
Während frühere Generationen sich noch eine ordentliche Existenz aufbauen konnten, werden jene Menschen, die jetzt in das Erwerbsleben eintreten, vermutlich niemals auf einen grünen Zweig gelangen.
Ein Standpunkt von Hermann Ploppa.
Wer als junger Mensch jetzt in das Erwerbsleben einsteigt, hat, auf gut neudeutsch gesagt, schon jetzt „geloost“. Diese Generation Z hat absolut keine Chance, ohne fette Erbschaft ein eigenes Vermögen zu bilden. Ihre Aufstiegschancen sind lausig.
Die Generation Z, auch Generation Zoomer genannt, ist zwischen 1997 und 2009 geboren. Diese Generationsbezeichnungen sind natürlich immer nur höchst unbeholfene begriffliche Annäherungen an vielschichtige Zusammenhänge. Die Zoomer haben rund um den berühmten Elften September angefangen zu denken. Sie sind also von vornherein einen raueren und eher autoritären Umgangston gewöhnt.
Und natürlich haben sich allerlei selbsternannte kluge Köpfe schon ihr recht eigenes Bild von den Zoomern angefertigt. Vor wenigen Jahren pflegten die Mainstream-Medien das Bild von jungen Heranwachsenden, die mit den vorgefundenen Karriereplanungen nichts am Hut haben. Die lieber weniger arbeiten und mehr Spaß am Leben haben wollen. Nicht als neue Hippies. Sondern als Realisten, die gesehen haben, wie ihre Eltern sich als Doppelverdiener abschleißen und sich deswegen vielleicht auch noch scheiden lassen. Die Generation Z will demzufolge vielleicht nur noch vier Tage in der Woche arbeiten.
Manchmal gipfeln diese Betrachtungen in regelrechten Generation Z-Beschimpfungen. Diese wohlstandsverwahrlosten Lümmel haben einfach keinen Bock auf Arbeit und hauen schnell auf den Sack. So interviewt die Kapitalistenzeitung Capital eine gewisse Susanne Nickel, die ein ganzes Buch voller Schmähungen gegen die Z-Heranwachsenden abgesondert hat. Frau Nickel schimpft im Capital-Interview:
„Die Wertigkeit von Arbeit hat sich dramatisch verändert. Die jüngste Generation am Arbeitsmarkt stimmt mit den Füßen ab, weil sie sehr genau weiß, wie wichtig sie für Deutschland ist. Und Unternehmen und Führungskräfte buckeln vor ihnen. Sie werfen ihnen viele Incentives oder Anreize wie iPads und Smartphones nach und werden dabei schamlos ausgenutzt.“ <1>
Mir kommen die Tränen vor Mitleid über die armen Personalchefs. Mal im Ernst: ganz schön frech, diese Frau Nickel. Das haben dann auch die Mainstream-Medien erkannt. Aktuell findet nämlich gerade eine Art von „Rehabilitierung“ der geschmähten Generation Z statt. Von Tagesschau bis Süddeutsche Zeitung ist man sich jetzt einig: Generation Z ist fleißig und arbeitsam <2>. Anstellig, hätte man früher gesagt. Und dann kommt die Begründung: immer mehr Studenten müssen neben ihrem Studium arbeiten gehen, oder wie man jetzt sagt: „jobben“. Denn gerade in den Großstädten, wo die jungen Leute sich ja nun mal naturgemäß immer erst mal richtig austoben wollen, sind die Mieten in obszöne Höhen geschossen, und auch die Lebenshaltungskosten sind drastisch angestiegen. Hier werden nun also auch wieder komplexe Zusammenhänge auf simple, mediengerechte Formeln heruntergebrochen. Wenn junge Leute mit Dienstleistungsgrinsen Cafe Latte aus der zischenden Maschine herauspressen, heißt das noch lange nicht, dass jetzt auf einmal die Generation Z mit einem Schlag arbeitsgeiler geworden wäre. Das heißt nur, dass die Studenten noch weniger Zeit für ein vernünftiges Studium zur Verfügung haben.
Berufseinsteiger: immer lausigere Bedingungen
Zwischen dem, was uns die Medien immer wieder weismachen wollen und dem, was die Menschen draußen im Lande wahrnehmen, tut sich eine immer größere Kluft auf. Tatsächlich haben die normalen Menschen in der westlichen Wertegemeinschaft untrüglich erkannt, dass die heutigen jungen Leute mit Verlaub gesagt, die Arschkarte gezogen haben. Das zeigt eine Umfrage des PEW-Instituts aus dem Jahre 2017 schon in aller Deutlichkeit.
Leute in allen möglichen Ländern dieser Erde wurden gefragt, ob die nachwachsenden Generationen es einmal besser haben werden als wir. In den USA waren 37 Prozent der Befragten der Meinung, dass es dem Nachwuchs einmal besser gehen werde als den jetzt noch Erwerbstätigen. Jedoch 58 Prozent der US-Bürger glauben, dass es den Nachwachsenden deutlich schlechter gehen wird. Die Kanadier sind noch pessimistischer. In Kanada sind 69 Prozent, also deutlich mehr als zwei Drittel der Befragten, der Meinung, es werde kommenden Generationen schlechter gehen. In Deutschland finden sich immerhin 52 Prozent Pessimisten. Verständlicherweise teilen 72 Prozent der jetzt schon gebeutelten Griechen diese Einschätzung. Ganz anders ist die Stimmung in jenen Ländern, die darauf bestehen, dass nicht Konzerne und Finanzhäuser den Kurs bestimmen sollen, sondern ein gesunder Nationalstaat als Vertreter des Gemeinwohls. In Russland zum Beispiel sind 52 Prozent der Befragten der Überzeugung, dass es den nachfolgenden Generationen deutlich besser gehen wird <3>.
Wie sehen die Prognosen bei den harten Zahlen des realen Vermögens der verschiedenen Generationen aus? Es ist unendlich schwer, aus dem dekontextualisierten Datennebel deutscher Statistiken brauchbare Zahlen zu destillieren. Für die USA liegen solche Prognosen jedoch vor. Eine Schätzung sieht so aus: die Nachkriegsgeneration der Babyboomer wird im Jahre 2030 immer noch einen Anteil am Volksvermögen von 45 Prozent besitzen. Die nachfolgende Generation X, das sind die Leute, die zwischen 1965 und 1980 geboren wurden, besitzt im Jahre 2030 31 Prozent des Vermögens. Dann kommen die sogenannten Millenials, oder Generation Y. Diese Generation muss sich mit einem Stück vom Kuchen mit 16 Prozent begnügen <4>.
Wollen wir das einfach so hinnehmen?
Warum ziehen die Nachwachsenden die Arschkarte?
Nun, meine Generation der Babyboomer hatte unverschämtes Glück. Nach dem Krieg wurden die Ärmel aufgekrempelt und zugepackt. Unsere Vorgänger-Generation der Kriegsteilnehmer hatte den Schutt bereits weggeräumt. Es wurde viel Geld in die Wirtschaft gepumpt. Denn als Westdeutsche waren wir das Schaufenster, auf das unsere Schwestern und Brüder aus dem Ostblock voller Neid schauen sollten. Zudem gab es eine gute Infrastruktur, die es uns ermöglichte, auch ohne Startkapital Vermögen zu bilden. Der Staat unterstützte großzügig das „Selbsthilfe-Bauherrenmodell“. Die Berater bei den öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Genossenschaftsbanken waren uns wohlgesonnen und wollten uns nicht das Fell über die Ohren ziehen. Der Familienvater konnte alleine eine fünfköpfige Familie mit seiner geregelten und abgesicherten Arbeit finanzieren. Und dabei auch noch was auf die berühmte hohe Kante legen. Öffentlich-rechtliche Renten- und Gesundheitskassen garantierten eine solide Rundum-Versorgung. Überhaupt erfüllte die wirtschaftliche Tätigkeit in den Bereichen Gesundheit, Altersabsicherung, Verkehr und Rohstoffbeschaffung den grundgesetzlich vorgeschriebenen Versorgungsauftrag. Der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard forderte in seinem Bestseller „Wohlstand für Alle“ aus dem Jahre 1957, dass die Löhne immer an die Steigerung der Arbeitsproduktivität angepasst werden müssten. Der Staat sollte gegen Kartelle energisch vorgehen <5>.
Es war selbstverständlich nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Es gab deutlich weniger zu verteilen als heute. Oft mussten sich vier Mietparteien um ein einziges Klo im Treppenhaus balgen, und die Badewanne war oft in der Küche. Die Briketts für den stinkenden Ofen mussten aus dem Keller in die Dachwohnung gewuchtet werden. In vielen Städten bekam man beim Atmen leichte Krämpfe vor lauter Kohlenstaub. Doch der Unterschied war: was verteilt werden konnte, wurde deutlich gerechter verteilt als heute.
Und dann kamen bei der Wende die Volksenteigner. Jetzt hieß es: alles muss privatisiert werden. Als dann auch noch der zweitgrößte Genossenschaftsstaat Europas, die DDR, im großen Maßstab veruntreuhandet wurde, fielen alle Hüllen. Wenn man ein ganzes Volk unter dem Jubel der Massen mal eben so enteignen kann, dann geht das auch für den Rest Deutschlands. Besonders krasse Folgen hat der Ausverkauf von Sozialwohnungen an profitorientierte Konglomerate wie Vonovia, mit seiner halben Million Wohnungen allein in Deutschland. Hemmungslose Mieterhöhungen sind seitdem Jahr für Jahr zu beklagen <6>. Mussten die Deutschen im Jahre 1962 nur 11 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufbringen, so müssen Familien und Singles in Ballungsgebieten heute bisweilen weit über vierzig Prozent ihres mühsam erknechteten Einkommens ausgeben, nur um überhaupt irgendwie ein Dach über dem Kopf zu haben <7>. Kein Wunder, dass ich bei meinen Radtouren immer neue Zelte von Obdachlosen in den Grünflächen erblicke.
Denn die Arbeitsbedingungen sind mittlerweile komplett verlottert. Wo man früher einen Beruf hatte, da hangelt man sich heute von Job zu Job. Heuern und Feuern, wie im gelobten Land der unbegrenzten Möglichkeiten, den Vereinigten Staaten von Amerika. Dabei werden Babyboomer gerne in die Frühverrentung weg-gemobbt. Für jeden Babyboomer kann man dann zwei Generation Z-Youngster einstellen. Natürlich ohne die lästigen Kosten für deren existenzielle Absicherung. Mit lausigen Zeitverträgen. Ohne Aufstiegschancen. Und dann sind da auch keine lästigen Babyboomer mehr, die den jungen Leuten sagen, dass es früher mal besser war, und dass man als abhängig Beschäftigter auch gesetzlich garantierte Rechte hat. Eingeschüchterte Geschichtslosigkeit ist der ideale Nährboden für die weitere Entrechtung.
Nur eine immer kleiner werdende Arbeiter-Aristokratie genießt derweil noch die Vorzüge einer formellen geregelten Arbeit. Doch Oligarchen wie Elon Musk scheißen auf die Rechte ihrer Mitarbeiter. Bei Amazon sind Vorzüge eines formellen Arbeitsplatzes eher unbekannt. Scheinselbstständige schrubben ihre Privatautos als Taxis für Uber und Bolt durch die Straßen. Noch schlimmer geht es jungen Migranten, die als Fahrradkuriere durch die Häuserschluchten von Frankfurt oder Berlin sausen. Und je länger solche Missstände achselzuckend in Kauf genommen werden, umso schlimmer werden die Zumutungen am Arbeitsplatz.
Und so etwas muten wir unserem Nachwuchs zu?
Na ja. Diese Frage suggeriert schon etwas. Nämlich einen Kampf der Generationen gegeneinander. Es gibt Investoren, die erkannt haben, dass immer noch achtzig Prozent aller Vorsorgekassen in Deutschland in öffentlicher Hand sind. Dieses enorme Vermögen ist noch nicht am Spieltisch der Börsen gelandet. Das muss sich aus Sicht dieser Investoren sofort ändern. Friedrich Merz und seine Freunde aus der Finanz-Szene um BlackRock möchten gerne die öffentlich-rechtlichen Krankenkassen und Rentenversicherungen so schnell wie möglich privatisieren. Also muss man doch diese Kassen erst mal in der Öffentlichkeit madig machen.
Und so malen die Medien immer wieder gerne das Bild von dem vor Überforderung stöhnenden jungen Erwerbstätigen, auf dessen noch schmächtigen Schultern vier lachende Greise hocken, die sich auf seine Kosten ein lustiges Leben machen. Der Angriff gilt dem Umlage-Prinzip: die Abgaben für die Altersversorgung gehen nicht an den Roulett-Tisch der Börse, sondern gleich an die Rentner. Und weil es jetzt so viele Alte gibt, könnten die Jungen die Alten nicht mehr finanzieren. Das ist, mit Verlaub gesagt, Quatsch. Denn die Produktivität der Arbeit ist deutlich angestiegen. Der Generationenvertrag ist locker einzuhalten <8>. Wenn die Vorsorgekassen ihr Geld an die Börse bringen, kann es passieren, dass die Rente tatsächlich mal verzockt ist, wie das bei der großen Rezession im Jahre 2008 passierte. Alte Leute mussten daraufhin bei Walmart Regale befüllen, um nicht zu verhungern. Das brauchen wir nicht.
Anstatt dass Junge und Alte sich kloppen, lohnt es viel eher, gemeinsam den Tatsachen ins Auge zu schauen. Wir erleben gerade alle miteinander, wie eine gigantische Monopolisierung um sich greift. Die großen Globalkonzerne haben zuerst mit niedrigen Preisen oder gar mit Gratisleistungen gelockt, um uns damit an sich zu binden und auf diese Weise lästige Konkurrenz niederzumachen. Jetzt, wo Google einen Marktanteil von 90 Prozent hat <9>, und Amazon Marketplace die Bedingungen diktiert, wird so richtig die Hand aufgehalten. Statt Tante Emma jetzt nur noch Aldi und Lidl, und Edeka. Nach einer langen Billigphase fällt uns nun nur noch die Kinnlade herunter. Wie die Preise in die Höhe rasen!
So ist das also: wer jetzt Vermögen im Laufe seines Lebens anhäufen durfte, kann auch diese Teuerungen noch ein Zeitlang aushalten. Doch wer, wie nachfolgende Generationen gar kein Polster mehr aufbauen konnte, könnte jetzt bald ins Bodenlose fallen. In den USA schwellen die Zeltstädte der Obdachlosen schon jetzt an. Wollen wir das in Deutschland auch?
Wollen wir wieder Zahnlücken und Lumpen als Kleidung sehen? Jedes fünfte Kind wächst in Armut auf <10>. Und zudem alte Leute, die in Mülltonnen nach Leergut suchen? Es ist klar, dass wir das alles nicht wollen.
Dann müssen wir bitteschön auch etwas dagegen unternehmen. Und zwar Alte mit Jungen gemeinsam. Deutsche und arbeitende Zuwanderer dürfen sich zudem nicht auseinander dividieren lassen. Es ist unsere Welt, in der wir gemeinsam unser Leben verbringen. Ein gemeinsames Haus, das wir auch unseren Nachfolgern gerne geordnet und lebenswert hinterlassen möchten.
Quellen und Anmerkungen
<1> https://www.capital.de/karriere/generation-z--keine-lust-auf-arbeit--34650862.html
<2> https://www.tagesschau.de/wirtschaft/arbeitsmarkt/rekord-junge-menschen-arbeit-100.html
<3> https://www.pewresearch.org/global/2017/06/05/2-public-divided-on-prospects-for-the-next-generation/
<4> Joel Kotkin, The Coming of Neo Feudalism. New York 2020. S.86
<5> https://ghdi.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=4599&language=german
<6> https://lobbypedia.de/wiki/Vonovia
<8> Albrecht Müller: Die Reformlüge. 40 Denkfehler, Mythen und Legenden, mit denen Politik und Wirtschaft Deutschland ruinieren. München 2004. S.104ff
<10> https://www.savethechildren.de/informieren/themen/kinderarmut-in-deutschland/
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: traurige junge Frau (Generation Z)
Bildquelle: Halfpoint / shutterstock
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