Ideologische Militarisierung

Von Susan Bonath.

NATO-Osterweiterung, weltweite Markteroberungskriege: Um dies durchzusetzen, braucht es nicht nur Feindbildpropaganda, sondern auch militärische Normalität. Ein Blick auf Deutschland.

Vorige Woche hat der Bundestag die Ausweitung der Bundeswehreinsätze in Mali und Somalia durchgewunken [0]. Insgesamt ist das deutsche Militär inzwischen an Kriegen in 15 Regionen beteiligt [1]. Gemeinsam mit der NATO marschiert es gen Osten. Der imperiale 3. Weltkrieg der Westmächte um die ökonomische Vorherrschaft ist längst in vollem Gange. In Deutschland wird die Bevölkerung dafür gerade reif »geschossen«. Indoktrination und Propaganda stehen ganz oben auf der Agenda.

Kriegsmaschinerie aufrüsten

Man muss es dem Volke irgendwie plausibel verkaufen, dass Truppe [2] und Reservistenverband [3] in Anbetracht erwarteter Kriege aufgestockt werden. Dass der Militäretat immer weiter wächst, dieses Jahr auf 34,3 Milliarden, bis 2020 auf knappe 40 Milliarden Euro [4]. Dass die Bundeswehr immer höhere Summen für Rekrutenwerbung ausgibt. So flossen 2008 dafür noch 3,78 Millionen Euro, 2014 waren es bereits knapp 30 Millionen [5].

Man muss das Volk ruhig halten angesichts dessen, dass die USA von Ramstein aus weiterhin bewaffnete Drohneneinsätze steuern [6] und ihre Atombomben im Fliegerhorst Büchel auf den neuesten Stand bringen [7], [8]. Und dass Bundeswehr- und NATO-Truppen im Norden Sachsen-Anhalts ab 2017 für Kriegseinsätze in westlichen Metropolen trainieren werden. Dafür wird derweil die Übungsstadt »Schnöggersburg« im vom Rüstungskonzern Rheinmetall betriebenen Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark errichtet; inzwischen sind knapp 140 Millionen Euro aus dem Steuertopf dafür veranschlagt [9].

»Familiengerechte« Jubelfeiern

Um dies als Notwendigkeit ins Bewusstsein der »kleinen Leute« zu prügeln, wird nicht nur »der Russe« unter Putin zum Bösen schlechthin erklärt [10] und der Islamische Staat (IS) ausschließlich als fanatisch-religiöse Terrororganisation verkauft, als ginge es ihm nur um Religion und kein bisschen um imperialistische Machtansprüche [11]. Dafür setzt das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) immer stärker auf Verherrlichung, aber auch Verharmlosung des Militärischen.

Als propagandistische Krönung werden am 11. Juni zum zweiten Mal in Folge pompöse Selbstbeweihräucherungspartys in 16 deutschen Städten steigen: Am »Tag der Bundeswehr« will die Regierung anlässlich des 61jährigen Bestehens des Deutschen Heeres Panzer, Raketen, Schusswaffen und anderes Militärgerät schon für die Kleinsten attraktiv machen [12]. In Bonn, Bückeburg, Erfurt, Frankenberg, Hamburg, Hohn, Koblenz, München, Munster, Neuburg an der Donau, Schlieben, Stetten am kalten Markt, Trier, Veitshöchheim, Warnemünde und Wilhelmshaven wird Krieg üben als »Spaß für die ganze Familie inszeniert werden [13]. Dort sollen Kinder und Erwachsene bei Bockwurst, Bier und Musik für Militärtechnik begeistert werden, das Soldatendasein wird romantisiert.

Pflichtpropaganda schon für Kinder

Beim Rekrutieren von künftigem Kanonenfutter helfen die Schulen, Arbeitsagenturen, Jobcenter, Berufsschulen sowie Kommunen kräftig mit. Über 1.000 geplante Auftritte der Bundeswehr in staatlichen Einrichtungen oder der Öffentlichkeit alleine im zweiten Quartal 2016 meldete das Verteidigungsministerium im März auf Nachfrage der Linksfraktion im Bundestag vorab [14].

Angesetzt waren demnach 250 Auftritte der Bundeswehr auf Berufsmessen oder -ausstellungen sowie 180 Karriereberatungen, 31 Seminare und 22 mehrtägige Simulationsveranstaltungen mit dem Namen »POLIS« (Politik und internationale Sicherheit) in Schulen oder Ausbildungszentren für Schüler ab Klassenstufe 8. Die Zahl der Karriereberatungen könnte sich noch drastisch erhöhen, denn für das erste Quartal gab das Ministerium bereits 254 nachträglich gemeldete Events bekannt, zusätzlich zu 182 Vorabmeldungen.

Hinzu kommen sollen 202 Pflichtveranstaltungen für Erwerbslose in Jobcentern und Berufsinformationszentren (BIZ) der Arbeitsagenturen, 50 Truppenbesuche von Schulklassen, 162 »sonstige Personalwerbeveranstaltungen«, 137 Auftritte der Musikkorbs des Heeres auf Festen, 40 öffentliche Zeremonien und acht mehrtägige Großveranstaltung – wohlgemerkt, allein zwischen April und Juni 2016. Bei etwa 5.000 Auftritten der Bundeswehr im Jahr fallen auf jeden einzelnen der 365 Tage 14 Werbeevents.

Schüler und Erwerbslose können sich gegen die militärische Berieselung kaum wehren. Viele Schulen binden Unterricht durch Jugendoffiziere sowie Besuche bei der Truppe in den Sozialkundeunterricht ein, ohne, dass die Eltern gefragt werden. Jobcenter verhängen in der Regel Sanktionen, wenn von ihnen betreute meist junge Erwerbslose die Teilnahme an den Militärveranstaltungen verweigern. Unter 25jährigen droht hier bereits eine dreimonatige 100-Prozent-Kürzung ihrer Bezüge – sie müssen also hin.

In Sachsen-Anhalt machen Lehrer nicht mal halt davor, schon die Jüngsten an Waffen und Panzer zu gewöhnen. Im Sommer 2015 schickte die Grundschule Letzlingen zum siebten Mal in Folge Kinder in ein Feriencamp, organisiert und betreut von der Truppe im GÜZ Altmark [15]. Darüber hinaus veranstaltete die Bundeswehr ein Sportfest für Erst- bis Viertklässler [16]. Mehr noch: Truppe und Grundschule haben eine »Patenschaft« besiegelt. Ähnliche »Partnerschaftsverträge« existieren in der Region mit mehreren Gemeinden und Städten, darunter etwa Colbitz, Letzlingen und Haldensleben [17].

Eisernes Kreuz kehrt zurück

Auch der Reservistenverband wird – vermutlich in Erwartung bevorstehender Ereignisse – nicht nur aufgestockt, sondern auch besonders bedacht. Und zwar mit nichts geringerem als dem Eisernen Kreuz [18]. Die ursprünglich preußische, seit 1939 offiziell deutsche Kriegsauszeichnung, mit der im Zweiten Weltkrieg Millionen Verbrecher des faschistischen NS-Regimes geehrt worden waren, sei nun »neues verbindendes Symbol für Reservisten«, das für »Freiheit, Gleichheit und Tapferkeit« sowie für »Identität« und »Kameradschaft« stehe, verkündete der Verband am 13. Mai.

Die Frage, ob das Eiserne Kreuz auch bald wieder verliehen werden wird, muss offenbleiben. Seit Kriegsende 1945 dient es »nur noch« als Erkennungszeichen der Bundeswehr und ist Bestandteil des Ehrenzeichens der Truppe.

Einen Versuch, das Eiserne Kreuz als Kriegsauszeichnung wieder zu verwenden, gab es 2007 in Form einer von rund 5.000 Unterzeichnern getragenen Petition an den Bundestag [19]. Anders als Inge Hannemanns Petition gegen die Hartz-IV-Sanktionen mit 91.000 Unterschriften überwies der damalige Petitionsausschuss das Anliegen umgehend an die Bundesregierung. Der damalige Präsident des Reservistenverbandes, Ernst-Reinhard Beck (CDU), versuchte, es durchzusetzen. Man müsse sich dafür nicht schämen, so Beck. Die Mehrheit lehnte die Wiederbelebung des Eisernen Kreuzes aber ab, da es sich um ein Zeichen handele, dass das NS-Regime wieder eingeführt habe. 2008 wurde das »Ehrenkreuz der Bundeswehr« daraus.

Antimilitaristische Proteste

Somit haben Friedensaktivisten viele Baustellen. Für den 11. Juni rufen Initiativen zu Protesten gegen den »Tag der Bundeswehr« vor Ort auf [20]. Am selben Tag plant das Aktionsbündnis »Stopp Ramstein« eine Demonstration gegen und eine Menschenkette um die US-Airbase Ramstein; ein Protestcamp soll dort vom 8. bis 12 Juni errichtet werden [21].

In Büchel demonstrieren Aktivisten derzeit unter dem Motto »20 Wochen gegen 20 Atombomben« noch bis zum 9. August, dem 71. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Nagasaki [22].

Auch gegen die Aufrüstung das GÜZ Altmark rufen Initiativen zu einem Protestcamp vom 25. bis 31. Juli unter dem Motto »War starts here« (Der Krieg beginnt hier) auf. Stattfinden soll es auf einer Wiese bei Potzehne südlich von Gardelegen nahe des 232 Quadratkilometer großen Truppenübungsplatzes [23]. Am 30. Juli ist ein Aktionstag in Letzlingen und rund um das Militärgelände geplant.

Quellen:
[0] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-05/bundeswehr-aufstockung-von-der-leyen

[1] http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKUVL3UzLzixNSSqlS90tSk1KKknMzkbL2qxIyc1Dz9gmxHRQDYLHC-/

[2] http://www.bz-berlin.de/deutschland/von-der-leyen-will-500-reservisten-mehr-in-die-bundeswehr-einbinden

[3] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-05/bundeswehr-aufstockung-von-der-leyen

[4] http://www.bundeswehr-journal.de/2016/haushalt-wehretat-um-102-milliarden-euro-aufgestockt/

[5] http://www.bundeswehr-journal.de/2015/299-millionen-euro-fuer-bundeswehr-nachwuchswerbung/

[6] https://kenfm.de/freie-bahn-ramstein-drohnen/

[7] http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP16014_061014.pdf

[8] http://www.fr-online.de/politik/fliegerhorst-buechel-moderne-us-atomwaffen-fuer-deutschland,1472596,31879400.html

[9] http://www.jungewelt.de/2016/05-17/016.php

[10] http://www.derwesten.de/politik/warum-putin-mit-dem-saebel-rasselt-id11821670.html

[11] http://www.konicz.info/?p=2843

[12] https://tag-der-bundeswehr.de/

[13] https://tag-der-bundeswehr.de/standorte/

[14] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/078/1807858.pdf

[15] https://www.jungewelt.de/2015/07-21/022.php

[16] http://www.offeneheide.de/dokumente/2015/fb2015_09.pdf

[17] http://www.volksstimme.de/nachrichten/lokal/wolmirstedt/bilder_aus_wolmirstedt/111337_michael-matz-uebernimmt-das-kommando-von-gerd-kropf.html

[18] http://www.reservistenverband.de/evewa2.php?d=1263915562&menu=0110&newsid=34386

[19] https://de.wikipedia.org/wiki/Eisernes_Kreuz#Petition_zur_Wiedereinf.C3.BChrung_2007

[20] https://www.dfg-vk.de/pazifismus/call-for-action-keinen-tag-der-bundeswehr

[21] http://www.ramstein-kampagne.eu/

[22] http://www.atomwaffenfrei.de/buechel

[23] http://www.war-starts-here.camp/

 

Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


Auch interessant...

Kommentare (17)

Hinterlassen Sie eine Antwort