
Aber es wird gefragt, ob Putin zu den Verhandlungen kommt.
Ein Kommentar von Thomas Röper.
Auch am zweiten Tag, nachdem der russische Präsident Putin direkt Gespräche mit der Ukraine in Istanbul angekündigt hat, herrscht Unklarheit darüber, welche Delegationen geschickt werden. Es gibt sogar Gerüchte, Putin und Trump könnten zu den Gesprächen anreisen.
Die spannende Frage dieser Woche ist bisher, ob es am Donnerstag zu direkten Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine kommt, wie sich die Delegationen zusammensetzen, welche Länder eventuell noch am Tisch sitzen werden und ob sogar die Präsidenten Trump, Selensky und Putin sich treffen werden. Alles ist möglich, Spekulationen gibt es viele, dabei ist noch nicht einmal klar, worüber genau gesprochen werden soll.
Hier berichte ich über die Entwicklungen am Dienstag.
Kommt Putin?
Vor allem in westlichen Medien wird suggeriert, Putin hätte seine Teilnahme an den Gesprächen zugesagt, was schlicht nicht wahr ist. In Putins Ansprache war davon keine Rede und auch sonst gibt es keine Aussagen aus Russland, dass Putin zu den Gesprächen reisen wolle.
Für die Gerüchte ist wahrscheinlich Selensky verantwortlich, der direkten Gesprächen am Tag nach Putins Gesprächsangebot auf Druck der USA zugestimmt und dabei gesagt hat, er werde persönlich nach Istanbul fahren und dort auf Putin warten.
Angesichts der schnellen Entwicklungen derzeit kann man natürlich nichts ausschließen, aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Putin zu den Gesprächen anreist, denn normalerweise werden so schwierige Verhandlungen von Regierungsberatern geführt, die sich in grundsätzlichen Fragen einigen. Erst danach kommt es zu Treffen von Staats- und Regierungschefs, um die Verhandlungen zu finalisieren. So ein Prozess beginnt nicht mit einem Treffen von Präsidenten, er endet mit einem solchen Treffen.
Trumps Ultimatum
US-Präsident Donald Trump befürwortet direkte Kontakte zwischen Russland und der Ukraine zur Lösung des Konflikts. Geschehe dies nicht, werde Washington sich aus dem Verhandlungsprozess zurückziehen, erklärte Stephen Witkoff, der Sondergesandte des amerikanischen Präsidenten, bei Breitbart:
„Der Präsident hat beiden Seiten ein Ultimatum gestellt: Wenn diese direkten Gespräche nicht schnell stattfinden, sollten sich die USA seiner Meinung nach von dem Konflikt distanzieren, was auch immer das bedeutet, und sich einfach heraushalten. Wir wollen hier vermitteln. Dies ist nicht unser Krieg. Wir haben ihn nicht begonnen, aber wir wollen helfen, ihn zu beenden. Es geht um einen Waffenstillstand: Alle stellen die Gewalt ein, und wir verbringen etwas Zeit miteinander, um die zugrunde liegenden Probleme zu lösen. Ich denke, das gelingt uns.“
Laut Witkoff bestehe eine gute Chance, den Konflikt zu beenden, wenn die direkten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine erfolgreich sind. Er ist der Ansicht, dass ein Rückzug der USA aus dem Beilegungsprozess „für alle schlecht sein wird: für die Europäer, für die Ukrainer und nicht gut für die Russen“.
Trump hatte zuvor erklärt, dass seine Regierung die Versuche einer friedlichen Lösung der Ukraine-Krise aufgeben werde, wenn eine der Parteien den Verhandlungsprozess verkompliziere. Er deutete außerdem an, dass Washington sich aus den Verhandlungen zurückziehen würde, wenn es sich als unmöglich erweisen sollte, eine Einigung zu erzielen.
Wer reist nach Istanbul?
Wer aus Russland nach Istanbul reist, ist bisher nicht bekannt. Russische Analysten tippen auf Außenminister Lawrow und Putins außenpolitischen Berater Uschakow.
Aus der Ukraine ist bekannt, dass Selensky nach Istanbul reisen und dabei sicher eine Delegation von Beratern und Ministern mitnehmen wird. Wen Selensky zu den Verhandlungen schicken will, ist aber noch nicht bekannt. Offenbar will Selensky die Zusammensetzung der russischen Delegation abwarten, bevor er sein Team bekannt gibt, zumal Selensky immer noch behauptet, er erwarte ein persönliches Treffen mit Putin.
Übrigens scheint Selensky sehr „neben der Spur“ zu sein, wie ein Interview mit ihm nahe legt, das der Spiegel veröffentlicht hat. Selensky hat darin auf keine Frage eindeutig geantwortet. Das Interview war in etwa so informativ wie die Speisekarte einer Currywurst-Bude. Das ist schade, denn ich hätte gerne über das Interview berichtet, aber es gibt schlicht nichts darüber zu berichten.
Auch zu dem von ihm selbst am 4. Oktober 2022 in Kraft gesetzten, faktischen Verbot, Verhandlungen mit Russland zu führen, hat Selensky sich geäußert. Allerdings nicht in dem Spiegel-Interview, weil der Spiegel nach so etwas niemals fragen würde, denn Spiegel-Leser sollen von Selenskys Verhandlungsverbot mit Russland nichts wissen. Dazu erklärte Selensky nun, dass das Verbot ihn selbst ja nicht betreffe:
„Auf Beschluss des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates habe ich das so getan – und die Verfassung besagt das auch –, dass ich derjenige bin, der diese Mission erfüllt, und niemand außer mir kann über die Souveränität der Ukraine verhandeln, niemand außer mir kann mit den Führern Russlands und anderer Länder verhandeln. Das sind meine Rechte und Pflichten. Ich habe mir nichts verboten.“
Aus der US-Regierung wurde gemeldet, dass eine hochrangige US-Delegation zu den Gesprächen nach Istanbul fahren wird. US-Präsident Trump ist derzeit im Nahen Osten und er schickt, wenn die Meldungen so stimmen, US-Außenminister Rubio und den Sondergesandten Witkoff in die Türkei, wo zeitgleich auch ein Treffen der NATO-Verteidigungsminister stattfindet.
Rubio dürfte also wahrscheinlich beim NATO-Außenministertreffen in Antalya sein, während Witkoff zum russisch-ukrainischen Treffen nach Istanbul reisen dürfte. Ob auch der Sondergesandte Kellogg nach Istanbul reisen wird, wurde nicht gemeldet.
US-Präsident Trump selbst hatte schon einen Tag zuvor erklärt, wenn nötig werde er ebenfalls in die Türkei fliegen.
Schickt der Westen Truppen in die Ukraine?
Auch die Frage, ob der Westen – also die Europäer – Truppen in die Ukraine schicken, kam wieder zur Sprache. Das Thema brachte der US-Sondergesandte Kellogg als erster wieder auf die Tagesordnung, als er erklärte, die USA würden mit ihren Verbündeten über einen Plan zur Lösung des Ukraine-Konflikts sprechen, der die Stationierung einer Abschreckungstruppe westlich des Dnjepr vorsieht, die Kontingente aus vier europäischen Ländern umfassen soll. Kellogg sagte dazu in einem Fox-Interview:
„Es geht um Abschreckungskräfte, die sogenannte „Euro-Troika“, heute faktisch das „Euro-Quartett“. Es geht um die Briten, Franzosen, Deutschen und Polen, deren Truppen westlich des Dnjepr außerhalb der Kontaktzone stationiert werden sollen. Im Osten sollen Friedenstruppen unter Einbeziehung einer dritten Partei stationiert werden, die die Einhaltung des Waffenstillstands überwachen.“
Kellogg gilt als pro-ukrainisch, was diese Aussage wieder bestätigt, denn Russland dürfte der Stationierung westlicher Truppen in der Ukraine kaum zustimmen, wie es mehr als einmal sehr deutlich erklärt hat. Da das allgemein bekannt ist, interpretiere ich solche Erklärungen als Versuche, vor den Verhandlungen für Russland inakzeptable Bedingungen zu schaffen und die Gespräche so zum Scheitern zu bringen.
Kellogg sagte weiter, bei den Verhandlungen über die Territorialfrage müsse zunächst der Konflikt entlang der Kontaktlinien eingefroren werden. Danach sei es wichtig, mit den Verhandlungen zu beginnen. Es gehe auch um das Kernkraftwerk Saporoschje, auf das die USA ein Auge geworfen haben und das sie gerne unter ihre Kontrolle bringen würden.
Am Montag hatten die Außenministerien Großbritanniens, Spaniens, Italiens, Polens, Frankreichs, Deutschlands und der EU in London ihr „Engagement für verlässliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine“ betont. Dazu gehöre auch die „Prüfung der Möglichkeit, eine Koalition aus Luft-, Land- und Seeabschreckungskräften zu bilden, die dazu beitragen könnte, Vertrauen in einen künftigen Frieden zu schaffen und den Wiederaufbau der Streitkräfte der Ukraine zu unterstützen.“
Dass die USA sich an diesen Gesprächen beteiligen – freilich, ohne eigene Truppen in die Ukraine schicken zu wollen -, bestätigte der Ständige Vertreter der USA bei der NATO Matthew Whitaker, der sagte, die USA würden mit Europa für den Fall eines Friedensabkommens über mögliche Optionen für die Stationierung westlicher Truppen in der Ukraine sprechen. Auf die Frage, ob Washington bereit sei, Brüssel die Unterstützung zu gewähren, die es Europa ermöglichen würde, Truppen in die Ukraine zu schicken, gab er jedoch keine direkte Antwort.
Dem widersprach Polen umgehend. Der polnische Verteidigungsminister erklärte, es gäbe keinerlei Pläne, polnische Truppen in die Ukraine zu schicken. Aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien habe ich zur Frage der Truppenentsendung in die Ukraine am Dienstag keine Reaktionen gesehen.
Die Tagesordnung ist noch unbekannt
Das türkische Außenministerium antwortete der russischen Nachrichtenagentur TASS auf eine Frage zum aktuellen Stand der Vorbereitungen für das Treffen, die Türkei habe noch kein offizielles Programm für die möglichen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine am 15. Mai in Istanbul. Sollte es ein offizielles Programm oder offizielle Treffen geben, werde man das mitteilen, teilte das Ministerium mit.
Diese Aussage kann man nicht als Möglichkeit verstehen, dass das Treffen möglicherweise nicht stattfindet. Die Formulierung ist „Diplomatensprech“, denn in der Diplomatie wird zwischen offiziellen und beispielsweise informellen Gesprächen unterschieden. Offizielle Treffen stehen in der diplomatischen Hierarchie höher.
Da noch nicht klar ist, wer in den Delegationen sein wird, die sich wahrscheinlich treffen, ist auch der diplomatische Charakter des Treffens noch nicht bekannt.
Und Deutschland?
Die Bundesregierung tat sich am Dienstag wieder mit ihren üblichen Drohungen hervor, über die ich am Montag schon kopfschüttelnd berichtet habe.
Die deutsche Regierung hat ihre Drohungen gegenüber Russland am Dienstag erneuert. Die EU sei bereit, schärfere Sanktionen gegen Moskau zu verhängen, wenn in dieser Woche keine Fortschritte bei der Beendigung des Krieges in der Ukraine erzielt würden, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz vor der Presse. Dass das Handelsblatt am gleichen Tag berichtet hat, die EU wisse gar nicht, was sie noch sanktionieren soll, hat er dabei nicht erwähnt.
Im Handelsblatt konnte man am Dienstag lesen:
„'Wir haben das Limit dessen erreicht, was wir über Sanktionen machen können', sagte der EU-Diplomat. Daher werde das Paket nicht wirklich weiter als das bereits beschlossene 16. Sanktionspaket gehen. Es wird erwartet, dass einige zusätzliche Öltanker in die Liste der sanktionierten Schattenflotte aufgenommen werden.“
Auch Außenminister Wadephul und Verteidigungsminister Pistorius drohten Russland mit weiteren Sanktionen, sollten die Gespräche in Istanbul scheitern. Allerdings präzisierten sie nicht, was genau sie noch sanktionieren wollen.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 13. Mai 2025 auf anti-spiegel.ru.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: leerer Konferenztisch
Bildquelle: sirtravelalot / shutterstock
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