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Israel vs. Iran: Die iranische Schlange enthäuten | Von Paul Clemente

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Ein Kommentar von Paul Clemente.

Seit fast vierzig Jahren steht der Iran unter Verdacht, eigene Atombomben herzustellen. Dafür gäbe es auch gute Gründe. Es ist nämlich kein Zufall, dass die USA niemals in Nordkorea einfallen – egal, wie sehr Kim Jong Un den Uncle Sam auch provoziert. Schließlich droht der sozialistische Monarch mit atomarem Gegenschlag. Ergo: Wer sich mit den USA anlegt, sollte über Atomwaffen verfügen. Davor haben die Respekt.

Allerdings haben iranische Kernforscher bislang keine A-Bombe fabriziert. Entweder, weil sie es nicht vorhaben, oder: weil sie es nicht können. Aber solche Argumente zählen nicht. Man erinnere an das Jahr 2003: Damals rechtfertigte US-Präsident George W. Bush seinen Interventionskrieg im Irak mit dem Märchen: Staatschef Saddam Hussein bunkere heimlich Massenvernichtungswaffen. Die vom Geheimdienst beschafften Beweise legte Bush nie vor. Wie auch? Es gab sie nämlich nicht. Inzwischen gibt der Ex-Präsident sogar zu, dass seine Anschuldigungen nichts als Fake News waren.

32 Jahre später glaubt Israels Regierung an eine Bedrohung durch iranische Atomwaffen. Und wie damals heißt es: Der Geheimdienst verfüge über Beweise, dass iranische Forscher

„Uran auf militärisches Niveau anreichern"

und den Mullahs in Teheran

„innerhalb kurzer Zeit eine Atomwaffe"

schenken könnten. Und wieder lautet das Gegenmittel: Präventivschlag. Seit Freitag bombardiert Israels Armee iranische Atomanlagen.

Unabhängig davon, ob der Iran tatsächlich an radioaktiven Waffen bastelt oder nicht: Ein Atomkrieg gegen Israel wäre purer Selbstmord. Schließlich liegen beide Länder nah beieinander. Ein atomarer Angriff würde auch Teile des Irans verstrahlen, ebenso Nachbarländer wie Syrien, Irak und palästinensische Gebiete. Zudem ist Israel eine Atommacht. Die iranische Regierung müsste also mit atomarem Gegenschlag rechnen. Beides dürfte die Motivation für einen Erstschlag maximal klein halten.

Wie gesagt, am Freitag startete der erste Angriff auf iranische Atomanlagen plus militärische Infrastruktur. In der Nacht zum Sonntag attackierte Israels Armee mehr als 80 weitere Ziele. Beschädigt wurden das Verteidigungsministerium und das Hauptquartier des angeblichen Atomprojekts SPND. Ebenfalls unter Beschuss: Orte, in denen Unterlagen zur Atomforschung gebunkert waren. Ebenso Öl- und Erdgasfelder. Dabei starben dutzende Militärs, Wissenschaftler und weitere Personen. Dem folgten Explosionen im Flughafen Mehrabad und Bombenhagel unweit eines Luxushotels. Später kamen Anlagen des iranischen Verteidigungsministeriums, das Ölministerium und die Polizeidirektion hinzu. Zuvor hatte Israels Verteidigungsminister Israel Katz angekündigt:

„Das Militär wird die Ziele angreifen und die iranische Schlange in Teheran und sonst wo von nuklearen Fähigkeiten und Waffensystemen enthäuten."

Katz terminierte die Militär-Aktion auf mehrere Wochen. Laut Tagesspiegel hatte Israels Armeesprecher die Bevölkerung vorab gewarnt. Auf X mahnte er zur Evakuierung aller, die im Umkreis einer Militäreinrichtung wohnen:

„Zu Ihrer Sicherheit fordern wir Sie auf, diese Gebiete umgehend zu verlassen und bis auf Weiteres nicht zurückzukehren. Die Nähe zu diesen Anlagen gefährdet Ihr Leben.“

Am gleichen Tag verkündete Verteidigungsminister Katz:

„Teheran brennt.“

Schon die ersten Luftangriffe wurden von iranischen Machthabern als Kriegserklärung interpretiert. Im Gegenzug jagte deren Armee hunderte Raketen und Drohnen auf Israel, was ebenfalls zu Toten und Verletzten führte. Zudem missbilligte Irans stellvertretender Außenminister Kasem Gharibabadi das Schweigen der Internationalen Atomenergiebehörde, kurz IAEA, zur Bombardierung friedlicher Atomanlagen. Die Konsequenz: Sein Land werde die Kooperation mit der Behörde in der jetzigen Form nicht fortführen.

Am Sonntag fuhr der Iran einen Vergeltungsschlag gegen die Städte Tel Aviv, Jerusalem und Bat Jam. Regierungschef Benjamin Netanjahu wertete dies als Beleg für die Gefährlichkeit des Gegners:

„Der Iran wird einen sehr hohen Preis zahlen für den vorsätzlichen Mord an Zivilisten, Frauen und Kindern. Wir werden unser Ziel erreichen und ihnen einen schweren Schlag versetzen. Sie werden die Kraft unseres Arms zu spüren bekommen.“

Dabei glaubt Netanjahu die Bevölkerung hinter sich:

„Wir sind hier, weil wir uns in einem existenziellen Kampf befinden, der heute jedem Bürger Israels klar ist. Denkt einmal daran, was passieren würde, wenn der Iran über Atomwaffen verfügen würde, die er auf israelische Städte abfeuern könnte.“

Neben dem Schrecken über die Toten beider Länder stellt sich die Frage: Wie wahrscheinlich ist ein Flächenbrand, eine Ausweitung des Konflikts, eine Involvierung weiterer Länder? Bislang herrscht Zurückhaltung. Es stimmt, Russland und Iran haben erst kürzlich eine verstärkte strategische Zusammenarbeit vereinbart. Und tatsächlich unterstützt der Iran Putin im Ukraine-Krieg. Dennoch gibt es keine Grundlage für einen Bündnisfall gegen Israel. Staatschef Wladimir Putin hatte am Freitag dessen Angriff als „Gräueltat“ verurteilt, telefonierte aber mit den Staatschefs beider Länder. Das Online-Magazin Merkur.de zitierte den Politologen Anatoli Nesmijan:

„Es ist für den Kreml unmöglich, Partei zu ergreifen, aber eine neutrale Haltung würde vom Iran äußerst unfreundlich aufgefasst werden. Friedensappelle haben in diesem Fall keinen Sinn, da Russland nicht nur keine Möglichkeit hat, diesen Frieden zu sichern, sondern auch sonst nichts Wirksames anbieten kann.“

Ähnlich die Reaktion Chinas, einem der wichtigsten Handelspartner des Iran. Außenminister Wang Yi stellte sich zwar auf die Seite des muslimischen Staates, verurteilte Israels Angriffe – will aber trotzdem den Kontakt zu beiden Ländern halten und sich um Friedensvermittlung bemühen. Wenig überraschend, hat sich auch die pro-iranische Hisbollah-Miliz zu Wort gemeldet. Ihre Drohung ging in Richtung Trump:

„Wenn die USA in den Krieg eingreifen, werden wir ohne Zögern direkt gegen ihre Interessen und Stützpunkte in der gesamten Region vorgehen.“

Zuvor hatte Trump schon gedonnert:

„Sollten wir in irgendeiner Art oder Form vom Iran angegriffen werden, wird die gesamte Stärke und Macht der US-Streitkräfte in einem noch nie dagewesenen Ausmaß auf Euch niedergehen."

Steve Bannon, ehemaliges Mastermind von Donald Trump, seit Elon Musks Abgang wieder in engerem Kontakt zum Präsidenten, behauptete in seiner Sendung War Room: Netanjahu habe die USA bereits um Bomber für Angriffe auf Irans Atomanlagen angefragt. Dem entgegnete der Ex-Breitbart-Chef:  

„Wenn ihr allein loszieht, dann erledigt eure Sache selbst! Ihr habt gesagt, ihr braucht uns nicht. Und sechs Stunden später? Nicht nur, dass sie unsere Verteidigung wollen – sie wollen, dass wir in die Offensive gehen!“

Ein Angriff auf den Iran habe nichts mit „America First“ zu tun. Die USA dürften nicht „in einen Krieg auf der eurasischen Landfläche oder im Nahen Osten hineingezogen werden". Heißt: Raushalten. In beiden Fällen.  

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Abdul-waris / shutterstock


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