihilfe berichtet.
„Vor zwei Wochen verteidigte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in einer Parlamentsansprache die Ermordung palästinensischer Zivilisten(7) durch Israel. Die UN-Sonderberichterstatterin für Palästina, Francesca Albanese, verurteilte ihre Äußerungen umgehend und warnte(8), wenn ‚Deutschland beschließt, an der Seite eines Staates zu stehen, der internationale Verbrechen begeht, ist dies eine politische Entscheidung, die aber auch rechtliche Auswirkungen hat‘.
Dieser Vorfall ist lediglich das jüngste Beispiel für die enthusiastische Unterstützung(9) Deutschlands für Israels Vernichtungsfeldzug(10) im Gazastreifen. Viele haben Deutschland zu Recht für seine proisraelische Haltung mit Hinweis auf Deutschlands historische Schuld(11), und seine repressiven Maßnahmen kritisiert(12), zu denen Zensur(13), Verhaftungen von Aktivisten(14), Polizeirazzien(15), das Verbot des Kufiya [auch Pali-Tuch genannt] in Schulen(16) und das Vorgehen gegen propalästinensische Proteste gehören(17).
Mehr als ein Jahr später ist Deutschland an dem ‚einzigen Ort geblieben, an dem es an der Seite Israels sein kann‘, wie Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem 7. Oktober 2023 versprach.“(18)
Fabian Goldmann zeigt am Beispiel von Tagesschaumeldungen, wie deutsche Medienkonsumenten informiert werden, nachdem 136 Menschen in 24 Stunden durch Israel getötet wurden: „Israel meldet Tod von hochrangigem Hamas Mitglied“ … „Verletzte nach Raketenangriff auf Zentral-Israel“ …(19).
Solche Meldungen in Deutschland stehen dann im Gegensatz zu Meldungen, sogar im britischen The Guardian:
„Israelischer Angriff hat ‚apokalyptische‘ Situation im Norden Gazas verursacht, warnt UN- Wichtige Beamte sagen, die gesamte Bevölkerung im Norden Gazas sei „unmittelbar gefährdet, an Krankheiten, Hunger und Gewalt zu sterben“.(20)
Und während Al Jazeera darüber berichtet, dass die WHO erklärte, dass im Libanon schon über 100 Mitarbeiter des Gesundheitswesens durch Israel gezielt getötet wurden(20), hört man, übertrieben ausgedrückt, die Lebensgeschichte eines israelischen Soldaten, der durch eine Sprengfalle starb. Der Angriff auf Leben rettende Helfer ist wohl das Infamste und Niederträchtigste, das aber auch in diesem Konflikt von Israel auf eine noch nie gesehene Spitze getrieben wurde(22).
Während sogar die The Times of Israel bereits erklärt, dass der Krieg überhaupt nichts mit den Geiseln zu tun hat(23), skandieren deutsche Israel-Fans noch „lasst die Geiseln frei“. Und das, obwohl die Besatzungsmacht palästinensische 9.400 Geiseln foltert und sogar tötet, wie AP und Wall Street Journal melden, während die Hamas 111 Geiseln versucht vor den Bomben der IDF am Leben zu erhalten.
„Berichten zufolge haben hochrangige Beamte, darunter Verteidigungsminister Yoav Gallant und IDF-Chef Herzi Halevi, am Samstagabend Premierminister Benjamin Netanjahu mitgeteilt, sein Beharren auf neuen Bedingungen werde das derzeit ausgehandelte Abkommen über Waffenstillstand und Geiselbefreiung sabotieren. Der Premier behauptete daraufhin, nicht er, sondern die Hamas habe neue Forderungen gestellt.
Channel 12 News zitierte sowohl Halevi als auch Gallant mit den Vorwürfen, Netanjahu sei sich durchaus bewusst, dass die von ihm geforderten neuen Bedingungen, die Berichten zufolge in einem aktualisierten israelischen Vorschlag enthalten sind, das Abkommen zum Scheitern bringen würden.“(24)
Und dieser Zustand, der Verhinderung einer Vereinbarung mit der Hamas über Geiselfreilassung und Waffenstillstand, wurde bereits seit Monaten immer wieder beobachtet.
Aus unerwarteten Richtungen erhielt die kleine Opposition in Israel gegen den Völkermord Unterstützung. Der ehemalige Stabschef der IDF, Dan Halutz erklärte, dass der Extremismus in der israelischen Armee in anwidere. Siedler sind für ihn der Inbegriff einer Haltung, die für Israel schädlich sei. Und wenn er Kinder im vom Krieg zerstörten Gaza sehe, denke er an seine eigenen Enkelkinder. Er glaubt trotz der Taten immer noch an die Moral der IDF, sagt aber, dass viele Israelis im Fall einer Wiederwahl von Netanjahu sich entscheiden müssten, ob das noch ihr Staat sei(25).
Die Endlösung Gaza?
„Ausrotten, Vernichtung, Umsiedlung: Israels Endspiel im Norden Gazas“ ist der Titel eines langen Artikels von Idan Landau, der die Situation Anfang November für das Gebiet im Norden Gazas beschreibt. Der Artikel ist aufwühlend und zeigt viele eindrucksvolle Bilder(26) Er ist ein wichtiges zeitgenössisches Dokument, weshalb ich ausführlich darauf eingehen möchte.
Zu Beginn des Artikels verweist der Autor auf zwei Fotos, die am gleichen Tag im Oktober aufgenommen worden waren. Auf einem sieht man eine Reihe von Vertriebenen, eigentlich nur Frauen und Kinder. Denn Männer über 16 Jahren wurden getrennt „behandelt“. Auf dem anderen Bild sieht man eine Versammlung der Siedlerorganisation Nachala, die vor Gaza eine provisorische Zeltsiedlung aufgebaut hatte. Dort wurde ein jüdisches Fest gefeiert, woran 21 rechte Minister und Knesset-Mitglieder(27) teilnahmen, und wo die Pläne für den Bau neuer Siedlungen in Gaza besprochen wurde.
Die Fotos erzählen eine Geschichte, erklärt er, einer Geschichte, die vor 76 Jahren begonnen hatte, mit der Nakba(28) von 1948, dem Siyag-Plan(29) und der Naksa(30) von 1967. Auf der einen Seite vertriebene Palästinenser, verwundet, hungrig, erschöpft, auf der anderen Seite freudige zionistische Siedler, welche darauf warten, dass die Armee ihnen das Land zuteilt.
Dann beginnt er über den Plan zu berichten, der zu der aktuellen Situation führte, welche so sehr den geschichtlichen Vorbildern ähnelt. Der Anfang September veröffentlichte „Plan des Generals“ habe ein einfaches Ziel: den nördlichen Teil des Gazastreifens von seiner palästinensischen Bevölkerung zu befreien(31). Der Plan(32) sieht vor, ca. 300.000 Menschen, welche immer noch im Norden des so genannten Netzarim-Korridors, eines von Israel besetzten Gebietes, verharrt hatten, aus dem Gebiet zu entfernen. Die UNO schätzte die dort lebende Bevölkerung auf 400.000 Menschen.
„Während der ersten Phase des Plans informierte die israelische Armee all diese Menschen, dass sie eine Woche Zeit haben, um durch zwei ‚humanitäre Korridore‘ in den Süden zu evakuieren. In der zweiten Phase, am Ende dieser Woche, erklärte die Armee das gesamte Gebiet zu einer geschlossenen Militärzone. Jeder, der blieb, würde als feindlicher Kämpfer angesehen und getötet werden, wenn er sich nicht ergab. Eine undurchlässige Belagerung würde dem Gebiet auferlegt, was die Hunger- und Gesundheitskrise verstärken würde, die wie Prof. Uzi Rabi, ein leitender Forscher an der Universität Tel Aviv, sagte,(33) ‚ein Prozess des Hungers oder der Ausrottung‘ ist.“(34)
Dem Plan zufolge sei die Warnung der Zivilbevölkerung zur Evakuierung angeblich die Einhaltung der Anforderungen des humanitären Völkerrechts. Das, so der Autor, ist eine Lüge. Im ersten Protokoll der Genfer Konventionen heiße es eindeutig(35), dass die Flucht der Zivilisten weder den geschützten Status derer negiert, die bleiben, und daher den Streitkräften nicht erlaubt, ihnen Schaden zuzufügen; noch lösche eine militärische Belagerung die Verpflichtung der Armee aus, die Verabschiedung humanitärer Hilfe für Zivilisten zu ermöglichen.
Außerdem würden die Lippenbekenntnisse zum humanitären Recht entlarvt, wenn man bedenkt, dass der Mann, der den Plan verfasste, Generalmajor d.R. Giora Eiland, das vergangene Jahr damit verbracht hatte, eine kollektive Bestrafung(36) gegen die gesamte Bevölkerung von Gaza zu fordern. Die Enklave sollte so behandelt werden(37), als ob sie Nazi-Deutschland wäre, um „den Sieg näher zu bringen und den Schaden für IDF-Soldaten zu verringern“. Nachdem sich der General 10 Monate lang so geäußert hatte(38), habe er nun eine Chance erhalten, mit einer Reihe von Persönlichkeiten, die im Hintergrund aktiv seien, einen Vernichtungsplan für den Norden des Gazastreifens als Pilotprojekt zu verwirklichen.
Der Autor bedauert dann, dass Medien und die Politiker wieder einmal lediglich eine Ablenkung erzeugten. Während Premierminister Benjamin Netanyahu(39) und Verteidigungsminister Yoav Gallant(40) es eilig hatten, den Plan zu bestreiten, informierten anonyme Beamte(41) und Soldaten vor Ort(42) bereits die Medien, dass mit der Umsetzung begonnen wurde.
„Die Realität ist jedoch noch entsetzlicher. Was die Armee seit Anfang Oktober im nördlichen Gazastreifen durchführt, ist nicht ganz der ‚Allgemeine Plan‘, sondern eine noch finsterere und brutalere Version davon in einem konzentrierteren Gebiet. Man könnte sogar sagen, dass der Plan selbst und der intensive internationale Medien- und diplomatische Sturm, den er geschaffen hat, dazu beigetragen hat, alle im Dunkeln zu lassen, was tatsächlich vor sich geht, und die beiden Arten, wie der Plan bereits neu definiert wurde, verschleiern hat.
Die erste, unmittelbarste Unterscheidung ist die Aufgabe von Bestimmungen zur Verringerung des Schadens für Zivilisten, d. h. den Bewohnern des nördlichen Gazastreifens wird eine Woche lang für die Evakuierung nach Süden gegeben. Der zweite Teil betrifft den wahren Zweck, das Gebiet zu entleeren: Während er die militärische Operation als Sicherheitsnotwendigkeit darstellt, war es in der Tat eine Verkörperung des Geistes der ethnischen Säuberung und Neuansiedlung vom ersten Tag an.“(43)
Ablenkung
Die Katastrophe im Norden Gazas wachse von Minute zu Minute, und der Zusammenfluss der Umstände bedeutet, dass die unvorstellbare - Ausrottung tausender Menschen in der belagerten Gegend – „nicht mehr außerhalb des Bereichs des Möglichen liege“, schrieb der Autor Anfang November. Er erklärt, dass die Militäroperation schon am 6. Oktober(44) begonnen hatte, als Bewohner von Beit Hanoun, Beit Lahiya und Jabalia angewiesen worden waren, durch zwei „humanitäre Korridore“ in das Al-Mawasi-Gebiet im Süden von Gaza zu fliehen.
Israel habe den folgenden Angriff als Mittel dargestellt, die Hamas-Infrastruktur zu zerstören(45), weil sich die Gruppe in der Gegend wieder etabliert habe. Außerdem wollte man sich angeblich so darauf vorbereiten, dass Israel die Verantwortung für Kauf, Transport und Verteilung humanitärer Hilfe rund um den Gazastreifen übernimmt. Damit sollte, so Landau, die Rückkehr der israelischen Zivilverwaltung, welche Gaza schon einmal verwaltet hatte, ermöglicht werden.
„Für die Palästinenser in diesen Gebieten sah es etwas anders aus. Die Armee griff Bewohner in ihren Häusern und in Notunterkünften mit Luftangriffen, Artillerie und Drohnen an(46), während Soldaten von Straße zu Straße zogen und ganze Gebäude(47) in Brand setzten(48), um die(49) Rückkehr zu verhindern. Innerhalb weniger Tage hatte sich Jabalia in eine Vision der Apokalypse(50) verwandelt.“(51).
Im Gegensatz zu dem Bild, das die Armee zeichnete und das suggerierte, dass die Bewohner der nördlichen Gebiete sich frei nach Süden bewegen und die Gefahrenzone verlassen könnten, zeigten die Aussagen der Einheimischen eine erschreckende Realität: Jeder, der auch nur sein Haus verließ, riskierte, von israelischen Scharfschützen oder Drohnen erschossen(52) zu werden, darunter auch kleine Kinder(53) und Menschen mit weißen Fahnen(54). Rettungsmannschaften(55), die versuchten, den Verletzten zu helfen, wurden ebenfalls angegriffen, ebenso wie Journalisten(56), die versuchten, die Ereignisse zu dokumentieren.“(57)
Ein besonders erschütterndes Video wurde von der Washington Post bestätigt(58), es zeigt ein Kind am Boden, das um Hilfe fleht, nachdem es durch einen Luftangriff verletzt wurde; als sich eine Menschenmenge versammelt, um ihm zu helfen, werden sie plötzlich von einem weiteren Luftangriff getroffen, bei dem eine Person getötet und mehr als 20 weitere verletzt wurden, und davon vermutlich einige ihren Verletzungen mangels Behandlung erlagen. Im Internet, so muss man hinzufügen, verbreitete sich die Bezeichnung „Todesmarsch“(59).
Abschluss
Das Format des PodCasts beendet hier den Bericht. Aber die Hörer können im Anhang den Rest der Erklärungen lesen.
Anhang
Angesichts dieser Brutalität, so der Autor des in dem PodCast erwähnten Artikels, Landau, lief die israelische Propagandamaschine auf Hochtouren, um Ausreden zu bieten, warum Zivilisten nicht evakuiert wurden. Zum Beispiel weil angeblich die Hamas die Menschen mit Stöcken schlagen würde(60), wenn sie versuchten zu gehen. Wenn die Hamas tatsächlich Zivilisten von der Evakuierung abhielt, fragte dann Landau, wie kann dann die Armee behaupten, dass diejenigen, die sich entschieden haben, nicht zu evakuieren, Terroristen sind, dazu verurteilt, getötet zu werden? Als man den Bewohnern selbst zuhörte, so Landau, konnte man den gleichen verzweifelten Schrei hören: "Wir können nicht evakuieren, weil die israelische Armee auf uns schießt."(61)
„Am Okt. 20, verbreitete(62) die Armee ein Foto einer langen Reihe von vertriebenen Palästinensern, neben einer Bildunterschrift, die so banal und betäubend wie eine Wettervorhersage formuliert wurde: ‚Die Bewegung palästinensischer Einwohner geht vom Gebiet Jabalia im nördlichen Gazastreifen weiter. Bisher wurden mehr als 5.000 Palästinenser aus dem Gebiet evakuiert.‘
Beobachter hätten bemerken können, dass alle Köpfe auf dem Bild abgedeckt waren: Es ist eine Reihe von Frauen und Kindern, die nicht ‚evakuiert‘, sondern gewaltsam entwurzelt wurden. Wo sind die Männer? Entführt an unbekannte Orte. Vielleicht hören wir noch von ihnen in einigen Monaten in israelischen Internierungslagern, in denen gefoltert und misshandelt werden(63), Misshandlungen, an denen seit dem 7. Oktober mindestens 60 Gefangene aus dem Gazastreifen getötet wurden.“(64)
Man muss wohl hinzufügen, dass ein Teil der männlichen Bevölkerung gar nicht mehr auftauchen dürfte.
In dem Artikel wird weiter erklärt, dass den Zivilisten keineswegs eine Woche Zeit gegeben worden war, wie später von der Armee sogar zugegeben wurde(65). Von Anfang an, so Landau, behandelte die Armee die nördlichen Gebiete als eine Militärzone, in der jede Bewegung mit „tödlichem Feuer“ konfrontiert wurde.
Eine Politik der Ausrottung
Seit der israelischen Armee ihre Operation im Norden Gazas getötet hat, schreibt Landau, hat sie über 1.000(66) Palästinenser getötet. Die israelische Luftwaffe habe normalerweise nachts bombardiert, während die Opfer schliefen, dadurch ganze Familien(67) in ihren Häusern abgeschlachtet und es schwieriger gemacht, die Verletzten zu evakuieren. Und am Okt. 24, so berichtet er weiter, hatten die Rettungsdienste angekündigt(68), dass die Intensität des Bombardements ihnen keine andere Wahl ließ, als alle Operationen in den belagerten Gebieten einzustellen.
Zu den bemerkenswertesten Angriffen am 14. Oktober habe der Bombenanschlag(69) auf ein Haus in der Gegend von Al-Fallujah im Lager Jabalia im Oktober gehört. Er tötete eine 11-köpfige Familie zusammen mit dem Arzt, der kam, um sie zu behandeln. Dann erwähnt Landau einen Angriff(70) auf die Abu-Hussein-Schule im Lager Jabalia am 17. Oktober. Wodurch 22 vertriebene Menschen getötet wurden, die dort Schutz gesucht hatten. Dann gab es 33 Todesopfer(71) in drei Häusern im Lager Jabalia am 19. Oktober. Unter den Toten waren 21 Frauen. Bei der Zerstörung(72) mehrerer Wohngebäude in Beit Lahiya wurden 87 Menschen getötet. Und durch Luftangriffe(73) auf fünf Wohngebäude in Beit Lahiya am 26. Oktober wurden 40 Menschen getötet. Schließlich erwähnte Landau das Massaker(74) der IDF dem 93 Menschen bei der Bombardierung eines fünfstöckigen Wohnhauses in Beit Lahiya am 29. Oktober zum Opfer fielen.
„Die Vernichtungsoperation, die derzeit im Norden Gazas im Gange ist, sollte niemanden überraschen, der im vergangenen Jahr auf Israels Kriegsverbrechen geachtet hat, und die(75) unzähligen(76) investigativen(77) Berichte(78), welche(79) die(80) angesehensten(81) und respektierten(82) Medien(83) der Welt(84) veröffentlicht(85) haben(86) kannte. Von Abwürfen von 2.000-Pfund-Bomben(87), bei denen es keine militärischen Ziele in der Nähe gibt, bis hin zur regelmäßigen Tötung von Kindern(88) durch Scharfschützenfeuer in den Kopf - diese vergangenen Gräueltaten zeigen uns, was die israelische Armee weiterhin tun wird, wenn sie nicht gestoppt werden.
Es gibt nur drei große medizinische Einrichtungen innerhalb des gesperrten Gebiets im nördlichen Gaza, zu denen die hunderte von Opfern der letzten Wochen geleitet wurden: das indonesische Krankenhaus und das Kamal Adwan-Krankenhaus in Beit Lahiya und das Al-Awda-Krankenhaus in Jabalia. Doch die israelische Armee hat diese Krankenhäuser auch Angriffen ausgesetzt, was sie unfähig(89) gemacht hat die Verwundeten zu behandeln. Berichte von ‚Ärzte ohne Grenzen‘(90) und der UNO(91) haben die Situation als ‚unmittelbar lebensbedrohlich‘ definiert.
Zu Beginn der Operation befahl(92) die israelische Armee den drei Krankenhäusern, innerhalb von 24 Stunden alle Patienten zu evakuieren und drohte damit, jeden, der danach vorgefunden wurde, gefangen zu nehmen oder zu töten. Was nicht ganz der ‚Woche der Gnade‘, die im ‚Plan des Generals‘ stand, entsprach. Die Armee bombardierte Kamal Adwan und ihre Umgebung in der Anfangsphase der Operation, bevor sie sie einer dreitägigen Razzia(93) unterzog, was dann die Krankenhäuser vollständig außer Lage gesetzt hatte, einen Notdienst zu organisieren, auch weil die meisten Ärzte in Gefangenschaft genommen wurden.“(94)
Die Armee, so erklärt der Autor weiter, hat auch wiederholt(95) sowohl das indonesische Krankenhaus als auch Al-Awda bombardiert. Zwei Patienten seien durch den Stromausfall verstorben, bevor das Krankenhaus komplett schließen musste. Das ist nun der Grund, warum auch leichte Verletzungen oft(96) zum Tod führen. Weil die verbliebenen medizinische Teams einfach nicht über die notwendigen Ressourcen verfügten, um sie zu behandeln.
Israel halte natürlich jedes Haus und jede Gasse in Gaza für eine potenzielle Bedrohung und ein legitimes Ziel. Und was wird die Ausrede dafür sein(97), sechs Gruppen medizinischer Helfer, die mit der Weltgesundheitsorganisation zusammenarbeiten, die Einreise nach Gaza zu verweigern? Höchstwahrscheinlich, so meint Landau, ist es eine Strafe für die Entsendung westlicher Ärzte in den Strip, die später Zeugenaussagen(98) über israelische Scharfschützen, die Kinder ins Visier nahmen, verbreiteten. Und schließlich erwähnt der Artikel den bereits erwähnten UN-Bericht(99), der zu dem Schluss kam, dass Israel „eine konzertierte Politik zur Zerstörung des Gesundheitssystems im Gazastreifen“ betreibe, und dass dies Teil des „Verbrechens gegen die Menschlichkeit der Ausrottung“ sei.
Hunger-Krieg
Die Angriffe, von denen Landau berichtete, wurden von einer vollständigen Blockade und Belagerung(100) begleitet, die alle Lebensmittel und medizinischen Hilfsgüter daran hinderte, in den Norden des Gazastreifens zu gelangen, was offensichtlich eine absichtliche(101) Politik des Aushungerns(102) war. Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen hatte Israel am 1. Oktober damit begonnen, die Lebensmittelversorgung zu unterbinden. Fünf Tage vor der Militäroperation.
Diese Tatsache, so Landau in dem Bericht weiter, erhielt offizielle, wenn auch indirekte Genehmigung in Form eines US-Ultimatums(103) am 15. Oktober. Darin wurde verlangt, dass Israel innerhalb von 30 Tagen wieder Hilfslieferungen in den Norden des Gazastreifens einreisen lassen müsse, oder die US-Waffenlieferungen nach Israel würden beendet werden. Dies zeige auf, wie humanitäre Gruppen gewarnt(104) hatten, dass für den ganzen Monat Oktober die Verweigerung von Lebensmittellieferungen durch die USA erlaubt waren. Was selbst den Chef der EU-Außenpolitik zu der Feststellung verleitete, dass innerhalb von 30 Tagen tausende von Menschen sterben könnten(105).
Darüber hinaus, meint Landau, verstärke ein Exposé(106) von Politico das Gefühl, dass die neueste Forderung aus Washington, eine leere Geste war, um das liberale Gewissen zu beruhigen.
Israels Hungerpolitik im Norden des Gazastreifens beschränkte sich nicht darauf, den Eintritt von Lebensmitteln zu verhindern, fährt der Artikel fort zu berichten. Am 10. Oktober habe die Armee das einzige Lager mit Mehl in der Gegend bombardiert(107). Ein Kriegsverbrechen, das nicht klarer ein solches sein könnte, und was mit Sicherheit in das Völkermordverfahren gegen Israel eingebracht werden wird. Vier Tage später habe die Armee dann auch noch ein UN-Nahrungsmittel-Verteilungszentrum in Jabalia bombardiert(108=, was außer die Vorräte zu zerstören, 10 Menschen tötete.
Hilfsorganisationen hatten dringende(109) Warnungen(110) vor dieser eskalierenden Katastrophe verbreitet. Sie erklärten, dass sie ihre grundlegenden Funktionen unter den Bedingungen unmöglich erfüllen konnten. Selbst die New York Times sagte „katastrophale Folgen“ schwerer Unterernährung voraus(111).
Am 16. Oktober berichteten israelische Medien(112), dass die USA den Druck vergrößert hatten, und 100 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Norden des Gaza-Streifens einfahren durften. Allerdings hatten Journalisten(113) im Norden(114) von Gaza festgestellt, dass NICHTS in die belagerten Gebiete gekommen war.
Am 20. Oktober lehnte(115) Israel einen weiteren Antrag der UN-Agenturen ab, Lebensmittel, Treibstoff, Blut und Medikamente in das blockierte Gebiet zu bringen. Drei Tage später, als Antwort auf einen Antrag der israelischen Menschenrechtsgruppe Gisha auf eine Notfallentscheidung, gab der Staat Israel vor dem Obersten Gerichtshof zu(116), dass bis zu diesem Zeitpunkt keine humanitäre Hilfe in den Norden des Gazastreifens gelassen wurde. Zu diesem Zeitpunkt sprechen wir bereits von einer dreiwöchigen Hungerblockade.
Seit dem Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof behauptet Israel(117), einige Lastwagen mit Nahrungsmittel in den blockierten Bereich im Norden einfahren zu lassen, aber ohne dass diese Behauptung durch Fotos oder Videos belegt werden konnte, wie der Artikel von Landau erklärt.
„Sicherheit“ als Grund für Hungerblockade
Von Anfang an war die militärische Begründung für eine so drastische Operation fragwürdig, erklärt Landau. Eiland sprach von „5.000 Terroristen“, die sich im Norden versteckten, doch jeder, der die Situation vor Ort aufmerksam verfolgte, konnte erkennen, dass Begegnungen mit Hamas-Aktivisten in diesen Gebieten selten waren.
„Tatsächlich, wie Yaniv Kubovich(118) von Haaretz enthüllte, ‚sagen Kommandeure vor Ort …, dass die Entscheidung, in Nord-Gaza zu operieren, ohne detaillierte Überlegungen getroffen wurde und es scheint, dass sie hauptsächlich dazu gedacht war, Druck auf die Bevölkerung Gazas auszuüben.‘ Den Streitkräften wurde befohlen, sich auf die Operation vorzubereiten, so der Bericht weiter, ‚obwohl es keine Geheimdienstinformationen gab, die sie rechtfertigten.‘
Darüber hinaus habe unter den hochrangigen Beamten keine Einigkeit über die Notwendigkeit des Manövers geherrscht, und viele in der Armee und im Shin Bet seien der Meinung gewesen, dass das Manöver das Leben von Geiseln gefährden könnte. Der Haaretz Artikel berichtete, dass die Soldaten, die Jabalia betraten, keine „Terroristen“ gesehen hätten, obwohl seitdem mindestens 12 Soldaten(119) im Norden Gazas getötet wurden. Die meisten durch Sprengfallen.
Was war also die wahre Motivation für die Operation? Fragt Landau. Und beantwortet sie damit, indem er schreibt, dass man die Sukkot-Veranstaltung berücksichtigen müsse, die von Siedlern und ihren Unterstützern am 21. Oktober organisiert wurde und den Titel „Vorbereitungen für die Besiedlung Gazas“ trug. Dort sei eine Vision für den Bau jüdischer Siedlungen im gesamten Gazastreifen dargelegt worden. Was aber erst realisiert werden konnte, nachdem die Enklave von Palästinensern „gesäubert“ worden war. Gaza-Stadt zum Beispiel sollte „eine hebräische, technologische, grüne Stadt werden, die alle Teile der israelischen Gesellschaft vereinen würde“.
Dieses Ereignis sei nicht das erste gewesen, in dem zur Annexion und Besiedlung des Gazastreifens aufgerufen wurde. Davor habe es bereits eine „ekstatische“ Konferenz(120) im Januar in Jerusalem gegeben, an der tausende Israels teilnahmen. Unter anderem 26 Regierungsmitglieder. Obwohl nur ein Viertel der israelischen Öffentlichkeit die Wiederbesiedlung des Gazastreifens befürworte, zeige die Anwesenheit der wichtigen Politiker der Regierungspartei Likud, dass die ethnische Säuberung und Inbesitznahme wohl doch zum Mainstream werde.
Daniela Weiss von der Nachala-Bewegung habe die Pläne bereits ausgearbeitet: sechs Siedlungsgruppen mit 700 Familien(121), die auf ihre Landzuteilung warten. Alles, was sie brauchen, sei ein Zeitfenster – ein Moment, in dem die nationale Aufmerksamkeit abgelenkt wird, wie durch einen Krieg im Libanon oder gegen den Iran, meint der Autor.
„Sie werden es einen ‚militärischen Außenposten‘ oder einen ‚Bauernhof‘ nennen, eine bewährte Strategie, der Rechten zuzuzwinkern und der Linken Sicherheitsbegründungen vorzutäuschen. Die Armee werde sie nie im Stich lassen: Sie sind unsere ‚besten Jungs‘, das Militär ist ihr Fleisch und Blut (…)“(122)
Die im Hintergrund
Landau erklärt dann die Beweggründe und die Denker im Hintergrund(123), die schon lange an einer Inbesitznahme von Gaza gearbeitet hatten(124). Und so hatten sie den 7. Oktober mit Bildern des Holocaust verknüpft(125) und erklärt, dass sie als ewige Opfer niemals sündigen könnten, egal welche Verbrechen sie begehen(126).
Im weiteren Verlauf berichtet er dann über verschiedene Politiker, und wie sie die Besiedlung begründeten und vorantrieben. Bis er dann zu dem Punkt kommt, indem er feststellt:
„Israels Zeitfenster. Derzeit sind in Beit Lahiya, Beit Hanoun und Jabalia noch immer rund 100.000 Einwohner belagert(127), die hungern und dursten. Täglich werden ganze Familien massakriert und ganze Stadtteile dem Erdboden gleichgemacht(128). Israels Zerstörung der Gesundheitsinfrastruktur(129) und die Blockierung medizinischer Hilfe haben Krankenhäuser lahmgelegt, die nicht mehr in der Lage sind, die Verletzten zu versorgen. Gleichzeitig tappen wir aufgrund eines teilweisen Kommunikationsausfalls und der nahezu völligen Abwesenheit von Journalisten in den belagerten Gebieten weitgehend im Dunkeln.
Kann man vorhersagen, was als Nächstes kommt? Einige werden unweigerlich in den USA nach Antworten suchen. In wenigen Tagen werden die Amerikaner an die Wahlurnen gehen, und es wird mit Sicherheit ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Donald Trump und Kamala Harris geben. Wenn Trump gewinnt, kann die israelische Führung aufatmen. Er wird keinen israelischen Plan stoppen, wie brutal er auch sein mag – schon aus dem einfachen Grund(130) dass ihm nicht klar ist, was der Unterschied zwischen Gaza und Israel ist.
Harris ihrerseits wird die letzten Tage ihres Wahlkampfs nicht durch starke Äußerungen aufs Spiel setzen. Sie wird die jüdischen Wählerstimmen der Demokraten sicher nicht aufs Spiel setzen, indem sie Israel ein echtes Ultimatum stellt – das hat sie bereits gesagt(131). Und wenn sie gewinnt? Es besteht keine Eile. Die neue Präsidentin wird die Situation genau studieren müssen. ‚Wir verfolgen aufmerksam, was in Gaza passiert, und arbeiten mit unseren Verbündeten an einer Lösung dieser tragischen Situation‘, wird sie mit Sicherheit sagen.
Europa hat in der unmittelbaren Zukunft keine Einflussmöglichkeiten auf Israel, und ohnehin verhindern die internen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der EU – und vor allem Deutschlands entschlossene Unterstützung für Israel – jede drastische Änderung der Politik. In Den Haag(132) mahlen die Mühlen der Justiz langsam.“(133)
Rettung könne nur aus Washington kommen, aber Washington sei mit jedem Tag beschäftigter mit Trump. Das unvermeidliche Ergebnis werde sein, dass sich wieder einmal niemand darum scheren wird, dass sich die palästinensischen Leichen stapeln.
Dies verschaffe Israel ein Zeitfenster von ein oder zwei Monaten, in dem es die Vernichtungsoperation im Norden Gazas sogar noch intensivieren kann.
„Soweit ich das sehe, wird es in dieser Zeit oder wahrscheinlich auch danach nichts aufhalten können. Der sich verschärfende Krieg im Libanon und im Norden Israels dient ebenfalls als zusätzlicher Nebelschleier.
Wie viele Palästinenser wird Israel bis dahin im Norden Gazas vernichten? Die Tötung von über 1.000 Menschen in den vier Wochen seit Beginn der aktuellen Operation mag im Vergleich zu den Zahlen, die wir zu Beginn des Krieges sahen, nicht viel klingen, aber wir müssen bedenken, dass das derzeit belagerte Gebiet weniger als ein Fünftel der Bevölkerung Gazas beherbergt. Verhältnismäßig entspricht dies den Rekordzahlen der ersten beiden Kriegsmonate, als die Armee durch unaufhörliche Luftangriffe durchschnittlich 250 Menschen(134) pro Tag tötete. Es ist daher kein Wunder, dass die Bewohner des nördlichen Gazastreifens sagen, die letzten Wochen seien die schwierigsten(135) seit Beginn des Krieges gewesen.“(136)
Dann spricht Landau das Problem der Vertreibung ohne Rückkehrchance an. Abgesehen von der Möglichkeit einer Massenvernichtung mit bisher unbekannten Mitteln, scheine Israel eine Art Mittelweg zwischen Ausrottung und Umsiedlung zu wählen. Die Ausrottung sei als eine Form des Terrors und der Einschüchterung gedacht, wie die Art und Weise der Armee, mit der die Bewohner des nördlichen Gazastreifens zu einer „freiwilligen“ Evakuierung bewegt werden. Aber selbst das reiche nicht aus. Und so seien Soldaten in die Notunterkünfte geschickt worden, um die Flüchtlinge mit vorgehaltener Waffe zusammenzutreiben und sie nach Süden zu schicken, nachdem die Männer getrennt und zum Verhör oder zur Inhaftierung gebracht worden waren. Und, das muss man hinzufügen, dass Verhaftung Folter, Erniedrigung und auch Tod bedeutet, wird jeder wissen.
Am 21. Oktober habe der israelische öffentlich-rechtliche Rundfunk Kan Drohnenaufnahmen(137) von Palästinensern veröffentlicht, die zusammengetrieben und gezwungen wurden, nach Süden zu gehen. Der Titel des Videos lautete: „Die Menschen von Gaza verlassen Jabalia“. Was bedeutete, dass sie es „verlassen“, wie die Bewohner von Lyd(138), Al-Majdal und Manshiyya im Jahr 1948. Die Bewohner des Gazastreifens selbst bezeugten:
„Wer Befehle nicht befolgt, wird erschossen(139).“
„Und so ist es: Frauen und Kinder in einer Reihe, getrennt von Männern über 16, die in einer anderen Reihe Ausweise hochhalten – eine Zwangsvertreibung, festgehalten von den Kameras der Vertreibungstruppe. In den kommenden Jahren wird Israel in die Geschichtsbücher schreiben: Sie sind freiwillig gegangen.
Und gerade als das israelische Fernsehen Bilder von diesem ‚ruhigen Aufbruch‘ ausstrahlte(140), berichteten Journalisten in Gaza von einem weiteren Bombenanschlag auf eine Unterkunft im selben Flüchtlingslager, bei dem 10 Menschen getötet und 30 verletzt wurden. Die Aussage eines Sanitäters, der vor Ort war, offenbart das Grauen(141): Eine Drohne verkündete aus der Luft, dass die Bewohner des Lagers evakuiert werden müssten, und keine 10 Minuten später, bevor die meisten Menschen es geschafft hatten, das Lager zu verlassen, wurde die Anlage in die Luft gesprengt.
Der ‚Plan der Generäle‘ ist also nicht nur eine Täuschung, sondern auch ein operativer Flop. Die bedrohte Bevölkerung war nicht geneigt, freiwillig in die Kugeln und Mörsergranaten der IDF zu laufen, sondern zog vertraute Schrecken unbekannten vor, wie es die menschliche Natur ist (aber wer in der israelischen Armee ist schon in der Lage, Palästinenser als Menschen wahrzunehmen?). Selbst die Ausrottung als Terrorinstrument reichte nicht aus, um die Bewohner des nördlichen Gazastreifens zu einer ‚freiwilligen‘ Evakuierung zu bewegen.“(142)
Alle Anzeichen, so Landau weiter, deuteten darauf hin, dass Israel nicht vorhat, die Vertriebenen zurückkehren zu lassen(143). In dieser Hinsicht sei die Zerstörung im Norden Gazas mit nichts zu vergleichen, was wir je zuvor gesehen haben. Die Armee sorge wirklich dafür, jedes Gebäude niederzubrennen, zu zerstören und dem Erdboden gleichzumachen, nachdem die Palästinenser gegangen sind – und manchmal sogar, während sie noch drinnen sind. Diesmal könnten sogar die Amerikaner und Europäer(144) die Zeichen an der Wand erkennen.
Wie lange werde es dauern, den Norden Gazas vollständig von seiner Bevölkerung zu säubern? Fragt Landau, und erklärt, dass es schwierig sei das vorherzusagen. Aber es sehe so aus, als ob der Angriff auf die Zivilbevölkerung und die Vertreibung noch Wochen andauern werde.
Die Befürchtung der Menschen, nicht mehr zurückkehren zu dürfen, habe sie dazu bewegt, nicht südlich des Netzarim-Korridors, sondern am Stadtrand von Gaza zu bleiben(145) Wenn die Armee sie auch von dort vertreibe, wird dies ein weiterer Beweis dafür sein, dass die Säuberungsaktion nicht von operativen Erwägungen geleitet wird.
Ein Kampf ums Leben
Landau stellt fest, dass innerhalb Israels nur wenige Menschen die Realität richtig erkennen. Und er erklärt, dass Israelis zunächst einmal aufhören müssten zu rufen: „Aber was ist mit der Charta der Hamas?!“ oder „Aber Iran!“ oder sogar „Aber sie sind Barbaren!“ Nichts davon sei relevant angesichts des Völkermords, den die israelische Armee gerade begehe. Und er weist darauf hin, dass die Feststellung eines VÖLKERMORDES nicht von ihm, sondern(146) von israelischen(147) Historikern(148) getroffen wurde.
Gegen Ende des Artikels erklärt Landau noch einmal die unglaublichen Verluste, die Gräueltaten und die Konsequenzen, die dieser Völkermord erzeugte. Und er fordert indirekte auf, Israel keine Waffen mehr für diesen Völkermord zu liefern.
Quellen und Hinweise
Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://x.com/jochen_mitschka
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[6] https://www.middleeasteye.net/live/live-israel-gaza-north-lebanon-war-hezbollah-hamas-beirut-ceasefire
[7] https://www.middleeastmonitor.com/20241015-german-fm-israel-can-kill-civilians-in-gaza-to-defend-itself/
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[9] https://www.middleeasteye.net/opinion/israel-palestine-war-germany-atone-holocaust-enabling-gaza-genocide
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[12] https://www.middleeasteye.net/opinion/israel-palestine-war-germany-march-illiberalism-defending-israel
[13] https://www.aljazeera.com/features/2023/10/26/complete-censorship-germanys-palestinian-diaspora-fights-crackdown
[14] https://www.middleeastmonitor.com/20241001-palestine-activists-arrested-in-berlin/
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[122] https://www.972mag.com/exterminate-expel-resettle-israel-northern-gaza/
[123] https://www.972mag.com/exterminate-expel-resettle-israel-northern-gaza/
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[143] https://www.haaretz.com/israel-news/2024-10-30/ty-article/.premium/under-political-pressure-israeli-forces-staying-in-north-gaza-to-block-residents-return/00000192-de94-d6c4-adfe-fed6ccb90000
[144] https://www.haaretz.com/israel-news/2024-10-21/ty-article/.premium/we-are-truly-worried-that-israel-is-going-to-commit-something-very-dangerous-in-gaza/00000192-aef7-d30f-a39e-eef78d1b0000
[145] https://www.haaretz.co.il/news/politics/2024-10-22/ty-article/.premium/00000192-b047-daee-a9fb-fedfab970000
[146] https://jewishcurrents.org/a-textbook-case-of-genocide
[147] https://thepalestineproject.medium.com/yes-it-is-genocide-634a07ea27d4
[148] https://twitter.com/LeeMordechai/status/1768845051612844049
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Anas-Mohammed / Shutterstock.com
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