Grüße aus Tschernoshima

Gedicht von Bernhard Trautvetter.

Grüße aus Tschernoshima

Dies ist es, wofür wir alle
auf diesen Platz gekommen sind…
Du, Mann an den roten Atomknöpfen,
tief unten im einsamen Bunker,
wenn sie dir morgen den alles entscheidenden Befehl geben,
du sollst ein letztes Mal abdrücken
für die unendliche Gerechtigkeit,
dann gibt es nur eins – give peace a chance!

Du, Frau am Bildschirm,
wenn sie dir den Befehl geben,
du sollst neue Werbefeldzüge erfinden
für eine noch breitere Begeisterung global
für den einmaligen Vergeltungsschlag
gegen den unfassbaren Feind in den Löchern,
dann gibt es nur eins – give peace a chance!

Du, Vertreter des Volkes,
wenn sie dir eine Zusage
abverlangen, dein uneingeschränkt Ja
zur die gewachsenen Verantwortung,
mit militärischen Mitteln weltweit unseren Zugang
zu den Märkten Friedhofsruhe stabiler Despoten zu sichern
und dabei das unangenehme Wort Krieg’ vermeiden,
dann gibt es nur eins – give peace a chance!

Du Techniker im Planungsbüro und in der Produktion,
wenn Deine Auftraggeber von Dir
ferngesteuerte Automaten verlangen
oder besser gleich autonome Killerroboter
zu Land, zu Wasser und in der Luft
Viren-Trojanerprogramme zur Umwandlung von Kraftwerken in Bomben,
für den sauberen Tod chirurgische Schläge punktgenau wenn’s klappt,
dann gibt es nur eins – give peace a chance!

Du, Mutter und Vater
vom lebendigen Leben träumender Kinder
wenn sie dich auffordern, du sollst sie ermutigen,
ihr sollt keine Drückeberger sein,
du sollst noch einmal Ruhe geben,
dann gibt es nur eins – give peace a chance!

Du, Trümmerfrau, Heldin vergangener
Gegenwart, wenn sie dich auffordern,
du sollst deinen Enkel von damals erzählen,
die Helden an der Front haben alles gegeben
unbesiegte Vorbilder für die Ewigkeit,
Das Vaterland wird ewig dankbar sein,
dann gibt es nur eins – give peace a chance!

Du, Junge und Mädchen,
Kind deiner Eltern, wenn sie dir auf dem nächsten Fest
ein neues Video-Computerspiel schenken
für den schnelleren Tod Punkte
am sauberen Bildschirm Level zwei
Adventure six,
dann gibt es nur eins – give peace a chance!

Du, Bürger in der von Narben gezeichneten Welt
Nachfahre Überlebender der dunklen Zeit
aus Sieg Heil und verbrannten Seelen zwischen Lagern und Front
Wenn sie wieder grölen, Juden, Kommunisten, Fremde und Demokraten
gehören verfolgt, verbannt und verbrannt,
dann gibt es nur eins – give love a chance!

Du, Reporter, an den Tasten, mit denen Du uns immer erreichst,
wenn sie Dir den Befehl geben, Du sollst uns erzählen,
Atomkraft sei sicher, Frieden verteidigt man mit Krieg,
Jobs entstehen mit Hilfe von Robotern,
wir sind die Guten, die deshalb fast alles dürfen,
wenn Du uns mit Unterhaltung zerstreuen sollst,
damit wir mitspielen und pünktlich zahlen,
dann gibt es nur ein: give life a chance!

Du, Mensch, Heimat von Träumen,
Träger meiner Hoffnung auf den Menschen
im Leben auf Erden – give us a chance!

Denn alles was geschieht
Geht Dich und uns an,
Nicht irgendwann, sondern jetzt und hier
Deshalb – Sag ‚Nein’, give peace a chance!

 

Bernhard Trautvetter – ich widme dieses Gedicht den Helden, die mit ihrem Einsatz in Three Miles Island, Tschernobyl und Fukushima ihr Leben für die Rettung ungezählt vieler anderer riskiert, eingesetzt und verloren haben. Ihnen verdanken nicht nur diese Zeilen ihre Existenz.

 

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Textes.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

 


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