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China setzt sich durch | Von Rüdiger Rauls

China setzt sich durch | Von Rüdiger Rauls

Zölle, Lieferverbote für Chips sowie Technik zu deren Herstellung, Seltene Erden und Nexperia, diese Themen bestimmen seit Wochen das Verhältnis zwischen China und den USA. Sie sind mehr als nur ein Handelskonflikt. Sie stehen für neue Kräfteverhältnisse in der Welt. 

Ein Meinungsbeitrag von Rüdiger Rauls.

Unvorbereitet

Zwischen seiner ersten Amtszeit und der jetzigen haben große Veränderungen in der Welt stattgefunden, die aber an Trump anscheinend unbemerkt vorbei gezogen sind. Er glaubt noch immer, mit der Faust auf den Tisch hauen zu können und damit in den USA seinen Willen, außerhalb den Willen der USA durchsetzen zu können. Im Gutsherrenstil versucht er, die Regierungen anderer Völker herumzukommandieren und mit Drohungen einzuschüchtern, wenn sie nicht nach seiner Pfeife tanzen. Doch die Welt nimmt ihn immer weniger ernst.

Die Expeditionen gegen den Iran und die Huthi im Jemen waren keine Erfolge, mit denen Trump hausieren gehen kann, zumal er ihnen vorher noch vollmundig die totale Vernichtung angedroht hatte. Er hatte sich das alles so einfach vorgestellt, wie er es aus dem New Yorker Immobiliengeschäft gewohnt war. Nur die Weltpolitik ist nicht New York, wo Trump kleine Handwerker mit Prozessen und Druck gefügig machen konnte. Dieses Verhalten scheint ihm so in Fleisch und Blut übergegangen zu sein, dass ihm der Unterschied anscheinend nicht in den Kopf will.

Aber zwischen den Staaten läuft das anders, und mit jeder vollmundigen Drohung, vor deren Umsetzung er den Schwanz einzieht, wird nicht nur Trump immer weniger ernst genommen; mit ihm verlieren auch die USA und ihre Armee an Schrecken. Besonders Russland und China bieten dem amerikanischen Präsidenten die Stirn; Russland militärisch, China wirtschaftlich, aber zunehmend auch militärisch. Hatte er unlängst noch in der für ihn bekannten Selbstüberschätzung erklärt, dass er China im Handumdrehen mit Zöllen gefügig machen könne, so muss nun festgestellt werden, dass ihm das nicht einmal mit Indien gelingt.

In Trumps erster Amtszeit war China noch bemüht, Handelskonflikte mit den USA durch Zugeständnisse zu vermeiden. Wie sich das Kräfteverhältnis zwischen den beiden verändert hat, macht Chinas Haltung zu einem erneut drohenden Handelskrieg deutlich:

„Wir wollen ihn nicht, aber wir scheuen uns nicht, ihn zu führen.“(1)

Dementsprechend unnachgiebig ist Peking, und Washington wirkt sehr ratlos und vor allem hilflos. Denn auf jede Drohung oder wirtschaftlichen Angriff Trumps hat Peking eine Erwiderung, und Chinas Antworten schmerzen die USA mehr als umgekehrt. „Die Entwicklung des Handelskonflikts zeigt, Trump hat China schlicht unterschätzt.“(2)

Dem US-Präsidenten ist offensichtlich nicht aufgefallen, dass die Volksrepublik inzwischen zum weltgrößten Hersteller von Industriegütern aufgestiegen ist, der für 30 Prozent der Weltproduktion steht. China verfügt als einziges Land der Welt über eine geschlossene Lieferkette. Das bedeutet, dass die Volksrepublik im Gegensatz zu den USA und der EU im Bereich der Industrie autark ist, nicht angewiesen auf Zulieferungen aus anderen Ländern. All das scheinen Trump und seine nassforsche boy-group in seiner Tragweite nicht zu verstehen, auch nicht die EU. 

Unausgegoren

Stattdessen versucht man in alten Vorstellungen eigener Überlegenheit, China unter Druck zu setzen oder gar Bedingungen zu stellen. Kaum waren in den vier Verhandlungsrunden zur Beilegung des Zollkonflikts für beide Seiten zufriedenstellende Ergebnisse erzielt worden, schufen die Amerikaner gleich wieder neue Konflikte. In dem Bestreben, Chinas Entwicklung zu behindern, erließ Trump Exportverbote für Hochleistungschips von Nvidia. Darüber hinaus wurde auch befreundeten Ländern deren Verkauf sowie die Lieferung von Maschinen zur Herstellung von Halbleitern untersagt. Anderenfalls drohten amerikanische Sekundärsanktionen.

Unklar ist, welche Überlegungen einem solchen Vorgehen zu Grunde liegen. Sie schaden zwar China, aber auch den westlichen Unternehmen. Vielleicht dachte man, dass die Chinesen diese Maßnahmen schlucken, weil man ihnen bei den Zöllen entgegengekommen ist. Vielleicht war Trump auch überzeugt, dass China sich nicht traut, etwas dagegen zu unternehmen, oder es nicht kann. Dabei hatte die chinesische Regierung doch bereits im April 2025 als ersten Warnschuss die Ausfuhr Seltener Erden eingeschränkt. Weiß Trump nicht, wie abhängig seine Wirtschaft von den Rohstoffen aus China ist oder glaubt er gar, dass die Chinesen es nicht wissen? Jedenfalls mehren sich die Hinweise, „dass die USA komplett unterschätzt haben, wie abhängig sie sind“ (3).

Je mehr die USA die Konflikte mit China verschärften, um so mehr wuchsen sich diese zu handfesten wirtschaftlichen Problemen in den USA selbst aus. Die Volksrepublik kaufte keine amerikanischen Sojabohnen mehr. Getrieben von Existenzangst wächst der Druck der US-Farmer auf Trump, gerade einer seiner treuesten Wählergruppen. Sie fordern ein Abkommen mit China, weil sie befürchten, dass die chinesische Kaufzurückhaltung nicht nur Verhandlungstaktik ist. Denn inzwischen haben sich Argentinien und Brasilien dauerhaft zu Chinas bevorzugten Lieferanten entwickelt. Ihre Preise sind besser, und es gibt keine die politischen Schwierigkeiten.

Der wachsende innere Druck hat vermutlich die Trump-Regierung zum Einlenken gegenüber China bewogen. Denn die in Aussicht gestellte Verbesserung der Lebenslage der Amerikaner will sich nicht einstellen. Die Inflation sinkt nicht. Die Zölle verteuern das Leben der Menschen, ohne die Staatseinnahmen merklich zu verbessern. Die Schulden steigen weiter, die Handelsdefizite ebenso wie das Haushaltsdefizit. Auch von außen kommt kaum Entlastung durch höhere Investitionen ausländischer Unternehmen. So bleibt nur der Rotstift im Innern. Staatsbedienstete werden entlassen. Die Staatsausgaben besonders im Sozialbereich werden gekürzt. Der Konflikt zwischen Regierung und Kongress um die Senkung der Staatsausgaben legt die USA lahm. Die Zustimmung zu Trumps Politik schwindet. 

Genug

Immer wieder waren die USA gezwungen, nach großspurigen Erklärungen ihres Präsidenten kleinlaut in China anzuklopfen, um Schlimmeres von der eigenen Wirtschaft abzuwenden. Die Handelsgespräche zwischen den Delegationen beider Länder hatten keine merklichen Fortschritte gebracht. Stattdessen eskalierten die USA, indem sie weitere chinesische Unternehmen auf ihre Sanktionsliste (Entity list) setzten, mit denen auch andere Staaten keine Geschäfte machen dürfen.

Am 29. September 2025 wurden diese Einschränkungen weiter ausgedehnt auf Unternehmen, die zu mehr als 50 % von einem Unternehmen der Entity List kontrolliert werden. Das betraf auch die niederländische Nexperia, an der die chinesische Wingtech mehrheitlich beteiligt ist. Gegen diese Einschränkung seiner Geschäftstätigkeit drohte Wingtech mit der Einstellung der Produktion in den Niederlanden. Daraufhin stellte die Regierung in Den Haag Nexperia unter Zwangsverwaltung.

Das rief Peking zum Schutz chinesischer Unternehmensinteressen auf den Plan. Chinas Regierung verbot die Ausfuhr von Zwischenprodukten, die für die Produktion von Nexperia in Europa unverzichtbar waren. Das Unternehmen deckt immerhin etwa 50 Prozent des weltweiten Chipbedarfs in der Autoindustrie. Am 9. Oktober erhöhte Peking den Druck auf den politischen Westen zusätzlich. Man wollte wohl zeigen, dass man keine weiteren Spielchen der amerikanischen Seite mehr hinnehmen würde. Die Volksrepublik schränkte die Auslieferung seltener Erden massiv ein.

Das geschah ausdrücklich auch mit dem Hinweis, dass man keine Belieferung von Rüstungsunternehmen mit diesen Metallen mehr zulassen werde; man wolle „deren militärischen Missbrauch verhindern. Diese Maßnahmen tragen … auch zur Förderung des Weltfriedens und der Stabilität bei“(4). Dem politischen Westen wurde von den Chinesen sehr deutlich vor Augen geführt, wie wichtig die Produktion des Landes für die westliche Wirtschaft ist. Denn Chinas Industrie stellt mehr her als die Unternehmen des politischen Westens zusammen. Es zeugt von unglaublicher Realitätsferne und Überheblichkeit zu glauben, einen solchen Partner immer wieder drangsalieren zu können, ohne mit Gegenmaßnahmen rechnen zu müssen.

Dementsprechend waren auch die ersten Reaktionen aus den Hauptstädten des Westens. Anscheinend war man nicht nur überrascht, dass auch die Chinesen über eigene Druckmittel verfügten, sondern sie diese auch einzusetzen wagten. Gewohnt kämpferisch, sprach der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer, einer der Scharfmacher in der US-Regierung, von einem „Angriff auf die globale Lieferkette … [und] die USA und ihre Verbündeten würden diese Beschränkungen nicht akzeptieren“(5). Als wäre es das Vorrecht des politischen Westens, dass nur sie die globalen Lieferketten belasten dürfen und es sich bei der Belieferung mit Seltenen Erden um eine chinesische Verpflichtung handele.

Verändert

Eilends suchte dann auch der deutsche Außenminister Johann Wadephul das Gespräch mit Peking, wo doch der deutschen Autoindustrie durch die Chipknappheit Produktionsstopps drohten. Auch für ihn schien es selbstverständlich, dass die Chinesen nun umgehend für deutsche Sorgen ein offenes Ohr haben mussten. Denn „keines der infrage stehenden Themen duldet Aufschub, schon gar nicht die Versorgung der deutschen Industrie mit Chips und Rohstoffen“(6). Dazu hatten dann wohl auch Themen wie die Unterstützung Russland im Ukraine-Krieg und die deutschen Handelsbilanzdefizite gehören sollen.

In alt bekannter Gutsherrenmanier schien Wadephul also der Meinung zu sein, dass China springen muss, wenn Deutschland pfeift. Nicht nur scheint er sich der unterschiedlichen Ausgangslage nicht bewusst zu sein. Er hatte offensichtlich auch vergessen, dass man für die Interessen Chinas wenig Verständnis gezeigt hatte wie „jüngste Äußerungen Wadephuls über Taiwan ..., aber auch die aktivere deutsche Rolle im sogenannten Indopazifik.“(7) belegen. Und „dass jüngst eine deutsche Fregatte durch die Straße von Taiwan geschickt wurde, wird man in Peking nicht vergessen haben“(8). Beleidigt sagte Wadephul seine Reise nach Peking ab, weil man dem Deutschen nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die er zu erwarten dürfen glaubte.

Auch dem amerikanischen Präsidenten war wohl durch das Exportverbot der Seltenen Erden die wahren Verhältnisse deutlicher geworden. Der APEC-Gipfel in Südkorea bot ihm eine unverfängliche Gelegenheit, um mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping zu einem persönlichen Gespräch zusammen zu kommen. Denn am Gipfel selbst nahm Trump nicht mehr teil. Nicht Xi, sondern Trump suchte kleinlaut das Gespräch. China schlug es nicht aus. Aber Xi erwartete, dass das Treffen von gegenseitigem Respekt getragen ist und etwas dabei herauskommt.

Die Ergebnisse dieser Zusammenkunft sind erst einmal nicht so bedeutend. Manche Zölle wurden gesenkt, manche Beschränkungen aufgehoben, aber alles erst einmal nur für ein Jahr. Wie lange sich Trump daran halten wird, wird sich zeigen. Viel wichtiger ist jedoch, dass der Amerikaner sich auf die Vorgaben Chinas einlassen musste. So betonte auch Trump nach dem Treffen die Vorteile der Zusammenarbeit zwischen den Ländern und die großartigen Perspektiven, die beide für sich darin sehen. Davon war vor dem Treffen keine Rede gewesen, da herrschten Konfrontation und die Vorstellung vor, mit China in der Zollfrage Schlitten fahren zu können.

Wie lange der wankelmütige und unberechenbare US-Präsident sich daran hält oder ob es sich dabei nur um Lippenbekenntnisse handelt, wird man sehen. Dass Trump aber Xis Sichtweisen und Sprachregelungen übernahm, zeugt von einem veränderten Kräfteverhältnis. Trump war nicht in der Lage, dem etwas entgegen zu setzen. Es herrscht Augenhöhe oder, weniger idealistisch ausgedrückt, Kräftegleichgewicht. Nun stellt sich nur noch die Frage, ob es bei dem chinesischen Verbot für Lieferungen von Seltenen Erden an die Rüstungsindustrie bleibt. Damit würde sich das Kräfteverhältnis in der Welt deutlich zugunsten von China und jenen Ländern verändern, die der amerikanischen Vorherrschaft überdrüssig sind.

Quellen und Anmerkungen

Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.

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(1) Global Times 13.10.2025: Nur durch die Einhaltung von Versprechen können sich die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen China und den USA stabilisieren

(2) FAZ 27.10.2025 Unterschätztes China

(3) FAZ 29.102025: Showdown der Supermächte

(4, 5) Global Times 16.10.2025 US-Beamte bezeichnen Chinas Kontrolle über Seltene Erden als Bedrohung für die Lieferkette; Washingtons unverantwortliche Äußerungen könnten die Situation verkomplizieren, sagt ein Experte

(6, 7, 8) FAZ 25.10.2025 Deutschlands Wahl

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Xi Jinping (Staatsoberhaupt der Volksrepublik China)
Bildquelle: 360b / shutterstock


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