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Facebook markiert Hersh-Recherche über Nord-Stream-Sprengung als „Falschmeldung“ | Von Thomas Röper

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Logische Konsequenz

Facebook hat die Recherche von Seymour Hersh über die Nord-Stream-Sprengung durch die US-Regierung als "Falschmeldung" eingestuft und schränkt die Reichweite von Posts, die diesen Link enthalten, ein. Hier zeige ich die Hintergründe dieser Entscheidung auf.

Ein Standpunkt von Thomas Röper.

Wer den Link zu dem ersten Artikel von Seymour Hersh vom 8. Februar 2023 (hier finden Sie die deutsche Übersetzung) über die Nord-Stream-Sprengung durch die US-Regierung auf Facebook teilen will, bekommt von Facebook diese Warnmeldung gezeigt, zu der dieser Artikel der norwegischen „Faktenchecker“-Plattform faktisk verlinkt ist.

Um zu verstehen, was hinter dieser Warnmeldung von Facebook steckt, müssen wir uns mehrere Themenbereiche anschauen. Zunächst müssen wir verstehen, wie das „Faktenschecken“ bei Facebook funktioniert, dann müssen wir uns kurz an die Kernaussagen der Hersh-Recherche erinnern, dann müssen wir uns faktisk anschauen. Zum Schluss müssen wir noch einen kurzen Blick in die Entstehungsgeschichte von Facebook selbst werfen. Wenn wir all das getan haben, dann wird klar, warum es wenig überraschend ist, dass sich ausgerechnet faktisk zu Wort gemeldet hat und warum der Bericht von faktisk für Facebook ein Grund ist, mit einer Warnmeldung an alle zu reagieren, die den Hersh-Artikel bei Facebook posten wollen.

Also werden wir all das nun der Reihe nach tun.

„Faktenchecker“: Das Wahrheitsministerium bei Facebook

Selbsternannte Faktenchecker sind heute zum neuen Wahrheitsministerium geworden, denn sie legen fest, was (angeblich) wahr ist und was nicht. Die Faktenchecker sind dabei keineswegs unabhängig, wie sie gerne behaupten, sondern lassen sich von Regierungen, Stiftungen und Konzernen bezahlen. Darüber habe ich schon oft berichtet, siehe zum Beispiel hier.

Facebook rühmt sich damit, dass „unabhängige Faktenchecker“ die Inhalte prüfen und dass Facebook damit nichts zu tun hat. Warum das problematisch ist, zeigt ein einfaches Beispiel. Bei Facebook sind zum Beispiel viele westliche Nachrichtenagenturen als „Faktenchecker“ tätig. Sollte jemand eine Behauptung aufstellen, die den Meldungen dieser Nachrichtenagenturen widerspricht, ist es nicht schwer zu erraten, zu welchem Ergebnis ein „Faktencheck“ der Nachrichtenagentur kommen wird. Damit kann von „unabhängig“ schon keine Rede mehr sein, wenn eine Nachrichtenagentur sich bei Facebook als Richter über den Wahrheitsgehalt ihrer eigenen Meldungen betätigen kann.

Aber es gibt ja noch die anderen – angeblich unabhängigen – „Faktenchecker“, wie zum Beispiel faktisk.

In meiner Arbeit habe ich mich sehr viel mit der Macht der westlichen NGOs und Stiftungen beschäftigt. Nachdem ich mich so viel damit beschäftigt habe, kenne ich auch die Finanziers dieser selbsternannten Wahrheitswächter – und es handelt sich dabei um eine recht kleine Gruppe von vielleicht 20 Stiftungen (und natürlich den Internetkonzernen), von denen man bei jedem Faktenchecker eine oder mehrere unter den finanziellen Förderern findet.

Man kann sich das bei jedem von den Medien hochgelobten „Faktenchecker“ der Welt ansehen und wer sich deren Finanziers anschaut, der stellt fest, dass sich dabei eine Gruppe von etwa 20 Stiftungen (und natürlich die Internetkonzerne) herauskristallisiert, die über ihre finanziellen Zuwendungen dafür sorgen, dass die Wahrheitswächter das zur Wahrheit erklären, was die wenigen Superreichen, die hinter den Stiftungen stehen, wollen. Dabei wechseln sie sich jedes Jahr ab und dieses Spiel kann man bei allen internationalen Faktencheckern beobachten, die im Mainstream zitiert werden: Unter ihren Finanziers finden sich, neben „kleinen“ nationalen Organisationen, immer die gleichen etwa 20 großen internationalen Geldgeber.

Um noch seriöser zu wirken, gibt es sogar eine weltweite Dachorganisation der „Faktenchecker“. In den USA hat sich eine Zeitung in Florida schon 1975 einen eigenen „Faktenchecker“ gegründet, das sogenannte Poynter Institute. Heute ist das eine mächtige Organisation im Kreise der selbsternannten Wahrheitswächter und 2015 hat Poynter das Internationale Fact-Checking Network gegründet, das für sich in Anspruch nimmt, internationalen „Faktenchecker“ den Ritterschlag zu geben. Aktuell meldet es auf seiner Seite, dass es über 100 „verifizierte“ Mitglieder hat.

Poynter wird von diversen NGOs und Stiftungen finanziert, die mithilfe der selbsternannten „Faktenchecker“ dafür sorgen, dass die von ihnen unterstützten Projekte ins rechte Licht gerückt werden. Besonders interessant ist die Liste der Partner von Poynter, die den „Faktencheckern“ bei Medienkompetenz helfen sollen. Darunter sind neben Google und Microsoft auch der Facebook-Mutterkonzern Meta und dessen Tochter „WhatsApp“.

Übrigens hat Poynter ganz aktuell verkündet, dass mit über 12 Millionen Dollar von Google (die Internetkonzerne sind beim Wahrheitsministerium immer dabei) der „Global Fact Check Fund“ gegründet wurde, der „etwa 135 Organisationen in 65 Ländern“ finanzieren wird.

Und natürlich darf das National Endowment for Democracy (NED) unter den Finanziers von Poynter nicht fehlen. Das NED ist ein klassisches Beispiel für „NGOs“, die keine sind. Wir müssen uns daran erinnern, dass „NGO“ „Nicht-Regierungsorganisation“ bedeutet. Aber wie kann man von einer Nicht-Regierungsorganisation sprechen, wenn die Organisation von einer Regierung gegründet wurde und von ihr finanziert wird? Das NED ist eine US-amerikanische Stiftung, die 1983 vom US-Kongress in Washington gegründet wurde und sie erhält von diesem für ihre Arbeit eine jährliche Finanzierung aus dem US-Bundeshaushalt. Mehr Details über das NED finden Sie hier.

Die US-Regierung ist der einzige Geldgeber des NED, das NED soll die US-Regierung und ihre politischen Ziele unterstützen. Und diese Organisation finanziert die angeblich „unabhängigen Faktenchecker“ sowohl über die Dachorganisation Poynter als auch direkt. Daher hat auch keiner dieser angeblich „unabhängigen Faktenchecker“ jemals ernsthafte Kritik an der US-Politik geäußert oder sie hinterfragt, sondern Kritik an den Zielen der US-Regierung wird von den „Faktencheckern“ als „Verschwörungstheorie“ oder als „russische (oder auch chinesische) Propaganda“ bezeichnet.

Wir halten fest: Die selbsternannten „Faktenchecker“ werden alle von der gleichen kleinen Gruppe von Geldgebern finanziert, die alle engste Verbindungen zur US-Regierung haben. Außerdem finanziert Facebook selbst die „Faktenchecker“, die bei Facebook (angeblich unabhängig von Facebook) festlegen, was die Wahrheit ist, mit sehr viel Geld.

Die Hersh-Recherche

Die Hersh-Recherche können wir kurz abhandeln, denn den meisten dürfte sie bekannt sein. Seymour Hersh, eine US-amerikanische Journalisten-Legende, hat am 8. Februar 2023 einen Artikel veröffentlicht, in dem er darlegt, dass Joe Biden persönlich die Sprengung der Nord-Streams angeordnet hat. Der Artikel ist sehr detailliert und überzeugend und geht dabei tief in die Details der Geheimoperation, in die demnach nur sehr wenige US-Regierungsmitglieder involviert waren.

Demnach wurden die Sprengsätze unter dem Tarnmantel eines NATO-Manövers an die Pipelines gelegt und später durch über Sonar geschickte Signale zur Explosion gebracht. Beteiligt an der Aktion waren demnach Spezialeinheiten der US-Marine, die CIA und norwegische staatliche Stellen, die aufgrund ihrer guten Kenntnis der Ostsee helfen konnten, und außerdem diente Norwegen offenbar als Basis, von der aus die US-Spezialisten tätig wurden und zur eigentlichen Operation aufgebrochen sind.

Norwegen ist neben den USA, die immer ganz offiziell gegen Gaslieferungen aus Russland nach Europa allgemein und gegen Nord Stream im Besonderen waren, der größte Profiteur der Sprengung der Pipelines. Der Grund ist, dass der norwegische Staat der EU Erdgas verkauft und Norwegen sein Gas seit der Sprengung der Nord-Streams zu einem Vielfachen des früheren Preises verkaufen kann. Norwegen hat an der Sprengung der Pipelines Milliarden verdient.

Dass Hersh von der streng geheimen Operation erfahren und sie veröffentlicht hat, ist sowohl für die US-Regierung als auch für die norwegische Regierung hochgradig peinlich, denn de facto haben sie damit einen kriegerischen Akt gegen ihre (angeblichen) NATO-Verbündeten begangen, die über Nord Stream Gas bezogen haben und deren Konzerne an der Pipeline beteiligt waren.

Die Regierungen Norwegens und der USA haben also ein großes Interesse daran, dass deren Täterschaft, wenn sie schon nicht mehr geheim ist, so doch wenigstens nicht weiterverbreitet oder gar Thema einer öffentlichen Diskussion werden kann.

faktisk

Damit kommen wir zu faktisk, denn auch dort sind die Geldgeber interessant. Laut deren eigenen Angaben hat faktisk 2021 (letzte aktuell verfügbare Zahlen) von sieben norwegischen Mainstream-Medien jeweils eine Millionen Norwegische Kronen erhalten. Hinzu kommen noch kleinere Beträge von anderen Geldgebern, darunter übrigens wieder Facebook mit 228.469 Kronen für „Facebooks Zusammenarbeit bei der Faktenüberprüfung“ – soviel zur angeblichen Unabhängigkeit von Facebook.

Und auch Poynter ist mit dabei, denn deren „Internationales Fact-Checking Network“ (IFCN) hat 2021 immerhin 213.890 Kronen an faktisk überwiesen.

Insgesamt hat faktisk von diversen Geldgebern etwas über acht Millionen Kronen eingesammelt, davon sieben Millionen von norwegischen Medienhäusern, deren Meldungen faktisk angeblich unabhängig auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft.

Der größte Geldgeber der angeblich unabhängigen Faktenchecker von faktisk ist jedoch der norwegische Staat, also die norwegische Regierung, die faktisk in 2021 zusätzlich ganze fünf Millionen Kronen überwiesen hat, womit faktisk auf ein Jahresbudget von etwa 13 Millionen Kronen (ca. 1,1 Millionen Euro) kommt. Wie unabhängig ist faktisk wohl von seinem mit Abstand größten Geldgeber, der norwegischen Regierung, die fast 40 Prozent des Budgets von faktisk beisteuert?

Daher kann es nicht verwundern, dass ausgerechnet faktisk einen „Faktencheck“ veröffentlicht hat, der die norwegische (und die US-amerikanische) Regierung von jeder Beteiligung an der Sprengung der Nord Streams freispricht und die Recherche von Hersh diskreditiert.

Auf den „Faktencheck“ von faktisk einzugehen, erspare ich uns, denn er beruft sich auf öffentlich zugängliche Quellen, wie zum Beispiel öffentliche Daten über Schiffsbewegungen, die jedoch problemlos im Nachhinein manipuliert werden können. Hinzu kommt, dass sogar die New York Times, die die Hersh-Recherche selbst nach Kräften diskreditiert, in einem Artikel mitgeteilt hat, dass die Pipelines weder von kommerziellen noch von staatlichen Beobachtungsstationen genau überwacht wurden und dass es etwa 45 „Geisterschiffe“ gegeben habe, deren Ortungstransponder nicht eingeschaltet waren.

Der „Faktencheck“ von faktisk ist insgesamt ziemlich amateurhaft gemacht und kann nicht als seriös bezeichnet werden. Aber er spricht die Regierungen Norwegens und der USA von jeder Beteiligung an dem Anschlag auf die Pipelines frei, was Facebook den (gewollten) Vorwand liefert, Posts mit einem Link zur Hersh-Recherche als „Falschmeldung“ zu kennzeichnen und vor anderen Facebook-Usern zu verstecken.

Facebook und die CIA

Aber warum sollte Facebook sich so sehr für die Interessen der US-Regierung und namentlich der – laut Hersh – an der Sprengung beteiligten CIA einsetzen? Facebook ist doch, so meinen viele immer noch, ein privater Konzern.

Da hilft ein Blick auf die Entstehungsgeschichte von Facebook, denn Facebook war nur wenige Monate nach seiner Gründung Anfang 2004 pleite und konnte nur dank einer Geldspritze einer eng mit der CIA verbundenen Person gerettet werden, die zuvor von In-Q-Tel, einem der CIA gehörenden Investmentfonds, viel Geld bekommen hat. Facebook wäre ohne diesen Geldsegen im Sommer 2004 sang- und klanglos verschwunden. Die Details über die Ursprünge von Facebook und die engen Verbindungen des Konzerns zur CIA und auch zum Pentagon finden Sie hier.

Fazit

Wir haben also folgende Situation: Hersh hat eine Recherche veröffentlicht, die den Regierungen der USA und Norwegens nicht gefällt und deren Verbreitung sie gerne verhindern möchten.

Facebook, das engste Kontakte zur US-Regierung – namentlich zur CIA – hat, beruft sich daraufhin auf den „Faktencheck“ einer Plattform, die zu 40 Prozent von der norwegischen Regierung (und auch von Facebook selbst) bezahlt wird und die so freundlich ist, in einem – ziemlich stümperhaften – „Faktencheck“ zu erklären, dass die Hersh-Rercherche eine „Falschmeldung“ ist.

Und dieser „Faktencheck“ dient wiederum Facebook als Vorwand, die Hersh-Recherche als „Falschmeldung“ zu kennzeichnen und ihre Reichweite praktisch auf Null zu setzen.

Nun entscheiden Sie selbst, ob der Begriff „es läuft wie geschmiert“ eine passende Beschreibung dieser Geschehnisse ist…

+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 24. April 2023 auf dem Blog anti-spiegel.ru. +++ Bildquelle: Sergei Elagin / shutterstock 


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