
„Wer die Daten hat, hat die Macht!“ Oligarchen krallen sich unsere empfindlichen privaten Daten. Sie streben nach der unumschränkten Verfügungsgewalt.
Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
Disruption ist das Motto der Stunde. Alles wird umgekrempelt. Kein Stein bleibt mehr auf dem anderen. Donald Trump macht es gerade vor. Sein Zollkrieg wird von manchen Zeitgenossen als eine Art handgreifliche aber heilsame Pädagogik gedeutet. Die anderen Nationen sollen sich nicht mehr auf den Globalhandel festlegen, sondern sich auf ihre eigene Ökonomie besinnen. Eine sehr schwarze Pädagogik wäre das. Sosehr wir auch die globalisierte Weltwirtschaftsordnung verabscheuen mögen, so ist doch der Kollateralschaden solcher Umwälzungen gigantisch. Trump ließ ausrechnen, wie viel Zölle jedes einzelne Land auf diesem Globus den USA zu entrichten habe. Da ist zum Beispiel das bitterarme gebeutelte Kambodscha in Südostasien. Kambodscha soll sage und schreibe 49 Prozent Zoll an der US-Grenze für seine Exporte entrichten <1>. Das hieße in der Praxis, dass die Textil erzeugenden Sweatshops des südostasiatischen Landes mit hoher Wahrscheinlichkeit von heute auf gestern schließen müssten. Statt erbärmlicher Niedriglöhne gäbe es für die Arbeiterinnen nur noch den nackten Hunger.
Disruption ist ein Kultbegriff aller Freunde des entfesselten Marktes. Disruption heißt: erstmal alles zerstören, was ist. Dann mit eiserner Faust etwas Neues errichten. Früher gab es dafür den Begriff „Schöpferische Zerstörung“. Schöpferische oder Kreative Zerstörung hatte der österreichische Soziologe Joseph Schumpeter geprägt. Doch jetzt finden wir den neuen Begriff „Disruption“ sogar bei der FDP <2>. Kalkulierte Katastrophen gab es schon bei 9/11 oder bei der Corona-Kampagne. Solche von oben verordneten Katastrophen bringen zunächst einmal immer eine enorme Verschiebung des Reichtums von unten nach oben. Und so sind auch jetzt schon die Superreichen und ihre Konzerne und Kartelle nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA dramatisch reicher geworden. Auf Kosten der Normalbevölkerung. Alleine bei den jetzt gerade absichtsvoll und ohne Notwendigkeit angefeuerten Kursstürzen an den Börsen haben die Kleinanleger unvorstellbare Summen verloren, während die sogenannten „Wale“ sich die Taschen voll gemacht haben.
Aber es geht bei dieser aktuellen von oben verordneten Katastrophe auch um eine politische Agenda. Es geht ganz konkret darum, dass die neuen Superreichen die totale Kontrolle über den Rest der Menschheit erobern wollen. Und mag der Tiefe Staat auch noch so ekelhaft sein, so gründet er zumindest vom Anspruch her immer noch auf der Zustimmung einer demokratisch ermittelten Mehrheit. Doch das soll sich nun ändern. Denn es gibt eine Handvoll Leute, die besitzen bereits ein fundiertes und detailliertes Herrschaftswissen über uns. Diese Oligarchen kommen fast alle aus dem Stall des Bezahldienstes PayPal. Weshalb man diese Herrschaften auch scherzhaft als „PayPal-Mafia“ tituliert hat <3>. Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, verfügt jetzt gerade über ein Privatvermögen von 342 Milliarden US-Dollar <4>. Als enger Berater von Donald Trump sorgt er mit seinem inoffiziellen Ministerium für Regierungseffizienz DOGE für eine radikale „Säuberung“ der Ministerien und Behörden. Keine Frage: es gibt hier ganz sicher viel Spielraum, um Steuergelder einzusparen. Unter der Biden-Regierung gab es nicht nur Arbeitsbeschaffungsprogramme, die die Arbeitslosenstatistik aufhübschen sollten. Es gab auch jede Menge Ämterpatronage für politische Weggefährten.
Doch wird mittlerweile erschreckend deutlich, dass demokratisch legitimierte Instanzen und Beamte hinweggefegt werden, um den Tiefen Staat durch eine noch weniger legitimierte Privatmacht zu ersetzen. Da gibt es zum Beispiel das US-amerikanische Finanzamt, das den Namen Internal Revenue Service (IRS) trägt. Bis jetzt galt beim Internal Revenue Service der Grundsatz: empfindliche Daten über US-Bürger werden streng vertraulich behandelt. Aus diesem Grund bekommt jeder Steuerbeamte immer nur die Daten geliefert, die er für seine spezielle Fragestellung unbedingt benötigt (Das sogenannte „need to know“-Prinzip) <5>. Alle anderen Personendaten bleiben ihm verborgen. Gerade waren Beamte dabei, dieses System zu modernisieren. Doch jetzt haben die Jungs von Musks DOGE-Stoßtruppe die leitenden Beamten der US-Steuerbehörde gefeuert. Eine private Firma soll fortan die bislang streng getrennten Daten des Finanzamtes bedenkenlos in einer Wolke zusammenführen.
Die Folgen für die US-Bürger wären fatal. Bedenken wurden geäußert, dass schlaue Hacker die bislang streng gehüteten Geheimnisse knacken könnten. Doch viel schwerer wiegt die Gewissheit, dass anstelle einer legitimierten Behörde jetzt eine private Firma über die Daten der Bürger verfügen kann.
Die Online-Fachzeitschrift Wired berichtet über diesen Demokratie-Skandal <6>. Und damit kommen wir wieder auf den Begriff „PayPal-Mafia“. Denn die Firma, die jetzt die sensiblen Daten der amerikanischen Steuerzahler sozusagen treuhänderisch verwalten soll, heißt Palantir. Palantir ist eine Firma, die auf die Bespitzelung geheimer Daten von Privatpersonen spezialisiert ist. Und der Inhaber dieser fragwürdigen Spionagefirma ist kein Geringerer als Peter Thiel, über den ich bereits im letzten August ausführlich berichtet hatte <7>. Vor kurzem berichtete Roberto de Lapuente an dieser Stelle, dass die bayrische Polizei bereits seit dem Jahr 2022 Bundesbürger mithilfe von KI flächendeckend ausspioniert. Das Ding heißt VeRa, und das steht für: „Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform“. Lapuente beschreibt VeRa wie folgt:
„Die Grundidee ist, Datenintegration anzubieten. Das Programm führt Polizeiberichte, Telefon- und Kommunikationsdaten, Überwachungsdaten, Ermittlungsdatenbanken und frei im Internet verfügbare Daten zu Einzelpersonen zusammen und schafft so ein Raster. Gesundheitsdaten will man jetzt auch noch in die Datenbank integriert wissen.“ <8>
VeRa aus dem Hause Palantir wurde ohne jede Ausschreibung auch von der Polizei Hessen eingekauft. Hier ergeben sich bereits einige Möglichkeiten für die Privatfirma Palantir, diskrete behördliche Daten abzusaugen durch entsprechende Schnittstellen. Und nun können die Bundesbehörden der USA ebenfalls durch den Privatkonzern Palantir datentechnisch abgesaugt werden. Das ist möglich durch die Anwendungsbezogene Programmierungsschnittstelle API. Wired macht die verhängnisvollen Potenziale dieser Schnittstelle deutlich:
„Eine ‚Mega-API‘ könnte es Personen mit Zugriff ermöglichen, sämtliche IRS-Daten in beliebige Systeme zu exportieren, auch in private Unternehmen. Hätte diese Person zudem Zugriff auf andere interoperable Datensätze anderer Behörden, könnte sie diese für eigene Zwecke mit den IRS-Daten abgleichen.“ <9>
Die Büchse der Pandora ist hiermit geöffnet. Deshalb gehörte es zu einer der ersten Amtshandlungen des neu gewählten US-Präsidenten Trump, den gesetzlichen Weg für eine Zulassung von Palantir als autorisierten Dienstleister für US-Behörden frei zu machen. Müssen wir noch extra erwähnen, dass Palantir-Gründer Peter Thiel neben Elon Musk einer der größten Wahlkampfspender von Donald Trump gewesen ist? Musk und Thiel verbindet zudem dass sie zusammen mit dem jetzigen Präsidentenberater für Künstliche Intelligenz und Kryptowährung, David Sacks, den Bezahldienst PayPal gegründet haben. Mit ihren zahlreichen Firmengründungen seitdem haben sie extrem viele Daten nicht nur über US-Bürger, sondern auch über uns alle, zusammengetragen. Die drei und ihre Helfer wissen längst weit mehr über uns, als was jeder noch so Tiefe Staat jemals im Stande war über uns zusammenzutragen.
Und ob Peter Thiel und seine Kumpels so sonderlich gewissenhaft mit unseren Daten und unseren Bürgerrechten umgehen werden, das darf nach Lage der Dinge bezweifelt werden. So bekannte Thiel ganz offen:
„Vor allen Dingen glaube ich nicht mehr länger, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind.“ <11>
Peter Thiel ist zudem ein Feind des freien Wettbewerbs. Denn der freie Wettbewerb, eigentlich ja ein Hauptargument aller Wirtschaftsliberalen gegen jegliche Formen des „Sozialismus“ „ist eine Ideologie, die unsere Gesellschaft pervertiert und unser Denken zerstört.“ Soweit Peter Thiel in seinen eigenen Worten.
Und damit sind wir wieder beim Zauberwort der „Disruption“, dem Lieblingswort von FDP-Chef Christian Lindner, den die Wähler geradewegs ins politische Nirwana befördert haben. Denn auch Peter Thiels Chef von der Schnüffel- und Spitzelfirma Palantir, Alex Karp, frohlockte im Februar angesichts der fortschreitenden Entmachtung des Volkes als Oberstem Souverän mit folgenden Worten:
„Wir lieben Disruption, und was gut für Amerika ist, ist auch gut für die Amerikaner und sehr gut für Palantir. Disruption deckt letztlich Dinge auf, die nicht funktionieren. Es wird Höhen und Tiefen geben. Das ist eine Revolution, und manche Leute werden den Kopf abgeschlagen bekommen.“ <11>
Noch immer jubeln Trumps Anhänger über ihre eigene Enthauptung. Doch immer mehr Leute wachen auf und begreifen den Ernst der Lage. So kommentiert ein Leser des Online-Magazins Heise den Putsch im US-Finanzamt wie folgt:
„Ich stelle mir zumindest vor, Trump wurde von der Fraktion gewählt, die der Meinung ist, der Staat sollte sich aus ihren Angelegenheiten raushalten. Für die dürfte das ein Fest sein. Statt für den Deep State sind sie jetzt das Opfer für Deep Money.“ <12>
Das sehe ich genauso. Die Leute, die sich jetzt noch über Elon Musks hemdsärmelige Maßnahmen gegen den Tiefen Staat freuen, werden spätestens bei der nächsten Steuererklärung böse erwachen. Denn erstens soll die Möglichkeit, seine Steuererklärung kostenfrei über ein Online-System wie bei uns ELSTER zu erstellen, entfallen. Stattdessen müssen die Leute dann ihre Steuererklärung kostspielig über private Firmen beim Finanzamt abliefern. Zweitens werden sie irgendwann feststellen müssen, dass alle möglichen privaten Firmen und die privaten Geheimdienste Krankenakten, Bankdaten oder Aktivitäten in sozialen Netzen perfekt zusammenfügen und die Bürger damit konfrontieren und piesacken.
Der Tiefe Staat ist tot. Es lebe der Tiefe Konzern-Moloch!
Quellen und Anmerkungen
<1> https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/trump-zoelle-wirtschaft-102.html
<2> https://www.fdp.de/deutschland-braucht-disruption
<3> https://fortune.com/article/paypal-mafia/
<6> https://www.wired.com/story/doge-hackathon-irs-data-palantir/
<7> https://apolut.net/kennen-sie-peter-thiel-von-hermann-ploppa/
<8> https://apolut.net/ki-ermittler-mit-hausbesuchen-von-roberto-de-lapuente/
<9> siehe Quelle <6>: „A ‚mega API‘ could potentially allow someone with access to export all IRS data to the systems of their choosing, including private entities. If that person also had access to other interoperable datasets at separate government agencies, they could compare them against IRS data for their own purposes.“
<10> Quelle <7>.
<11> Quelle <6>: “We love disruption and whatever is good for America will be good for Americans and very good for Palantir,” Palantir CEO Alex Karp said in a February earnings call. “Disruption at the end of the day exposes things that aren't working. There will be ups and downs. This is a revolution, some people are going to get their heads cut off.”
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: MaksLogvinov / shutterstock
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