Ein Meinungsbeitrag von Wolfgang Effenberger.
Zu Beginn meiner China-Rundreise fand sich auf der Titelseite der Ausgabe von CHINA DAILY vom 13./14. September 2025 folgenden Bericht:
„Soldaten eskortieren am Internationalen Flughafen Taoxian in Shenyang, Provinz Liaoning, am 13. September 2025 Särge mit den sterblichen Überresten von Märtyrern der Chinesischen Volksfreiwilligen, die während des Krieges zur Abwehr der US-Aggression und Hilfe für Korea (1950–1953) gefallen sind; sie wurden am Freitag nach China zurückgebracht.“ (PAN YULONG / XINHUA)
Die Nation ehrt die zurückgekehrten gefallenen Soldaten aus Südkorea
„Die Überreste von 30 chinesischen Soldaten, die während des Krieges zur Abwehr der US-Aggression und Hilfe für Korea (1950–1953) gefallen sind, wurden am Freitag nach China zurückgeführt. Ein strategisches Transportflugzeug des Typs Y20 der Volksbefreiungsarmee transportierte die Überreste und persönlichen Gegenstände der Soldaten von Incheon, Südkorea, nach Shenyang, der Hauptstadt der nordostchinesischen Provinz Liaoning.“
Die Särge wurden einen Tag später auf einem Märtyrerfriedhof in Shenyang beigesetzt. Die Rückführung erfolgte auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Ministerium und dem südkoreanischen Verteidigungsministerium.
Unter der Führung von Peng Dehuai, dem Oberbefehlshaber der Armee der Chinesischen Volksfreiwilligen, kämpften fast 2,9 Millionen chinesische Soldaten in diesem Krieg. Mehr als 197.000 chinesische Soldaten und zivile Freiwillige, die von den Volksfreiwilligen rekrutiert wurden, kamen in den Kämpfen ums Leben.
Seit dem Jahr 2000 werden in Südkorea Überreste gefallener chinesischer Soldaten geborgen, seit 2014 erfolgt ihre Rückführung nach China. Bislang fanden zwölf Übergaben statt, bei denen insgesamt die sterblichen Überreste und persönlichen Gegenstände von mehr als 1.000 Märtyrern heimgebracht wurden.
Am 13. September 2025 wurden die Särge offiziell auf dem Flughafen Incheon an die chinesische Delegation übergeben. Nach einer Gedenkzeremonie traten sie die Heimreise an. Sobald das Y‑20-Flugzeug den chinesischen Luftraum erreichte, schlossen sich ihm vier Tarnkappenjäger des Typs J‑20 an, die in Formation eskortierten und damit den Gefallenen die Ehre erwiesen.
Nach der Landung in Shenyang erwartete eine große Menschenmenge das Transportflugzeug: Regierungsvertreter, Militärangehörige, Veteranen und Familienmitglieder versammelten sich zu einer feierlichen Begrüßungszeremonie.
„75 Jahre lang haben die Soldaten auf ihre Heimkehr gewartet“, sagte Wu Jiyang, ein Soldat der Landstreitkräfte, der einen der Särge aus dem Flugzeug trug. „Wir werden immer auf ihre Rückkehr warten, egal wie lange es dauert.“
Auch junge Menschen ehrten die Märtyrer. Yuan Ruihan, eine Studentin der Nordost‑Yucai‑Schule in Shenyang, erklärte: „Der Frieden, den wir heute haben, ist durch ihr Opfer möglich geworden.“ Sie wolle den Mut und die Tapferkeit der Gefallenen weitertragen, um ihr Andenken zu bewahren. Während im Westen kaum jemand vom Koreakrieg gehört, geschweige denn sich mit den Hintergründen beschäftigt hat, ist das in China durchaus ein wichtiges Thema. Das Gedenken soll sicherlich auch dazu dienen, die über China schwebende Gefahr durch die US-Aggression bewusst zu machen.
Koreakrieg 1950-1953: Zementierung der Teilung Koreas
Der Koreakrieg brach nach den offiziellen Daten am 25. Juni 1950 aus. Je nach Sichtweise der jeweiligen politischen Lager wurde schnell die gegnerische Seite als alleiniger Aggressor gebrandmarkt. Inzwischen sind die Historiker bereit, differenzierter mit der Schuldzuweisung umzugehen. In seinem zweibändigen Werk beschäftigt sich der an der Universität von Chicago lehrende Historiker und Korea-Experte, Bruce Cumings, mit den Ursprüngen des Koreakrieges. Cumings hält schon die Frage, wer den Krieg begann, für falsch. Sie sei genauso wenig zu beantworten, wie die, wer den Bürgerkrieg in den USA im 19. Jahrhundert begonnen hat. Sinnvoller sei es, nach den Ursachen zu fragen.
Das alte Korea war ein stark zentralistisch organisiertes Königreich mit einer homogenen, konfuzianistischen Bevölkerung und verfolgte eine strikte Isolationspolitik. Beziehungen wurden nur mit China unterhalten. Als im neunzehnten Jahrhundert die sino-zentrierte Weltordnung in Ostasien zusammenbrach, zwang der Westen das Einsiedler-Königreich Korea als letztes Land in Asien 1873 zur Öffnung. Korea versank in innere Auseinandersetzungen, vernachlässigte die weltpolitische Entwicklung und wurde 1910 von Japan annektiert. So wundert es nicht, dass sich die Koreaner 1945 nach der bedingungslosen Kapitulation Japans freuten, endlich von Japan befreit worden zu sein. Doch diese Freude währte nur kurz und wurde durch einen Schock abgelöst: die Siegermächte teilten Korea vorläufig am 38. Breitengrad. Mit der Begründung, die japanischen Truppen aus China und Korea zu entwaffnen und nach Japan zu evakuieren, marschierten sowjetische Truppen im Norden und amerikanische Truppen im Süden des Landes ein. Als die zweckgebundene Zusammenarbeit zwischen den beiden Siegermächten schwierig und der Kalte Krieg deutlich wurde, begannen sie – wie in Europa – auch in Korea ihr jeweiliges politisches und wirtschaftliches System in der eigenen Besatzungszone zu installieren.
Obwohl 1945 auf der Londoner Außenministerkonferenz die Einheit Koreas beschlossen worden war, ließen die USA 1948 im besetzten Südkorea vertragswidrig Wahlen durchführen, an denen sich jedoch nur etwa 30% der südkoreanischen Bevölkerung beteiligten. Daraufhin wurde am 18. August 1948 die Republik Korea ausgerufen, Seoul als Hauptstadt bestimmt und ein USA-höriges Marionettenkabinett unter Syngman Rhee als Regierung eingesetzt. Der neue südkoreanische Regierungschef Syngman Rhee war nicht nur in den USA ausgebildet worden, sondern hatte dort auch 37 Jahre gelebt. Als Berater stellten ihm die USA Dolbear, den Direktor der Oriental Consolidated Mining Company, zur Seite. Das war recht praktisch, hatten die US-Firmen von den verdrängten japanischen Kapitalisten doch die südkoreanischen Bergwerke, die fruchtbaren Ländereien, die Eisenbahnen, Banken und Versicherungen übernommen. Zudem beanspruchte Morgans mächtige National City Bank, in dessen Aufsichtsrat der amerikanische Kriegsfalke und US-Außenminister Allen Dulles saß, die alten eigenen oder von den Japanern requirierten Eigentumstitel auch an Bergwerken in Nordkorea, wie die Unsan-Goldgruben, die damals reichsten Goldvorkommen Asiens. Auf den einseitigen Schritt Amerikas antworteten die demokratischen Kräfte Süd- und Nordkoreas mit der Verkündung von Wahlen zu einer gesamtkoreanischen Obersten Volksversammlung. Die von den politischen Führern der Parteien und gesellschaftlichen Organisationen in Süd- und Nordkorea initiierten Wahlen fanden am 25. August 1948 statt. An dieser Wahl nahmen im kommunistischen Nordkorea 99,97 % und in Südkorea trotz Einschüchterung und Terror 77,52 % der wahlberechtigten Bevölkerung teil. Nachdem die südkoreanischen Marionetten die Wahl für ungültig erklärt hatten, entstand am 9. September 1948 mit Hilfe der Sowjetunion und nach ihrem Vorbild im Norden die Koreanische Demokratische Volksrepublik (KDVR) mit der Hauptstadt Pjöngjang und dem jungen, dynamischen kommunistischen Politiker Kim Il Sung an der Spitze. Nachdem sich beide Systeme in Korea weitgehend etabliert hatten, begannen die Besatzungsmächte 1949 ihre Truppen aus Korea abzuziehen.
Die politische Teilung Koreas führte in den darauffolgenden Jahren sowohl im Süden wie im Norden zu chaotischen wirtschaftlichen und politischen Zuständen in beiden Teilen des Landes, so dass der Wunsch nach Wiedervereinigung auf beiden Seiten gleich stark wurde. Ab dem Frühjahr 1949 nahmen die militärischen Auseinandersetzungen am 38. Breitengrad zu und erreichten bis Juni 1950 die Zahl von 2.617 Zwischenfällen. Auch setzten sich Teile der südkoreanischen Bevölkerung, unterstützt vom Norden, gegen das autokratische Regime von Syngman Rhee zur Wehr. Nachdem am 30. Mai 1950 die Anhänger Syngman Rhees eine empfindliche Wahlniederlage hinnehmen mussten, schlugen die Kommunisten die Wiedervereinigung vor:
„Führende Persönlichkeiten aus dem kommunistischen Nordteil und dem amerikanischen Besatzungsgebiet im Süden sollen gemeinsam das Verfahren für gesamtkoreanische Wahlen festlegen: Das aus diesen Wahlen hervorgehende gemeinsame Parlament soll am 10. August in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul zusammentreten, um die Zusammenfassung beider Landesteile zu beraten.“ (1)
Doch dazu kam es nicht mehr. Die Spannungen nahmen weiter zu und eskalierten am 25. Juni in offenen Kriegshandlungen entlang des 38. Breitengrades. Ohne Vorwarnung und ohne Kriegserklärung hätten im Morgengrauen nach vorausgegangenem Mörser- und Artilleriefeuer zehn nordkoreanische Divisionen überraschend den Gegner förmlich überrannt. So die immer noch häufige offizielle Leseweise. Doch der Biograph des damaligen Oberbefehlshabers der US-Truppen im Pazifik-Raum MacArthur, John Gunther, überliefert eine andere Version. Danach erhielt das amerikanische Militär im Stab MacArthurs am frühen Morgen des 25. Juni die Meldung, dass die Südkoreaner die Grenze zum Norden überschritten haben. Am nächsten Tag lautete dagegen der Leitartikel einer großen deutschen Tageszeitung: „Kommunistischer Überfall auf Südkorea / Kriegserklärung und Vormarsch am Sonntagmorgen: völlig überraschend erklärte in den frühen Morgenstunden des gestrigen sonntags die kommunistische Regierung von Nordkorea der nichtkommunistischen Republik den Krieg und ließ gleichzeitig ihre Truppen über den 38. Breitengrad [...] vorrücken. Die kommunistischen Truppen, unterstützt von Panzern, schwerer Artillerie und Flugzeugen konnten schon am ersten Angriffstag die Stadt Kaison, einen wichtigen Eisenbahnknotenpunkt, besetzten.“ (2)
Ganz so überraschend können die Kriegshandlungen nicht eingetreten sein, wurden doch zwei Tage vor Kriegsbeginn auf Betreiben der USA die UN-Beobachter vom 38. Breitengrad abgezogen. Da die sowjetischen UN-Vertreter einschließlich des sowjetischen Vertreters im Weltsicherheitsrat aus Protest gegen den Ausschluss der VR China aus der UNO nicht im Sicherheitsrat anwesend waren, konnten am 25. Juni die USA die Situation ausnutzen, um in einer Blitzaktion einen formalen UN-Sicherheitsratsbeschluss gegen die KDVR durchzusetzen. Nordkorea wurde als Aggressor verurteilt und der sofortige Rückzug verlangt. Hätte die Sowjetunion diesen Krieg erwartet, wäre sie doch vermutlich auf ihrem Posten im Sicherheitsrat geblieben, um den Beschluss mit einem Veto zu unterlaufen oder den Kriegsausbruch wenigstens zu verzögern. Denn im Juli hätten die sowjetischen Vertreter im Weltsicherheitsrat den Vorsitz übernehmen sollen. Als sich am 27. Juni die Niederlage der südkoreanischen Streitkräfte abzuzeichnen begann, fasste die US-Regierung den Beschluss zur militärischen Intervention. Begleitet wurde diese von einer Propagandaschlacht ohnegleichen. Schon 48 Stunden nach Kriegsbeginn konnten dreitausend Kopien des Hollywoodfilms „Die Schlacht um Korea“ an die Filmpaläste ausgegeben werden. Unter dem Leittitel „See- und Luftstreitkräfte der USA greifen ein“ brachte die Süddeutsche Zeitung am 28. Juni die Erklärung des US-Verteidigungsministers Johnson, dass amerikanische Luft- und Seestreitkräfte in Südkorea bereits in Aktion getreten sind.
Vier Tage nach Kriegsbeginn folgte der Beschluss zum Beginn eines großangelegten Luftkrieges gegen Nordkorea und des Luftterrors gegen die koreanische Zivilbevölkerung. Am 30. Juni berichtete die Süddeutsche bereits von der Schwierigkeit amerikanischer Luftstreitkräfte und stellte lapidar fest: „Bomber allein können in Korea nicht entscheiden.“ Da Nordkorea nicht auf die UN-Resolution reagiert hatte und die sowjetischen Vertreter im UN-Sicherheitsrat weiter durch Abwesenheit glänzten, konnte die USA mit den Stimmen der USA-hörigen Mitglieder einen Mehrheitsbeschluss zum bewaffneten Eingreifen von unter der UN-Flagge operierender US-Soldaten und weiteren Alliierten durchpeitschen.
Ende Juni landeten an der koreanischen Küste zur Verstärkung der sich in Südkorea befindlichen US-Besatzungstruppen Soldaten und Kriegsgerät aus Großbritannien, Frankreich, Australien, der Philippinen und der Türkei. Am 7. Juli entschied der Sicherheitsrat, die aus 19 Mitgliedstaaten vereinigten UN-Truppen unter Führung des amerikanischen Oberkommandierenden, General MacArthur, in Korea zu organisieren. MacArthur unterstanden bereits ein Großteil der US-Luftstreitkräfte und fast die gesamte US-Pazifikflotte.
Die Motive für das amerikanische Engagement sind in der Furcht vor weiterer Ausbreitung des Kommunismus und ihrer neuen „Domino-Theorie“ zu erkennen. Sollte ein weiteres Land in der Region fallen, so würden andere mitgerissen werden, so wie bei den Domino-Steinen. Für Truman erschien der Angriff Nordkoreas nur als ein neuerlicher Ausdruck der weltweiten sowjetischen Aggression, die eine entschlossene amerikanische Antwort verlangte, sollte nicht bald auch der Iran und der ganze Mittlere Osten unter sowjetische Kontrolle geraten. Doch die begrenzte Aktion zur Zurückdrängung des Aggressors sollte sich trotz aller chinesischen Warnungen in einen sogenannten Befreiungskrieg für ein vereintes, „unabhängiges und demokratisches“ Korea verwandeln.
Die mit starken Panzerkräften ausgestatteten nordkoreanischen Streitkräfte waren den Truppen des Südens vielfach überlegen. Auch die seit 20. Juli 1950 in Korea kämpfende 8. US-Armee konnte zur Überraschung der Weltöffentlichkeit gegen die Aggression dieses kleinen Staates wenig ausrichten. Nun wurde Nordkorea mit einem Luftterror überzogen, der den Luftkrieg im 2. Weltkrieg in seinen regionalen Dimensionen weit übertraf. Verheerende Angriffe wurden nicht nur auf Pjöngjang, sondern auch auf nordkoreanische Städte und Dörfer geflogen. Die Infrastruktur sollte nachhaltig getroffen werden. Dabei blieben Zielfehler nicht aus. Der Bombenangriff auf Chongjin am 19. August 1950 forderte das Leben von 1.034 Zivilisten. Ebenfalls im August wurden das Zentralkrankenhaus und eine Kindertagestätte in Hungnam von Bomben getroffen. 18 Ärzte und Krankenschwestern, 117 Patienten sowie 52 Kinder zwischen 6 Monaten und vier Jahren wurden getötet. Und wie im Zweiten Weltkrieg glaubten die Amerikaner, sie könnten aus der Luft das nordkoreanische Kriegspotential zerstören und die Moral der nordkoreanischen Zivilbevölkerung brechen. Aber wie in Deutschland wurden die "Terrorangriffe" der Alliierten ein überaus erfolgreiches Durchhalteargument der eigenen Propaganda.
Nicht einmal massive Bombenangriffe konnten den kommunistischen Nachschub zerstören. Bis Ende August zwangen die nordkoreanischen Verbände in einem scheinbar unaufhaltsamen Vormarsch die gegnerischen Truppen zum Rückzug bis auf den Brückenkopf von Pusan im Süden. Hier verteidigen die UN-Truppen ihre Stellungen. Ein Ausbruch scheint unmöglich. 95 % des koreanischen Territoriums befand sich unter der Kontrolle der KVA. Während im August 1950 die UDSSR in den Sicherheitsrat zurückkehrte, begannen die USA, weitere Geldmittel zu mobilisieren. Der Koreakrieg führt zu einer massiven Aufrüstung, von der auch die Wirtschaft der Bundesrepublik profitierte, und zu einer Erhöhung der Truppenstärke. Das Atomwaffenprogramm wurde beschleunigt.
Mitte September riskierte McArthur eine überaus gewagte Landung in Incheon. Mit dem erfolgreichen Manöver konnten die nordkoreanischen Versorgungs- und Nachschubwege unterbrochen werden. Am 29. September war Seoul befreit und die Truppen des Nordens konnten hinter den 38. Breitengrad zurückgedrängt werden. Damit war das UN-Mandat zur Wiederherstellung des Status quo in Korea erfüllt und General MacArthurs Mission bereits am 7. Oktober 1950 beendet. Nun aber sahen General MacArthur und Präsident Syngman Rhee die einmalige Chance, die Kommunisten weiter zurückzudrängen und das geteilte Land zu vereinigen. Dazu erlaubte Präsident Truman den Truppen, den 38. Breitengrad zu überqueren und den Feind über den Yalu-Fluss zurückzudrängen. Die Volksrepublik China warnte vor einer solchen Handlung, doch ungeachtet dieser Warnungen überschritten die UN-Truppen die alte Grenze. Bomberflotten flogen Luftangriffe auf nordkoreanische Städte und Industrieanlagen. Mitte Oktober fiel Pjöngjang und bereits am 25. Oktober standen einige UN-Verbände am Ufer des Yalu-Flusses und damit vor der Grenze zu China. Der Sieg schien nah. Doch unerwartet sickerten Anfang November chinesische Verbände in Korea ein. Mit neuer chinesischer Ausrüstung und verstärkt durch rund 300.000 chinesische Freiwillige nahmen die nord-koreanischen und chinesischen Truppen den Kampf gegen die UN-Truppen auf. Mit dem Eintritt Chinas war der Bruderkrieg zur Überwindung der Teilung in eine neue Phase getreten und zu einem Stellvertreter-Krieg zwischen Ost und West geworden. China und Nordkorea kämpften mit Unterstützung der Sowjetunion gegen die USA und 18 weitere Staaten.
Am 24. November brach die Front der UN-Truppen vollkommen zusammen. Zwölf Tage später, am 5. Dezember, mussten die UN-Verbände Pjöngjang wieder räumen. Und nur 48 Stunden später standen die UN-Truppen wieder südlich des 38. Breitengrades. Jetzt marschierten die chinesischen und nordkoreanischen Truppen weiter nach Süden, um im Februar 1951 wieder Seoul zu besetzten. Mitte Dezember mussten die USA den nationalen Notstand erklären. Die US-Armee sollte von 2,5 auf 3,5 Mio. Mann vergrößert werden. Nach Aufgabe Seouls Anfang Februar 1951 kam es zum vorläufigen Stillstand.
Angesichts der militärisch schwierigen Lage in Nordkorea hatte MacArthur eine Ausweitung des Krieges auf China und den Einsatz von Atombomben gefordert. Doch der amerikanische Präsident Truman wagte es unter dem Druck der Weltöffentlichkeit nicht, dem Drängen seines Generals nachzugeben. Zwangsläufig wurde am 11. April 1951 General McArthur von Truman entlassen und durch General Matthew Ridgway ersetzt, die Front stabilisierte sich im wesentlichen an der vormaligen Grenze zwischen Nord- und Südkorea entlang des 38. Breitengrades. (3) Im Juli traten nach einigen Vorgesprächen Vertreter der UN und der kommunistischen Führung im Juli 1951 in Waffenstillstandsverhandlungen ein. Während der Waffenstillstandsverhandlungen kam es weiterhin zu kleineren Gefechten, und die USA nutzten die Waffenpause, um ihre Sicherheitsbündnisse zu stärken. Am 14. September 1951 beschloss die Außenministerkonferenz der Westmächte nach Rehabilitierung der deutschen Soldaten durch General Eisenhower die Revision des Besatzungsstatuts. Deutsche Truppen sollten in die NATO-Armee eingegliedert werden. Mit Japan wurde am 26. Oktober 1951 ein Sicherheitsbündnis unterzeichnet, das den US-Streitkräften auf Dauer militärische Stützpunkte einräumte. Ein halbes Jahr später erhielt Japan seine Souveränität zurück.
3. September 2025: machtvolle Demonstration anlässlich des Sieges über Japan
Die Militärparade zum Siegestag 2025 in China war eine Militärparade anlässlich des "Victory over Japan Day", die am 3. September 2025 auf der Chang'an-Straße in Peking stattfand, um den 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Chinesisch-Japanischen Kriegs und des Zweiten Weltkriegs zu feiern. (4)
Über 12.000 Soldaten der Volksbefreiungsarmee nahmen an der Parade teil. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas, Xi Jinping, inspizierte die Truppen, Premierminister Li Qiang war der Zeremonienmeister, und Generalleutnant Han Shengyan befehligte die Parade. Sie stand unter dem nachfolgenden Motto: "Konferenz zur Gedenkfeier des 80. Jahrestags des Sieges im chinesischen Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression und im weltweiten antifaschistischen Krieg."
Die chinesische Militärparade am 3. September 2025 auf dem Platz des Himmlischen Friedens zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs scheint von großer Bedeutung für die chinesische Politik und das internationale Selbstverständnis der Volksrepublik gewesen zu sein. (5) Von den BRICS- und SOC-Staaten sowie von Staaten des Globalen Südens nahmen hochrangige Vertreter an der Parade teil. (6)
Xi Jinping machte in seiner Rede zur Militärparade in China vor allem historische Bezüge der letzten 200 Jahre, die China nachhaltig traumatisiert haben. China feiert den 80. Jahrestag der Kapitulation Japans und das Ende des Zweiten Weltkriegs als Sieg über den Imperialismus und Faschismus. Dies verband Xi Jinping mit der Darstellung der Kommunistischen Partei als bewahrende Kraft und Befreierin. (7)
In der 5.000-jährigen Geschichte des Reiches der Mitte musste sich das chinesische Volk im 19. und 20. Jahrhundert gegen Kolonialismus, Unterdrückung und äußere Aggressionen behaupten (die ehemaligen Kolinalstaaten schickten keine Vertreter zu den Feierlichkeiten). Vor diesem Hintergrund rechtfertigte Xi Jinping den Anspruch auf nationale Einheit und Stärkung der Staatsmacht. (8)
Er betonte die historische Verantwortung Chinas, eine friedliche Weltordnung zu gestalten, im Gegensatz zu den kriegerischen und hegemonialen Bestrebungen westlicher Mächte. Dabei wurde Chinas Weg der „friedlichen Entwicklung“ als Gegenmodell hervorgehoben. (9)
Xi legitimierte somit Chinas gegenwärtige globale Machtpolitik durch eine Kombination aus
historischem Opferbewusstsein, Erinnerung an den Anti-Japanischen Krieg, und der Darstellung als souveräne Nachfolgemacht des Siegertypus im Zweiten Weltkrieg.
Die beiden chinesisch-japanischen Kriege:
Der erster Chinesisch-Japanischer Krieg (auch Erster Japanisch-Chinesischer Krieg) von 25. Juli 1894 bis 17. April 1895 wurde zwischen Japan und der Qing-Dynastie in China ausgetragen und begann mit Streitigkeiten um Einfluss auf der koreanischen Halbinsel. Der Krieg endete mit dem Vertrag von Shimonoseki, in dem China Taiwan, die Pescadores-Inseln und die Liaodong-Halbinsel an Japan abtreten musste.(10)
Der zweite Chinesisch-Japanische Krieg von 1937 bis 1945 begann mit dem Überfall Japans auf China und umfasste schwere Kriegsverbrechen wie das Massaker von Nanking (auch Massaker von Nanjing genannt) der japanischen Besatzungstruppen im Dezember 1937.
In der chinesischen Hauptstadt Nanking wurden nach der Besetzung am 13. Dezember 1937 etwa sechs bis sieben Wochen lang systematisch über 200.000 bis 300.000 Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet und etwa 20.000 Frauen vergewaltigt. Die Gewaltorgie umfasste Massenhinrichtungen, Folter, Vergewaltigungen und Plünderungen.(11)
Die japanische Armee führte das Massaker aus, nachdem sie im Rahmen ihrer kolonialistischen Expansion in Nordchina eingedrungen war. Die Stadt wurde erst eingekesselt, dann bombardiert, was zur panikartigen Flucht führte. Die Soldaten begingen vielfach willkürliche Morde und extreme Grausamkeiten, darunter Verstümmelungen und sadistische Misshandlungen.
Das Massaker gilt als Symbol für die japanischen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg und belastet die chinesisch-japanischen Beziehungen bis heute stark. Es wurde bei den Nürnberger Prozessen und den Tokioter Prozessen als Kriegsverbrechen verhandelt.
Eine Gruppe von Ausländern, darunter der Deutsche John Rabe, richteten die sogenannte Sicherheitszone ein, die ca. 250.000 Zivilisten Schutz bot und viele Leben rettete.
Der Befehl zum Töten aller Kriegsgefangenen wurde von Prinz Yasuhiko Asaka gegeben, der immun blieb, während andere Kommandeure für Kriegsverbrechen verurteilt wurden.
Das Massaker von Nanking war eine der brutalsten und grausamsten Episoden des Zweiten Weltkriegs in Asien und bleibt ein bedeutendes historisches Trauma, das in China intensiv in Erinnerung gehalten und politisch instrumentalisiert wird.(12)
Mit dem japanischen Überfall Ende 1937 auf China begann in Asien der Zweite Weltkrieg; er endete mit Japans Kapitulation am 3. September 1945. (13)
Die beiden Kriege markieren die Hauptkonflikte zwischen China und Japan im modernen Zeitalter.
Nach Meinung vieler westlicher Medien legte Xi in seiner außenpolitischen Botschaft dabei den Fokus sehr stark auf chinesische Opfer und besonders auf die japanischen Kriegsverbrechen sowie auf Japans Weigerung, diese aufzuarbeiten. Dadurch will Xi zum einen die eigene Bevölkerung mobilisieren, und zum anderen habe Xi den Zweiten Weltkrieg dahingehend interpretiert, Machtansprüche auf Gebiete im Ostchinesischen Meer und Taiwan zu erheben.
Auch hier scheint ein Blick auf die Rolle der USA im chinesischen Bürgerkrieg (1945-1949) diese Sichtweise zu relativieren. Die Abtrennung Taiwans lässt sich so zusammenfassen: Die USA unterstützten die Kuomintan (KMT) unter dem Nationalisten Chiang Kai-shek militärisch und finanziell, um die Einflusszone gegen den Kommunismus zu sichern. Dies geschah mit umfangreichen Waffenlieferungen, Ausrüstung und Beratern, u.a. durch die Operation Beleaguer (Besetzung nordchinesischer Provinzen zur Sicherung strategischer Gebiete). Nach dem Sieg der Kommunisten 1949 floh die KMT-Regierung unter Chian Kai-shek nach Taiwan, das daraufhin faktisch von der Volksrepublik China getrennt blieb. Die USA unterstützten die KMT auf Taiwan politisch und militärisch, um die Republik China auf der Insel als Gegengewicht zur kommunistischen Regierung auf dem Festland beizubehalten. Sie verfolgten so die Strategie der Eindämmung des Kommunismus in Asien. Formal erkennen die USA bis heue die Volksrepublik China als offiziellen Staat an, unterhalten aber starke inoffizielle Beziehungen zu Taiwan und verpflichten sich zu dessen Verteidigung, und zwar mit Hilfe Japans.
Solange diese Konstellation besteht, wird China ständig an die Demütigungen der imperialen westlichen Mächte im 19. und 20. Jahrhundert erinnert.
China strebt nach einem ihm gebührenden Platz in der Welt und wird von seinem Streben nach einer multipolaren Friedensordnung nicht ablassen. Der Autor dieses Artikels konnte während seiner Chinarundreise (vom 15. bis 27. September 2025) Eindrücke von der kraftvollen Vergangenheit und den überwältigenden Leistungen der Gegenwart sammeln. Sollten die USA weiter an ihrer Langzeitstrategie vom 2014 „Win in a Complex World 2020-2040“ festhalten, wird China sich effektiv zu verteidigen wissen. Das chinesische Volk muss angesichts der vom Westen zugefügten Demütigungen nicht mehr kriegsbereit gemacht werden.
Auch die von den USA aus imperial strategischen Gesichtspunkten erfolgten Teilungen von Korea und China nach dem 2. Weltkrieg müssen endlich auf dem Weg in eine multipolare Friedensordnung zufriedenstellend gelöst werden.
Mehr zu China-Rundreise unter: https://www.wolfgangeffenberger.com/zusatz.php?Lang=de&SeiteID=start&SeiteIDNr=6
Quellen und Anmerkungen
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm: „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)
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1) Wolfgang Effenberger/Konrad Löw: Pax americana. München 2004, S. 378
2) Ebda
3) Ebda., S. 380
4) https://en.wikipedia.org/wiki/Victory_over_Japan_Day; https://en.wikipedia.org/w
7) https://taz.de/Militaerparade-in-China/!6107960/
8) https://www.tagesschau.de/ausland/asien/china-militaerparade-peking-100.html
9) https://www.dw.com/de/news-kompakt-china-demonstriert-st%C3%A4rke-bei-milit%C3%A4rparade/a-73860008
10) https://www.animepro.de/lifestyle/history/der-erste-japanisch-chinesische-krieg-wissenswertes
11) https://www.oag.uni-hamburg.de/noag/noag-167-170-2000-2001/noag2001-12.pdf
12) https://www.deutschlandfunk.de/japanische-gewaltorgie-in-china-100.html
13) https://www.abipur.de/referate/stat/682754506.html
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: Tian'anmen-Platz in Peking am 80. Jahrestag des Zweiten Weltkriegs
Bildquelle: Bing Dwen Dwen / shutterstock
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