Ein Meinungsbeitrag von Dirk C. Fleck.
„Ich bin nicht der Mund für diese Ohren.“ Also sprach Zarathustra. Anders ausgedrückt: Ich habe euch nichts zu sagen, lohnt sich nicht, ihr hört nicht zu. Nietzsche knallhart. Er ist beileibe nicht der Einzige, der sich im Laufe der Jahrhunderte an dem Feuerball aus Ignoranz, Überheblichkeit und Dummheit verbrannt hat, den jede nachrückende Generation durch die Zeit tritt. Während links und rechts des Weges in schöner Regelmäßigkeit Stichflammen herbeigequälter Kriege aufflammen, während Gerechtigkeit nie einen Nährboden findet und die Liebe permanent der Gier unterliegt, winden sich diejenigen in Schmerzen, die unter dem satanischen Schleier, der über die Schöpfung geworfen wurde, zu ersticken drohen.
Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich niemand mehr zu seiner wahren Natur bekennen kann, ohne bespuckt, verleumdet und in den Staub getreten zu werden. Kein formulierter Schmerz, keine in Traurigkeit getränkte Poesie reicht aus, um auch nur ansatzweise das teuflische Treiben der immer währenden Eliten in Kooperation mit ihren manipulierten Mehrheiten kenntlich zu machen. Unter ihren Knuten haben sich die Zustände auf der Erde zu einem einzigen stummen Schrei verdichtet, den Sprache nicht zu fassen vermag. In dem Film “Schatten der Schuld” (nach Kurt Vonneguts Roman „Haifa") treffen zwei wahlverwandte Männer aufeinander.
“Ich habe gleich gespürt, dass Sie zur Bruderschaft gehören”, bemerkt der eine. “Zu welcher Bruderschaft?” – “Zur Bruderschaft der verwundeten Seelen. Das ist die größte Organisation der Welt und das irre ist, dass die Mitglieder absolut unfähig sind, miteinander zu reden.”
In dieser Sprachlosigkeit liegt eine Vision begraben – die Vision, wozu die menschliche Gemeinschaft sich hätte entwickeln können: zum gegenseitigen Respekt, zu Toleranz und Mitgefühl. Stattdessen kauern die Empfindsamen unter dem kalten Stiefel der Macht ohnmächtig am Boden.
„Well my sense of humanity has gone down the drain. Behind every beautiful thing there is some kind of pain,“ singt Bob Dylan. „Feel that my soul has turn into steel. Sometimes my burdon is more than I can bear. It’s not dark yet, but it’s getting there.“
It’s getting there … Vor kurzem habe ich einen Post von Lars Mährholz gelesen, aufgesetzt am 28. September dieses Jahres. Lars war Initiator der 2014 gestarteten Montagsmahnwachen für den Frieden, die in vielen deutschen Städten einige Jahre sehr erfolgreich abgehalten wurden. Ich hielt diese Veranstaltungen, auf denen jeder das Wort ergreifen konnte, für eine gute Idee. Aber angesichts der Kräfteverhältnisse zwischen Friedensaktivisten auf der einen, und manipulierten Dumpfbacken auf der anderen Seite erschienen sie mir doch recht naiv. Der Drops ist gelutscht. Das predige ich seit dreißig Jahren. Und nun gesteht es sich auch Lars ein. In seinem Post heißt es:
„Die Welt steht am Abgrund – wir haben keine Jahre mehr. Vielleicht nur noch Monate. Vielleicht Wochen. Wir haben keine Zeit für >vielleicht später<,“ schreibt er. „Wir müssen zu Millionen auf die Straße. Jetzt. Nicht, um zu schreien. Um sichtbar zu sein. Friedlich. Entschlossen. Unübersehbar.“
Angesichts solcher Aufrufe, die doch nur wieder ins Leere zielen, ist man geneigt, der trägen Verfügungsmasse zuzurufen, dass sie sich ihren Atomkrieg redlich verdient hat.
Anfang der achtziger Jahre fühlte sich die Situation in Deutschland ähnlich fiebrig an wie heute. Es war die Zeit des NATO-Doppelbeschlusses. Damals gingen tatsächlich Millionen Menschen auf die Straße. Der Doppelbeschluss sah die Stationierung amerikanischer Pershing-Raketen auf deutschem Boden vor. Damit sollte auf die Stationierung neuer sowjetischer Mittelstreckenraketen (SS-20) in Europa reagiert werden. Eine Hamburger Rockgruppe bat mich, ihnen einen Song zu schreiben, der die Stimmung im Land deutlich zum Ausdruck bringen sollte. Kennt ihr das alte deutsche Volkslied „Lass doch der Jugend Ihren Lauf“? Nein? Das fängt so an: „Lass doch der Jugend, der Jugend, der Jugend ihren Lauf …“ In meinem Song hieß es stattdessen: „Lasst doch die Bomben, die Bomben, die Bomben endlich fallen…“ Die Band war begeistert. Sie war der Meinung, dass der permanente Angstzustand, in dem die Bevölkerung gehalten wurde, nicht besser hätte beschrieben werden können.
„Wenn man von Kriegslüsternheit spricht, so muss man annehmen, dass dieser Todestrieb, libidinös gebunden, zu einer gigantischen masochistischen Geilheit angewachsen ist.“ – Botho Strauss in seinem Buch PAARE PASSANTEN, erschienen im Jahre 1981, also in dem Jahr, als ich darum bat, die Bomben endlich fallen zu lassen. Inzwischen bin ich resistent gegen Panikmache und Hysterie. Ich habe eine Gelassenheit erreicht, die den Blick wieder frei macht für die Schönheit der Welt, ja auch der eigenen Existenz.
Es ist sicher kein Zufall, dass mir jetzt, da ich nach einem positiven Ende dieses in Schwärze getunkten Artikels suche, ein Text über die Cherokee in die Hände fällt, in deren Kultur den Frauen außergewöhnliche Freiheiten zugestanden werden. Sie können sich beispielsweise jederzeit aus ihrer Ehe entlassen. Diesen Wunsch dokumentieren sie für alle ersichtlich dadurch, dass sie die Habseligkeiten des Gatten vor dem Haus stapeln. Wie schön wäre es, wenn auch unsere Kriegstreiber ihre Klamotten plötzlich auf der Straße wiederfänden. Im Starkregen, der die Koffer öffnet und die gebügelten Hemden durch den Rinnstein spült.
+++
Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
+++
Bild: KI-generiertes Bild: Atompilzwolke nach atomarer Explosion
Bildquelle: Shutterstock AI / shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit der:
Spenden-Kryptowährung „Nackte Mark“: https://apolut.net/unterstuetzen/#nacktemark
oder mit
Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoin
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut