Demokratie für einen Tag

Ein Meinungsbeitrag von Rob Kenius.

Parteien und Medien haben die Repräsentative (Parlamentarische) Demokratie ausgehebelt, aber es gibt praktische Lösungen und Hoffnung auf Einsicht.

Der Verrat an Wählerinnen und Wählern, von der SPD seit Jahrzehnten praktiziert, wird von der Grünen Partei noch überboten. Die Wünsche und der Wille der Mehrheit spielen keine Rolle mehr. Das ist eine Bankrotterklärung für unsere repräsentative Demokratie. Doch woran ist die Demokratie gescheitert, bei all diesen Errungenschaften der Technik und unbegrenzten Möglichkeiten zur Kommunikation? Es lohnt sich, dieser Frage nachzugehen und dann finden wir auch Wege zur Veränderung, wenn der Wille zur Demokratie besteht.

Zunächst muss geklärt werden, was wir unter Demokratie verstehen.

Demokratie bedeutet, ganz vorsichtig formuliert, dass an politischen Entscheidungen alle beteiligt sein sollen, welche von den Entscheidungen betroffen sind. (Ausnahmen: Personen die aus rationalen Gründen von bestimmten Entscheidungen ausgeschlossen werden, z.B. kleine Kinder.) Demokratie bedeutet außerdem, dass Entscheidungen mehrheitlich getroffen werden. Letzteres ist durch Abstimmungen und Wahlen zu realisieren.

Die kritische Frage:

Wie kommen Entscheidungen in den Köpfen von Millionen denkender Menschen zustande?

Den Wahlen muss eine allgemeine, gleichberechtigte Meinungsbildung vorausgehen, bei der viele von denen, die sich beteiligen wollen, mitreden können. Ohne innere Entscheidungsfreiheit und ohne ein vorausgehende, breite und vielfältige Meinungsbildung sind Wahlen nur eine Zeremonie. Es kommt darauf an, dass sich auf möglichst natürliche Weise zwischen beliebigen Menschen eine öffentliche Meinung bildet, wobei auch nicht autorisierte Menschen die anderen überzeugen und bewegen können. Oder sie werden selber von anderen und von der Mehrheit überzeugt. Ein Schlagwort für diese Struktur der Verständigung ist der von Rainer Mausfeld genannte “öffentliche Debatten-Raum”.

Meinungsbildung durch Diskussion lässt sich in überschaubaren Versammlungen durch eine faire Geschäftsordnung regeln. Bei allgemeinen Wahlen auf Ebene von Ländern und Staaten ist es, wegen der Masse der Beteiligten, ein echtes Problem. Diese Schwierigkeit ist bis heute nicht befriedigend gelöst worden und es wird im Mainstream von Politik und Medien auch nicht nach Lösungen gesucht.

Wahlen allein machen noch keine Demokratie

In der Massendemokratie ist die real stattfindende Massenkommunikation entscheidend für das Ergebnis von Wahlen. Die Mittel und Medien dazu befinden sich aber in den Händen von sehr wenigen (reichen) Personen und Familien oder in der Hand einer hierarchischen Organisation, die den Regierenden und ihren Parteien sehr nahe steht. So ist es z.B. bei den Öffentlich-Rechtlichen Anstalten in Deutschland und Österreich.

Es gibt viele Formen, Abstufungen und Sonderfälle, wie Wahlergebnisse zustande kommen. Auch der Prozess der Meinungsbildung im Vorfeld von Wahlen hat viele Varianten. In den USA werden Milliarden an Dollars im Wahlkampf verpulvert. Bei uns sind die Fernsehauftritte, bei ARD und ZDF, entscheidend. Alle Impulse, um die Richtung zu entscheiden, kommen von oben: von den Mächtigen, von Parteigrößen, von den Reichen und aus der Hierarchie der Medienmacher.

Alle Ohnmacht geht vom Volk aus

Ein zweiter Punkt, der Wahlen als einziges Element der Demokratie fragwürdig macht, ist die Tatsache, dass nach den Wahlen die Wählenden auf Jahre hinaus keinerlei Einfluss mehr auf die Politik haben. Bestenfalls werden statistische Erhebungen veranstaltet, bei denen ausgewählte Personen auf vorgelegte Fragen antworten. Das ist nur Demoskopie, sie funktioniert, wenn überhaupt, auf Veranlassung von oben. Demokratie sollte auf Initiative von unten etwas bewegen können.

Vom Ideal einer egalitären Meinungsbildung in der Massendemokratie sind wir sehr weit entfernt, und das Ziel scheint unerreichbar zu sein. Doch auch ein fernes, realistisches Ziel muss man anpeilen und mit konkreten Schritten ansteuern. Ein erster Schritt wäre, die Finanzmittel für Wahlschlachten, im Stil von Konsumwerbung, zu begrenzen oder ganz abzuschaffen und statt dessen jede Form von offener Diskussion, egal auf welcher Ebene, zu fördern.

Nach der Wahl ist vor der Qual

Die Massenmedien verhindern und übertönen mit ihrer Omnipräsenz und überlegenen Technik den öffentlichen Debatten-Raum, indem sie nach eigenem Gutdünken wenige Teilnehmer an der Debatte auswählen und offen oder versteckt die Meinungen steuern. Das geschieht fast immer im Sinne der bestehenden Macht, weil die herrschenden Medien, verkürzt ausgedrückt, die Medien der Herrschenden sind.

Wahlen sind das einzige egalitäre Element in unserer Demokratie. In den Medien werden sie groß herausgestellt. Am Wahlabend wird im Fernsehen eine riesige Kulisse aufgebaut: Prognosen, die ersten Teilergebnisse, die Hochrechnungen, Tortendiagramme, der intelligente Kommentar der Statistikerinnen und Statistiker, die uns von Wählerwanderungen erzählen und dann die jubelnden Gewinnerinnen und Gewinner. Ein abendfüllendes Programm.

Doch hinter dieser Medienkulisse beginnen sogleich die Verhandlungen zwischen wenigen Parteigrößen. Es wird bei verschlossenen Türen über Koalitionen verhandelt. Es geht um Praktiken, welche den demokratischen Akt der Parlamentswahl gleich wieder zurückdrehen: Die vom Grundgesetz bestimmte Gewissensfreiheit der Abgeordneten wird drastisch eingeschränkt und de facto aufgehoben.

Die Prinzipien der Herrschaft von Parteiführungen sind:

1. Fraktionsdisziplin

2. Koalitionen

3. Bindung an einen Koalitionsvertrag

Aus Repräsentation wird Parteiendiktatur

Die Repräsentative Demokratie basiert auf der Idee, dass die gewählten Abgeordneten in ihre Hauptstadt reisen und dort für die Zeit der Wahlperiode die Wählerinnen und Wähler repräsentieren, das heißt, deren Ansichten und Interessen vertreten. Der Fraktionszwang aber verlangt von ihnen, dass sie so abstimmen, wie es die Parteiführung vorgibt. Durch einen Koalitionsvertrag wird die Freiheit der Abgeordneten weiter eingeschränkt und die Interessen der Wählerschaft fallen für Jahre hinaus unter den Tisch.

Man kann es verkürzt so sagen: Die Demokratie im 21. Jahrhundert währt nur einen Tag. Sie beginnt nach der Medienmassage des Wahlkampfs am Morgen des Wahltags, wo die Wählerinnen und Wähler allein entscheiden und sogar spontan ihre Kreuzchen machen können, und sie endet am Wahlabend mit den ersten zuverlässigen Hochrechnungen. In Sonderfällen kann sich das Wahlergebnis hinziehen, der Akt der Wahl aber, bei dem alle gleichberechtigt sind, ist am Wahlabend beendet.

Danach erstarrt unsere Demokratie für vier Jahre im Wach-Koma. Diese Tatsache ist vielen Menschen mehr und mehr bewusst geworden und das ist der Grund für eine große Unzufriedenheit mit “unserer” Demokratie.

Die Praktiken, wie seitens der Parteien mit dem Wahlergebnis umgegangen wird, haben sich seit vielen Jahrzehnten so eingebürgert und die Strenge mit der die Regeln von Fraktions- und Koalitions-Disziplin durchgehalten werden, ist längst schon auf dem Niveau von Diktaturen angekommen.

Eine demokratischere Regierungsform ohne Koalitionen

Ein Gegenmodell, das nur wenig vom Status Quo abweicht, wäre folgendes:

Das Parlament wählt auf Vorschlag der Parteien mit einfacher Mehrheit eine Person in das höchste Regierungsamt (Kanzlerin oder Kanzler). Die schlägt Kandidaten für Ressorts in der zukünftigen Regierung vor, bei denen das Parlament mit absoluter Mehrheit ein Vetorecht hat. Es kann sie also bestätigen oder auch nicht. Wird jemand nicht bestätigt, kann und muss das Parlament für dieses Ressort eine andere Person auswählen.

Es gibt keine Koalitionen, sondern eine“ parlamentarische Regierung“ (normalerweise mit dem Wort Minderheitsregierung abgewertet), welche für Gesetzesvorschläge die Mehrheit des Parlamentes benötigt und durch offene Debatten auch erreichen kann, nicht durch Fraktionszwang in einer Koalition.

Wenn das Parlament nur halb so groß ist wie das in Berlin, kommt es doppelt so schnell zu klaren Ergebnissen. Das Ziel ist, die Substanz der Debatten zu verdichten, damit Vernunft und Einsicht über Macht, Lobbyismus, Disziplin und Konformismus dominieren. Das wäre Repräsentative Demokratie, so wie sie gemeint ist.

Es gibt außerdem schon längst die Möglichkeit technischer Verbesserungen auch bei parlamentarischen Auseinandersetzungen:

Man kann mit anonymen, digitalen Zwischenabstimmungen die Diskussion einer größeren Versammlung steuern und fokussieren. Solche Zwischen- oder Probeabstimmungen lassen sich heute in Sekundenschnelle auswerten, so dass das übliche Diktat der Koalition durch eine zeitgemäße Form von Demokratie ersetzt wird. Die Abgeordneten verschiedener Parteien kommen sich dabei inhaltlich näher und das Ergebnis zeigt mit viel höherer Wahrscheinlichkeit den Willen der Mehrheit.

Hundert Jahre Unterwürfigkeit

Viele Diktaturen sind in den letzten hundert Jahren aus der repräsentativen Demokratie hervorgegangen. Es ist die Praxis von Faschisten, welche durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen sind, dass sie die ungeschriebenen Gesetze der Demokratie missachten. Eins dieser ungeschriebenen Gesetze ist, dass niemals ein Führer oder eine kleine Clique in der Zentrale die gesamte Macht über Staat, Medien, Militär und die öffentliche Meinung ausüben darf.

Aus diesem Postulat, eine Gewaltherrschaft zu verhindern, ist im griechischen Altertum die Demokratie entstanden. Die Gefahr, dass Oligarchie, Diktatur und Gewaltherrschaft trotz vorangegangener Wahlen ausgeübt werden, ist um so größer, je mehr Macht eine Regierung über das Parlament und über die öffentliche Meinung hat.

Neben dem Mangel an demokratischer Meinungsbildung vor den Wahlen scheitert die Demokratie im 21. Jahrhundert bisher daran, dass es nach den Wahlen keine Einflussnahme der interessierten Wählerinnen und Wähler auf das Geschehen mehr gibt. Und auch wenn es sie gäbe, bestimmen Massenmedien vor der Wahl und nach der Wahl die Mehrheitsmeinungen. Je mehr die Kommunikationstechnik im 20. Jahrhundert fortgeschritten ist, um so mehr Ungleichheit ist entstanden, zwischen denen, die Einfluss auf die Medien haben und der großen Mehrheit, die keinen aktiven Einfluss auf die Medien hat.

Der Einfluss der Mehrheit beschränkt sich auf ein passives Konsumverhalten. Dieses Ungleichgewicht hat sich immer weiter zu Ungunsten der Konsumenten verlagert. Die Diktatur Hitlers wurde möglich, weil gleich nach der legalen Wahl die regierenden Nazis den Rundfunk unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die inneren Strukturen, die das ermöglichen, haben sich bis heute nicht verändert.

90% Konformität zwischen Regierung und Medien

Vielen Zuschauerinnen und Hörern der Öffentlich-Rechtlichen Anstalten ist erst jetzt deutlich geworden, wie in der Corona-Krise zwei Jahre lang die Ansichten der Regierenden und ihrer wenigen Experten mit den in Rundfunk und Fernsehen präsentierten Meinungen und Ratschlägen übereinstimmten. Dann, mit dem Krieg in der Ukraine, wurde wie auf Kommando das Thema gewechselt. Seitdem ist Covid eine Erkrankung der Atemwege, keine Pandemie.

Die Konformität zwischen Regierung und Ö-R-Anstalten widerlegt die Behauptung, dass es keinen Staatsfunk gäbe und zeigt auch dass es nicht nur um das Meinungsdiktat von fünf Familien der Medienbesitzer geht. Die interne Hierarchie der Ö-R-Anstalten bewirkt ein viel wirksamere Meinungsdiktatur und verhindert Demokratie, anstatt sie zu fördern.

Unsere Demokratie scheitert nicht nur an Politikern ohne Format und an rechtsradikalen Idioten, sondern am bestehenden Parlamentarismus mit Fraktionszwang und Koalitionen und außerdem scheitert sie an der Macht der Medien, welche von oben nach unten operieren. Wenigstens 99% aller Menschen kommen in den herkömmlichen Massenmedien nicht zu Wort. Das ist schon seit hundert Jahren so. Nichts daran wurde in all der Zeit geändert oder verbessert, obwohl es technisch ohne Weiteres möglich wäre.

Gleiche Technik, andere Organisation

Es wäre möglich, zehn oder hundert mal so vielen Menschen Zugang in die Programme von Rundfunk und Fernsehen zu verschaffen und es ist möglich, die Öffentlich-Rechtlichen Medien unter direkte, demokratische Kontrolle zu stellen, das heißt, sie nicht durch einen Rundfunkrat zu kontrollieren, in dem diejenigen vertreten sind, die sowieso das Sagen haben, sondern durch ein demokratisch gewähltes Gremium.

Weil so etwas nie geschehen ist, werden die Medien von oben dirigiert und haben die Demokratie ausgehebelt. Denn wenn es Medien gibt und Demokratie herrschen soll, müssen die Medien demokratisch sein, sonst funktioniert die demokratische Willensbildung nicht. Es wird zwar in den großen Medien ständig von Demokratie geredet, sie wird aber gerade dort nicht gefördert und nirgends praktiziert.

Konkrete Möglichkeiten zur Demokratisierung gäbe es für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und das Fernsehen ganz besonder hinter den Kulissen:

An den grundsätzlichen Entscheidungen über das Programm sollten die beteiligt sein, die betroffen sind. Das sind diejenigen, die zuhören und zuschauen. So ist es aber nicht, es ist wie im Theater, das Publikum wird bespielt und es hat keinen Einfluss auf das Programm. Der große Unterschied zum Theater aber ist: Ins Theater geht man freiwillig zur Unterhaltung und zahlt freiwillig seinen Eintritt. Bei den Öffentlich-Rechtlichen Anstalten werden alle gezwungen, Beitrag zu zahlen, dann müssten alle aber auch als Gesamtheit Eigentümer und Verantwortliche sein.

Medienzwang, ein Schritt in den Totalitarismus

Im Vergleich mit der katholischen oder evangelischen Kirche ist der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk (seit Angela Merkels Zeiten) etwas näher am Totalitarismus als die Kirche: Aus einer Kirche kann man austreten und zahlt dann auch keine Gebühren mehr. Aus der Rundfunk- und Fernseh-Gemeinde kann niemand austreten. Man wird gezwungen, das Programm zu finanzieren und zwar mit acht Milliarden Euro im Jahr. Da ist ein riesiger, sehr teurer Apparat, der im Sinne freier Meinungsbildung fast nichts mehr bewirkt.

Anstatt die Massendemokratie zu realisieren und zu fördern, verhindern Massenmedien die Massendemokratie, indem sie systematisch die Meinungen von oben her eingrenzen und lenken. Diese Praxis der Gleichschaltung hat sich in Deutschland, genauer gesagt, in den letzten dreißig Jahren in Westdeutschland, enorm zu Ungunsten der Demokratie verstärkt. Im Osten, soviel ich weiß, nichts Neues.

Das abgehobene Parlament verliert seine Funktion

In einem überschaubaren Parlament wäre es wesentlich einfacher egalitäre Meinungsbildung und offene Entscheidungen zu realisieren als im weiten Land. Doch die Praxis der repräsentativen Demokratie in Berlin sieht völlig anders aus. Schon die viel zu große Zahl von 700 Mitgliedern im Bundestag ist kontraproduktiv. Die große Mitgliederzahl und die ständige Ausweitung der Privilegien aller Abgeordneten durch Parteibeschlüsse gipfeln in der Möglichkeit, die eigenen Diäten zu beschließen und Bezüge zu erhöhen.

Die Macht der Parteien und ihrer Führerinnen und Führer wird durch die Vergabe besonderer Privilegien an Parlamentarierinnen und Parlamentarier gefestigt. Nicht die Wählerinnen und Wähler bestimmen, welche Kandidaten zur Wahl aufgestellt werden, sondern in 99 von 100 Fällen bestimmen es die Parteien. Es gibt ganz wenige Ausnahmen wie den kürzlich verstorbenen Hans-Christian Ströbele, der ohne die Gunst der Grünen Partei als Ur-Grüner vier mal sein Direktmandat gewinnen konnte.

In der Regel kann nur jemand gewählt werden, der von der Partei aufgestellt wird. Das gilt erst recht für alle Listenkandidatinnen und Kandidaten, etwas mehr als die Hälfte aller Abgeordneten. Das Wahlvolk entscheidet nur über die Zahl der Gewählten auf der Liste einer Partei, nicht darüber, welche Personen es sind. Neben Fraktionszwang und Koalitions-Disziplin ist das ein weiterer Punkt, wo die Demokratie in Parteien-Diktatur entarten konnte.

Medien und Parteien verhindern die Demokratie

Von der jungen Mehrheit im Parlament und von den großen Medien, und damit auch in der Öffentlichkeit, werden die Demokratie-Defizite kritiklos hingenommen und als selbstverständlich angesehen. Die Repräsentative Demokratie ist durch die Entwicklung zur Massengesellschaft, die auf der Kommunikationsebene von Massenmedien beherrscht wird, so weit geschwächt, dass die Verwirklichung des demokratischen Prinzips nicht mehr möglich ist.

Das theoretisch souveräne Volk kann nicht entscheiden, weil es nicht die Möglichkeit hat, frei über das Ziel der Politik nachzudenken und zu kommunizieren, es ist den Massenmedien ausgeliefert. Diese Medien reden viel von Demokratie und ihren Werten, sie sind aber nicht demokratisch, ihre Werte sind wirtschaftlich und finanzwirtschaftlich definiert und werden hierarchisch von oben durchgesetzt. Genau das widerspricht dem Prinzip der Demokratie.

Das Internet, kann es die Demokratie retten?

Eine Rettung aus diesem durch die technischen Medien und deren Steuerung von oben verursachten Niedergang der Demokratie könnte das Internet sein. Das Internet ist strukturell demokratisch, nämlich interaktiv, wie ein direktes Gespräch, aber gleichzeitig auch ein Massenmedium. Jeder kann, ohne großen Aufwand von Geld und eigener Organisation, Nachrichten und Meinungen in die Welt setzen, die im Prinzip jeder andere empfangen und erwidern kann.

Das wäre ideal für Demokratie, aber diese Möglichkeiten sind durch die Kommerzialisierung, in drei Jahrzehnten, fast völlig beiseite geschoben worden. Auch hier ist es so, dass junge Menschen das alles ganz selbstverständlich finden.

Trotzdem ist durch das Internet eine Szene entstanden, die unabhängig von der Regierung, den Parteien und den Medien, Kritik und Meinungsbildung betreibt. Das ist allerdings beschränkt auf einen sehr kleinen Kreis von politisch Aufgeweckten, die sich bewusst der Dominanz der Mainstream-Medien entziehen. Auch dieser Essay kann im Jahre 2023 Verbreitung nur über Foren und Webseiten finden, die das System unterlaufen. Die Zeiten, da kritische, öffentliche Aufklärung von großen deutschsprachigen Medien betrieben wurde, sind längst vorbei.

Die Massenmedien, die Wirtschaft und die Politik haben auf das revolutionäre Potenzial im Internet gezielt reagiert und es mit großer Einmütigkeit völlig entschärft. Sie bekämpfen jede abweichende Meinung wie verzweifelt als feindlichen Angriff, auf ihre Werte, auf ihre Meinungshoheit, auf ihre Ideologie.

Was früher als Kommentar im Fernsehen, nach den Nachrichten, gesendet wurde, manchmal von Kollegen einer anderen Sendeanstalt, das erscheint heute nur noch auf Internetseiten, die deshalb für die demokratische Elite unentbehrlich geworden sind und die von der Medienmacht massiv beschimpft und verleumdet werden. Die Vehemenz, mit der das geschieht, deutet darauf hin, dass im Unterbewusstsein eine tiefe Angst davor herrscht, dass die Wahrheit ans Licht kommt.

Die Reaktion der Reaktionärinnen

Die sogenannte Corona-Krise war ein Erlebnis krasser Meinungsdiktatur, wie es sie in der Bundesrepublik Deutschland vorher noch nie gegeben hatte. Und gleich im Anschluss daran oder in Ablösung der Thematik der Realitätsverlust von Politik und Medien im Fall des Ukraine-Konflikts. Der 24.02.2022 wurde schon drei Tage später zur Zeitenwende deklariert.

Da müssen dreihundert Jahre Kolonialismus, dreißig Jahre Nato-Politik, die zahlreichen Kriege der USA und die Zustände im Land Ukraine als Vorgeschichte aus dem öffentlichen Bewusstsein getilgt werden. Es funktioniert, kann aber nicht nachhaltig sein. Die Wahrheit kommt ans Licht. Auch die geschichtliche Wahrheit darüber, wie Europa aus purer Sturheit in den ersten Weltkrieg hinein geschlittert ist. Im Westen immer noch nichts Neues.

Der Sinn von Medien, Sprache und Kommunikation ist das Übermitteln, Abstimmen und Bewerten von Informationen. Dieser Sinn ist verloren gegangen, weil die Mächtigen alle Medien als Instrument der Herrschaft über das Denken der großen Mehrheit einsetzen. Nachdem schon alle technischen Möglichkeiten zur Beeinflussung der Massen ausgereizt sind, hat man mit wissenschaftlichem Aufwand, namentlich der Psychologie, zusätzliche Methoden entwickelt, um Meinungen fast hundertprozentig zu steuern.

Wie im Mittelalter die katholische Kirche ihre Religion den Menschen von der Wiege bis zur Bahre infiltriert hat, durch ständige Wiederholung der Glaubenssätze, so benutzen die Meinungsmacher heute ihre Narrative, die von allen Seiten, aus verschiedenen Kanälen auf uns einprasseln, bis jeder, der sich den Medien ausliefert, die Propaganda glaubt oder verinnerlicht hat. Diese Narrative sind jetzt an erster Stelle Parolen, um eine Weltherrschaft der USA zu etablieren, auszubauen und weiter aufrecht zu erhalten.

Auch hier gilt wieder, das Feuergefecht im Medienkrieg deutet an, dass unterschwellig eine wohlbegründete Angst vorherrscht, es könnte mit der Dominanz der USA bald zu Ende gehen. Die psychologische Strategie aus Brain-Washington, dringt in alle Nachrichten, alle Diskussionen und alle Meinungen der Massen, auch die unserer Politikerinnen. Niemand, der die Narrative anzweifelt, kommt zu Wort, außer auf bestimmten Seiten im Internet.

Ein Netz kann verbinden, nicht nur Fische fangen

Früher wurde den Parolen des Establishments von der Jugend widersprochen, heute ist es anders. Die Jugend wird repräsentiert von Personen, die einfach das nachbeten, was in Washington verkündet wird, nach dem kindlichen Motto: Wer das größte Militär hat, ist mein bester Freund und was am häufigsten und am lautesten verkündet wird, das ist die Wahrheit.

Das führt zur Selbstaufgabe und diese Selbstaufgabe findet auch im Internet statt: Die Jugend überlässt die Steuerung ihrer Kommunikation und Meinungsbildung fast völlig den US-amerikanischen Kontaktmaschinen. Deren Algorithmen sind aber auf Geldgewinn und auf informativer Ausbeutung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgerichtet. Dabei wäre es sofort möglich, in der vorhandenen Netz-Struktur ein unabhängiges Kontaktmedium zu schaffen, das die Idee der freien Massenkommunikation realisiert. Ein offenes Forum für Demokratie mit Meinungen, Bewertungen und mit schnellen Abstimmungen zur Ermittlung der Mehrheitsmeinung.

Es müsste so organisiert sein, dass jede natürliche Person sich daran beteiligen kann, also alle, die gewillt sind, mit offenem Visier, unter echtem Namen, Politik zu betreiben. Das funktioniert, ohne sich einer Partei, einer Ideologie oder Organisation anzuschließen. Die Einsicht darin, dass man die Anonymität aufgeben muss, wird nicht allen genehm sein, aber Demokratische Politik ist auch im Internet nur möglich mit zahlreichen Menschen, die aus ihrer Anonymität heraustreten.

Parteien sind dazu nicht erforderlich, sie organisieren, bisher exklusiv, den Einstieg in die Politik, nach einem Organisationsmuster, das schon 200 Jahre alt ist. Auch dabei muss man Namen, Anschrift und die IBAN bekannt geben und gewillt sein, sich ideologisch oder wertemäßig festzulegen, das heißt bevormunden zu lassen.

Der öffentliche Debattenraum

Ein Hundertstel des Geldes, das die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten verschlingen, würde reichen, ein demokratietaugliches Internet-Forum zu gründen und zu betreiben. Das wären 80 Millionen Euro pro Jahr. Damit könnte man, zunächst im deutschsprachigen Raum, etwas von der Dimension wie Facebook finanzieren, wo aber die Texte und Aktionen der Teilnehmer weder bewertet, noch verwertet, noch gesteuert, aber professionell moderiert werden. Die Moderatorinnen und Moderatoren würden demokratisch gewählt und angemessen bezahlt. Das ist das Ende der Meinungsdiktatur aus dem 20. Jahrhundert und der Beginn einer Netz-Demokratie im 21. Jahrhundert.

Je öfter diese Idee bestärkt und wiederholt wird, desto näher kommt sie der Realisierung. Eine Idee, wie so ein öffentlicher Debattenraum strukturiert werden könnte, habe ich schon vor einigen Jahren vorgestellt, der Entwurf wurde damals auf mehreren Internetseiten veröffentlicht.

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Demokrit, der Weg in den öffentlichen Debattenraum.

Teil 1, am 25.07.2018 auf apolut https://apolut.net/demokrit-ein-internetforum-fuer-demokratie-und-kritik-teil-1/

Teil 2: am 26.07.2018 auf apolut https://apolut.net/demokrit-ein-internetforum-fuer-demokratie-und-kritik-teil-2/

Die inzwischen aktualisierte Fassung auf kritlit.de https://kritlit.de/lp2/demokrit.htm

Dann kam Corona über uns, wie ein sehr, sehr lauter Bach. Die Corona-Krise mit ihren Maßnahmen und Denkzwängen hat die demokratische Kommunikation (vorübergehend?) hinweg gespült. Aber ohne Demokratie ist alles nichts.

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Rob Kenius betreibt die systemkritische Webseite https://kritlit.de

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Dieser Beitrag wurde vorab auf https://kritlit.de/tdt/klar.htm#deistmach veröffentlicht.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Lutsenko_Oleksandr / Shutterstock.com

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Kommentare (4)

4 Kommentare zu: “Demokratie für einen Tag

  1. Agnes S. sagt:

    @ G. Nau

    Das Smartphone wurde erfunden, um den Menschen den aufrechten Gang abzugewöhnen und ich kenne mittlerweile keinen Menschen unter 80 mehr (außer mich selbst), der/die noch zu einem Leben ohne Smartphone fähig/willens ist. Grauenvoll.

  2. Rob Kenius sagt:

    G.Nau,
    vielen Dank für diesen Kommentar. Er illustriert sehr anschaulich meine Behauptung, dass das neue Medium Rundfunk mit dazu beigetragen hat, die Demokratie abzuschaffen, nachdem die Nazis legal an die Macht gekommen waren. Das Fatale ist, was du auch erwähnt hast, dass die Strukturen des Rundfunks nicht geändert wurden und bis heute bestehen.

    Das habe ich selbst erfahren müssen, als ich nach dem Diplom als fester freier Mitarbeiter beim WDR-Fernseheh gelandet bin. Der damalige Intendant hieß Klaus von Bismarck. Das sagt schon (fast) alles. Ich bin ihm einmal im Fahrstuhl begegnet, er sprach mich an: "Was hat er denn da in seinem Köfferchen?" Preußische Anrede "er"! Ich kannte ihn noch nicht und öffnete den Koffer überraschend schnell. Eine andere Person stieg zu, die uns beide kannte. Sie hat später gegen mich intrigiert.

    Kurz und gut, nach einem Jahr hat man mich vor die Tür gesetzt. Mit dieser krassen Hierarchie konnte ich sowieso nichts anfangen. Heute ist der WDR fast der schlimmste Sender, selbst die Satire ist konform zu den Narrativen und die dienen am Ende dem Anspruch einer Weltherrschaft der USA. (Ich schaue nur Satire-Sendungen im Fernsehen und das auch nur, weil wir dafür bezahlen müssen.)

    Also danke für den Kommentar und schau mal bei kritlit.de rein!
    Mein neuer Spruch, auf der Startseite:
    Konformismus führt zum Faschismus.

    • G.Nau sagt:

      @Rob Kenius
      Hi Rob und danke für Deine Rückmeldung, aber sie wird wohl die Einzige bleiben. Wenn ich frage "wer ist gegen den Überwachungsstaat?" dann rufen alle "hier", aber wenn ich frage "wer macht mit und boykottiert den Überwachungsstaat, indem er auf sein Smartphone verzichtet?", dann wird es so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte.
      Wenn man über die Nebenwirkungen des Smartphones aufklärt, dann muss man schon froh sein, wenn man keinen Shitstorm auslöst!

  3. G.Nau sagt:

    Tatsächlich hat Adolf Hitler von der deutschen Industrie verlangt, ihm einen "Volksempfänger" zu bauen und nicht nur das: Er hat auch einen Preis für das Empfangsgerät festgesetzt, den sich jeder Haushalt leisten konnte. Der Industrie gefiel das nicht, weil sie bei dem von Hitler festgesetzten Preis kaum etwas an dem Gerät verdiente, aber Hitler erklärte ihnen auf seine bekannt charmante Art, dass seine Anweisungen "alternativlos" waren. Von der Bedeutung des Volksempfängers für die Macht der Nazis habe ich zum ersten Mal bei Aldous Huxley erfahren und nicht etwa im Schulunterricht, weil die Alliierten nach dem Krieg zwar die Propaganda der Nazis entfernt haben, aber nicht die Maschinerie, mit der die Propaganda verbreitet wurde. Das deutsche Volk für die Macht der Medien zu sensibilisieren, war nicht vorgesehen, weil man man damit die alliierte Propaganda verbreiten wollte.

    Huxley hat in seinem Buch "Wiedersehen mit der Schönen Neuen Welt" (Brave new world revisited) darauf hingewiesen, dass die Propaganda nach dem Krieg nicht mehr von einem Propagandaminister verbreitet wurde, sondern dass man sie in scheinbar harmlose, fröhliche Produkte der Unterhaltungsindustrie verpackt hat. So wurden in Popsongs nach dem Krieg z.B. junge Mädchen dazu aufgefordert, vorehelichen Geschlechtsverkehr zu haben und es wurde ihnen versprochen, dass der Mann, dem sie sich spontan hingegeben haben, sie danach heiraten würde. Wer etwas Lebenserfahrung hat, weiß wie die Wirklichkeit aussieht: Der Mann ist meistens schon vor dem Frühstück verschwunden und er ruft auch nicht wieder an, auch wenn er das verspricht. Diese manipulative Art der Propaganda ist für die meisten Menschen – vor allem für junge Menschen – nur schwer zu durchschauen, denn sie schleicht sich ins Unterbewusstsein ein und plötzlich glaubt der Mensch, dass er sich selbst für das entschieden habe, was der Propandist von ihm verlangt.

    Der Volksempfänger von heute – das Smartphone – ist hundertmal wirksamer als der Volksempfänger der Nazis, denn während Hitler nur eine Propaganda für alle zur Verfügung stellen konnte, kann der Propagandist von heute jedem Bürger eine eigene, individuelle Propaganda zuspielen, denn seine Algoritmen fertigen Persönlichkeitsprofile der Untertanen an und gehen auf die persönlichen Schwächen eines jeden Medienkonsumenten ein. Während Hitler immer ein paar Wochen warten musste, bevor er eine Rückmeldung darüber bekam, wie seine Propaganda bei den Bürgern angekommen war, bekommt der Propagandist von heute eine sofortige Rückmeldung. Er weiß, welche Internetseite Sie nach dem Konsum der Propaganda aufgerufen haben, wem Sie danach eine mail geschrieben haben, was Sie in dieser mail geschrieben haben und was sie danach im Internet gekauft haben. Der Propaganist von heute weiß sogar, wohin Sie nach dem Konsum der Propaganda gehen, denn Sie tragen das Smartphone ja immer bei sich.

    Übrigens: Wer glaubt, dass die "Entnazifizierung" geendet hätte, als die Alliierten den Rundfunk wieder in deutsche Hände übergeben haben, der irrt. Die Alliierten haben sich erst aus dem Rundfunk zurückgezogen als sie überzeugt davon waren, dass wir uns in Zukunft selbst entnazifizieren konnten. Die Entnazifizierung hat nie aufgehört und sie läuft bis zum heutigen Tage weiter – auch in den "alternativen Medien"!

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