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Der weltliebste Präsident | Von Roberto J. De Lapuente

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Ein Kommentar von Roberto J. De Lapuente.

Donald Trump war ein guter Präsident. Das sage nicht ich: Das hat Michel Houellebecq erklärt – und zwar schon zu Zeiten, da der US-Präsident war. Der Franzose begründet es noch nicht mal schlecht. Das regt zum Nachdenken über moralische Dilemmata an.

Als der französische Autor zu dieser Einschätzung kam – in einem Essay im Januar 2019 – attestierte er nicht zu Unrecht, dass die USA nur noch »eine bedeutende Macht neben anderen« sei. Daran lässt sich auch heute, unter den neuen Vorzeichen eines etwaigen neuen kalten oder vielleicht eher wahrscheinlichen heißen Krieges, noch immer nichts deuteln. Die Vereinigten Staaten kämpfen in diesen Tagen um die eigene Reputation, ihren Nimbus; sie ringen mit dem Deutungsverlust und stehen wirtschaftlich auf tönernen Füßen.

Als Trump Präsident war, glaubte Houellebecq nicht ganz falsch, dass er der legitime Präsident eines Imperiums sei, dass seine glanzvollsten Tage hinter sich habe.

Die Amerikaner lassen uns unser Leben leben

Denn der Mann, obgleich er ein Clown sei, schien begriffen zu haben, dass sein Land nicht mehr Supermacht war: »Die Amerikaner lassen uns in Frieden«, hörte sich das bei Houellebecq an. »Die Amerikaner lassen uns unser Leben leben. Die Amerikaner versuchen nicht länger, den Planeten mit Demokratie zu überziehen. Welcher Demokratie überhaupt?« Trump zerreiße Handelsverträge; die weltweite Handelsfreiheit, so argumentiert der Schriftsteller in seiner kurzen Schrift, sei für Trump »nicht das A und O des menschlichen Fortschritts«. Wir erinnern uns, wie wir damals gegen TTIP demonstrierten, die deutschen Sozialdemokraten unter Sigmar Gabriel wollten das Freihandelsabkommen unbedingt – Donald Trump wischte es vom Tisch. Und überhaupt: Protektion hielt der damalige US-Präsident nicht per se für unangebracht.

Die Europäische Union mochte er auch nicht, er fand, »wir hätten nicht viel gemeinsam«. Er wolle lieber mit den Staaten einzeln verhandeln, Houellebecq fand das gut, weil Europa nicht existiere und die EU nie darauf ausgelegt war, eine Demokratie zu sein. Außerdem, kein ganz unwichtiger Punkt jenes Essays: »Präsident Trump betrachtet Wladimir Putin nicht als einen unwürdigen Gesprächspartner.« Leider hat sich eine weitere Einschätzung überholt: Er lobte Trump auch für die mangelnde Finanzierung der NATO – so brauche sein Heimatland Frankreich vielleicht gar nicht austreten, weil das Bündnis von selbst verschwindet.

Wenn sich dieser Stil fortsetze, hoffte Houellebecq, dann würde sich der »militärische Messianismus« der USA bald erledigt haben. Für die Amerikaner sei Donald Trump vielleicht eine »notwendige Prüfung« – für den Rest der Welt aber ein Segen nach vielen Jahrzehnte imperialer Weltpolitik.

Man kommt nicht umhin, dem Franzosen bei der Einschätzung des isolationistischen Trump recht geben zu wollen. Weltpolitisch betrachtet war dieser Clown vielleicht kein Friedensbringer, aber eben auch kein Imperialist. Seine Kritik aus allen Lagern, eben auch aus der US-Wirtschaft, bedeutete ja auch: Der Mann störte, er funkte in den Ablauf der Dinge. Das war grundsätzlich schon mal nicht ganz schlecht, dass die Superkapitalisten den Superkapitalisten als Störenfried betrachteten. Die Wachablösung durch Joe Biden – Wachablösung im Bezug auf sleepy Biden: da mussten Sie lachen, gell? – hat die Welt nicht verbessert, so wie es das liberale Amerika gerne beschwor. Es hat Trump revidiert und versucht aus den USA wieder eine Weltmacht zu machen, die uns unser Leben nicht leben lässt.

Vereinheitlichung der Welt

Keine Frage, dass wir in den Anfängen einer globalen Entwicklung stecken, die zur Vereinheitlichung auf dem gesamten Erdenrund führen soll – die ein metrisches Wir erzeugt, wie Steffen Mau dieses Projekt nennt. Die Krisen des Augenblicks, Pandemie und Krieg, haben dem Prozess einen großen Schub verliehen. Aber schon in den Jahren zuvor waren diese Planungen greifbar, wenn ihnen auch hier und da eine größere Durchschlagskraft verwehrt blieb. Egal wie man diesen Donald Trump nun einschätzen möchte: Er war ein Störer, denn alleine wie er das Freihandelsabkommen, eines dieser Projekte der globalen Gleichmacherei, aus der Welt bugsierte, konnte die Eliten nicht entzücken und war – seien wir mal ehrlich! – große klasse.

Hinaus möchte ich aber auf etwas anderes: Wir leben – wie ich immer wieder, mittlerweile etwas müde erläutere – in hochmoralischen Zeiten. Im Moralozän gewissermaßen. Dabei finden gleichsam eindeutige Versatzstücke Anwendung: Es gibt gut und böse, schwarz und weiß, richtig und falsch. Die jeweiligen Gegenspieler werden hierbei als klar voneinander abgeschottete manichäische Entitäten betrachtet. Graubereiche oder Zwischenzonen sind aufgehoben. Sie scheinen nur zu verwirren. Vermischungen sind in der simplen Syntax der zeitgenössischen Moral nicht kalkuliert.

Trump erinnert mich an einen Nachbarn, den ich vor Jahren hatte. Der schimpfte gerne laut über Ausländer, insbesondere über Türken. Sie seien faul, frech und hätten zu viele Kinder. Aber immer wenn die beiden Eltern der im Nachbarhaus lebenden türkischen Familie arbeiteten, passte er auf deren drei Kinder auf, ging mit ihnen auf den Spielplatz und kümmerte sich sehr engagiert um sie. Was nun? War der Mann jetzt xenophob oder nicht? Für einen Moralisten unserer Epoche hätte die Tirade gegen die Türken gereicht, um sich abzuwenden und den Mann als Nazi zu bekritteln. An seinen Taten wäre er gar nicht mehr vermessen worden. Es sind eben genau jene Grauzonen, in denen dieser Moralismus keinen Realitätsbezug haben kann. Und Grauzonen sind nicht selten – eigentlich sind sie die Regel. Und zuweilen bewegt sich selbst eine US-Präsidentschaft in so einem Zwischenbereich.

Vermutlich ist Donald Trump kein guter Mensch. Wer Frauen ungefragt in den Schritt geht, an die Pussy, wie er selbst sagen würde, muss ein ziemliches Arschloch sein. In seiner Präsidentschaft geschahen viele Dinge, die man sich als Bürger nun auch nicht gerade wünscht. Vermutlich ist Trump sogar ein Mensch, der rassistische Vorstellungen pflegt. Und trotzdem kann er, mit etwas Abstand von dieser Moral, als ein guter Präsident angesehen werden – jedenfalls für Menschen, die nicht unter ihm in the States leben mussten. Houellebecq hat das intelligent herausgearbeitet – und ich sehe gerade, dass ich vorhin Pussy geschrieben habe: Nun liegt es wohl auf der Hand, dass ich ein schlechter Mensch sein muss.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 2. Mai 2022 bei neulandrebellen.de

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Bildquelle: Evan El-Amin / shutterstock


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