Artikel

Betrachtungen eines hemmungslosen Romantikers

Betrachtungen eines hemmungslosen Romantikers

Ein Meinungsbeitrag von Dirk C. Fleck.

Leonard Cohen brachte es auf den Punkt:

„Es gibt keine Erklärung für die gesammelten Schweinereien um uns herum. Die einzige Möglichkeit einigermaßen ungeschoren davon zu kommen, ist zu sagen: <Ich verstehe von dem Mist nicht das Geringste - Halleluja!> Nur so können wir uns noch als Mensch fühlen.“

In meinem Buch „Gefleckte Diamanten“ [1] sind Gedanken und Aphorismen aus den letzten vierzig Jahren versammelt. Ich habe sie in vierzehn Kategorien unterteilt. Eine Kategorie ist den Frauen gewidmet. Halleluja! In Zeiten des ungenierten Treibens eines seelenlosen, kriegsgeilen Polit-Packs tut es vielleicht gut, kurz auszuspannen und sich den Betrachtungen eines hemmungslosen Romantikers hinzugeben.

Es gäbe so viel zu sagen über Frauen. Über Frauen und Jahreszeiten, über Frauen mit Hund, über arme und reiche Frauen, über Frauen, die sich aus dem Gespinst dunkler Begegnungen lösen, über schwangere Frauen, über Frauen, die auf ihrer Hochzeit im Garten heimlich den Geliebten verführen, über die Frauen von Helsinki, über Frauen, die zu souveräner Trauer finden, wenn die Schwester sich die Pulsadern aufgeschnitten hat, über Frauen am Mikrofon, über lesbische Frauen, über Frauen, deren Augen auf zerknitterten Schwarz-Weiß-Fotos strahlen, als könnte nichts und niemand ihnen etwas anhaben.

Die Ewigkeit gibt ein Gastspiel im Theater der Vergänglichkeit und ich darf dabei sein. Parkett, erste Reihe Mitte. Auf der Bühne das Mädchen mit dem Grashalm im Mund.

Deine Abwesenheit füllt mein Leben aus. Ich kann dich denken hören.

Es gibt Momente in meinem Leben, da scheint die ganze Welt nur aus dir zu bestehen. Du bist mein Brennglas, durch das ich den Weltenzauber betrachten darf.

In ihrer Gegenwart hatte ich das Gefühl, als würde ich meine Nase in das letzte Stück unberührter, duftender Erde stecken, wo noch Keime des wahren Friedens schlummern.

Aber dann sitze ich neben dir und wünschte, ich wäre unsichtbar wie der Wind, der dir in die Haare weht und deine Lippen kühlt.

Jede Geste von dir, jedes Wort besitzt die Anmut einer wilden Blume, die sich selbst genügt.

Da ist sie wieder, die Poetin mit dem Sack voller glitzernder, abgesegneter Worte, die so zart, zauberhaft und diskret die Weisheit des Universums berühren. Ich habe das Gefühl, als würden mich Milliarden Partikel eines Sonnensturms treffen. Es ist so viel Einsicht in deinen Worten, durchsetzt mit schmerzhaften Schreien, ausgestoßen auf der harten Matratze der Hilflosigkeit. Du hast etwas sehr Pflanzliches an dir. Du atmest anders, speicherst anders, sonderst anders ab.

Ihre gigantische Wortplastik, diese Verstrickung mit der Wahrheit. Das Bemühen, alles zu fassen, alles zu berühren, jeden Gedanken einzubinden – all das erinnert mich an Ruderschläge auf einem Meer ohne Grenzen.

Ich fühlte mich ein wenig überfordert von ihrer Schönheit. Sie war mit einem Licht gepudert, das jenseits aller Sonnen seinen Ausgang nimmt. Gleich am ersten Abend fragte ich sie, ob sie für mich Modell stehen möchte. Sie war einverstanden. Als ich Papier und Bleistift zur Hand nahm, gerann sie zu einer Statue der Anmut, vor der ich einen Fehlversuch nach dem anderen zerknüllte.

Ich wusste nicht, wovor ich mehr Angst haben sollte: dass sie verschwunden war, wenn ich aufwachte, oder dass sie noch neben mir lag.

Selbst die anmutigsten Hoffnungsträgerinnen der Liebe rücken vorschnell in die Pläneschmiede ein, diesem großen Wartesaal der Ratlosen.

Nichts macht Frauen trauriger als das Wissen um den Verlust ihrer Blüte. Wer als Mann glaubt, diesem verborgenen Schmerz gewachsen zu sein, überschätzt sich.

Manche Frauen bewegen sich in ihren Körpern, als würden sie das Lebenselixier in einer Schale spazieren tragen.

Frauen lieben es, wohlwollend bemerkt zu werden. Ihre Seele errötet dabei.

Der Voyeur meiner Prägung hat keine Erwartungen oder Vorlieben, denen er geifernd nachhängt. Er besitzt einen sicheren Instinkt für die Schönheit der Schöpfung, die sich vorübergehend auf alles und jeden zu legen vermag. Er ist davon überzeugt, dass es einen immergrünen Vorrat an Gesten gibt, die uns wie Winde umschmeicheln.

Eine magische Aura umgibt nur Frauen, die sich im Zustand der reinen Unschuld befinden, die sich in Harmonie mit der Schöpfung wissen, die auf fantastische Weise neugierig sind, die keine Schuldzuweisungen treffen und sich nicht strategisch durchs Leben schlagen. Auf sie fällt ein Licht, das nicht von jedem wahrgenommen wird, was ihnen aber egal ist. Erst wenn sie sich der Wirkung auf andere bewusst werden und sich die Eitelkeit ihrer Unschuld bemächtigt, ist es vorbei mit der von wem auch immer verliehenen Zauberkraft. Schnipp, einfach so.

Ein Vergötterer, und ich zähle mich durchaus dazu, ist im Grunde genommen ein Egoist, der das Dickicht zwischenmenschlicher Beziehungen meidet, weil er sich nicht in Missverständnissen und trivialen Auseinandersetzungen verheddern möchte, die in unserer sogenannten Realität zum Standardprogramm zwischen den Geschlechtern zu gehören scheinen.

Er konnte sich auf ihr Urteil verlassen. Sobald sie etwas in seinen Texten nicht verstand, wandelte er es um, feilte daran oder verwarf es, bis sie entzückt war. Mit einer Ausnahme: wenn es um Frauen ging...

In ihrer Gegenwart werde ich meiner Worte beraubt. Sie erscheinen mir lächerlich in dem Bemühen, die Essenz zu beschreiben, den Geschmack, den Duft, die Anmut, mit der jede Sekunde spielerisch um sich wirft.

Ich fand ein Foto im Internet, es zeigt eine Frau, die bei geschlossenen Augen Violine spielt, während ihr die Tränen übers Gesicht laufen.

Im Schweigen, das die Verkrampfung verloren hat, bin ich sicher. Eine Jolle im sanften Wellentanz. Aber schon jeder Blick und jedes Wort, gar jedes Lachen fühlt sich an, als hebe sich die See. Fehlt nur noch eine Umarmung und wir werden von den Brechern an die schroffen Felsen gedrückt. Verletzungsgefahr!

Ich denke an dich wie ein Fallender ohne Grund, manchmal auch wie ein Golfball in Erwartung des Eisens.

Sie war schön. Den begehrlichen Blicken der Männer begegnete sie mit dem Gedanken: »Ich schenke Leben, aber nicht für dich, auch nicht für dich und für dich auch nicht.« Niemand trat ihr zu nahe.

Selten kreisen die Gedanken intensiver um die Liebe, als wenn sich eine Frau die Fingernägel betrachtet.

Auf einem Planeten, wo Bergklöster zerstört werden, um Sendemasten zu errichten, müssen wir uns an die Frauen halten, um in Verbindung zu bleiben.

Wenn Roger Willemsen in »Willemsens Woche« seine Gäste ins Gespräch zog, schien das Medium seine alberne Autorität zu verlieren. Der Trick war einfach: Roger ließ Frauen erblühen. In seinen Sendungen kamen die schönsten und stolzesten unter ihnen zu Wort, von Emmanuelle Béart bis Charlotte Rampling. Er hatte die Fähigkeit, sich seinen weiblichen Gästen so zu nähern, dass ihr sensibles Potenzial sich eben nicht im elektronischen Filter verfing. Damit sorgte er für magische Momente im deutschen Fernsehen.

An ihrer Seite wich die Banalität des Alltags einem kindlichen Erstaunen und alle Ironie, die ich seit Jahren bemühte, um der Dummheit unter Menschen zu begegnen, verursachte nur noch Schuldgefühle. Der Sarkast, der sich zuvor bequem die Welt gedeutet hatte, war auf fantastische Weise entwaffnet worden.

Der Schienenblick, mit dem Mädchen leicht errötend den Blicken ihrer Bewunderer begegnen. Ein Klassiker unter den Gesten, aber seit Ewigkeiten im Besitz der jungen Generation.

»Ich liebe dich! «, brüllte er vom Balkon und stemmte sich mit aller Macht gegen das Haus, wollte es verschieben, dorthin, wo nicht Abschied war.

Der Mann stand vom Tisch auf und sie griff nach seiner Hand wie nach einem Rettungsring.

»Ich bewundere Sie sehr.«
»Aber warum denn, mein Herr?«
»Weil Sie über eine spezielle Tugend verfügen. Es handelt sich um eine Tugend, die Sie mit Göttern und Tieren gemein haben und die ich aus diesem Grunde nicht länger eine Tugend nennen will. Ich meine Courage.« [2]

Ich hole mein weißes Dinnerjacket aus dem Schrank, schaue von der Terrasse eines südamerikanischen Strandcafés aufs offene Meer hinaus und lasse die Eiswürfel zu dezenten Rumbaklängen im Glas klimpern. Irgendwann werde ich mich umdrehen. Dann steht sie da. Lasziv lächelnd, in einem berauschenden Seidenkleid, das sich der Abendbrise hingibt.

Quellen und Anmerkungen

[1] Gefleckte Diamanten, herausgegeben von Marina Silalahi, p.machinery Verlag, 195 Seiten, 15.90 EUR

[2] Aus dem Film »Der Buchladen der Florence Green«

+++

Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

+++

Bildquelle: ArtDesign06685 / shutterstock


+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung

Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/

+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.

+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/

+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut

Dirk C. Fleck Romantiker Frauen Schönheit Anmut Weltfrauentag