Standpunkte

Instrumentalisierte Geschichte | Von Felix Feistel

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Apolut 20250204 SP Dienstag
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Ein Standpunkt von Felix Feistel.

Am 27. Januar wird traditionell der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedacht, und damit insgesamt der Opfer des Holocausts. Denn der Name Auschwitz ist zum Synonym für das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte geworden, dem wir uns als eifrige Schüler unserer eigenen Schande mit Inbrunst widmen. Es wird gedacht und gemahnt, wird behauptet, Lehren gezogen zu haben, um eine Wiederholung dieser historischen Ereignisse zu verhindern. So auch in diesem Jahr. Das ist im Grunde nichts Neues, und doch wird mit jedem Jahr deutlicher, dass diejenigen, die am lautesten von sich behaupten, aus der Geschichte gelernt zu haben, tatsächlich diejenigen sind, die nichts verstanden haben.

So wird insbesondere vor den diesjährigen Wahlen wieder besonders deutlich der mahnende Zeigefinger erhoben. Man habe sich nicht vorstellen können, so der Tenor, dass derartiges noch einmal geschehen könne. Doch, so erzählt die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer (1), so wie heute habe es damals auch angefangen. Was genau sie damit meint, kann sich jeder Betrachter der Tagespolitik erschließen. Gemeint ist natürlich der Aufstieg der AfD. Nahelegen soll eine solche Aussage, dass der Antisemitismus wieder genau so grassiere, wie 1933, dass der Rechtsruck ganz genau wie damals vonstatten ginge, und nun alle Juden und Nichtdeutsche in Deutschland um ihr Leben fürchten müssten. Schon sieht man vor dem geistigen Auge wieder Parteiverbote, Gleichschaltung, marodierende Banden, die Oppositionelle verfolgen und Synagogen anzünden, schließlich neue Lager mit verdächtigen Öfen, und zu guter Letzt: Krieg.

Auch der Bundespräsident bläst in dasselbe Horn, indem er vor „Demokratiefeinden“ warnt. (2) Wen genau er damit meint muss auch er nicht ausführen. Natürlich richten sich diese Worte gegen die AfD und ihre Wähler – wenn man den Umfragen trauen will immerhin fast ein Viertel der Wahlberechtigten. Diese seien, so die Auffassung, eine gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Partei und Bevölkerungsgruppe, welche die Demokratie abschaffen und durch eine Diktatur ersetzen wollen. Das ist etwas, das wir schon seit Jahren hören. Doch nun, im Kontext des Holocaust-Gedenktages erlangen diese Worte noch einmal eine vollkommen andere, tiefere Bedeutung.

Scrollt man durch die sozialen Netzwerke, etwa das vom bösen Nazi Musk gekaufte X, so findet man auch hier zahlreiche Kommentare, die in dieselbe Richtung gehen. Nie wieder sei genau jetzt, lässt man uns hier wissen. Es habe immerhin nicht mit Lagern angefangen, so weiß man. Und das ist natürlich vollkommen richtig. Es begann mit einer mehr oder weniger demokratischen Wahl in einer vom latenten Bürgerkrieg geplagten Weimarer Republik, in welcher die NSDAP ein Wahlergebnis erzielte, von dem heutige Parteien nur noch träumen können. In der Folge übergab man der Partei und ihrem Vorsitzenden, Adolf Hitler die Macht, wie es sich für eine Demokratie gehört. Dieser regierte bald darauf mit Ausnahmezustand,Verordnungen, Gleichschaltung von Medien und Wirtschaft, Parteienverboten, Zensur, Verfolgung von Opposition, Diskriminierung und Ausschluss bestimmter Bevölkerungsgruppen, Gewalt und Geheimdiensten.

Nimmt man das jetzt zum Ausgangspunkt, so stellt man sehr schnell fest: Nie wieder ist schon lange. Spätestens seit im Jahr 2020 eine Große Koalition aus CDU und SPD einen Ausnahmezustand verhängte, die Medien gleichschaltete, die Demokratie abschaffte, indem auf Verordnungsbasis durchregiert wurde, Opposition zunächst lächerlich machte, und dann in immer größerem Maße durch Polizei und Gerichte verfolgen ließ, die Menschen einsperrte und ihnen lächerliche und gesundheitsschädliche Maßnahmen aufzwang, und schließlich in die Spritze nötigte, die einer kaum zu ermessenden Anzahl von Menschen das Leben kostete, oder sie in eine lebenslange Behinderung trieb. Hinzu kommt die Diskriminierung von sogenannten „Ungeimpften“, ihr Ausschluss aus der Öffentlichkeit und ihre Diffamierung als Schuldige für die angebliche Pandemie. Nicht zu vergessen seien auch die Schlägerbanden, die sich den schmucken Titel „Antifa“ verliehen, und sich in faschistischer Weise vor den Staat und seine Institutionen stellten. Nicht zu vergessen auch die Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes und die Schaffung der Kategorie „Delegitimierung des Staates“ unter die alle Maßnahmenkritiker zusammengefasst wurden, um sie beobachten zu können.

Was seitdem folgte sind weitere Zensurmaßnahmen – man denke nur an das Verbot von RT und Sputnik – die Hetze gegen die AfD und die Versuche, diese Partei verbieten zu lassen, sowie natürlich ein Krieg gegen Russland, der auf dem Rücken der Ukrainer ausgetragen wird, und die Unterstützung eines Völkermordes, den der Staat Israel gegen die Palästinenser im Gazastreifen verübt. Der pseudolinke „nie wieder“-Mob ist längst zu einer faschistischen Kampfgruppe mutiert, die staatliche Gewalt durchzusetzen versucht, um die Macht eines totalitären Systems zu sichern. So sind es gerade diejenigen, die laut „nie wieder ist jetzt“ schreien, die sich für ein Verbot der AfD einsetzen, die Kritiker des Coronanarrativs verunglimpften und verfolgten, die „gegen rechts“ demonstrieren, und damit einer gleichgeschalteten Gesellschaft das Wort reden, und sich in staatlichen Vorfeldorganisationen an eben dieser Gleichschaltung beteiligen.

Von daher ist es schon nicht falsch, was Margot Friedländer erklärt: Vieles ist wie damals, nur setzt sie den Zeitpunkt vollkommen falsch an. Das „nie wieder“ hat bereits 2020 begonnen, und setzt sich hinter einer pseudodemokratischen Fassade bis heute fort. Dabei kommt dieses „wie damals“ nicht unter einer nationalsozialistischen Ideologie daher, die offen ausspricht, andere Menschen vernichten zu wollen. So viel Differenzierung muss schon sein. Stattdessen ist es eine Ideologie des totalen Guten. Der folgsame Schüler der Vergangenheit will zeigen, was er gelernt hat, und vormachen, wie besonders gut und vorbildlich er geworden ist. Die Ermordung tausender oder gar von Millionen von Menschen durch die Genspritze und die Maßnahmen ist, so darf man annehmen, von der breiten Masse nicht einmal gewollt oder auch nur erwartet worden. Sie war ein Nebeneffekt des besonders eifrigen gut-sein-wollens, das so fanatisch war, dass auch andere Menschen gegen ihren Willen damit zwangsbeglückt worden sind – etwas, das stets ein Warnsignal sein sollte. Trotzdem ist es die AfD und ihre Wähler, die man als vermeintliche Antidemokraten bekämpft.

Als die Coronaopposition im Jahr 2020 warnte, es sei wie damals, und mahnte, es habe nicht mit Lagern angefangen, da wurde sie dafür diffamiert. Man warf ihnen Verharmlosung vor, stellte sie als unmoralische Steigbügelhalter des neuen Faschismus dar. Als Holocaustüberlebende in der Öffentlichkeit genau das sagten, was Friedländer jetzt sagt, wurden sie dafür wegen Volksverhetzung verfolgt. Ein unglaublicher Akt: Holocaustüberlebende werden in Deutschland verfolgt, weil sie vor den Zuständen warnen, deren Zeugen sie geworden sind. Doch nun, etwa 5 Jahre später, sind derlei Aussagen vollkommen genehm, vorausgesetzt, sie werden in den richtigen Kontext gesetzt. Denn die Gefahr des Holocausts und des Weltkrieges geht völlig ungeachtet des bereits geführten Krieges und der tausenden oder Millionen von Toten durch Genspritzen, natürlich immer nur von dem aus, was man als rechtsextrem erkannt zu haben glaubt. Denn die solchermaßen Argumentierenden haben in ihren Köpfen rechts mit Nationalsozialismus, und das wiederum mit Totalitarismus, Faschismus und Gewaltherrschaft zu einem einzigen undifferenzierten Brei verrührt, und so ist alles, was rechts ist, automatisch latent nationalsozialistisch – und birgt damit immer die Saat des Holocausts. Dass Faschismus, Krieg und Massenmord aber auch unter einem demokratischen Deckmantel stattfinden können, das zeigen der Coronafaschismus und die Russophobie, die zwar mit dem Nationalsozialismus nicht gleichzusetzen sind, aber alle Anforderungen eines totalitären, und viele Definitionsmerkmale eines faschistischen Systems erfüllen.

Die antidemokratische Gesinnungsdiktatur wird nun, auf dem Rücken der Holocaustopfer, gegen jede politische Opposition verteidigt. Man stellt sich damit in eine Reihe mit den Demokraten von „damals“, etwa den vom Faschismus verfolgten Sozialdemokraten und Kommunisten. Da passt es doch gut, dass die SPD unlängst auf X ein Bildchen postete, in dem es hieß: „Nur falls jemand fragt: Keine Zusammenarbeit mit Nazis. Seit 1863.“ (3) Man gibt sich damit den Anschein, als handele es sich bei den heutigen Parteibonzen um den gleichen Schlag von Arbeitern, die sich 1863 organisierten, um gegen ihre Ausbeutung aufzubegehren und ihre Interessen zu vertreten. Das grenzt angesichts der Tatsache, dass Arbeiter in der Politik dieser Partei heute überhaupt nicht mehr vorkommen, und nicht einmal mehr in irgendwelchen wichtigen Posten zu finden sind, an Volksverblödung. Zudem war es die SPD, die den Kriegskrediten für den ersten Weltkrieg zustimmte, und nach dem Ende dieses Krieges in Zusammenarbeit mit nationalistischen Freischärlern Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zwecks eigenen Machterhaltes ermorden ließ. Zwischenzeitlich ist die SPD zu einer selbst durch und durch faschistischen Partei degeneriert, die Macht- und Kapitalinteressen gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzt und Kriege in Osteuropa unterstützt. Auch hier wählt man sich also den Teil der Geschichte, der einem in der eigenen moralischen Überheblichkeit zu bestätigen scheint – und blendet weite Teile der Geschichte einfach aus. Denn die Geschichte der SPD ist eine lange Geschichte der Kollaboration mit Gewaltherrschaft und Verrat an der Arbeiterklasse.

Und doch soll das „nie wieder“ gerade erst jetzt eingetreten sein, da der Aufstieg der AfD unmittelbar bevorsteht. Eine Partei, die noch keine Machtposition innehatte, und daher noch keine einzige autoritäre oder faschistische Maßnahme hat umsetzen können – anders als beinahe alle anderen Parteien – eine Partei überdies, die eine eigene Untergruppe „Juden in der AfD“ besitzt, und die fest und unverbrüchlich an der Seite Israels steht – vollkommen egal, wie viele Palästinenser dieser Staat hinschlachtet. In der Hinsicht unterscheidet sich die AfD also nicht von den anderen Parteien. Die herrschenden Parteien und die an sie angeschlossenen Medien und sogenannten Künstler missbrauchen das Andenken an die Geschichte Deutschlands zur Stimmungsmache gegen eine Opposition, von der sie sich bedroht fühlen. Bedroht nicht etwa deswegen, weil sie von dieser Partei das vierte deutsche Reich erwarten – auch, wenn sie so tun – sondern weil diese Partei sie von den Futtertrögen verdrängen könnte. Woke Ideologiewächter und staatliche Vorfeldorganisationen wie correctiv und Volksverpetzer, die von staatlichen Geldern leben, aber auch Parteibonzen, Mitarbeiter in Ministerien – sie alle sehen sich der Gefahr gegenüber, entweder ersatzlos gestrichen, oder durch AfD-treue Funktionäre ersetzt zu werden. Die AfD ist hier, da gebe man sich keiner Illusion hin, ebenso parasitär, wie jede andere Partei, und ihre Anhänger suchen ebenso, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen und ihren Platz an den Zitzen des Staates und Regierungsapparates zu finden, und sich dabei auch noch vom Großkapital versorgen zu lassen.

Zur Instrumentalisierung der Geschichte taugt aber nicht die Lehre, die wir eigentlich einmal aus ihr gezogen haben, nämlich, dass wir uns jeder Einschränkung von Grundrechten, jeder Zensur und versuchten Gleichschaltung, jeder Bekämpfung von Opposition, dem Versuch der Ausgrenzung und Diffamierung von Bevölkerungsgruppen konsequent entgegenstellen sollten. Wie soll diese Lehre angesichts des Coronafaschismus auch noch zu vermitteln sein? Stattdessen sind all diese Dinge jetzt nur meistens schlecht, nicht aber, wenn sie zu vermeintlich guten Zwecken umgesetzt werden, etwa dem Schutz der Bevölkerung vor einem vorgeblich gefährlichen Virus. Dann darf auch die dagegen aufbegehrende Opposition bekämpft, zensiert, diskriminiert und ihrer Grundrechte beraubt werden. Es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn diese Maßnahmen sich gegen die vermeintlichen Täter von damals richten. Diese darf man ausgrenzen, diffamieren, zensieren, verbieten und verfolgen. Man muss sie, so scheint die Überzeugung zu sein, ihre eigene Medizin schmecken lassen, wenngleich es auch nur eine unterstellte Medizin ist, die tatsächlich bislang gar nicht von diesen angeblichen Demokratiefeinden propagiert wurde. Von hier aus ist der Weg zu Deportation und Massentötung gar nicht mehr weit. Immerhin könnte man argumentieren, dass, wenn man es nicht mit ihnen macht, sie dasselbe mit anderen machen, sobald man ihnen die Gelegenheit dazu gibt. Und mit dieser Begründung kann man dann die gesamte Partei in Lager abschieben – und vielleicht ihrer Wähler gleich mit. Das ist dieselbe Logik, mit der die USA Präventivkriege gegen den Irak und andere Staaten geführt haben. Besser wir, die Guten machen es, bevor die Bösen, die Falschen es machen. Denn wenn wir, die Guten so etwas tun, so ist es moralisches, ja ethisch gebotenes Handeln, wohingegen es etwas ganz und gar Grausames ist, wenn die Falschen, die Bösen genau dasselbe tun. Und dass sie es tun werden wird letzteren ja in der Regel lediglich unterstellt, um sie dann als eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen zu können, die es zu bekämpfen gilt. Geschichte wird in diesem Kontext beliebig genutzt und instrumentalisiert, und muss immer wieder den aktuellen Geschehnissen und Ideologien angeglichen werden. Durch die Instrumentalisierung der Geschichte lenken die Herrschenden auch von ihren eigenen Verbrechen ab und projizieren sie auf andere. Die längst in die Wege geleiteten Parteienverbote, die Zensur, die Ausgrenzung und Diskriminierung, der Entzug von Grundrechten, der unter der Herrschaft der etablierten Parteien real stattfanden und noch immer finden werden auf die Opposition projiziert und lediglich als zukünftige Befürchtung inszeniert. Die Hölle, das sind immer die anderen. Ebenso könnte man sagen: Der Faschismus, das sind die anderen. Dazu wird Geschichte einseitig instrumentalisiert, werden einzelne Ereignisse ihres Kontextes und ihrer tieferen Zusammenhänge beraubt und als reine Schlagworte und Werbebildchen missbraucht.

Dieser Vorgang findet nicht nur zum Zwecke der Bekämpfung der AfD im Inneren statt. Auch im Kontext der Russophobie und des NATO-Krieges gegen Russland in der Ukraine wird diese Geschichtsvergessenheit praktiziert. So kursierte bereits im vergangenen Jahr ein Videoausschnitt eines Mainstreammediums, in dem die vor die Kamera gestellte Journalistendarstellerin allen Ernstes behauptete, Auschwitz sei von den Amerikanern befreit worden. In diesem Jahr erklärte der US-Präsident Donald Trump, Russland habe bei der Bekämpfung des Nationalsozialismus einen Beitrag geleistet. Und Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte, dass es die USA gewesen seien, die Deutschland befreit hätten. Damit artikuliert er allerdings lediglich eine Vorstellung, die in Deutschland schon lange vorherrscht. Nur die guten Amerikaner und Briten haben uns vom Faschismus befreit. Dass es aber die Sowjetunion gewesen ist, welche die Hauptlast des Krieges getragen, und dabei etwa 28 Millionen ihrer Bürger verloren hat – also gut die Hälfte der im zweiten Weltkrieg gestorbenen zu betrauern hat - gerät dabei aus dem Fokus. Die USA und die Briten starteten ihren viel gepriesenen D-Day erst, als die Ostfront längst gefallen, und Deutschland bereits auf dem Rückzug war. Hier ging es dann in erster Linie wohl auch nicht um die Befreiung Deutschlands, sondern um die Sicherung der eigenen Vormachtstellung gegenüber der Sowjetunion. Wie die US-Amerikaner dann von Frankreich aus nach Polen gekommen sein sollen, um Auschwitz zu befreien, bleibt ohnehin das Geheimnis der entsprechenden Reporterin, die solch geschichtsvergessene Behauptung aufstellte.

Um es nun noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Es war die Sowjetunion unter der Führung Russlands, die Auschwitz befreite und den Nationalsozialismus besiegte. Die USA und die Briten haben dabei Hilfe geleistet, doch die Hauptlast trug die UdSSR. Es war übrigens auch die Sowjetunion, die sich nach dem Mauerfall aus der DDR zurückgezogen, und damit die Wiedervereinigung Deutschlands erst möglich gemacht hat. Die USA hingegen sind heute noch in Deutschland präsent.

Dennoch wurde Russland dann zum diesjährigen Gedenken in Auschwitz zum wiederholten Male nicht eingeladen. Russland wird auf diese Weise langsam in seiner Bedeutung für diese Ereignisse herabgewürdigt und aus der Geschichte gedrängt. Die Erinnerung an die Leistungen und die Opfer der Sowjetunion wird aus dem historischen Gedächtnis getilgt, und Russland selbst zu einem faschistischen Staat umdefiniert, in dem der Diktator Putler die Menschen unterdrückt und Eroberungskriege führt. Hier spielt es den Ideologen des Westens in die Karten, dass sie auch die Vorgeschichte des Ukrainekrieges einfach aus dem kollektiven Gedächtnis löschen, beziehungsweise verhindern, dass sie überhaupt Eingang dort hinein findet. Sonst müsste man den Menschen noch vermitteln, dass der Westen in der Ukraine Nazis unterstützt und aufrüstet, um sie gegen Russland ins Feld zu schicken. Und wie soll das zu der heimischen Erzählung von der Verteidigung der Demokratie gegen die vermeintlich rechtsextreme Gefahr passen? Die Geschichte wird an die gegenwärtigen Verhältnisse angepasst, um diese zu rechtfertigen, aber auch, um das tiefere Nachdenken der Bevölkerung zu verhindern und ihr jede Möglichkeit zu nehmen, sich Alternativen zum derzeitigen Kurs vorzustellen. Frei nach Orwells Wahrheitsministerium, das die Geschichte fortlaufend anpassen muss, sodass Ozeanien sich schon immer im Krieg mit Ostasien befunden hat, wenn es gerade mit Ostasien im Krieg liegt, und mit Eurasien, wenn es gerade mit Eurasien im Krieg liegt.

So muss heute in Russland schon immer das Übel gelauert haben, das es zu bekämpfen gilt, während die US-Amerikaner schon immer die Guten und unsere Freunde waren – ganz unabhängig von dem stummen Krieg, den die USA gegen Europa führen. An dieser Geschichtsverdrehung beteiligt sich auch die AfD, wenn Alice Weidel etwa behauptet, Hitler sei ein Kommunist gewesen. Auf diese Weise stellt sie das dunkelste Übel der deutschen Geschichte in eine Reihe mit dem unterstellten Kommunismus der Sowjetunion – wertet also letztlich diese auch wieder ab – um sich selbst als dem antagonistisch gegenüberstehend zu positionieren. Wenn der Kommunismus das Böse ist, weil Hitler ja Kommunist war, dann kann es eine Alternative zum Kapitalismus schlichtweg nicht mehr geben.

Dabei ist dies Behauptung historisch vollkommener Unsinn. Obwohl es einige Überschneidungen zwischen dem Nationalsozialismus und zumindest dem Stalin-Regime gegeben hat, die auch Hannah Arendt in ihrem bedeutenden Werk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ herausgearbeitet hat, kann man Hitler nicht als Kommunisten bezeichnen. Das beginnt schon damit, dass man den Stalin-Sozialismus nicht als Kommunismus bezeichnen kann. Kommunismus zielt ja zumindest in der Idee auf eine Herrschaftsfreie Welt ohne Staat ab, in der die Menschen über ihre Produktionsmittel selbst verfügen. Nichts davon trifft auf den ausgedehnten Staatsapparat des Sozialismus zu. Auch, wenn beide Systeme letztlich den totalitären Zugriff auf den Menschen gemein hatten, in dem sie das Leben der Menschen bis ins Kleinste zu bestimmen versuchten, um schließlich einen neuen Menschen zu schaffen – die einen einen biologisch überlegenen Übermenschen, die anderen den Vorzeigeproletarier mit Klassenbewusstsein – und auch, wenn für beide Regime Zensur, Verfolgung und Inhaftierung von Opposition, Ausgrenzung und Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen als notwendiges Mittel erschien, so waren die Ideale und Ziele beider Systeme doch grundverschieden. Hitler und auch Mussolini wandten sich explizit gegen den hedonistischen Materialismus der Kommunisten, und propagierten immaterielle Werte, etwa die Erfüllung im Kampf, bei denen das Wohlbefinden und Glück des Einzelnen vollkommen irrelevant waren. Auch lässt sich viel darüber schreiben, dass Hitler mithilfe US-amerikanischen Kapitals und Unterstützung aus Großbritannien als Bollwerk gegen den Kommunismus aufgebaut wurde. Frei nach der angloamerikanischen außenpolitischen Linie, eine Verbrüderung von Deutschland und Russland zu verhindern, um die eigene Vormachtstellung zu bewahren. Da ist ein Krieg zwischen beiden Staaten ein wünschenswertes Szenario. Die angeblichen Retter und Befreier waren es also, die die Geißel Europas überhaupt erst groß gemacht haben.

Doch Hitler zum Kommunisten zu erklären, nur, weil die Parteipropaganda der NSDAP die Partei selbst als so rechts erklärte, dass sie links wieder herauskommt – oder umgekehrt, ist im Detail ja auch vollkommen gleichgültig – ist notwendig, um jede Alternative zum autoritären Staatssystem und kapitalistischen Wirtschaftssystem zu zementieren. Die Geschichte wird umgeschrieben, um die Gegenwart zu beherrschen. Auch dies frei nach Orwell, der in 1984 schrieb, dass wer die Vergangenheit kontrolliere, die Gegenwart kontrolliere, und wer die Gegenwart kontrolliere, die Zukunft bestimme. Wenn Geschichte und das Gedenken an ihr zu beliebigen Anlässen missbraucht werden, um die eigene Position zu unterstützen und zu stärken, und Opposition sowie andere Stimmen zu bekämpfen und zu unterdrücken, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass wir in totalitären Verhältnissen angekommen sind. Und dass sich die AfD daran beteiligt zeigt, dass sie keine echte Opposition ist.

Stattdessen läuft es frei nach Lenin der gesagt haben soll: Die beste Art und Weise, die Opposition zu kontrollieren ist, sie selbst anzuführen. Und auch der Rebellenführer Goldstein in Orwells 1984 war am Ende nichts weiter als eine von der Partei erdachte Figur, um die Opposition ausfindig machen und sie kontrollieren zu können. Die AfD ist diese Opposition, die in Wahrheit das Macht- und Ausbeutungssystem aufrechterhält. (4) So wird das System der Scheindemokratie aufrechterhalten, indem eine Wahl propagiert wird, die letztlich aber nur mehrere Varianten desselben präsentiert. (5) Dass aber um diese Wahl eine große Aufregung betrieben wird, gehört zum Spiel. In diesem Kontext werden auch historische Vergleiche zu bloßen Wahlkampfslogans, und genutzt, die Geschichte im Sinne der eigenen Herrschaftsideologie neu zu schreiben.

Leider scheint dieses Umschreiben der Geschichte hervorragend zu funktionieren. Denn auf der einen Seite marschieren die angeblichen Demokraten als Vorfeldorganisation der Staatsgewalt gegen „rechts“ und damit gegen die vermeintliche Wiederauferstehung des Zombies einer längst vergangenen Zeit, während sie gar nicht bemerken, wie ähnliche Verhältnisse schon unter einer anderen, vermeintlich inklusiven und toleranten Ideologie wieder auferstanden sind. Auf der anderen Seite findet sich die vermeintliche Opposition, die im herrschenden Totalitarismus eine Reinkarnation des Sozialismus gekommen glaubt, die sich dann von einer Alice Weidel bestätigt fühlt, und ihr Heil in der Wahl einer blau angestrichenen Diktatur des Kapitals wähnt. Auf diese Weise wird die Bevölkerung in den ewigen Kämpfen von gestern aufgerieben und bemerkt gar nicht, wie sich die Strategien der Macht längst fortentwickelt, und das effektivste von beiden Systemen aufgegriffen haben. Sie bemerken auch nicht, wie sich Konzerne, Finanzinstitute und Zentralbanken den Staat längst einverleibt, und ihn zu einem Werkzeug der Kapitalvermehrung degradiert haben. (6) Stattdessen verwenden sie sehr viel Energie darauf sich darüber zu streiten, welche Farbe dieses Werkzeug tragen soll, das einem Hammer gleich fortwährend auf die Köpfe der Menschen niedergeht, und sie in die vollkommene Versklavung treibt. (7) (8)

Dazu trägt eben auch die Geschichtsvergessenheit der Mehrheit der Menschen bei, die jede Vorstellung davon auslöscht, dass die gesellschaftlichen Umstände auch ganz andere sein könnten, und für den größten Teil der menschlichen Gesellschaften auch gewesen sind. Und das nicht erst seit gestern. Wer beschäftigt sich denn schon mit der langen Zeit des Mittelalters und seiner zahlreichen Befreiungsbewegungen, die staatliche und kirchliche Macht zum minimieren suchten? In den Köpfen der meisten Menschen ist diese gut ein Jahrtausend umfassende Zeit schlichtweg als dunkles Zeitalter einer tausendjährigen Depression abgespeichert. Und auch die vorzivilisatorischen Gesellschaften, die ohne Herrschaft und Macht gelebt haben könnten, finden in der Öffentlichkeit nicht statt. Denn diese historischen Betrachtungen könnten bei den Menschen Ideen einer Befreiung, einer Neuorganisation menschlicher Gesellschaften wecken. Aber eine Besinnung auf Umstände, in denen die Menschen nicht die Sklaven des Kapitals gewesen sind, ist nicht gewünscht. Auch aus diesem Grund muss die Geschichte fortwährend der herrschenden Ideologie angepasst werden. Und diese Ideologie sieht den Menschen nun einmal als Sklaven des Geldsystems, der Kapitalmacht vor, eine Stellung, die dieser Mensch niemals in Frage stellen soll. Und da auch die AfD ein Vertreter dieser Kapitalfraktion ist, beteiligt sich auch diese Partei, genau wie alle anderen, an der Umschreibung der Geschichte.

 Quellen und Anmerkungen

(1) https://overton-magazin.de/hintergrund/gesellschaft/wie-damals/

(2) https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/holocaust-auschwitz-gedenkstunde-bundestag-steinmeier-schwarzman-100.html

(3) https://x.com/spdde/status/1883063219327205445

(4) https://www.manova.news/artikel/die-honigtopf-propaganda

(5) https://apolut.net/der-demokratie-irrtum-von-felix-feistel/

(6) https://tkp.at/2024/02/29/der-private-staat/

(7) https://www.manova.news/artikel/der-oligarchenfeudalismus

(8) https://www.manova.news/artikel/der-neue-feudalismus-2


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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: fran_kie / Shutterstock.com


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