Die Verkünstlichung des Menschseins | Von Milosz Matuschek

Gedanken zur Sterilität der Welt.

Ein Kommentar von Milosz Matuschek.

Gibt es etwas Schöneres dieser Tage als ein offenes Feuer im Kamin zu bestaunen, während draußen die Kälte an die Türe klopft? Flammen erklimmen Holzscheite, während es knackt und faucht. Die Glut glänzt pulsierend. Fast scheint sie zu atmen. Das Zentrum der Wohnstube strahlt Leben aus und zieht Leben an. Die ganze Existenz konzentriert sich um einen Quadratmeter Wärme. Das Feuer ist der Mittelpunkt, um den sich die Menschheit seit je gerne schart. Es ist auch der Beginn der Zivilisation, der Kultur, des Menschseins. Am Feuer traf man sich zum Essen, für Rituale, für Erzählungen und Geschichten.

Wenn das Menschsein verdächtig wird

Es passt zu unserer Zeit, dass diese Art des offenen Feuers heute zur Unart etikettiert werden muss, zu einem Anachronismus. Die Stichworte sind bekannt: Verfeuerung fossiler Brennstoffe, Immissionen, eine Energieeffizienz jenseits von Gut und Greta. Das Betreiben von nährenden Quellen für Menschseinserfahrungen im 21. Jahrhundert ist verdächtig. Doch mal ehrlich: ist nicht alles, was Menschsein an sich ausmacht, heute verdächtig bis gefährlich?

Wir leben in einer Zeit der tiefen Transformation menschlicher Erfahrungen. Ja, es findet ein Kampf gegen das Menschsein statt. Geführt wird der Kampf jedoch nicht als Kampf gegen die Menschheit, sondern als Kampf zur Rettung der Natur. Je effektiver der Mensch sich selbst bekämpft, desto besser rettet er den Planeten. Denkt man die angebotenen Weltrettungsphantasien zu Ende, ist die sicherste Rettung der Umwelt die Dezimierung des Menschen. Der Mensch ist dem Menschen kein Wolf, sondern ein Schädling. Greenwashing ist so mächtig, dass man damit sogar eine Bevölkerungsreduktion verkaufen kann.

Die Erfahrung des Menschseins läßt sich jedoch nicht so leicht entziehen. Deshalb wird sie umcodiert. Der Mensch ist heute in eine grellbunte Parallelwelt entführt, in ein spiegelverkehrtes, künstliches Metaversum. In diesem herrscht die Illusion, dass das Gegenteil von allem auch wahr ist und es nichts gibt, was nicht ersetzbar ist. Die Welt der Künstlichkeit ist die Welt der Ersatzstoffe, der Substitute und Simulationen. Das Feuer lodert in dieser Welt nicht mehr im Kamin sondern als Pixelsturm über einen hochauflösenden Bildschirm. Wenn etwas als besonders logisch, rational und effizient angeboten wird, ist es alles, aber sicher nicht echt.

In der Herrschaftswelt der Substitute ist alles da und zwar im Überfluss, weil es ersetzt werden kann. Geld ist durch Papier und Pixel ersetzt. Information durch Haltung. Wissenschaft durch Glauben. Bildung durch Module. Gefühl durch sensorische Unterhaltung. Liebe durch ein Ressourcenaustauschverhältnis. Die Zoom-Weihnachten ist der Muckefuck des Pandemienotstands. Die Erfahrung des Menschseins wird so zu einem Cocktail an Ersatzstoffen, die nicht nähren sondern letztlich auszehren. Dies fällt jedoch kaum mehr auf, da man in der künstlichen Welt selbst den Hunger nach dem Echten dadurch besiegen kann, dass man ihn als Illusion erscheinen lassen kann. Es gilt ja heute schon als anstößig, auf die Fähigkeiten eines natürlichen Immunsystems zu verweisen.

Die Umgestaltung des Menschseins begann mit der Umformatierung der Sprache und mit der Entziehung der Kultur. Sie endet mit der Neubespielung dessen, was man Bewusstsein nennt. Wer in der künstlichen Welt durchkommen will, muss ein upgedatetes Bewusstsein haben, die neueste Version des Betriebssystems Mensch installiert haben. Er muss nach den Regeln des Paralleluniversums funktionieren, um vermeintlich Anschluss an das zu haben, was in Zukunft Menschsein bedeutet. Doch will man das?

Wie verkünstlicht kann das Leben sein?

Die Menschheit steht am Scheideweg: Wieviel ist echtes Menschsein wert und welchen Preis sind wir bereit, dafür zu zahlen? Welche Erfahrungen sind unersetzlich? Wie verkünstlicht kann das Leben maximal sein, bevor es aufhört, Leben zu sein? An Weihnachten feiern wir genau diese subversive Hoffnung, dass das Leben und Licht nach den längsten Tagen der Dunkelheit wieder kommt; dass die lebensspendende Sonne («sol invictus») letztlich unbesiegbar ist.

Es ist die gleiche Hoffnung, mit der ich jetzt in die erlöschende Glut puste, auf dass das Feuer im Kamin wieder aufglimmt, um darauf Maronen zu braten. Hier, in einem historischen Rustico im Tessin.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Text erschien zuerst am 26.12.2021 im Satiremagazin Nebelspalter.

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Bildquelle: Stas Tolstnev / shutterstock 

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Kommentare (9)

9 Kommentare zu: “Die Verkünstlichung des Menschseins | Von Milosz Matuschek

  1. Hartensteiner sagt:

    Immerhin hat man es bereits mit dem Handy geschafft, dass sehr viele Menschen reales Leben und reale Begegnungen ins Virtuelle verlegt haben. Mittels Corona hat man dann den nächsten Schritt gemacht und unzählige Dinge – nicht zuletzt im Bildungsbereich – ebenfalls ins Virtuelle von Onlinekonferenzen etc. verlegt.
    Es fehlt aber noch ein Schritt und man fragt sich, wann geeignetes Gerät auf den Markt kommt:
    Die Möglichkeit, sich vollständig in eine virtuelle Welt zu begeben – die man selbst nach Bedarf einrichten kann – um dort sein Leben zu verbringen.
    Computerspiele sind da die Vorreiter, aber es fehlt noch an der Möglichkeit, sich mental derart in die Virtualität zu begeben, dass man gar nicht mehr wahrnimmt, sich nicht mehr im „analogen“, realen Leben zu befinden.
    5G ist eingerichtet und kann die nötigen Datenströme bewegen. Fehlt noch die entsprechende „Kappe“ oder ein „Gehirnchip“, die den völligen Übergang ins Virtuelle ermöglichen.
    Doch keine Sorge – daran wird gearbeitet und zwar schon seit vielen Jahren.
    Das also wird der „Lebensraum“ des zukünftigen Menschen sein und der wird zweifellos von den Massen begrüßt werden, denn eine bessere Droge gibt es bislang nicht.
    Spannend wird dabei, zu beobachten, wie sich der Gesundheitszustand des nur noch sitzenden Menschen entwickelt. Doch dafür hat die Pharmaindustrie bereits ganz viele Produkte in petto, mit denen sich der Mensch helfen kann.

    • Nevyn sagt:

      Richtig, man baut dem Menschen ein virtuelles Gefängnis. Vielleicht wird ihm dann klar, dass er schon in einem solchen wohnt. Was man baut, ist nämlich ein Gefängnis im Gefängnis.

  2. wasserader sagt:

    Der Neue Mensch war immer eine Konstruktion
    psychopathischer Machtmenschen .
    Diese Versuche enden immer – alternativlos – in Verkrüppelung, Lebensverachtung und Tod .
    Das Programm des Great Reset ist ein Programm der Lebensverachtung, der Menschenverachtung und des Todes – eines Todes der aus der maximal realitätsverneinenden Position der Überwindung der Natur und der Überwindung des Todes über die Menschheit kommt .

    • Hartensteiner sagt:

      Wasserader – "Verkrüppelung, Lebensverachtung und Tod" klingt ganz nach dem Programm, für das sich die Mehrheit der Menschen gerade begeistert.
      Wie das psychologisch zu erklären hat, hat die französische Psychoanalytikerin Colette Soler sehr gut dargestellt:
      https://www.youtube.com/watch?v=GUoZzKX__Yk
      Französisch gesprochen, deutsch und englisch zum mitlesen.

    • wasserader sagt:

      Die Coronasekte als Identifikation und letzter Halt
      unter einer kulturrelativistischen und damit kulturvernichtenden Politik .

  3. Nevyn sagt:

    Betrachtet man das Treiben der letzten paar tausend Jahre auf diesem Planeten von der Position des unbeteiligten Zuschauers aus, kann man über die Wesen, die sich Menschen nennen, nur den Kopf schütteln.
    Den größten Teil ihres Erfindungsreichtums und der Ressourcen dieses Planeten benutzten sie dazu, sich gegenseitig zu berauben, zu versklaven und umzubringen. Sie entwickelten zur Rechtfertigung dieser kranken Verhaltensweise riesige ideologische Gebäude und nutzten jeglichen technischen Fortschritt, um damit noch tiefer im Blut zu waten.
    Wird uns einer vermissen, wenn wir nicht mehr da sind? Die Tiere? Die Pflanzen? Der Planet?
    Das ist das Besondere am Menschen; er ist zu den niederträchtigsten aber auch zu den edelsten Gedanken und Handlungen fähig. Zwei Seelen wohnen, wie Goethe schrieb, in seiner Brust. Die eine droht im Schlamm der Materie zu versinken, die andere strebt himmelwärts. Nur wissen viele von letzterer gar nichts. Der Mensch im allgemeinen ist sich seiner wahren Herkunft und seines Adels nicht bewusst und er wird so regelmäßig für ein Linsengericht um sein angestammtes Erbe betrogen.
    Eines der Werke, die darüber aufklären, ist die Pistis Sophia. Dort spricht Jesus stellvertretend vor seinen Jüngern und Jüngerinnen ( ja, es waren auch Frauen dabei) für alle, die ihm nachfolgen wollen: "Ich bin ein Mensch in dieser Welt, doch ich bin kein Mensch von dieser Welt."

    • Ist nicht die die Pistis Sophia, die Lehre des "Jesus Christus", und alle anderen von Menschen geschaffenen "Werke", auch von der derselben Art, von der Sie an Anfang ihres Kommentars schreiben? Die Position eines unvoreingenommenen Beobachters einzunehmen, schließt auch das Erkennen der EIGENEN Glaubensschranken ein. Im Übrigen ist es doch eher so, dass Menschen generell diese Position nicht einnehmen können – die persönliche Perspektive fließt doch immer mit ein, oder? Gilt für Christen, Moslems, Asiaten, Westler, Spanier und selbst für Berliner ,-)

  4. helli-belli sagt:

    suum cuique.

    Wer möchte, der kann ja raus in die Natur.
    Zum Glück möchten das aber nicht all zu viele – die reden sich lieber ein, dass die "Impfung" sicher & gut sei und erfreuen sich daran in einem Cafe zu sitzen – und reden sich auch letzteres ein, denn schliesslich finden die anderen dass ja auch alle erfreulich…

    Ist doch alles gut …

    • Ähnlich sehe ich das auch – die Millionen, die gepimpft und mit Maske in den Shopping Centern rum "kriechen", oder im Restaurant/Cafe ganz erfreut (und ungefragt) ihren Impfstatus präsentieren… mich stört das immer weniger. Ich mache halt etwas anderes, individuelleres, natürlicheres…die Welt ist groß. Und die meisten Schranken existieren nur im Kopf

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