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Friedensvisionen ohne Fundament | Von Wolfgang Effenberger

Friedensvisionen ohne Fundament | Von Wolfgang Effenberger

General Kujats fehlende Auseinandersetzung mit TRADOC-Doktrinen und sicherheitspolitischem Kontext

Ein Meinungsbeitrag von Wolfgang Effenberger.

Im Netz liefern die Suchergebnisse über dreimillionenmal umfangreiche Informationen über das Dokument TRADOC 525-3-1 („The U.S. Army Operating Concept: Win in a Complex World 2020-2040“ von 2014) und seine Bedeutung für die US-Armee sowie die Nachfolgekonzepte (Multi-Domain Operations), jedoch gibt es keine konkrete Aussage oder Erwähnung von General Kujat in direktem Zusammenhang mit diesem Dokument. Das muss stutzig machen, da diese US-amerikanische militärische Doktrin zentrale zukünftige operationelle Konzepte für Heer, Luftwaffe, Marine, All- und Cyberkommando der U.S. Army beschreibt. Zwar ist General Kujat in verschiedenen militärischen und geopolitischen Analysen aktiv und äußert sich zu aktuellen Konflikten und militärischen Themen, jedoch wird das spezifische US-amerikanische Militärdokument TRADOC 525-3-1 in seinen öffentlichen Äußerungen nicht direkt genannt oder diskutiert. Die verfügbaren Berichte und Interviews mit General Kujat befassen sich meist mit allgemeinen politischen und militärstrategischen Bewertungen zu aktuellen Konflikten, vor allem im Kontext der Ukraine und NATO, ohne dass die in dem TRADOC-Dokument deutlich formulierten imperialistischen Absichten der USA überhaupt thematisiert werden.

Die verfügbaren Quellen und Interviews zeigen, dass General Harald Kujat konkrete Friedensvisionen für die Ukraine und Russland vertritt, diese jedoch oft in einem geopolitisch-politischen Kontext diskutiert werden. Kujat spricht sich grundsätzlich für Verhandlungen aus, betont, dass ein dauerhafter Frieden nur politisch zu erreichen sei, und kritisiert die bisherige Zuspitzung militärischer Konflikte. Er hebt hervor, dass der einzige Weg zu einem nachhaltigen Frieden in Verhandlungen liegt, bei denen beide Seiten Kompromisse eingehen, sieht die politische Lösung als einzig realistische Möglichkeit, den Krieg zu beenden, und kritisiert, dass bislang keine wirklichen Verhandlungsangebote auf Augenhöhe zustande gekommen sind.

Vor diesem Hintergrund fordert er, dass die Ukraine und Russland einen Weg finden müssten, in einer neuen Sicherheitsordnung beiden Ländern ihren Platz zu geben, ohne dass es zur vollständigen Niederlage einer Seite kommt. Er spricht von einer Friedensordnung, in der beide Nationen Akzeptanz finden, und kritisiert die bisherige Haltung, die auf militärischer Eskalation beruht. Kujat hebt hervor, dass der Ukrainekrieg ein Politik- und Wirtschaftskrieg sei, bei dem militärische Lösungen höchst problematisch seien. Er kritisiert die unfähige Politik und die fehlende Kompromissbereitschaft, sowohl in der Ukraine als auch im Westen. Kujat spricht von einem Friedensplan, bei dem die Ukraine neutral gestellt werden könne, in einer demilitarisierten Zone verbleibt und auf territoriale Ansprüche verzichtet. Seine Vorschläge sind darauf ausgerichtet, eine Balance zu schaffen, die alle Parteien akzeptieren können.

Es ist bemerkenswert, dass Kujat in all seinen öffentlichen Äußerungen auf die Notwendigkeit hinweist, den Krieg politisch zu beenden, ohne eine Seite zu sehr zu belasten oder zu schwächen – eine Haltung, die völlig im Gegensatz zu den US-Strategiepapieren „Win in an Complex World 2020-2040“ steht. Auf die Idee, dass die USA gar keinen Frieden wollen, kommt er offenbar nicht.

Seine Vorschläge zielen darauf ab, zwischen der Ukraine und Russland einen dauerhaften Frieden zu schaffen, der alle Parteien integriert. Das sind Wunschvorstellungen, die von der Realität weit entfernt sind. Die Ausblendung des von den USA seit 2014 angestrebten Sieges in einer schließlich unipolaren Welt ist vermutlich nur durch die unglaubliche Karriere Kujats in der NATO zu verstehen, in der er zuletzt als höchstrangiger Offizier insbesondere als Vorsitzender des NATO-Militärkomitees (2002-2005) und des NATO-Russland-Rates sich intensiv mit den NATO-Russland-Beziehungen beschäftigte. In diesen Positionen hat er die NATO-Politik kritiklos mitgetragen.

Vom 17-jährigen Rekruten zum NATO-Viersterne-General

Harald Kujat, geboren am 1. März 1942 im damaligen Reichsgau Wartheland (heute Polen) wurde als ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr (2000–2002) bekannt, sowie als Vorsitzender des NATO-Militärausschusses und des NATO-Russland-Rates (2002–2005). Kujat stammt aus einer Familie, in der der Vater im Zweiten Weltkrieg als Wehrmachtssoldat gefallen ist. „Nach dem Krieg wuchs er mit seinen Geschwistern nahe Hannover auf, machte das Abitur an einer Abendschule in Kiel und begann 1959 mit 17 Jahren seine militärische Laufbahn bei der Luftwaffe.“ (1) Soweit die Angaben im Register Munzinger.

Mit 17 wurde er Soldat und soll gleichzeitig an einer nicht näher genannten Abendschule das Abitur in Kiel gemacht haben? Mit dem Abitur hätte sich Kujat für die Offizierslaufbahn bewerben können. Er wurde aber erst am 29. Oktober 1965 nach 6 Jahren Leutnant (der Verfasser des Artikels wurde am 1. Oktober 1966 nach 2 Jahren mit 20 Jahren Leutnant), was Fragen zur Biografie aufwirft. Von 1972 bis 1975 war er Ordonanzoffizier bei Bundesverteidigungsminister Georg Leber und später Adjutant von Verteidigungsminister Hans Apel. Es folgten hohe Stabsposten im Verteidigungsministerium, im Kanzleramt und bei NATO-Gremien. 1985 übernahm Kujat das Kommando über ein Bataillon des Luftwaffenausbildungsregiments 1. In den 1990er Jahren stieg er weiter bis zum General auf und wurde 2000 Generalinspekteur der Bundeswehr. Nach dem Ende seiner aktiven Dienstzeit engagierte er sich weiterhin als Sicherheitsexperte in Medien und Politik. Harald Kujat war zudem von Juli 2019 bis August 2020 Vorsitzender des Aufsichtsrats bei dem bekannten deutschen Waffenhersteller Heckler & Koch. (2)

Außerhalb seiner militärischen Ausbildung hat Harald Kujat kein klassisches Hochschulstudium vorzuweisen.

Es gibt keine belastbaren Hinweise darauf, dass Kujat sich jemals aktiv gegen die historische Realität des Kalten Krieges oder der NATO-Politik stellte. Er äußerte sich nach seiner Pensionierung öffentlich zwar kritisch über die Eskalationsstrategie im Ukraine-Konflikt, allerdings wird ihm vorgeworfen, sich aus einer bestimmten Perspektive heraus auf die Diplomatentaktik zu konzentrieren, ohne auf aktuelle Strategiepläne wie die der Nationalen Verteidigungsstrategie der USA vom Oktober 2022 einzugehen.

In der Nationalen Sicherheitsstrategie vom Oktober 2022 wurde festgelegt:

  • Abbau der wachsenden multidisziplinären Bedrohung durch China
  • Abschreckung der von Russland ausgehenden Herausforderung in Europa

Zur Umsetzung dieser Prioritäten gehören:

  • integrierte Abschreckung,
  • Kampagnenführung und der Aufbau eines dauerhaften Vorteils

Wenige Wochen später gab der wissenschaftliche Dienst des Kongresses Handreichungen mit brisanten Aussagen heraus:

  • Um regionale Hegemonie in Eurasien zu verhindern sind anscheinend viele militärische Operationen der USA (im 1. und 2. Weltkrieg, zahlreiche militärische Kriegseinsätze und alltägliche Operationen der USA seit dem 2. Weltkrieg) zu einem nicht geringen Teil zur Unterstützung dieses Ziels durchgeführt worden.

Es ist nachzuvollziehen, das General Kujat während seiner Karriere in der NATO und als Generalinspekteur der Bundeswehr die expansive NATO-Politik mittrug, schließlich war er ja tief in das politische-militärische System eingebunden. Sein Bild von historischen Zusammenhängen scheint dabei vor allem von den militärischen Ausbildungseinrichtungen und offiziellen NATO-Doktrinen geprägt zu sein. Eine umfassende, tiefgehende geschichtliche Auseinandersetzung mit der geopolitischen Strategie der USA seit 1945, insbesondere seit 1990, vermeidet er.

So äußert sich Kujat zwar öffentlich zu Themen wie Ukraine, Russland und NATO in einer Weise, die auf eine diplomatisch-strategische Konfliktlösung abzielt, und forciert Verhandlungen, bleibt dabei jedoch in der Darstellung selektiv und blendet wesentliche Teile der aktuellen US-amerikanischen Militärstrategie aus. Seine Aussagen lassen den Schluss zu, dass er die expansive Politik der NATO als gegeben hinnimmt, ohne sie grundlegend zu hinterfragen oder ihre Folgen kritisch aufzuarbeiten.

Kritiker werfen Kujat vor, dass er in Interviews und öffentlichen Auftritten wichtige Elemente von US-Militärdoktrinen und strategischen Planungen, die die Eskalationsdynamiken im Ukraine-Konflikt maßgeblich prägen, nicht anspricht oder dekonstruiert. Auch seine Interpretation der historischen Beziehungen zwischen NATO und Russland entspricht stark dem westlich-militärischen etablierten Bild, das auf Militärakademien vermittelt wird, ohne eine tiefere kritische Revision der geostrategischen Entwicklungen seit 1945 vorzunehmen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Kujat als hochrangiger NATO-General und Verteidigungsexperte die NATO-Expansionspolitik aktiv mitgetragen hat, aber in seinen späteren Friedensvisionen und öffentlichen Statements aktuelle US-Strategiepläne schlicht ausklammert. Dies führt zu einer Diskrepanz zwischen seinen Friedensplänen und der weithin komplexen realpolitischen Lage. (3)

Quellen belegen, dass General Harald Kujat die NATO-Erweiterung in den 1990er Jahren unterstützte: Kujat war unmittelbar beteiligt an den Beitrittsverhandlungen mit Polen und Ungarn auf militärischer Seite. Er bestätigte, dass diese Länder ausdrücklich unter den NATO- und insbesondere den US-Nuklearschirm schlüpfen wollten. Diese Unterstützung zeigt, dass er die NATO-Erweiterung als Schutzfunktion und sicherheitspolitisch notwendig ansah. (4)

In Interviews und öffentlichen Auftritten äußerte Kujat, dass die NATO vor allem ein politisches Bündnis mit militärischem Arm sei, und sah die Erweiterung als eine legitime Sicherheitsgarantie für die osteuropäischen Staaten, die ihre Zugehörigkeit zum demokratischen Westen festigen wollten. (5)

Diese Haltung steht in Verbindung mit seiner Karriere als hoher NATO-Offizier, in der er die Strategie der Öffnung der NATO gegenüber ehemaligen Ostblockstaaten mitgestaltete und mittrug, auch wenn die realpolitischen Konsequenzen und Spannungen mit Russland später kontrovers diskutiert wurden. (6)

Dies belegt, dass Kujat die NATO-Osterweiterung nicht nur nicht ablehnte, sondern aktiv unterstützte und als legitimen Schritt zur Sicherung von Frieden und Stabilität in Europa betrachtete. (7)

Im Verlauf des Afghanistaneinsatzes forderte General Harald Kujat ein stärkeres und besser ausgestattetes Engagement der Bundeswehr und der NATO. Er betonte mehrfach, dass neben dem zivilen Wiederaufbau auch eine schlagkräftige militärische Präsenz notwendig sei, um die Sicherheitslage zu stabilisieren. (8)

Nach der Wiedereroberung von Kundus durch die Taliban 2015 forderte Kujat öffentlich einen neuen, massiven NATO-Kampfeinsatz, um die eskalierende Lage zu stabilisieren. Er betonte, dass nur ein solcher Einsatz die Situation bereinigen könne, allerdings beklagte er die mangelnde Bereitschaft der internationalen Staatengemeinschaft dafür. (9)

General Kujat unterstützte einen gut ausgerüsteten, strategisch klar geregelten und auf Sicherheit ausgerichteten Einsatz. Er sah eine militärische Komponente zusammen mit zivilen Maßnahmen als nötig für den Erfolg an und warnte vor zu frühem Rückzug oder unzureichender Ausstattung. (10)

Zum Vergleich:

Am 26. August 2009 schrieb der damalige Major d.R. Wolfgang Effenberger den Artikel "Versuch einer Analyse nach acht Jahren Krieg in Afghanistan", der mit dem Aufruf endete:

„Mit dem Zerfall Afghanistans wie Pakistans wäre der Westen gescheitert. Die Lage ist trostlos –  und die Aussicht gering, dass die AfPak-Strategie trotz ständig steigender Militärpräsenz Erfolg haben kann. Müssen die gleichen leidvollen Erfahrungen wie sie die Engländer im 19. und die Russen im 20. Jahrhundert machten, im 21. Jahrhundert wiederholt werden? Die deutsche Regierung sollte einmal Mut beweisen, Bilanz ziehen – und abmarschieren.“

Die fehlende kritische Geschichtsbetrachtung von General Harald Kujat gehört zu einer formal-dienstlichen (vermutlich auch unter den SPD-Verteidigungsministern Leber und Apel) angeeigneten Sichtweise, die vor allem militärische Strukturen und Strategien berücksichtigt, aber wichtige gesellschaftliche, geopolitische und historische Kontextfaktoren ausblendet. (11)

In seinen öffentlichen Auftritten kritisiert Kujat zwar die westliche Politik im Umgang mit der Ukraine-Krise und warnt vor Eskalation, jedoch lässt er zentrale strategische Dokumente und Denkmuster der USA unerwähnt, obwohl diese für die gegenwärtige Konfliktdynamik maßgeblich sind. Dies zeigt einen Verzicht auf die Auseinandersetzung mit aktuellen sicherheitspolitischen Leitlinien. (12)

Kritik von Fachkollegen und Experten an Kujats Einschätzungen bezieht sich auch darauf, dass er oft keine belastbaren Quellen oder Nachweise für seine Aussagen zu militärischen Lagebildern nennt, etwa zu Verlustverhältnissen oder strategischen Einschätzungen im Ukraine-Krieg. Dies schwächt seine Glaubwürdigkeit in der historischen und militärischen Analyse (13) und erschwert eine realpolitisch wichtige Debatte, die eine umfassende Auseinandersetzung mit NATO-Strategie, westlicher Politik und russischer Perspektive erfordert. (14)

Kujats Analyse- und Friedensansätze bieten vor dem Hintergrund seiner militärischen Prägung zwar Einsichten in diplomatisch-strategische Überlegungen, diese sind jedoch durch eine fehlende kritische Reflexion der historischen und aktuellen sicherheitspolitischen Kontextfaktoren sowie eine unvollständige Quellenarbeit eingeschränkt. Die scheinbaren Lösungsansätze werden von vielen Friedensfreunden gern aufgenommen, festigen aber letztlich den Weg in einen großen Konflikt: „Win in a Complex World 2020-2040“ – da geht es um Sieg und nicht in einen tragfähigen Frieden. (15)

Im Hinblick auf die fehlende kritische Geschichtsbetrachtung von General Harald Kujat sind folgende historische Eckpunkte festzuhalten:

Die NATO wurde am 4. April 1949 gegründet als ein militärisches Verteidigungsbündnis westlicher Länder, zu dem zunächst 12 Staaten gehörten. Das Motiv der Gründung brachte der erste Generalsekretär Lord Ismay auf den Punkt: „Amerika in Europa, Russland aus Europa und Deutschland unten zu halten“. Bereits am 19. Dezember 1949 wurde im US-Kriegsplan „Dropshot“ der umfassende Einsatz von Atomwaffen gegen die Sowjetunion im Jahr 1957 vorgesehen (der sowjetische Erdtrabant SPUTNIK sorgte für eine Verschiebung). Diese aggressive Strategie spiegelte die damals vorherrschende militärische Abschreckungsdoktrin wider und ist ein zentraler Teil der historischen Kalter-Krieg-Realität [aus historischem Kontext]. In der Anfangszeit setzte die NATO auf eine Strategie der „massiven Vergeltung“, die den Einsatz von Tausenden Atomwaffen in Europa vorsah, um Mitteleuropa im Fall eines Krieges in eine Atomwüste zu verwandeln. Diese Doktrin prägte das strategische Gleichgewicht und die Eskalationslogik des Kalten Krieges.

Im Verlauf des Kalten Krieges gab es zahlreiche Konflikte und kriegerische Ereignisse, darunter die Balkankriege in den 1990er Jahren bis hin zum Kosovokrieg 1999, bei dem völkerrechtswidrige NATO-Luftangriffe ohne UN-Mandat gegen Jugoslawien geführt wurden. Er markiert eine entscheidende Zäsur in der Geschichte der NATO, da die Allianz damit begann, „out of area“ – also außerhalb ihres ursprünglichen Verteidigungsgebiets – und ohne UN-Mandat militärisch zu intervenieren.

Das vom damaligen Vizepräsidenten der OSZE-Vollversammlung, Willy Wimmer, dokumentierte Treffen des US-Außenministeriums in Bratislava im April 2000 wurde von Kritikern als Manifestation einer einseitigen westlichen Außenpolitik gesehen, die russische Sicherheitsinteressen systematisch ignorierte und die NATO-Osterweiterung gegen Vereinbarungen durchsetzte.

Diese Aspekte zeigen, dass die Geschichte der NATO von ihrer Gründung bis heute von einer expansiven und oft kontroversen sicherheitspolitischen Praxis geprägt ist. Eine kritische Betrachtung durch Führungspersönlichkeiten wie General Kujat sollte diese historische Dimension und die daraus resultierenden geopolitischen Spannungen stärker einbeziehen, als dies nachweislich bisher von ihm geschieht.

Friedensplan für einen Ukraine-Russland-Krieg?

Mit weiteren deutschen Persönlichkeiten (16) stellte Anfang September 2023 General Kujat einen Friedensplan für den Russland-Ukraine-Krieg vor, der vor allem auf einem Waffenstillstand und anschließenden Friedensverhandlungen basiert.

In der Einleitung wurde bereits hervorgehoben, das die Bundesregierung am 2. März 2022, wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffs, einer von der Ukraine eingebrachten, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossenen Resolution (17) zugestimmt hat, die eine „friedliche Beilegung des Konfliktes zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine durch politischen Dialog, Verhandlungen, Vermittlung und andere friedliche Mittel“ (18) forderte.

Die Vorgeschichte des Konflikts wird komplett ausgeklammert. Spätestens seit der Orangenen Revolution von 2004, der der vom Westen orchestrierte Putsch in der Ukraine im Februar 2014 folgte, steht die Ukraine im Visier geopolitischer Interessen der USA. Das wurde für alle im September 2014 deutlich, als die US-Administration das TRAINING AND DOCTRINE Dokument 525-3-1 „Win in a Complex World 2020-2040“ in Kraft setzte. Im Dezember 2014 folgte dann im US-Kongress die HRes 758, die einer Kriegserklärung an Russland gleicht.

Während die Resolution 758 bisher nicht aufgehoben wurde, gab die KI auf die Frage „Welche Relevanz hat heute das US-Langzeitstrategie-Papier „Win in a Complex World 2020-2040“? folgende Antwort:

„… hat heute große Relevanz für die Ausrichtung und Entwicklung der US-Armee und ihrer operationellen Konzepte. Nach Punkt 2.4 und Kernabschnitten des US-Strategiepapiers 'Win in a Complex World 2020–2040' ist das explizite Ziel der US-Streitkräfte, im Verbund mit Alliierten und multinationalen Kräften den von Russland und China ausgehenden Bedrohungen aktiv zu begegnen, sie abzubauen und im Ernstfall militärisch zu siegen.

Das Dokument nimmt dabei eine klare sicherheitspolitische Ausrichtung auf die Möglichkeit auch großangelegter Konflikte und Kriege gegen technologisch und militärisch Gleiche oder annähernd Gleichwertige wie eben Russland und China“. (19) 

In anscheinend völliger Unkenntnis dieses Hintergrunds formulierten die Herren um General Kujat ohne die Kriegsparteien einzubeziehen, detaillierte Eckpunkte des Friedens-Plans:

(a) Die Konfliktparteien

  • betrachten sich künftig nicht als Gegner und verpflichten sich, zu den Prinzipien gleicher und unteilbarer Sicherheit zurückzukehren,
  • verpflichten sich, auf die Androhung und Anwendung von Gewalt zu verzichten,
  • verpflichten sich, keine kriegsvorbereitenden Maßnahmen gegenüber dem Vertragspartner vorzunehmen,
  • verpflichten sich zu Transparenz in ihren militärischen Planungen und Übungen sowie zu größerer Vorhersehbarkeit ihres militärischen und politischen Handelns,
  • akzeptieren die Stationierung einer UN-Friedenstruppe auf ukrainischem Territorium in einer Zone von 50 Kilometern Breite bis zur russischen Grenze einschließlich der Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson in ihren Verwaltungsgrenzen,
  • verpflichten sich, alle Streitfragen ohne Anwendung von Gewalt durch die Vermittlung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen oder, falls dies geboten ist, durch die Garantiestaaten zu lösen. Das Recht der Ukraine auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta ist davon unberührt. (20)

Allein die detaillierte Ausarbeitung samt des Plans einer von Russland nie akzeptierten UN-Friedenstruppe zeigt, dass die Verfasser zwar beste Absichten hatten, aber in völliger Unkenntnis der Situation handelten.

Dieder Plan ist bestenfalls Augenwischerei. Die russische Führung, an westliche Täuschungsmanöver inzwischen gewöhnt, wird darin nichts anderes sehen als einen weitere parfümierten Hundehaufen.

Am 15. Dezember 2021 hatte die Russische Föderation jeweils den USA und der NATO Briefe mit dem Wunsch nach einem langfristigen Sicherheitsabkommen geschrieben.

Als zentrale Verständigungspunkte wurden genannt:

  1. eine weitere Nato-Erweiterung und den Beitritt der Ukraine zum Bündnis ausschließen;
  2. bestätigen, dass sich die Parteien nicht als Gegner betrachten,
  3. die Vereinbarung zur friedlichen Beilegung aller Streitigkeiten festigen und auf die Gewaltanwendung verzichten;
  4. keine zusätzlichen Militärs und Waffen außerhalb der Länder einsetzen, in denen sie sich ab Mai 1997 befanden, außer in Ausnahmefällen mit Zustimmung Russlands und der Nato-Mitglieder;
  5. alle militärischen Aktivitäten der Nato in der Ukraine, Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien unterlassen;
  6. keine Mittel- und Kurzstreckenraketen dort stationieren, wo sie das Territorium der anderen Partei treffen können;
  7. keine Übungen und andere Manöver über eine Brigade hinaus in der vereinbarten Grenzzone durchführen, regelmäßig Informationen über militärische Übungen austauschen;
  8. sich verpflichten, keine Bedingungen zu schaffen, die von der anderen Partei als Bedrohung angesehen werden können;
  9. „Notrufnummer“ für Notfälle bereitstellen. (22)

In den folgenden Gesprächen wurde Russland hingehalten, während der Kongress bereits am 19. Januar 2022 – also mehr als einen Monat vor dem russischen Einmarsch – den Ukraine-Land-Lease-Act (voller Name: Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act von 2022) einbrachte, der dem Präsidenten der Vereinigten Staaten erweiterte Befugnisse gibt, mit der ukrainischen Regierung Abkommen zum Verleih oder zur Vermietung von Verteidigungsgütern abzuschließen (ähnlich wie mit Großbritannien wenige Monate vor Kriegseinstieg der USA 1941). Ziel ist es, die zügige Lieferung von militärischer Ausrüstung an die Ukraine und einige osteuropäische Länder zu erleichtern, um deren Verteidigungsfähigkeit gegen die russische Invasion zu stärken. Die Ausrüstung muss nach Ende der Leihe zurückgegeben oder vergütet werden.(22)

Damit ist für jeden ersichtlich, dass eine Friedensregelung zwischen den USA und Russland Utopie ist. Seit 1945 will eine kleine US-Elite die Zerstörung Russlands, das seinen Einfluss in Osteuropa als Supermacht bewahren will, während die USA auf die Schwächung Russlands abzielen, um sich auf China zu konzentrieren. (23)

Seit dem Putsch in der Ukraine 2014 und den wenige Monate später in Kraft getretenen US-Strategiepapieren, der HRes 578 etc. begannen umfangreiche Kriegsvorbereitungen, wie sie die Welt seit 1945 noch nicht gesehen hat. Mittels dem PESCO-Abkommen von 2017 strebt die EU nach Synergieeffekten auf dem Rüstungssektor und baut die künftigen Kriegstrassen vom Kanal und von der Nordsee an die Ostflanke effektiv aus (einschließlich Brückenverstärkungen). Truppen werden an die Ostflanke verschoben, so eine deutsche Panzerbrigade dauerhaft nach Litauen.

Seit 2017 wurden die Manöver an der Ost-Flanke ständig gesteigert und der Angriff auf Russland mit über 90.000 Soldaten über Monate geübt. Dazu im November 2021 die Reaktivierung des 56. US-Artillerieverbandes. Er hatte schon 1980 die Pershing II. aufgestellt. Dazu eine neues US-Kriegsführungszentrum in Wiesbaden und ein überdimensionales Lazarett mit 4.500 Zimmern. Wer mag diese Zeichen nicht erkennen? Anscheinend sehr viele!

Im April 2025 erschien das GRÜNBUCH ZMZ 4.0, verfasst von Bundestagsabgeordneten und Bundeswehrobersten. Es ist ein Manöverdrehbuch, in dem im Frühjahr 2030 der große Aufmarsch gegen Osten beginnt. An derartigen Manöver-Drehbüchern hat der Verfasser in den 70er Jahren mitgearbeitet. Der Vorlauf war damals recht überschaubar, und es wurden Konflikte konstruiert, die nicht in die aktuelle Situation übertragbar waren, schon gar nicht ein implizierter Angriff auf die Sowjetunion. Die Schamgrenzen von damals scheinen restlos gefallen zu sein.

Anmerkungen und Quellen 

Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann und in seiner Funktion als "Wirkungsberater" (atomar) bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Im sogenannten Ernstfall hätte er damals einen atomaren Sperrzug führen müssen – ein Bundeswehrzug und ein Trupp US-Amerikaner mit den Atomsprengkörpern (Atomic Demolishion Munition ADM). Als Nachweis: Auf dem Befehlspapier für die vorbereiteten Einsatzbefehle den sog. "Ernstfall" hatte Effenberger auf der Rückseite seine geheime Arbeitsplatzbeschreibung abgeschrieben. Der atomare Einsatz war 1973 umfassend geplant. Während seiner Verwendung als Wirkungsberater bereitete Effenberger vor allem nach Vorgabe des scharfen General Defense Plans (Ausschnitt bayerische Grenze zur damaligen Tschechoslowakei) Befehle für den Kriegsfall aus und studierte abends zum Ausgleich an der Hochschule für Politik. Mit der Einsicht in die geplante Vernichtungsorgie entschloss er sich, 1976 aus der Bundeswehr auszuscheiden. An der TU studierte er Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm: „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022).

1) https://www.munzinger.de/register/portrait/biographien/Harald+Kujat/00/23356

2) https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rottweil-harald-kujat-nun-aufsichtsrat-von-heckler-koch-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-190712-99-36349

3) https://meilleur-en-suisse.ch/vom-ranghoechsten-nato-offizier-zum-sowjet-general-der-unerklaerliche-wandel-des-harald-kujat/

4) https://www.deutschlandfunkkultur.de/zehn-jahre-nato-osterweiterung-eine-militaerische-100.html

5) https://www.deutschlandfunkkultur.de/zehn-jahre-nato-osterweiterung-eine-militaerische-100.html

6) https://www.bmlv.gv.at/wissen-forschung/publikationen/beitrag.php?id=250

7) https://www.deutschlandfunkkultur.de/zehn-jahre-nato-osterweiterung-eine-militaerische-100.html

8) https://www.tagesspiegel.de/politik/ex-generalinspekteur-fur-neuen-kampfeinsatz-in-afghanistan-4858450.html

9) https://www.focus.de/politik/deutschland/bundestagswahl/interview-mit-harald-kujat-ex-generalinspekteur-zu-afghanistan-einsatz-ist-politisch-und-nicht-militaerisch-gescheitert_id_15878400.html

10) https://www.spiegel.de/politik/deutschland/kujat-interview-natuerlich-wollen-unsere-verbuendeten-entlastet-werden-a-532573.html

11) https://www.soziopolis.de/die-armee-einer-remilitarisierten-gesellschaft.html

12) https://www.mdr.de/nachrichten/podcast/general/audio-harald-kujat-arestowitsch-saluschnyj-100.html

13) https://de.wikipedia.org/wiki/Harald_Kujat

14) https://www.salonkolumnisten.com/generale-fuer-den-frieden/

15) https://www.soziopolis.de/die-armee-einer-remilitarisierten-gesellschaft.html

16) Professor Dr. Peter Brandt, Professor Dr. Hajo Funk, Professor Dr. h.c. Horst Teltschik

17) https://www.un.org/depts/german/gv-notsondert/a-es11-1.pdf

18) https://www.berliner-zeitung.de/open-source/ukraine-krieg-ein-frieden-durch-verhandlungen-ist-moeglich-li.38628

19) Anfrage bei Perplexity am 10. Oktober 2025

20) https://braunschweig-spiegel.de/schulenburg-funke-kujat-frieden-fuer-die-ukraine/

21) fi-nottuln.dfg-vk.de/wp-content/uploads/sites/27/2021/12/Entwurf-eines-Friedensvertrags-Russland-Westen-17-12-2021.pdf

22) https://worldjpn.net/documents/texts/mt/20220509.T1E.html

23) https://www.mdr.de/nachrichten/podcast/general/audio-kujat-friedensvorschlag-bachmut-100.html

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Schachbrett mit zwei Königen in den Farben der USA und Russlands
Bildquelle: rawf8 / shutterstock


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