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Gaza: Welche Rolle spielt das Erdgas? | Von Ernst Wolff

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Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Etwa 30 Kilometer vor der Küste des Gazastreifens liegt das Erdgasfeld Gaza Marine, dessen Reserven auf ca. 30 Milliarden Kubikmeter geschätzt werden. Gaza Marine wurde in den späten 1990er Jahren entdeckt. Nach einer im Jahr 1999 getroffenen Vereinbarung zwischen der israelischen Regierung und der Palästinensischen Autonomiebehörde gehört es der Palästinensischen Autonomiebehörde, darf aber nicht ohne israelische Zustimmung entwickelt werden.

Die Gaza-Marine-Lizenz umfasst das gesamte Meeresgebiet vor der Küste des Gazastreifens. Die Lizenz wurde 1999 von der Palästinensischen Autonomiebehörde an British Gas und die in Monaco ansässige Handelsgesellschaft CC Oil & Gas vergeben. British Gas wurde zum Betreiber des Lizenzgebiets ernannt. British Gas gehörte 1999 zum britischen Energiekonzern Centrica, zu dessen Hauptaktionären Vanguard und BlackRock zählen. Nach der Übernahme von British Gas durch Shell erwarben CC Oil & Gas und der Palestinian Investment Fund die Beteiligung von Shell an dem Projekt, so dass beide Parteien jeweils 50 % der Anteile besitzen.

Die israelische Regierung hat die Erschließung von Gaza Marine jahrelang verhindert. Da die Hamas, die 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen hat, nicht nur ein erbitterter Gegner Israels, sondern auch der palästinensischen Autonomiebehörde ist, kam kein gemeinsamer Widerstand gegen die israelische Politik zustande.

Am 18. Juni 2023 geschah dann etwas für Außenstehende vollkommen Überraschendes. Israels Ministerpräsident Netanjahu kündigte an, dass Gaza Marine gemeinsam von Israel, Ägypten und der Palästinensischen Autonomiebehörde ohne Berücksichtigung der Hamas erschlossen werden soll. In einer von Netanjahus Büro veröffentlichten Erklärung hieß es, die Erschließung dieser Ressource werde

“im Rahmen der bestehenden Bemühungen zwischen dem Staat Israel, Ägypten und der Palästinensischen Autonomiebehörde erfolgen, wobei der Schwerpunkt auf der wirtschaftlichen Entwicklung Palästinas liegt”.

Das angebliche Interesse der israelischen Regierung am Wohl Palästinas war offensichtlich geheuchelt, denn es war klar: Netanjahus Entscheidung würde die Wut der Bewohner des Gazastreifens auf die israelische Regierung zwangsläufig verschärfen und die Wahrscheinlichkeit weiterer Anschläge durch die Hamas erhöhen.

Was aber hat Netanjahu zu seiner Kursänderung bewogen? Ein Blick auf die Hintergründe kann da weiterhelfen:

Seit Dezember 2016 laufen in Israel juristische Ermittlungen gegen Netanjahu. Im November 2019 wurde er offiziell wegen Untreue, Annahme von Bestechungsgeldern und Betrug angeklagt, was dazu führte, dass er seine Ministerämter aufgab und nur das Amt des Ministerpräsidenten behielt. Der Prozess gegen ihn begann im Mai 2020. Seit Beginn des Prozesses ist es in der Öffentlichkeit zu zahlreichen Großdemonstrationen gegen Netanjahu gekommen, an denen sich hunderttausende Israelis beteiligt haben.

Diese Proteste haben seit Januar 2023 erheblich zugenommen, als Netanjahu auch noch eine Justizreform auf den Weg brachte, die seiner Regierung eine Mehrheit in einer für die Auswahl von Richtern zuständigen Kommission verschaffen und dem Parlament darüber hinaus ermöglichen sollte, sich über Entscheidungen des Gerichts hinwegzusetzen.

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Netanjahu den Erdgas-Deal mit Ägypten und der palästinensischen Autonomiebehörde abschloss, hatten rund eine Million Israelis, das sind mehr als zehn Prozent der Bevölkerung, an den Protesten teilgenommen.

Man sieht also: Der israelische Regierungschef stand und steht mit dem Rücken zur Wand und ist auf die Unterstützung mächtiger Verbündeter angewiesen. Um wen es sich dabei handelt, lässt sich bei geschichtlicher Betrachtung unschwer erkennen: Israel ist der treueste Vasall der USA im Nahen Osten und sowohl wirtschaftlich als auch finanziell und militärisch weitgehend von der Wall Street und dem Silicon Valley abhängig. Netanjahu selbst ist Harvard- und MIT-Absolvent, hat seine ersten Berufserfahrungen bei der Boston Consulting Group gesammelt [i] und ist wie auch Joe Biden[ii] Contributor des World Economic Forum.

Dass Netanjahu den größten Profiteuren des aktuellen Krieges bereits im Juli 2023 mit der Bestellung von 25 Tarnkappenbombern zum Preis von 3 Milliarden US-Dollar seine Verbundenheit gezeigt hatte und dass die US-Regierung sich nun mit einem "noch nie dagewesenen" Hilfspaket bei Netanjahu für dessen willkommene Zuarbeit bedankt, dürfte daher kaum Zufall sein.

Für die Zukunft bedeutet die aktuelle Situation nichts Gutes, denn die US-Finanzwelt steht vor gewaltigen Verwerfungen – und Netanjahus Unterstützer an der Wall Street und im Silicon Valley werden mit Sicherheit nicht freiwillig auf die gewaltigen Einkünfte verzichten, die durch eine Ausweitung des Krieges noch üppiger sprudeln werden.

Quellen und Anmerkungen:

 

[i] https://www.weforum.org/people/benjamin-netanyahu

[ii] https://www.weforum.org/people/joseph-r-biden

+++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags. +++ Bildquelle: Mona Mustaffa / shutterstock


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