Mit Schoko-Panzern gegen Neo-Adolf
Anti-Diplomatie: Im Vorfeld zur heutigen Friedensverhandlung haben Bundeskanzler Merz & Co. erneut das Feindbild Russland beschworen und Putin mit Hitler verglichen.
Ein Kommentar von Paul Clemente.
Am vergangenen Donnerstag verkündete die Pressesprecherin im Weißen Haus, Karoline Leavitt: Donald Trump wolle beim Ukraine-Krieg nicht länger moderieren.
„Der Präsident ist extrem frustriert über beide Seiten dieses Krieges und hat Treffen satt, die nur um des Treffens willen stattfinden. Er will keine weiteren Diskussionen. Er will Taten sehen. Er will, dass dieser Krieg ein Ende hat.“
Auf die Frage, ob Trump einen Vertreter zu den Friedensverhandlungen nach Berlin sende, erwiderte Leavitt:
„Wenn es eine echte Chance gibt, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen, wenn wir das Gefühl haben, dass diese Treffen der Zeit der Vereinigten Staaten an diesem Wochenende würdig sind – dann werden wir einen Vertreter entsenden.“
Inzwischen hat Trump gleich zwei Unterhändler in die deutsche Hauptstadt geschickt: Steve Witkoff und Jared Kushner. Aber sieht der US-Präsident dort wirklich „echte Chancen“ für ein Friedensabkommen? Eher vorstellbar wäre: Dass die beiden eine Eskalation verhindern sollen. Schließlich berauschen sich deutsche Politiker zunehmend am Bellizismus. Eine Kostprobe gab Bundeskanzler Friedrich Merz vor wenigen Tagen. Auf dem CSU-Parteitag in München erklärte Merz:
Der russische Staatspräsident sei ein zweiter Hitler und Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Chamberlain-Aufguss. Nein, originell ist dieser Vergleich nicht. Die Mainstream-Medien bemühen ihn fast täglich, aber: In der gegenwärtigen Situation ist er brandgefährlich. Denn mit einem Hitler kann man nicht Frieden schließen. Bei ihm verbieten sich Kompromisse oder gar Entgegenkommen. Fassen wir die Argumentation der Rede zusammen:
So wie Hitler verfolge Putin den Aufbau eines Imperiums. Wie er das macht? Ganz einfach: Indem er frühere Mitgliedsstaaten der UdSSR militärisch einkassiert. Genau da zieht Merz die Parallele zum Jahr 1938 - dem Jahr, als Hitlers finstere Pläne zur Eroberung Europas sich abzeichneten. So wie inzwischen die Absichten vom bösen Putin. O-Ton Merz:
„Das war eigentlich das Muster, das wir schon 2014 hätten sehen müssen. Und spätestens seit 2022 wissen wir es, dass es ein Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist, gegen Europa ist. Und wenn die Ukraine fällt, dann hört er nicht auf. Und genauso wenig wie 1938 das Sudetenland nicht gereicht hat. Putin hört nicht auf. Und wer heute noch glaubt, dass er damit genug hat, der soll bitte die Strategien, die Papiere, die Reden, die Auftritte von ihm genau analysieren.“
Der feuchte Traum des Kreml-Chefs sei eine
„Wiederherstellung der alten Sowjetunion in den Grenzen der alten Sowjetunion, mit einer massiven Gefährdung, auch militärischen Gefährdung der Länder, die früher einmal zu diesem Imperium dazugehört haben“.
Zum Glück blieb diese Parallelisierung nicht unwidersprochen. Der englische Historiker Jeffrey Sachs stellte gegenüber der Berliner Zeitung klar:
„Dies ist ein eklatanter Missbrauch der Geschichte, insbesondere da Deutschland – Garantiemacht des Minsker Abkommens – dieses nicht eingehalten hat und sein Versprechen von 1990, die NATO nicht zu erweitern, nicht erfüllt hat.“
Außerdem: Wenn klare Beweise für Putins imperiales Projekt existieren, weshalb benennt Merz sie nicht? Wieso zitiert er nicht? Wann haben Präsident Putin oder Außenminister Sergej Lawrow solche Pläne je geäußert? Außerdem hat Merz’ Argumentation einen Haken: Wenn Putin ehemalige UdSSR-Staaten erobern will, dann bestünde für Deutschland keine Gefahr. Schließlich gehörte es nie zur Sowjetunion. Oder? Die geniale Antwort des Bundeskanzlers: Deutschland befinde sich „zwar nicht im Krieg, aber wir leben auch nicht mehr allein im Frieden“. Das stimmt. Schließlich unterstützen wir die Ukraine durch Waffenlieferungen. Damit wurde die Bundesrepublik Kriegsteilnehmer.
So, und jetzt wird es wirklich schräg: Aus der selbstverschuldeten Involvierung leitet Merz weitere Verpflichtungen ab. Nämlich: „der Ukraine weiter Hilfe zukommen zu lassen“ - durch Aufrechterhaltung der NATO und schnelle Aufrüstung. Mit Milliarden an Steuergeldern zur Reanimierung der sanft entschlafenen Bundeswehr.
Natürlich lässt sich solche Propaganda noch toppen. Immerhin gesteht der CDU-Kanzler ein, dass Russland keine unmittelbare Bedrohung darstellt. Dem NATO-Generalsekretär Mark Rutte scheint das zu wenig. Motto: Wenn schon Apokalypse, dann richtig. Folglich lautet seine Prognose:
„Wir sind Russlands nächstes Ziel“.
Bei so viel Mobilmachung gegen den neuen Hitler kann der Bundeskanzler natürlich nicht zulassen, dass USA und Ukraine „über unsere Köpfe hinweg“ verhandeln. Am Ende schließen die doch noch Frieden mit Russland. Laut AFP möchte Präsident Selenskyj den US-Vertretern nämlich einen Vorschlag unterbreiten: Das Einfrieren des ukrainischen Frontverlaufs. Wörtlich:
„Die gerechteste mögliche Option ist, stehenzubleiben, wo wir sind. Es handelt sich um einen Waffenstillstand: Die Parteien bleiben auf ihren Stellungen und versuchen anschließend, alle gemeinsamen Probleme auf diplomatischem Wege zu lösen. Ich weiß, dass Russland dies nicht positiv sieht, und ich würde mir wünschen, dass die Amerikaner uns in dieser Frage unterstützen.“
Sollte dieser Friedenspakt zustande kommen, dürfte die Zustimmung für milliardenschwere Rüstungs-Updates und Wehrpflicht auch hierzulande sinken. Das wäre eine Riesen-Enttäuschung für Waffenfirmen wie Rheinmetall. Die wittern nämlich Morgenluft, senden künftigen Geschäftspartnern Adventskalender in Form eines Panzers. Gefüllt mit Schokolade. Stolz präsentierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Henri Schmidt sein Geschenk auf Instagram. Natürlich ohne Nennung des Absenders. Bei diesem Post wird klar: Krieg ist ein Spiel für Kinder. Aber für Erwachsene ungeeignet.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bild: Tiflis, Georgien - 18. September 2022: ein Plakat auf dem Balkon eines Wohnhauses, das sagt, Putin sei der neue Hitler.
Bildquelle: David Bokuchava / Shutterstock
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