Ein Kommentar von Paul Clemente.
Was soll das werden: Zwei Vertreter der Upper Class, in fast allen Punkten einig, treffen sich zum ersten Gespräch im Internet. Okay, beide gelten als Ikonen des Widerstands. Trotzdem: Ist da nicht eine Orgie gegenseitiger Bestätigung vorprogrammiert? Ja, doch. Und diese Befürchtung wurde Realität, als Elon Musk und Alice Weidel gestern im X-Space debattierten.
Schon Sahra Wagenknecht hatte gewarnt, dass Weidels AfD an sozial Schwachen kaum Interesse habe, dass sie verschärften FDP-Kurs fährt. Und ein Kurzcheck von Weidels Lieblingsautoren belegt: Die meint das ernst! Aber so richtig. Zu ihren Starautoren zählen nämlich der libertäre Friedrich August von Hayek und Ayn Rand. Auch Elon Musk ist ein Januskopf: Einerseits kämpft er für Meinungsfreiheit, andererseits hält er den Planet Erde langfristig für unbewohnbar, plant die Migration zum Mars. Vorab müsse man den Menschen natürlich optimieren. Mit seinem Hirnchip beispielsweise. Kurzum, ein Transhumanist in Reinform. Und bei die Chip-Entwicklung wurde manchem Labor-Affen das Leben vermiest. Lohnt sich also ein Dialog zwischen zwei Hardcore-Kapitalisten? Kann er mehr sein als verbales Kuscheln über Zielsetzungen, die ohnehin nur einer Elite und vielleicht noch dem gehobenen Mittelstand zugute kommt?
Ja. Denn laut Ankündigung dreht sich das Gespräch um Meinungsfreiheit. Das ist ein fronten- und klasssenübergreifendes Thema. Eins, das linke wie rechte Opposition gleichermaßen betrifft. Und dazu haben Weidel und Musk reichlich Erfahrung gesammelt. Vor allem natürlich Musk. Seit der Twitter-Übernahme mutierte der südafrikanische Multimilliardär in der Mainstream-Politik zum Online-Hitler. Grund: Musk kämpft gegen Zensur. Das sorgt regelmäßig für Aufheulen in Brüssel. Jetzt unterstellt man ihm sogar illegale Spenden an die AfD. Folglich provozierte die Ankündigung dieses Gespräches schon seit Tagen für lautes Gegacker im medialen Hühnerstall. Trotzdem wurden alle Befürchtungen wahr: Über eine Stunde erklärte Weidel dem neugierigen Musk ihren Standpunkt und erhielt prompt Bestätigung. Nicht einmal widersprach er ihr. Oder umgekehrt.
Zu Beginn referiert Weidel das hiesige Energiedesaster: Das treibe die Versorgungskosten in die Höhe, gefährde den Industriestandort Deutschland. Während des Ukrainekrieges wurde unsere Gasversorgung einfach abgewürgt. Und was macht die Ampel in diesem Moment? Sie stellt zusätzlich die Atomkraft ab, lässt Kernkraftwerke runterfahren. Weidels Fazit: Wer so etwas tut, sei entweder dumm oder hasst sein Land.
Elon Musk bestätigte diesen Eindruck, wagte jedoch einen Mini-Einwand: Man solle niemals Böswilligkeit unterstellen, solange Dummheit als mögliche Ursache nicht ausgeschlossen ist. Er halte die Abschaltung einer eine CO2-freie Energiequelle eher für eine rabenschwarze Dummheit. Bei dieser Gelegenheit verrät Weidel, wie sie im Falle ihres Wahlsiegs die Wirtschaft sanieren wolle. Als konservative Liberale plane sie eine Reduktion der Bürokratie. Musk bestätigte sie auch darin, kotzte ab über die gigantischen Regulierungsberge, die er zur Gründung der Brandenburger Tesla-Werke beklettern musste. Da sei noch viel Regel-Müll zu entsorgen.
Beim Thema Steuer holt Weidel zum Rundumschlag aus: Deutschland habe die höchste Steuerquote. Jeder arbeitende Bürger schuftet in Deutschland ein halbes Jahr für seine dysfunktionalen Regierung. Dysfunktional, weil sie weder Sicherheit noch brauchbare Bildung anbiete. Stattdessen habe sie ein wokes Bildungssystem mit Gender-Studies etabliert. Aktuelle Pisa-Studien zeigten, wie tief wir gefallen seien. - Kleine Fußnote: Natürlich verwundert es nicht, dass Weidel sich auf die Pisa-Studie stützt. Schließlich besteht deren Bildungsideal in der radialen Anpassung an die Interessen des Marktes. - Ende der Fußnote.
Zurück zu Weidel: Die bemängelte, dass der Staat trotz Rekordeinnahmen bei der Einkommenssteuer, das Geld einfach aus dem Fenster werfe. Da beträfe vor allem die Sozial- und Migrationspolitik. Sieben Millionen Migranten seien seit 2015 eingewandert. So die offizielle Zahl. Und was tut der Staat? Der erlaubt den Menschen, vor dem Gang über die Grenze ihre Pässe zu entsorgen. Damit wäre eine spätere Abschiebung nicht mehr möglich.
Elon Musk schilderte eine ähnliche Situation in Amerika: An der US-mexikanischen Grenze stapelten sich auf mexikanischer Seite die weggeworfenen Pässe und Führerscheine. Die Einreisenden erhielten Unterstützung. Aber keiner weiß, wer sie sind. Vielleicht Kriminelle? Oder Vergewaltiger? Ohnehin besäßen Kriminelle längst die Macht: In Kalifornien werde Diebstahl fast nicht mehr verfolgt. Er sei legal geworden. Wenn jemand einen Laden plündert und der Verkäufer ihm den Weg versperrt, werde letzterer verurteilt – nicht der Dieb. Zitat Musk: „Das ist die Logik des Jokers“, nihilistischen Clown aus den Batman-Comics.
Bei der Gelegenheit wiederholt Musk seinen skandaliserten Slogan: Um den Absturz Deutschlands zu stoppen, müssten die Blauen an die Macht: „Nur die AfD kann Deutschland retten. Aus.“ Wobei Musks Rettungsauftrag auch die Meinungsfreiheit einschließt. Wer sie angreift, gefährde auch die Demokratie. Ohne freie Info keine Wahlmöglichkeit. Musk wörtlich:
„Wer die Redefreiheit stoppen möchte, gehört zu den Bösen.“
Die Zensoren, so rät Musk, sollten vorsichtig sein. Denn ihr Regelwerk könne künftig auch sie selber treffen: Sobald der politische Zeitgeist sich gewendet hat. Weidel fügt hinzu, dass die Unterdrückung von freier Rede einer von Hitlers Amtshandlungen war. Mit einer freien Presse hätte er sein finsteres Vorhaben nie durchziehen können.
A propos Adolf: Eine Gelegenheit zum Rundumschlag gab Musk der Parteivorsitzenden Weidel, als er sie nach dem Wahrheitsgehalt der ständigen Mainstream-Vergleich zwischen AfD und NSDAP fragt. Zitat Weidel: „Danke für diese Frage.“ Als Wirtschaftswissenschaftlerin sei sie zu dem Resultat gelangt: Die Nazis, das sage schon der Name, seien Sozialisten gewesen. Also links. Schließlich hätten sie Unternehmen nationalisiert und hohe Steuern verlangt. Hitler war ein Linker und die AfD sei das Gegenteil:
„Wir möchten die Bürger vom Staat befreien. Ich will einen Staat, der in seinen Funktionen minimiert wird.“
Sie wolle starke und selbständige Menschen, die Meinungsfreiheit und ein Recht auf Reichtum haben. Sie, Alice Weidel, wolle nicht von mittelmäßigen Ja-Sagern umgeben sein, sondern von den besten, deren Kritik sie weiter brächte. Auch hier bestätigte Mausk:
„Wir wollen ständig kritisches Feedback.“
Dann stellte der südafrikanische Milliardär eine Frage, die ebenfalls gigantisches Spaltungspotenzial besitzt: „Was sind Ihre Ansichten zu Israel.“ Weidel erklärte, die Situation sei sehr kompliziert. Nein, sie wisse nicht, wie man diesen Konflikt lösen kann. Aber Musk lässt nicht locker: „Anders gefragt: Unterstützen sie eindeutig die Existenz des Staates Israels?“ Damit war Weidel auf sicherem Terrain: „ Ja natürlich. Wir müssen die Existenz Israels schützen.“ Zwar habe Staatschef Benjamin Netanjahu einige Fehler gemacht, aber wir
„müssen die jüdischen Menschen vor muslimischen Straftaten schützen.“
Bei Palästinenser-Demos könnten Juden nicht mehr durch Berlins Straßen gehen. Die AfD wäre die einzige Partei in Deutschland, die jüdischen Menschen schützen kann. Die Altparteien dagegen haben potenzielle Gefährder hereingelassen. Mainstream-Medien behaupteten oft das Gegenteil, aber das stimme nicht. Auch in dem Punkt pflichtete Musk ihr bei: Er unterstütze den Staat Israel. Für eine dauerhafte Befriedung des Konflikts müsse man jedoch Wohlstand in den palästinensischen Gebieten zulassen. Der sei neben Bildung eine der Grundbedingung von Frieden. Genau diesen Punkt habe man vor über 100 Jahren, bei der Aufsetzung des Versailler Vertrages nicht berücksichtigt. Das Resultat: Ein weiterer Krieg.
Zum Abschluss fragt Weidel nach dem Fundament von Musks Weltbild: „Glauben Sie an Gott?“ Sie selber sei Agnostikerin, käme zu keiner eindeutigen Antwort. Musk beteuert, er sei überwiegend im Diesseits unterwegs, aber für metaphysische Konzepte offen. Er halte es für unwahrscheinlich, dass bei allem Schrecken auf dieser Welt, irgendwo eine versteckte Gottheit moralische Urteile über uns fälle. Im Alter von 12-13 Jahren habe er nach Antworten in philosophischen Werken gesucht. Inzwischen hege er eine Philosophie der Neugier.
Mit anderen Worten: Auch auf metaphysisch-religiöser Ebene herrscht traute Einigkeit zwischen Weidel und Musk. Als PR-Coup war das Gespräch sicher eine Win-Win-Situation. Aber bestimmt hätte mancher Zuhörer danach gerne den Joker zum neuen Regierungschef gewählt...
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: photocosmos1 / shutterstock
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