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Das Ende der NATO? | Von Thomas Röper

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Ist der anstehende NATO-Gipfel der Beginn vom Ende der bisherigen NATO?

Ende Juni findet der jährliche NATO-Gipfel statt. Die Trump-Regierung könnte dort den Anfang vom Ende der NATO in ihrer bekannten Form einläuten.

Ein Kommentar von Thomas Röper.

Am 24. und 25. Juni findet in Den Haag der alljährliche NATO-Gipfel statt. Die USA wollen von den NATO-Staaten dort das Versprechen erhalten, deutlich mehr für Rüstung auszugeben, während die Trump-Regierung gleichzeitig immer offener andeutet, dass sich die Europäer nicht mehr auf den Schutz durch die USA verlassen können. Die russische Nachrichtenagentur TASS hat dazu einen interessanten Artikel veröffentlicht, den ich übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Verteidigt euch selbst! Die USA fordern von der EU weiterhin eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben

Seit seinem Amtsantritt als US-Präsident hat Donald Trump wiederholt seine Absicht erklärt, die NATO-Mitgliedstaaten in Europa dazu zu bringen, die Verteidigungsausgaben auf 5 Prozent des BIP zu erhöhen, während sein Nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz sagte, dass alle NATO-Verbündeten ihre Verpflichtungen erfüllen müssten, die Militärausgaben bis zum nächsten Gipfel der Allianz im Juni dieses Jahres auf 2 Prozent des BIP zu bringen. Die TASS berichtet über den Druck der USA auf die Verbündeten und die Realisierbarkeit der von ihnen angestrebten Zahlen.

Die USA setzen verschiedene Methoden ein, um das oben genannte Ziel zu erreichen. In erster Linie ist das der Druck auf die Politiker der europäischen Länder. Mitte April haben sich Vertreter der Washingtoner Regierung bereits mit einer Reihe von Staats- und Regierungschefs und hochrangigen Beamten der EU-Länder getroffen, wo sie ihre Forderungen in dieser Frage erneut zum Ausdruck brachten.

So hat Trump am 17. April zu Beginn eines Treffens mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Weißen Haus erklärt, dass er das Versprechen der italienischen Regierung, die Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des BIP anzuheben, für unzureichend halte.

Die italienische Ministerpräsidentin erklärte gegenüber Reportern, die Regierung sei entschlossen, diese Zusage einzuhalten. „Sie werden erhöht werden“, unterbrach Trump sie. Daraufhin fragten die Journalisten, ob er die Zahl von 2 Prozent des BIP für ausreichend halte. „Sie (die Verteidigungsausgaben – Anm. TASS) sind nie ausreichend. Niemals“, betonte der US-Präsident.

Meloni stellte später klar, dass die Frage einer weiteren Erhöhung der Militärausgaben von der Regierung des Landes noch nicht in Betracht gezogen worden sei.

Am selben Tag hat US-Verteidigungsminister Pete Hegseth das Thema bei Gesprächen mit seinem französischen Amtskollegen Sebastien Lecornu im Pentagon angesprochen.

„Der [US-Verteidigungs-]Minister forderte Frankreich auf, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen und zusammen mit anderen NATO-Verbündeten die Hauptverantwortung für den Schutz Europas vor nicht-nuklearen Waffen zu übernehmen“, sagte Sean Parnell, der Sprecher des US-Verteidigungsministers. „Hegseth und Lecornu erörterten weitere vorrangige Themen, darunter die laufenden Bemühungen um einen dauerhaften Frieden in der Ukraine“.

Neutralität ist kein Allheilmittel

Bisher hat Washington sich nur über die geringen Verteidigungsausgaben der europäischen Staaten, die dem NATO-Block angehören, geärgert. Es ist jedoch sicher, dass die westlichen Partner den Druck in dieser Angelegenheit auch auf neutrale Länder des Kontinents, wie die Schweiz, erhöhen werden.

Letztere nimmt trotz ihres neutralen Status seit 1996 am NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ teil, das auf den Ausbau der bilateralen militärischen Zusammenarbeit, des Informations- und Erfahrungsaustauschs abzielt. Im Juli 2024 gab die Schweizer Regierung bekannt, dass die NATO ein Büro in Genf eröffnen wird, um die Beziehungen zu den dort ansässigen internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen auszubauen.

In der am 31. Januar 2024 verabschiedeten außenpolitischen Strategie 2024-2027 bekräftigte die schweizerische Regierung ihr Engagement für die Stärkung der Beziehungen zur NATO, einschließlich der Teilnahme an Militärübungen und der Verbesserung der Interoperabilität der Streitkräfte.

In einem Interview mit dem Portal des Schweizer Radios und Fernsehens sagte Brigadegeneral Markus Mader, Leiter des Staatssekretariats für Sicherheitsfragen im Verteidigungsministerium, dass Druck auf Bern in dieser Hinsicht unvermeidlich sei, da die europäischen Politiker eine weitere Militarisierung der EU anstreben und das 800 Milliarden Euro schwere Aufrüstungsprogramm ReArm Europe verabschiedet worden sei: „Der Druck auf die Schweiz, mehr in die Verteidigung zu investieren, wird [seitens der EU] zunehmen“, sagte er.

Er deutete auch an, dass Bern an einer engeren Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen interessiert sei, um die Verteidigungskapazitäten der Eidgenossenschaft zu stärken. Dabei sei es nicht so wichtig, ob es sich um die NATO oder die EU handelt. Das Wichtigste sei, so Mader, dass die Schweiz zur Zusammenarbeit „für eine wirksamere Verteidigung im Falle eines bewaffneten Konflikts“ bereit sei.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums beliefen sich die Ausgaben der Schweiz für die Streitkräfte 1990 auf 1,3 Prozent des BIP, sanken aber bis 2023 auf 0,7 Prozent. Im Dezember 2024 beschloss das Parlament eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets für die Jahre 2025-2028 um 4 Milliarden Franken (4,9 Milliarden Dollar) auf 29,8 Milliarden Franken (36,4 Milliarden Dollar). Das mitteleuropäische Land will bis 2032 ein Militärausgabenziel von einem Prozent des BIP erreichen.

Außenseiter am Scheideweg

Was die Länder betrifft, die Mitglieder der NATO sind, so ist Spanien derzeit am wenigsten in der Lage, seine NATO-Verpflichtungen zu erfüllen. Sein Militärhaushalt erreicht nach NATO-Angaben für Ende 2024 kaum 1,28 Prozent des nationalen BIP. Diese Situation erregt, wie Infodefensa.com schreibt, in Madrid wohl besondere Besorgnis.

Laut dem Bericht zeigt die spanische Regierung in der Frage der Erhöhung der Verteidigungsausgaben unter den anderen europäischen Ländern derzeit die größte innere Uneinigkeit. Das Problem ist so akut geworden, dass der Ministerpräsident des Königreichs Pedro Sanchez es sogar vorzieht, das Wort „ReArm“ (aufrüsten) nicht zu benutzen, wenn es darum geht, das entsprechende Programm zu diskutieren, um „offene Wunden nicht wieder aufzureißen“.

„Die Situation in unserem Land nimmt den Charakter einer doppelten Dimension an“, schreibt der Autor des von Infodefensa veröffentlichten Materials. „Einerseits gibt es internationalen Druck, den Prozess zur Erreichung des Ziels von 2 Prozent [des BIP für Verteidigungsausgaben] zu beschleunigen. Auf der anderen Seite gibt es eine Kontroverse darüber, wie genau die Verteidigungsausgaben berechnet werden sollen.“

Sanchez und die ihm unterstellten Minister, die dem Flügel der Sozialisten nahestehen, haben wiederholt versichert, dass ihre Absicht, den spanischen Militärhaushalt auf 2 Prozent des BIP zu bringen, unerschütterlich ist, dass die Arbeiten in diese Richtung laufen und dass, wenn sie erfolgreich sind, die angestrebte Zahl „viel früher als im Jahr 2029“ erreicht werden wird.

Damit das klappt, erwägt Madrid jedoch, Mittel für die Terrorismusbekämpfung, den Grenzschutz und andere Maßnahmen, die in irgendeiner Weise mit der nationalen Sicherheit zusammenhängen, in seine Ausgaben für den Kauf von Waffen und die Modernisierung der Streitkräfte aufzunehmen.

Das würde die Aufgabe des Königreichs erleichtern, aber es bleibt fraglich, ob das NATO-Hauptquartier diesen Schritt genehmigen würde. Das gilt als unwahrscheinlich.

Sanchez teilte Reportern am 22. April mit, dass ein Plan, der Spanien helfen soll, seine Militärausgaben bereits in diesem Jahr auf 2 Prozent des BIP zu erhöhen, vom Ministerrat gebilligt worden sei und am darauffolgenden Tag zur Prüfung nach Brüssel geschickt werden würde. Ihm zufolge geht es um zusätzliche Investitionen in Höhe von 10,471 Milliarden Euro.

Gleichzeitig gibt es im Land immer noch Debatten über die Zweckmäßigkeit einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben, die Stärkung der Sicherheit auf Kosten sozialer Verpflichtungen gegenüber den Bürgern, Investitionen in das Gesundheits- und Bildungswesen und andere zivile Bereiche.

Die Regierung und Sanchez selbst bestehen darauf, dass die Aufstockung des Verteidigungshaushalts nicht zu Kürzungen bei den Sozialausgaben führt, sondern durch „parallele Investitionen“ erfolgen soll. Auf diese Weise, so glaubt die Regierung des Königreichs, wird es möglich sein, im Kontext der globalen Turbulenzen, die jeden Tag zunehmen, Stabilität und Frieden zu erreichen.

Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Diskrepanz zwischen den Vorstellungen Madrids von seiner künftigen Rolle in der NATO und dem Beitrag, den es zu leisten bereit ist und derzeit für die Allianz erbringt. Und dieser Beitrag ist, wie Infodefensa feststellte, eher gering.

So leiden die Streitkräfte des Königreichs unter veralteten Waffen und Ausrüstungen, ihr Ansehen auf internationaler Ebene ist gesunken, und spanische Militärkommandeure werden nur selten in Schlüsselpositionen der NATO berufen. Infolgedessen, so betonte das Portal, seien die Gefühle des Landes in Bezug auf die Mitgliedschaft in der Allianz gelinde gesagt „unangenehm“.

Die fehlende Koordinierung zwischen der nationalen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik und der Innenpolitik erschwert eine wirkliche Beteiligung [Spaniens] an den Angelegenheiten der Allianz noch mehr“, heißt es abschließend in dem Artikel.

Den Haag entscheidet alles

Wie Infodefensa schreibt, droht der bevorstehende NATO-Gipfel in Den Haag zu einem „echten Meilenstein in der mehr als 75-jährigen Geschichte des Nordatlantischen Bündnisses“ zu werden. Das gegenseitige Gezänk zwischen Trump und den Staats- und Regierungschefs der anderen Mitgliedsstaaten der Organisation über die Verteidigungsausgaben und den Beitrag jedes einzelnen Landes zur Allianz lässt Zweifel am Fortbestand des westlichen Militärblocks aufkommen, wenn die beiden Seiten nicht endlich bald eine gemeinsame Sprache finden.

Seit ihrer Gründung hat die NATO, wie Infodefensa erklärte, eine „grundlegende Rolle“ bei der Gewährleistung der Verteidigung und Sicherheit Europas gespielt, die auf den Grundsätzen der „Solidarität und des kollektiven Kompromisses“ zwischen ihren Mitgliedstaaten beruhte.

In der Vergangenheit, so wird betont, waren die Militärausgaben in Höhe von 2 Prozent des BIP für jedes Mitglied der Allianz so etwas wie ein Richtwert, an dem sich die Länder orientieren mussten, um nicht nur ihre eigenen Streitkräfte, sondern auch die kombinierten Streitkräfte der NATO in Stand zu halten. In den letzten Jahren habe die Weltlage jedoch gezeigt, dass das nicht mehr ausreichend ist. Dazu habe vor allem der Konflikt in der Ukraine beigetragen, so das Portal.

Seit Trump im Januar dieses Jahres die Präsidentschaft übernommen hat, hat das offizielle Washington bei jeder Gelegenheit seine Forderung an die NATO-Verbündeten gerichtet, die Finanzspritzen für die Verteidigung deutlich zu erhöhen. Es kam sogar zu unverhohlenen Drohungen, dass die USA ihre Truppen aus Europa abziehen und eine Reihe anderer Verpflichtungen gegenüber ihren Verbündeten ignorieren würden, wenn diese das Niveau ihrer Militärausgaben nicht auf das notwendige Minimum bringen würden.

Wie in dem Bericht hervorgehoben wird, geben die USA selbst derzeit 3,38 Prozent des nationalen BIP für die Verteidigung aus. „Seltsamerweise ist das das einzige [NATO-]Land, das diesen Wert seit 2014 nur gesenkt hat“, so der Bericht von Infodefensa, der jedoch darauf hinweist, dass die Beiträge der USA zwei Drittel des Gesamtbudgets der NATO ausmachen, das in dem genannten Zeitraum real um 11 Prozent gestiegen ist.

Die Trump-Regierung untermauert ihre Drohungen gegen Europa mit dem Argument, dass die unzureichenden Verteidigungsinvestitionen vieler NATO-Mitgliedstaaten unter ihnen zu einer ungleichen Verteilung der Verantwortung für die kollektive Sicherheit führen. US-Außenminister Marco Rubio hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die transatlantische Sicherheit nicht kostenlos sei und dass die USA die fehlende finanzielle Beteiligung anderer verbündeter Länder nicht mehr allein ausgleichen können.

In diesem Sinne wird der Haager Gipfel in dem Artikel als eine Art Gelegenheit für die NATO-Staaten gesehen, sich auf ein neues Ziel für die Verteidigungsausgaben zu einigen. Obwohl es wahrscheinlich auf 3 Prozent oder sogar mehr erhöht werden wird, sei es jetzt „fast unmöglich“, das Ziel auf 5 Prozent zu erhöhen, wie das Weiße Haus verlangt.

Nach Angaben von Infodefensa erfüllen derzeit 8 von 32 NATO-Ländern nicht die Anforderung, mindestens 2 Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben auszugeben. Gleichzeitig erhöhen die europäischen Länder, die Russland geografisch am nächsten liegen (z. B. Polen, Litauen, Estland und Finnland), rasch die Mittel für ihre Rüstungsprogramme.

Polen gibt 4 Prozent seines BIP für diese Zwecke aus (der höchste Wert unter den NATO-Ländern), und das Land liegt weltweit auf Platz 15, was den Militärhaushalt angeht. Die anderen aufgeführten Länder haben laut Infodefensa versprochen, die Verteidigungsausgaben in den nächsten vier Jahren auf mindestens 3 Prozent des BIP zu erhöhen.

Den Angaben des Portals zufolge stiegen die gesamten Militärausgaben der europäischen Länder im Jahr 2024 real um 11,7 Prozent auf 457 Milliarden Dollar, während die Verteidigungsausgaben beispielsweise Russlands im gleichen Zeitraum real um 41,9 Prozent gestiegen seien, was unvergleichlich höher ist. Infolgedessen, so wird betont, belaufe sich der russische Militärhaushalt nun auf 6,7 Prozent des BIP oder rund 13,1 Billionen Rubel (145,9 Milliarden Dollar).

Infodefensa schätzt, dass die EU-Länder, wenn sie ihre Verteidigungsausgaben weiterhin in demselben Tempo wie im letzten Jahr erhöhen, in der Lage sein werden, in fünf Jahren den Durchschnittswert von 3 Prozent des BIP und in zehn Jahren 5 Prozent des BIP zu erreichen.

Ende der Übersetzung

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. 

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Dieser Beitrag erschien am 24. April 2025 auf dem Blog anti-spiegel.

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Bildquelle: noamgalai / shutterstock


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