Die Verfallserscheinungen der westlichen Wertegemeinschaft sind nicht mehr zu übersehen. Deutet sich hier ein kollektiver Selbstmord an?
Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
Es ist eigentlich für jeden wachen Beobachter klar, dass die Vormacht USA und ihre beflissenen Vasallen sich in einem Zustand der zunehmenden Auflösung befinden. In Afrika werden die US-Besatzungstruppen gerade aus dem bitterarmen Wüstenstaat Niger hinauskomplimentiert. Am Golf von Aden beschießen die Huthi-Milizen israelische Schiffe, ohne dass die USA oder ihre Vasallen die Huthi-Milizen irgendwie existentiell gefährden können. In der Ukraine werden seit dem Maidan-Putsch von 2014 alle Kriegsanstrengungen gegen Russland mehr oder weniger offen von den USA gesteuert. Und trotzdem ist es den USA in diesem schmutzigen Stellvertreterkrieg bislang nicht gelungen, Russland zu schwächen. Im Gegenteil. Je mehr die USA in der Ukraine nachbessern, um die drohende Niederlage des Selenski-Regimes zu verhindern, umso stärker wird der militärische Druck der russischen Streitkräfte spürbar. Während die NATO-Kräfte stagnieren, findet auf russischer Seite ein Modernisierungsprozess der Kriegsführung statt, der atemberaubend ist und den Westen das Fürchten lehrt. Und mit der vollkommen diplomatiefreien, bedingungslosen Unterstützung des Genozids im Gaza-Streifen isolieren sich die USA langfristig im Nahen Osten.
Droht eine „Abrechnung mit dem Westen“?
Es hat lange gedauert, bis die schlechte Nachricht auch in den akademischen Kreisen der USA angekommen ist. Doch jetzt meldet sich der angesehene Politikwissenschaftler Mike Brenner von der Johns-Hopkins-Universität zu Wort. Brenner befindet sich im Ruhestand und muss kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. Sein Aufsatz mit dem Titel: „Die Abrechnung für den Westen?“ (Englisch: „The West’s Reckoning?) hat großes Aufsehen erregt. Wird bald der Tag der Abrechnung für die westlichen Eliten kommen? Wie es in den Wald hinein schallt, so schallt es auch wieder heraus. Unzählige unvorstellbar brutale Überfälle der USA wurden ausgeführt gegen fremde Länder, deren einziges Vergehen darin bestand, dass sie Reichtümer besaßen, die die Amerikaner für sich abgreifen wollten. Das ist nie vergessen worden. Mit geballten Fäusten mussten die Völker immer wieder zuschauen, wie funktionierende, wunderschöne Länder in rauchende Trümmerhaufen verwandelt wurden. Doch jetzt sind aufsteigende Großmächte wie China, Indien, Russland, Iran oder Brasilien in der Lage, ihren bedrängten Nachbarn zu Hilfe zu eilen. Das Zeitalter der Straflosigkeit für das US-Imperium ist vorüber.
Allerdings haben die Eliten der westlichen Vasallen-Zivilisationen das Trommeln aus der Wüste noch nicht vernommen. Jedoch der bereits erwähnte Mike Brenner von der Johns-Hopkins-Universität stellt den westlichen Eliten ein vernichtendes Zeugnis aus, wenn er sagt:
„Die Führer des Westens erleben gerade zwei überwältigende Ereignisse: nämlich ihre Niederlage in der Ukraine und den Genozid in Palästina. Die erste Erfahrung ist demütigend, die zweite ist beschämend. Nun, sie empfinden keine Demütigung oder Scham. Ihre Aktionen zeigen anschaulich, dass diese Empfindungen ihnen fremd sind. Sie sind unfähig, die eingefrästen Barrieren ihrer Dogmen, Überheblichkeiten und tief sitzenden Unsicherheiten zu durchbrechen. Letztere Empfindungen sind gleichermaßen persönlich wie politisch. Darin liegt ein Rätsel. Denn aufgrund dessen hat sich der Westen auf einen Pfad des kollektiven Selbstmordes begeben. Moralischer Selbstmord in Gaza. Diplomatischer Selbstmord – dafür wurden die Grundlagen gelegt in Europa, dem Mittleren Osten und in Eurasien. Wirtschaftlicher Selbstmord, indem nämlich das globale vom Dollar gesteuerte Finanzsystem in Gefahr gebracht wurde. Dazu kommt die De-Industrialisierung Europas. Das ist kein erbauliches Bild. Erstaunlicherweise vollzieht sich diese Selbstzerstörung in Abwesenheit irgendeines größeren Traumas – ob nun im Inneren oder im Äußeren.“ (1)
Der Niedergang der Imperien
Mike Brenner beschreibt hier die klassischen Symptome der geistigen Verfassung der taumelnden Eliten niedergehender Imperien. Das kann man auch in etwa so weiterspinnen: eine längere Phase des unangefochtenen Machtmonopols lässt die Wachheit des Hegemons erschlaffen. Zunehmende Selbstgerechtigkeit macht sich breit. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetkommunismus im Jahre 1991 blieben die Vereinigten Staaten von Amerika als einzige Supermacht übrig. Die USA konnten für etwa dreißig Jahre unangefochten schalten und walten wie es ihnen beliebte. Sie konnten beim völkerrechtswidrigen Überfall auf die Bundesrepublik Jugoslawien im Jahre 1999 ungestraft mal eben die chinesische Botschaft in Belgrad bombardieren und das chinesische Botschaftspersonal ausradieren. Die Regierung der Volksrepublik China war aufgrund ihrer Machtlosigkeit gezwungen, die Fäuste in den Jackentaschen zu ballen und gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Auch als nacheinander aufgrund von dreisten Propagandalügen Afghanistan, Irak und unzählige andere Länder dem Erdboden gleich gemacht wurden, gab es von Russland und China nur sehr laue Protestnoten. Worüber mussten sich die US-amerikanischen Eliten noch irgendwelche Sorgen machen?
Das macht selbstgefällig. Träge. Geistig genügsam. Man kann sich Ausschweifungen hingeben ohne Rücksicht auf Verluste. Anscheinend gibt es keinen Grund mehr, die eigenen Errungenschaften einer kritischen Prüfung zu unterziehen und, wenn nötig, schmerzhafte Veränderungen durchzuführen. An die Stelle einer unermüdlichen Wachsamkeit tritt nun eine Phase zunehmender Dekadenz. „Zustände wie im Alten Rom“. Eine Verlotterung der Sitten. Im Antiken Rom gab es die fetten Senatoren, die sich bei den Fressgelagen eine Gänsefeder in den Rachen führten, um nach der erfolgten Entleerung erneut Massen von Delikatessen dem eigenen Schlund zuführen zu können. Im ausgehenden amerikanischen Imperium produziert sich stattdessen ein nackter Präsidentensohn Hunter Biden, der über einer Prostituierten seine Crack-Pfeife anzündet.
Armes reiches Amerika!
Der im kollektiven Gedächtnis weitgehend unterschätzte US-Präsident Dwight D. Eisenhower wurde zeitlebens nicht müde, vor dem Aufkommen eines Militärisch-Industriellen Komplexes zu warnen. Der Ausdruck „Militärisch-Industrieller Komplex“ war eine Schöpfung von Eisenhower. Der aus einer deutschen pazifistischen Familie stammende Weltkriegsgeneral meinte damit, dass das Militär alle Bereiche der Gesellschaft durchdringen würde. Wissenschaft, Wirtschaft, Medien, Politik: alles würde sich nur noch um das Militär drehen, für das Militär arbeiten, vom Militär leben (2). John F. Kennedy versuchte dann als Nachfolger Eisenhowers, die Mittel für das Militär in die Weltraumfahrt abzuleiten. Sozusagen: die Kräfte der Zerstörung zu sublimieren. Wie der Versuch ausging, ist allgemein bekannt.
Heute geben die USA in etwa 3,5 Prozent ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung für das Militär aus (3). Wobei der Wehretat von etwa einer Billion Dollar im laufenden Haushaltsjahr nicht unbedingt die Garantie dafür abgibt, damit auch die besten Streitkräfte der Welt zur Verfügung zu haben. Denn schon vor Jahren warnten Militärexperten die US-Regierung in etwa so: wir haben noch nie so viel Geld für die Rüstung ausgegeben wie heute (4). Und noch nie waren so viele Abteilungen des US-Militärs definitiv nicht einsatzfähig. Die Gründe, so die Militärexperten weiter: zum einen will jeder Kongressabgeordnete, der einem neuen Rüstungsprojekt zustimmt, auch einen kleinen Teil des Auftragsvolumens für seinen Wahlkreis abzweigen. Fazit: es würden nicht die besten Anbieter zum Zuge kommen, sondern diejenigen, die in den politischen Proporz hineinpassen.
Und schon kommen wir fließend in den Themenbereich Korruption hinein, der übrigens auch im Alten Rom keine kleine Rolle gespielt hat. Denn die US-Regierung würde immer seltener noch Ausschreibungen für neue Rüstungsaufträge durchführen. Den Zuschlag bekommt immer öfter derjenige, der der Regierung am nächsten steht. Gerade jetzt haben wir ein besonders packendes Beispiel dafür, was Korruption so alles anrichten kann. Der US-amerikanische Flugzeugbauer Boeing war dereinst unangefochtener Weltmarktführer bei zivilen Verkehrsflugzeugen. Doch schon länger knarzt es an allen Ecken und Enden. Die Auslieferung der neuen Flugzeuge an die Kunden verspätet sich immer mehr. Immer wieder passiert es, dass neue Boeing-Maschinen im Hangar bleiben müssen wegen gravierender Sicherheitsmängel. Vor kurzem löste sich im Flug eine Seitentür aus einer Boeing-Passagiermaschine. Eine andere Maschine sackte mitten im Flug plötzlich ab, konnte sich aber wieder fangen. Der Ingenieur John Barnett hatte jahrzehntelang bei Boeing in der Qualitätskontrolle gearbeitet. Barnett war zunehmend beunruhigt über die immer spärlicheren Sicherheitskontrollen in der Fertigung der Boeing-Maschinen. Als Barnett Boeing verlassen hatte, alarmierte er die Öffentlichkeit über die Qualitäts- und Sicherheitsmängel bei seinem ehemaligen Arbeitgeber. Er sollte gerade zum zweiten Mal vor einem Gericht über seine Erkenntnisse aussagen. Doch da wurde Barnett in seinem Auto erschossen aufgefunden. Angeblich soll sich Barnett selber umgebracht haben (5). Das hat dann erst recht großes Interesse in der Öffentlichkeit ausgelöst. So stark, dass nun der oberste Direktor von Boeing David Calhoun und einige andere Vorstandsmitglieder von ihren Ämtern zurücktreten mussten (6).
Maschinen und Menschen in den USA dauerhaft kriegsuntauglich!
Die Boeing-Misere hat ihre Ursachen darin, dass ehemalige Boeing-Mitarbeiter in die Aufsichtsbehörde übernommen wurden. Korruption und Filz bewirken, dass die Qualität US-amerikanischer Produkte stark nachgelassen hat. Typische Symptome eines absterbenden Imperiums. Doch auch das Personal, das die fehlerhaften Geräte steuern soll, ist nicht mehr tauglich für einen Waffengang gegen China oder Russland. Da gibt es zum Beispiel die staatliche Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention, besser bekannt unter dem Kürzel CDC. Sozusagen die amerikanische Entsprechung zu unserem deutschen RKI. Die CDC hat bereits im Juli des Jahres 2022 Alarm geschlagen: 71 Prozent aller Amerikaner beider Geschlechter sind für den Militärdienst absolut untauglich (7). Die jungen Leute sind entweder zu dick, oder haben massive Bildungsdefizite, oder sie haben bereits eine Gefängnisstrafe absolviert. Denn seitdem die Gefängnisse in den USA privatisiert sind, hat sich die Anzahl der Gefängnisinsassen seit 1970 verzwölffacht (8). Das hat man vor allem dadurch fertig gebracht, dass man junge Menschen wegen Drogendelikten einer unverhältnismäßig hohen Haftstrafe unterzieht. Für die privaten Gefängnisunternehmer ein lukratives Geschäft. Aber eben auch ein Garant dafür, dass das Leben eines erheblichen Anteils einer ganzen Generation von jungen Amerikanern dauerhaft verpfuscht ist. Zudem haben niedergelassene Ärzte in den USA ihren Patienten schon bei kleinen Wehwehchen schwerste Opioid-Drogen verschrieben, die daraufhin hunderttausende Amerikaner in den Zustand einer schweren Sucht gebracht haben (9).
Diagnose also: Menschen und Maschinen der Vereinigten Staaten von Amerika sind dauerhaft Kriegs-untauglich!
Um, wie es die Eliten der USA vorhaben, einen totalen Krieg gegen Russland und China führen zu können, bedarf es zudem einer großen Synergie. Einem nationalen Gefühl der Zusammengehörigkeit. Auch im Zeitalter der automatisierten Kriegsführung bedarf es Millionen von Mitbürgern, die alle gut motiviert an einem Strang ziehen. Das ist aber schon lange nicht mehr der Fall. Alles mühsam von den Bürgern abgeknapste Geld geht in die Kriegsvorbereitung. Alle anderen Bereiche der staatlichen Aktivitäten verkümmern unter dem Schatten dieser einen allein wichtigen Agenda. Immer mehr US-Bürger, auch aus dem Mittelstand, können sich keine Wohnung mehr leisten. Sie vegetieren in so genannten Zelt-Städten (10). Gleichzeitig bezahlen die Reichen und Superreichen in den USA kaum noch Steuern (11). Der Staat verschuldet sich immer mehr. Jetzt ist der Staat USA, also das Instrument der Willensausübung der gesamten Bevölkerung, bei den Banken bereits mit 35 Billionen Dollar verschuldet (12). Alle US-Amerikaner zusammen erwirtschafteten im selben Zeitraum 2023 ein Bruttoinlandsprodukt von 25 Billionen Dollar (13). Die Schulden sind niemals wieder rückzahlbar. Gerät vielleicht einmal der ganze Staat USA unter den Hammer des Insolvenzrichters? Oder zerfallen die USA in ihre Einzelstaaten? Werden sich Texas oder Arizona vom Bundesstaat USA lossagen (14)?
Kehren wir zum Schluss noch einmal zurück zu Mike Brenners Psychogramm der selbstgerechten, realitätsentfremdeten Eliten der westlichen Wertegemeinschaft. Im Grunde werden wir regiert von autistischen Solo-Tänzern. Denaturierte und komplett unsoziale Existenzen, denen es vollkommen egal ist, dass auf der Straße Obdachlose verrecken. Das ist für uns alle sehr gefährlich, wenn solche unfertigen Egos über Krieg und Frieden entscheiden dürfen. Mike Brenner sagt:
„Narzisstische Tendenzen gedeihen. Eine ähnliche Psychologie macht das Erfordernis des Schamgefühls überflüssig. Das kann es nur geben, wenn wir subjektiv Teil einer sozialen Gruppierung sind, in der der persönliche Status und das Selbstwertgefühl davon abhängen, wie andere uns sehen und ob sie uns Respekt entgegenbringen. Ohne eine solche gemeinschaftliche Identität und die damit einhergehende Sensibilität für die eigene Meinung kann Scham nur in der perversen Form des Bedauerns darüber existieren, dass man nicht in der Lage war, das anspruchsvolle, alles verzehrende Bedürfnis nach Selbstbestätigung zu befriedigen. Das gilt sowohl für Nationen als auch für ihre einzelnen Führer.“ (15)
Quellen und Anmerkungen
(1) https://scheerpost.com/2024/03/08/michael-brenner-the-wests-reckoning/
(2) https://staging.apolut.net/history-die-abschiedsrede-dwight-d-eisenhowers/
Ich komme auf eine Gesamtsumme von einer Billion Dollar für Rüstung, weil jenseits der offiziellen Zahlen auch noch viele Ausgaben für Rüstung in diverse andere Ministerien verstreut sind, die nicht in die offizielle Zählung eingehen.
(4) https://docs.pogo.org/publication/2008/POGO_CDI_Americas-Defense-Meltdown.pdf
(5) https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-03/boeing-flugzeug-whistleblower-sicherheit-qualitaet
(7) https://www.cdc.gov/physicalactivity/downloads/unfit-to-serve-062322-508.pdf
(8) https://www.telepolis.de/features/Im-Strudel-der-Gefaengnisindustrie-3416637.html
(10) https://caufsociety.com/list-of-tent-cities-in-america/#google_vignette
(11) https://www.smartsteuer.de/blog/2021/06/29/us-superreiche-zahlen-kaum-steuern-und-die-deutschen/
(12) https://www.gold.de/staatsverschuldung-usa/
(13) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/14418/umfrage/bruttoinlandsprodukt-in-den-usa/
(15) https://scheerpost.com/2024/03/08/michael-brenner-the-wests-reckoning/
+++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: Morrowind / shutterstock
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