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Alle erwarteten von Donald Trumps Präsidentschaft eine aufblühende Wirtschaft. Doch die Wirtschaftsdaten sind nach wenigen Wochen unter König Donald katastrophal wie lange nicht mehr.
Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
Bevor Donald Trump in das Präsidentenamt eingeschworen wurde, hatte ich meine Prognose gewagt, dass Trump zunächst aus Gründen des eigenen politischen Überlebens ein Feuerwerk der guten Laune entzünden würde. Dass erst einmal viel neues Papiergeld in Umlauf käme, und dazu massive Konjunkturspritzen.
Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.
Denn nach nur sechs Wochen Trump-Präsidentschaft sind die Wirtschaftsdaten vernichtend. Wie im antiken Römischen Reich treten die Auguren auf den Plan und versuchen, aus den widersprüchlichen Äußerungen des großen Irritators eine Strategie herauszulesen. Währenddessen ist so ziemlich alles im Keller, was auch nur im Keller sein kann. Der Börsenkurs bricht krachend ein. Die Krypto-Kurse, ein besonderer Liebling des neuen Präsidenten, erreichen Tiefstände wie seit Jahren nicht mehr. Der Fear and Greed-Index, also jener Indikator, der die Stimmung der Marktteilnehmer anzeigt, steht aktuell auf „extremer Angst“ <1>. Ist das Geschehen von Wachstum und Kursanstieg geprägt, spricht man von einem „Bullenmarkt“. Sausen die Kurse in den Keller, trägt dieser Trend den Namen „Bärenmarkt“. Und der Bär legt sich im Moment auf so ziemlich alle Börsen.
Kein Wunder
Denn eine behutsam wachsende Wirtschaft braucht klare Ansagen von der Politik. Doch aus dem Weißen Haus kommen nur erratische Andeutungen.
Am liebsten sitzt Trump an seinem Schreibtisch im Oval Room und unterzeichnet irgendwelche Executive Orders, also Anordnungen. Dekrete, die der neue König erlässt ohne Absegnung durch die Legislative, also die beiden Häuser des Washingtoner Kongresses. Eine Schar von neugierigen Reportern bevölkert den Ovalen Raum. Fragen prasseln auf den Präsidenten ein. In aufgeräumter Stimmung unterbricht Trump das Unterschreiben seiner Dekrete, und schüttelt mal eben aus dem Ärmel irgendwelche erstaunlichen Erkenntnisse. So erfahren wir aus dem Munde des Großen Machers, dass Spanien Mitglied des losen Staatenbundes BRICS sei <2>. Was wir noch nicht wussten. Mal sagt er, es werden Zölle gegen verbündete Länder erhoben. Dann mal wieder nicht. Dann aber doch ganz bestimmt. Regieren nach Gutsherrenart. Dabei entbirgt Trump einen wirtschaftlichen Sachverstand, der Experten wie Robert Habeck als wahre Koryphäen ihres Fachs erscheinen lässt. Es wäre alles glatt zum Lachen, wenn durch diesen groben Unfug nicht nebenbei Millionen von Menschen in großes Leid abstürzen würden.
Was ich damit meine?
Nun, Trump zerstört gerade mit Feuereifer jenes Umfeld, das die USA mit Tributzahlungen und Lieferungen zu Vorzugsbedingungen bislang ernährt hat. Da sind die Nachbarländer Mexiko und Kanada, die eigentlich durch eine nordamerikanische Freihandelszone mit den USA fest verschweißt sind. Die USA als stärkster Partner konnte den beiden Nachbarn Bedingungen auferlegen, die einseitig den USA nützten. Schon im Februar sollten die USA nach dem Willen des Größten Präsidenten aller Zeiten Importe aus Kanada und Mexiko mit 25 Prozent Zoll belegen. Kanada und Mexiko kamen Trump mit Zugeständnissen entgegen, so dass der große Meister diese Zölle für einen Monat ausgesetzt hat. Aber das ganze Buckeln hat nichts gebracht. Nun kommen die Zölle doch zum 4. März. Und nun kriegt China mit zusätzlichen 10 Prozent Einfuhrzöllen auch noch sein Fett weg. Und auch wir Europäer. Nun sollen auch die Einfuhren aus der Europäischen Union mit 25 Prozent Zoll belegt werden. Das wusste Trump mit der geistreichen Bemerkung zu würzen, die Europäische Union und ihre Vorgänger-Organisationen hätten immer nur die Funktion gehabt, die USA zu bescheißen, und das hätten sie gut gemacht. Doch nun sei Er, Donald Trump, Präsident, und nun habe die Bescheißerei aber ein Ende <3>.
Wieder einmal fragt man sich, ob Trump wirklich so dumm ist, oder ob er nur so tut. Faktum ist ja, dass die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft als Vorläufer der EU auf Anregung der Bilderberger-Gruppe Mitte der 1950er Jahre gegründet wurde und erkennbar die Funktion hatte, Westeuropa zu einer flurbereinigten Einflusszone der USA zu machen. Mit Hilfe der EWG, der EG und der heutigen EU wurde die westeuropäische Wirtschaft so formatiert, dass sie die USA als deren Peripherie optimal unterstützte <4>. Weiß der Trump das wirklich nicht? Oder mimt Trump den Wahnsinnigen wie Hamlet in Shakespeares Drama, um mit dieser paradoxen Intervention besonders gute Deals zu machen? Wir werden sehen.
Ein bisschen können wir das Rätsel auflösen. Trump ist ein Anhänger der marktradikalen Ideologie. Und die Marktradikalen möchten die sogenannten direkten Steuern, also zum Beispiel Vermögenssteuer und Körperschaftssteuer, abschaffen. Es ist in den marktradikalen Glaubensrichtungen noch umstritten, ob man auch die indirekten Steuern, also Steuern, die auf Konsumgüter erhoben werden, abschaffen soll. Trumps Handelsminister Howard Lutnick zum Beispiel will, dass der Staat nur noch Einnahmen aus Zöllen generieren soll. Das habe ja bis 1913 so wunderbar geklappt. Und Trump assistierte, die Amerikaner würden durch hohe Zölle reich.
Ob das der Fall sein wird? Schauen wir mal genauer hin. Trump hat ja schon in seiner ersten Amtsperiode versucht, die eigene Industrie wieder anzufachen, indem Importe teurer wurden. Die gewünschte Revitalisierung des deindustrialisierten Rostgürtels in den Appalachen blieb allerdings aus. Der Grund ist klar: die Stahlindustrie ist vor vielen Jahrzehnten nach China ausgewandert. Seitdem ist diese schmutzige Industrie zum allergrößten Teil automatisiert. Kämen die Stahlkocher in die USA zurück, so würde das die Arbeitslosigkeit nur geringfügig verringern.
Und bis jetzt hat Trump noch keinen Plan vorgelegt, wie eine solche Renationalisierung der Industrie überhaupt vonstatten gehen soll. Die Ausführung einer solchen Reindustrialisierung würde viel Geld und viel Zeit verschlingen. Da ein solcher Plan nicht vorliegt, haben Trumps Zölle nur eine Wirkung: auf die importierten Waren kann keiner in den USA verzichten. Also müssen alle erheblich mehr Geld ausgeben für die importierten Waren. Da die Leute aber nicht mehr Geld in der Tasche haben, ist ab sofort Schmalhans Küchenmeister. Die einzige Ressource ist das Sparen. Und die Preise steigen. Die Inflation nimmt weiter Fahrt auf. Und auch die Rezession lässt nicht lange auf sich warten. Das ergibt Stagflation. Inflation und Stagnation gleichzeitig. Eine schlimme Kombination. Da kommt man nur schwer wieder raus.
Das ist aber noch nicht alles. Denn die USA lebten bislang so prächtig, gerade weil sie den Rest der Welt munter ausgenommen haben. Die Nummer geht so: andere Länder, allen voran die Volksrepublik China, belieferten die USA mit billigen Waren. Obwohl der Reallohn der gewöhnlichen US-Bürger immer weiter gesunken ist, konnten die Amerikaner munter weiter konsumieren. Allerdings auf Pump. Die Exporteure ließen sich ihre Lieferungen in Dollar auszahlen. Den Gewinn legten die Exporteure zum Teil an der US-Börse in Aktien an. Oder sie kauften Staatsanleihen der USA. Das vermehrte sozusagen leistungslos zusätzlich das Vermögen der Exporteure. Und die bullische US-Börse warf wiederum Investitionskapital in die Wirtschaft der Vereinigten Staaten. Deswegen stehen die USA – noch – so gut da und scheinen vor Kraft nur so zu bersten. Denn Kapitalanleger haben dann zusätzlich noch Geld in die US-Finanzwelt geworfen, denn in der pulsierenden Börsenszene schien sich das Geld wie durch ein Wunder immer schneller zu vermehren.
So, und nun zersticht Trump diese Blase mit einer Nadel
Und zwar ohne Notwendigkeit. Die Chinesen haben den Braten schon lange gerochen. Sie wussten ja, dass der Trump sie auf dem Kieker hat. Also haben die Chinesen nicht nur ihre Dollarbestände stetig und unauffällig abgebaut. Unauffällig genug, dass der Dollar dabei nicht allzu sehr an Wert verliert, und die Chinesen dabei auch noch Kursverluste erleiden. Zum anderen hat die chinesische Regierung die Löhne im eigenen Land massiv angehoben und den Mittelstand gefördert. So entsteht Binnen-Nachfrage. China ist immer weniger auf Exporte in die USA angewiesen. China hat den Wettbewerbsvorteil, dass eine starke Regierung langfristig planen kann. Was immer wieder den kindischen Neid der Westlichen Wertegemeinschaft erregt. Denn die Regierungen der Westlichen Wertegemeinschaft sind durchdrungen von der marktradikalen Ideologie, dass man den Staat bis zur Unkenntlichkeit zerstören und abbauen muss. Und dann beklagt man sich, dass man sich ein Bein nach dem anderen mutwillig abgesägt hat. Und dass die Chinesen noch beide Beine haben und gehen können. Auch das deutsche Wirtschaftswunder basierte auf Erhards Überzeugung, dass der Staat ordnend und planend den Takt vorgeben muss <5>.
Die Westliche Wertegemeinschaft muss offenkundig noch einige Schwarze Freitage hinter sich bringen, um wieder zur volkswirtschaftlichen Vernunft zurückzukehren. Die Europäische Union brauchte jetzt einige Zeit, um die Faustschläge aus den so heiß geliebten USA zu verwinden. Jetzt sinnt die EU nicht nur auf Rache in Form von Strafzöllen gegen US-Waren. Die EU hatte sich auf Drängen der vorherigen US-Regierungen darauf verlegt, die lahmende Konjunktur durch eine beispiellose Aufrüstung wieder zu befeuern. Zum anderen versuchen die Emissäre der EU, Wirtschaftskontakte mit den eben noch so verachteten Ländern der Dritten Welt aufzubauen – an den USA vorbei, und sogar in offener Rivalität <6>.
Die jahrzehntelange Eisschicht der US-Hegemonie, die auf der Erdoberfläche lastete, schmilzt gerade im Rekordtempo. Losgelöste Eisschollen schwimmen herum und stoßen immer wieder gegeneinander. Trump hat das ebenso geniale wie perfide konzentrisch um die USA gelegte Tributsystem im Handumdrehen zerschlagen. Der geopolitische Analyst Pepe Escobar hat gewitzelt, die CIA hätte eine schockierende Erkenntnis gewonnen: das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas habe eine raffinierte Strategie. Nämlich sich einfach hinzusetzen und zuzuschauen, wie sich die Westliche Wertegemeinschaft gerade selbst mit Feuereifer zerlegt.
Lösen sich die USA auf?
Denn ein Bündnis, eine Staatenföderation im Besonderen, muss immer wieder gehegt und gepflegt werden durch Geschenke und Wohltaten. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind als Bündnis fragiler als manche glauben. Da war zunächst der Verband der Gründerstaaten. Dann verleibten sich die USA weitere große Staaten im Laufe der Kriege gegen Mexiko ein. Im Bürgerkrieg in den 1860er Jahren wurden die Südstaaten gewaltsam unterworfen und annektiert. Diese Wunde ist nie wirklich verheilt. Dazu kamen immer wieder die harten Gegensätze zwischen den Blauen und den Roten Staaten. Soll heißen: Staaten, die von den „progressiven“ Demokraten regiert werden. Und den „konservativen“ Staaten, die von den Republikanern dominiert werden <7>. Und so gab es Stimmen, die das „progressiv“ regierte Kalifornien von der Staatenföderation USA abtrennen möchten <8>. Und dieses Jahr soll es im flächenmäßig größten Bundesstaat Texas zu einer Volksabstimmung kommen, ob Texas sich von den USA abtrennen soll <9>.
Die US-Bürger murren. Sie sollen Steuern abführen für Kriege in Ländern, deren Position auf dem Globus den ordinary americans komplett unbekannt sind. Und das in einer Situation, in der die Kluft zwischen Superreich und Superarm extreme Ausmaße erreicht. Die Konfrontation zwischen konservativen Amerikanern und der „woken“ Szene wird immer militanter. Wenn jetzt das Preis-Leistungsverhältnis des Konstrukts USA nicht mehr stimmt, werden die USA implodieren.
Und wir?
Anstatt die einmalige Gelegenheit zu einer grundlegenden Neu-Orientierung Europas zu nutzen, wollen die militärischen Zwerge der EU jetzt tatsächlich den russischen Bären noch mehr ärgern. Man bestaunt den vollständigen Verlust jeglichen Realitätssinns bei der EU-Regierung. Wie schafft man das, so herum zuspinnen? Wie viel Koks müssen sich diese Leute in die Nasenlöcher geschossen haben, um Phantasie und Wirklichkeit nicht mehr auseinanderhalten zu können?
Gehen wir also erneut auf die Straßen. Demonstrieren wir für ein neutrales, weltoffenes Europa <10>. Und bauen wir unsere Wirtschaft von unten her völlig neu auf. Wir müssen das sowie so über kurz oder lang machen. Die Situation zwingt zum Handeln.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Quellen und Anmerkungen
<1> https://edition.cnn.com/markets/fear-and-greed
<2> https://www.youtube.com/watch?v=DAQlMXmOgig
<3> https://www.bbc.com/news/articles/c05ml3q2gn7o
<4> Hermann Ploppa: Die Macher hinter den Kulissen – Wie transatlantische Netzwerke die Demokratie unterwandern. Frankfurt/Main 2014
<5> gut nachzulesen bei Ludwig Erhard: Wohlstand für alle. München 1957
<6> https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9887
<8> https://www.telepolis.de/features/Gespaltene-Staaten-von-Amerika-9542514.html?seite=all
<10> https://www.deutschlandneutral.de/
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: pantid123 / shutterstock
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