Interview mit Schriftstellerin Sonja Silberhorn

„Es gibt offensichtlich mehr krimilesende Kritiker der Pandemiepolitik als bisher vermutet.“

Ein Interview von Eugen Zentner mit Sonja Silberhorn.

Die deutsche Autorin Sonja Silberhorn hat die Corona-Krise und ihre gesellschaftlichen Folgen in einem Kriminalroman verarbeitet. Den legte sie einem mittelgroßen, namhaften Kölner Verlag vor, wo auch ihre bisherigen zehn Bücher erschienen sind. Doch das Manuskript wurde abgelehnt, weil der Inhalt von offiziellen Narrativen und der herrschenden Meinung abweicht. Silberhorn hat die Absage in einem vielbeachteten Artikel auf den NachDenkSeiten öffentlich gemacht und darin den zunehmenden Konformitätsdruck in der ganzen Gesellschaft beklagt. Im Interview spricht die Schriftstellerin aus der Oberpfalz über die Sinnhaftigkeit des Schreibens in Zeiten der Cancel Culture, über die Mechanismen im Verlagsgeschäft und über Reaktionen, die sie nach ihrem öffentlichen Statement erhalten hat.

Frau Silberhorn, Sie haben einen neuen Kriminalroman geschrieben, in dem die Corona-Krise verarbeitet wird. Ihr Verlag hat das Manuskript jedoch abgelehnt. Könnten Sie den Fall bitte kurz schildern. Warum hat man sich gegen eine Veröffentlichung entschieden?

Unterm Strich lässt sich die Entscheidung auf zwei Gründe herunterbrechen: Einerseits standen für den Verlag das Thema Corona und die in diesem Zusammenhang deutlich sichtbar gewordenen und natürlich auch und vor allem erst neu entstandenen gesellschaftlichen Verwerfungen zu sehr im Fokus des Manuskripts. Niemand wolle darüber noch lesen, nachdem diese unschöne Zeit nun endlich vorbei sei, so der Grundtenor.

Der zweite Punkt ist die Positionierung des Textes, die deutlich macht, wie zerstörerisch, teilweise menschenverachtend mit Maßnahmenkritikern umgegangen wurde, wie sehr sich der zulässige Meinungskorridor im Laufe der Pandemie verengt hat und an welchem Punkt wir gesellschaftlich verharren werden, wenn es kein aufrichtiges Bemühen darum gibt, die entstandenen Gräben wieder zuzuschütten. Diese Sichtweise auf gesellschaftliche Probleme in und seit der Pandemie wollte einerseits der Verlag selbst nicht vertreten, andererseits wollte man aber auch mich als Autorin vor den unschönen Konsequenzen bewahren, die eine Veröffentlichung dieses Manuskripts mit sich bringen könnte.

Wie stichhaltig finden sie diese Argumente? Will wirklich kaum noch jemand etwas von Corona hören? Welche Beobachtungen machen Sie?

Dieses Argument des Überdrusses erscheint natürlich nur dann stichhaltig, wenn man sich der herrschenden Mehrheitsmeinung zugehörig fühlt. Diejenigen jedoch, die Zweifel an der Pandemiepolitik hatten, beurteilen die Notwendigkeit einer gründlichen Reflexion aus meiner Sicht völlig anders. Gerne wird dies negiert oder die Bedeutung dieser Bevölkerungsgruppe kleingeredet, als könne man bereitwillig auf sie verzichten. Dafür ist sie aber aus meiner Sicht zu groß, was sich in Bezug auf die COVID-Impfung sogar mit konkreten Zahlen belegen lässt: Laut aktuellstem Monatsbericht des RKI vom Mai 2023 haben sich bis zu diesem Zeitpunkt 9,1 Millionen erwachsene deutsche Bürger gegen eine COVID-Impfung entschieden.

Addiert man nun noch diejenigen hinzu, die sich nur aufgrund des erheblichen sozialen und in vielen Fällen auch beruflichen Drucks, also nicht aus Überzeugung und freiem Willen, zur Impfung durchgerungen haben, so sprechen wir sicher nicht mehr von einer irrelevant kleinen Minderheit, die der Meinung ist, dass ehrliche Rückschau und Aufarbeitung zwingend nottun – schon allein, um für zukünftige gesellschaftsrelevante Themen den Weg in eine wieder etwas offenere Diskussionskultur zu ermöglichen und dadurch vielleicht zu verhindern, erneut einer heraufbeschworenen und von der breiten Masse widerspruchslos akzeptierten „Alternativlosigkeit“ und ihren Folgen hilflos ausgeliefert zu sein.

Sie haben die Ablehnung des Manuskripts in einem vielbeachteten Artikel auf den NachDenkSeiten publik gemacht. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?

Für meine Begriffe sehr viele und zum Teil auch sehr berührende Reaktionen, die von der Hoffnung, dass der Roman doch noch seinen Weg in den Handel findet, über Dank für meinen Schritt in die Öffentlichkeit bis hin zu den Schilderungen persönlicher Schicksale, teils traurig, teils aber auch ermutigend, reichen. Ich habe das Gefühl, vielen Leuten aus der Seele gesprochen zu haben, und bin immer noch ziemlich überwältigt von diesem Feedback.

In dem Artikel haben Sie auch kurz angerissen, worum es in dem neuen Roman geht. Können Sie das ein wenig ausführen? Wie wird die Corona-Krise im Kontext eines Kriminalfalls verarbeitet?

Konkret spielt sich die Handlung im Sommer 2022 in der ländlichen Oberpfalz ab, wo sich eine Gruppe von Maßnahmenkritikern mit unterschiedlichsten Hintergründen auf einen abgelegenen Selbstversorgerhof zurückgezogen hat. Dort werden menschliche Knochen gefunden, was natürlich die Kripo ebenso wie die lokale Presse auf den Plan ruft. Allerdings stellt sich dann heraus, dass die Knochen bereits ein knappes Jahrhundert alt sind. Sie führen den Leser in einen zweiten Handlungsstrang, der während der Zeit des Nationalsozialismus auf ebendiesem Hof spielt. Leider geschieht dann auch in der Gegenwart ein Mord, und die Selbstversorger geraten in den Fokus der Ermittlungen, zumal für alle Menschen im nahegelegenen Dorf klar ist, dass der Mörder einer der verhassten „Schwurbler“ vom Einödhof sein muss. Zum Glück verfügt meine Kommissarin über ausreichend Toleranz und moralischen Kompass, um gründlich und ergebnisoffen zu ermitteln. Spätestens an dieser Stelle stoppt man als Krimiautorin dann natürlich sinnigerweise die inhaltliche Zusammenfassung.

In Ihrem Kriminalroman spielt auch ein tendenziöser Journalist keine unwichtige Rolle. Darin schimmert Kritik an den Leitmedien während der Corona-Zeit durch. Welche Fehler haben sie gemacht, außer dass sie tendenziös berichteten?

Den Begriff „tendenziös“ empfinde ich in diesem Zusammenhang fast schon als verharmlosend. Nicht nur, dass die Leitmedien aus meiner Sicht als kritisch hinterfragendes Korrektiv, auch und gerade im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich, völlig versagt haben, schlimmer noch kann ich mich an Zeiten erinnern, in denen die Leitmedien die Regierenden mit immer lauteren Forderungen nach drakonischeren Maßnahmen, sofortigen Schul- und Kitaschließungen und gesellschaftlichem Ausschluss der kritischen oder auch nur abwägenden Stimmen regelrecht vor sich hergetrieben haben. Sie haben als willfähriger Verstärker des von der Politik vertretenen Narrativs agiert und die Angst der Menschen vor dem Virus, aber tragischerweise auch die der Bürger voreinander, massiv geschürt. Auch dieser Sachverhalt, die Rolle der Leitmedien in der Pandemie, gehört aus meiner Sicht dringend aufgearbeitet, wenn wir verhindern wollen, dass sich eine solch einseitige, unkritische und letztlich gesellschaftsspaltende Berichterstattung verstetigt.

In dem besagten Artikel auf den NachDenkSeiten verkündeten Sie zugleich den Entschluss, mit dem Schreiben aufzuhören. Warum sehen Sie darin keinen Sinn mehr?

Grundlegend ist das Schreiben, selbst wenn man sich im Laufe der Zeit natürlich professionalisiert, eine Herzensangelegenheit – wenigstens für mich ist es das immer geblieben. Nur wenn ich etwas zu sagen habe, kann ich auch überzeugend Geschichten erzählen. Nun haben aber Schock und Fassungslosigkeit über den Umgang mit kritischen Stimmen während und seit der Corona-Zeit und die ja immer noch unübersehbaren gesellschaftlichen Nachwehen für mich persönlich jedes andere Thema verdrängt, das ich früher – wohl noch mit mehr Naivität gesegnet – vielleicht durchaus interessant gefunden hätte. So bleibt mir also nur, darüber zu schreiben. Wenn man dann mit dem Geschriebenen niemanden erreicht, sei es, weil die Veröffentlichungsmöglichkeit fehlt, oder aber weil die Fronten viel zu verhärtet sind, um damit auch nur ein klein wenig Reflexion anzustoßen, kommen einem natürlich große Zweifel an der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns.

Im Zuge der Corona-Krise und deren politischer Bewältigung hat sich eine parallele Kulturindustrie mit kritischen Künstlern herausgebildet. Es fehlen aber noch mutige Verlage, die die Segmente Belletristik und Trivialliteratur bedienen. Woran liegt es Ihrer Meinung nach?

Da kann ich nur mutmaßen: Die Buchbranche ist grundlegend ein schwieriges Pflaster, der Belletristikmarkt hart umkämpft. Natürlich stellen sich Verlage in dieser ohnehin schon schwierigen Ausgangssituation die Frage, ob sie ein solch „heißes Eisen“ wie eine kritische Betrachtung der Pandemiepolitik anpacken oder doch vorsichtshalber bleiben lassen, um das Risiko des Diffamiert- oder Gecanceltwerdens, sei es in der Presse, auf Messen oder im Handel, zu vermeiden. Zudem sind Verlage, zumindest diejenigen mit etwas Reichweite, keine Einpersonenbetriebe. Man hat also Verantwortung für die Mitarbeiter und Hausautoren und überlegt so natürlich sehr genau, was man wagt – oder eben auch nicht.

Sie haben gerade die Cancel Culture angesprochen. Seit der Corona-Krise greift sie immer rabiater um sich – auch in der Kulturbranche. Worin liegt Ihrer Meinung nach der größte Schaden, den sie anrichtet?

Abgesehen von den individuellen Schäden für die Betroffenen ist das größte Unheil, das mit ihr einhergeht, natürlich die einschüchternde und abschreckende öffentliche Wirkung. Viele Menschen entscheiden sich nachvollziehbarerweise dagegen, die eigene unpopuläre Meinung publik zu machen, wenn sie mit ansehen müssen, dass andere, lautere Vertreter ebendieser unpopulären Meinung gecancelt werden.

Längst hat diese Form der Cancel Culture auch das Prinzip der Kontaktschuld innerhalb unserer Gesellschaft wieder verstärkt: Wer diejenigen mit unangepasster, kritischer Meinung nicht ausgrenzt, sondern es sogar wagt, ihnen – gerade im Kulturbereich – eine Bühne zu bieten, läuft Gefahr, selbst diffamiert oder gecancelt zu werden. Letztlich zieht das Canceln auf diese Weise immer weitere Kreise, die die Spaltung vorantreiben und leider auch die so entstandenen Fronten immer weiter verhärten.

Dennoch ist es wichtig, dass es mutige Verlage gibt, die gegen den Strom schwimmen – damit Schriftsteller wie Sie auch im fiktionalen Bereich eine Stimme bekommen. Die Nachfrage nach kritischer Literatur scheint da zu sein. Welche Argumente können Sie anbringen, um kleine Verlage und potentielle Gründer zu überzeugen?

Letztlich gibt es nur zwei Argumente: Eben die Nachfrage, die, da bin ich mir auch recht sicher, durchaus vorhanden ist. Das zweite Argument ist meine persönliche Überzeugung, dass wir ohne kritische Stimmen, ohne vielfältige Sichtweisen und Betrachtungen und daraus resultierenden respektvollen Diskurs die gesellschaftlichen Probleme, die sich mittlerweile für jeden, der die Augen nicht vehement davor verschließt, meterhoch auftürmen, nicht in den Griff bekommen werden. Aber dazu, das ist mir klar, gehört jede Menge Idealismus, und Idealismus lässt sich nicht durch Argumente erzwingen.

Wie möchten Sie nach dem Feedback weitermachen? Wird Ihr Roman vielleicht doch noch erscheinen?

Seit dem Erscheinen des Beitrags auf den NachDenkSeiten hatte ich tatsächlich noch keine Gelegenheit, um die große Resonanz ein wenig sacken zu lassen und in Ruhe über mein weiteres Vorgehen nachzudenken. Um ehrlich zu sein, haben mich vor allem die vielen Stimmen, die sich explizit auf eine hoffentlich doch noch irgendwie mögliche Veröffentlichung des Manuskripts beziehen, sehr erstaunt. Es gibt offensichtlich mehr krimilesende Kritiker der Pandemiepolitik als bisher vermutet.

Im Geiste hatte ich das Manuskript zum Zeitpunkt der Veröffentlichung meines Beitrags auf den NachDenkSeiten bereits zu den Akten gelegt, aber natürlich denke ich an dieser Stelle nun wieder darüber nach, ob ich nicht doch mit einer Veröffentlichung des Romans, auf welchem Weg auch immer, ein kleines Scherflein dazu beitragen kann, dass der gesellschaftliche Ruf nach Aufarbeitung der Pandemiepolitik, ohne die man sich einander wohl nicht wieder zuwenden wird, aber auch der nach Meinungsvielfalt und in der Folge nach gelebter Meinungsfreiheit, wieder etwas lauter wird.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Peter Ferstl

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