Lyrische Beobachtungsstelle

Amish People 2.0 | Von Anna Zollner

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Unabhängigkeitserklärung

“Die Lyrische Beobachtungsstelle” von Anna Zollner.

Wir, die Unterzeichnenden dieser Erklärung, erklären unseren Austritt aus der Ära des digitalen Feudalismus. Wir tun dies nicht aus Nostalgie oder Technikfeindlichkeit, sondern aus dem Wissen heraus, dass jede Zentralisierung von Macht zwangsläufig zur Knechtschaft führt, wenn sie nicht durch greifbare, überprüfbare und reversible Strukturen begrenzt wird. Die digitale Ordnung unserer Zeit hat diese Grenzen überschritten. Sie ersetzt Bürger durch Konten, Identität durch Datenprofile, Autonomie durch permanente Synchronisation. Was als Fortschritt begann, wurde zur unsichtbaren Leibeigenschaft. 

Diese Erklärung richtet sich an diejenigen, die verstanden haben, dass Freiheit niemals in der Cloud liegt, sondern im Gestaltungsraum des eigenen Lebens – physisch, greifbar, lokal. Wir sind nicht gegen Technologie. Wir sind gegen die Monopolisierung von Technologie durch eine kleine Kaste von Akteuren, die nicht nur den Zugang, sondern die Bedeutung von Wirklichkeit definiert. Wir sind die Amish People 2.0: nicht die Rückkehr in die Vergangenheit, sondern der bewusste Schritt zurück in die Kontrolle über die eigenen Lebensbedingungen.

I. Grundsatz: Offline als Grundlage menschlicher Souveränität

Offline bedeutet nicht Abwesenheit von Technik, sondern Abwesenheit von Abhängigkeit.

Offline ist der Raum, in dem Entscheidungen nicht durch Algorithmen moderiert werden, in dem Worte nicht getrackt, Bewegungen nicht katalogisiert, Gedanken nicht vorstrukturiert werden. Offline ist der Bereich, in dem ein Mensch aufhört, Nutzerdaten zu sein.

Eine Gesellschaft, die keine Offline-Zonen besitzt, ist keine freie Gesellschaft.

Eine Kultur, die keine Offline-Identität kennt, besitzt kein Innenleben mehr.

Ein Mensch, der nicht mehr offline existieren kann, ist kein unabhängiges Subjekt, sondern ein digitaler Vasall. 

Wir erklären:

Offline ist nicht Option, sondern Notwendigkeit.

Offline ist nicht Flucht, sondern Rückgewinnung.

Offline ist nicht Verweigerung, sondern Selbstbestimmung.

II. Lokale Strukturen als Schutzräume vor digitaler Zentralmacht

Lokalität ist kein Rückschritt. Sie ist das natürliche Gegengewicht zu globalen Machtkonzentrationen.

Wer global kontrollieren will, muss lokal schwächen.

Wir kehren diese Logik um.

Lokale Energieversorgung, lokale Informationskreise, lokale Entscheidungsräume – dies sind keine Romantisierungen, sondern konkrete Gegenstrukturen zu Systemen, die ihre Legitimität aus totaler Vernetzung ziehen.

Wir erklären:

Eine Gemeinschaft ist nur so frei wie ihre Fähigkeit, ohne externe digitale Infrastruktur zu funktionieren.

Ein Dorf, eine Straße, ein Stadtteil, eine Familie, ein Einzelner – alle sind souveräner, wenn sie ihre Grundbedürfnisse nicht über Netzwerke beziehen, die außerhalb ihrer Kontrolle stehen.

Lokale Strukturen verhindern nicht Globalisierung.

Sie verhindern nur, dass Globalisierung zur Beherrschung wird.

III. Autonomie als oberstes politisches Ziel

Autonomie bedeutet Widerstandsfähigkeit gegen jede Art von Kontrollverlust.

Autonomie heißt nicht Isolation, sondern Unabhängigkeit von erzwungenen Knotenpunkten.

Autonomie ist die Fähigkeit, auch dann Mensch zu bleiben, wenn die Server ausgefallen sind. 

Eine autonome Gesellschaft kann mit anderen kooperieren, ohne sich ihnen zu unterwerfen.

Eine autonome Gemeinschaft nutzt Technologie, ohne sich in ihr aufzulösen.

Ein autonomer Bürger bleibt Bürger, selbst wenn die Systeme ihn nicht mehr erkennen.

Wir erklären:

Autonomie ist der neue Maßstab politischer Freiheit.

Alles, was Abhängigkeit erzeugt, ist ein politisches Risiko.

Alles, was Selbstständigkeit erzeugt, ist ein politischer Wert.

IV. Der digitale Feudalismus: Diagnose und Konsequenz 

Die heutige Welt ist strukturiert wie ein Feudalreich mit moderner Oberfläche.

Der Adel besteht aus proprietären Plattformen, aus Tech-Giganten, aus Infrastrukturmonopolisten, aus Datenverwertern, Sicherheitsarchitekten, Identitätsverwaltern, KI-Anbietern.

Der Bürger ist kein Bürger mehr, sondern Nutzer. Sein Zugang kann jederzeit eingeschränkt, gesperrt, monetarisiert, priorisiert oder degradiert werden.

Diese Ordnung ähnelt nicht dem Internet der frühen Jahre, sondern dem Europa des 13. Jahrhunderts:

Ein kleiner Kreis von Herren besitzt die Burgen – heute Rechenzentren –, legt die Regeln fest und verteilt das Privileg des Daseins in ihrem Territorium. 

Wer online lebt, lebt im Machtbereich anderer.

Wer vollständig online ist, gehört nicht mehr sich selbst.

Wir erklären:

Eine Gesellschaft, die sich vollständig digitalisiert, entmündigt sich selbst.

Eine Bevölkerung, die ausschließlich vernetzt existiert, gibt ihre politische Handlungsfähigkeit ab.

Eine Zukunft, die keine Offline-Sphäre kennt, ist keine Zukunft, sondern ein technokratischer Endzustand.

V. Die neue Ethik: Reduktion, Entkoppelung, Dezentralisierung

Die Amish People 2.0 sind keine Verweigerer der Moderne.

Sie sind diejenigen, die die moderne Überwältigung nicht zulassen.

Die neue Ethik lautet:

  • 1. Reduktion: Technologien nutzen, aber so wenig wie möglich davon abhängig sein.
  • 2. Entkoppelung: Lokale Wertschöpfung vor externer Infrastruktur priorisieren.
  • 3. Dezentralisierung: Systeme aufbauen, die nicht kollabieren, wenn der zentrale Knoten fällt.

Diese Ethik ist nicht nostalgisch, sondern strategisch.

Sie ist nicht romantisch, sondern rational.

Sie ist nicht gegen die Zukunft, sondern gegen den Totalitarismus einer Zukunft, die keine Freiheitszonen kennt.

VI. Die drei Pfeiler der neuen Souveränität

  • 1. Souveränität der Information

Wissen, das lokal gespeichert und ohne fremde Plattformen zugänglich ist, ist unabhängiges Wissen.

Alles, was nur über Clouds, Benutzerkonten oder digitale Identitäten erreichbar ist, ist kein Besitz, sondern geliehene Erkenntnis.

  • 2. Souveränität der Infrastruktur

Wer seine Energie, seine Kommunikation, seine Daten und seine Hardware nicht selbst betreiben kann, besitzt keine Souveränität.

Abhängigkeit ist das Einfallstor der Kontrolle.

  • 3. Souveränität der Identität

Eine Identität, die nur als Login existiert, kann jederzeit gelöscht werden.

Eine Identität, die offline existiert, ist real.

Digitale Identität ist Werkzeug; Offline-Identität ist die Grundlage menschlicher Würde.

VII. Die Selbstverpflichtung: Unsere neuen Regeln 

Wir verpflichten uns:

  • Offline-Zeiten als Grundrecht und Grundpraxis zu schützen.
  • So viele technische Fähigkeiten wie möglich lokal zu beherrschen.
  • Keine Systeme zu nutzen, deren Funktionsweise wir nicht verstehen oder kontrollieren können.
  • Gemeinschaften aufzubauen, die in Krisen ohne externe Netzwerke funktionieren.
  • Digitale Identitäten als Werkzeuge zu betrachten, nicht als Orte des Lebens.
  • Wissen lokal zu sichern, physisch und unabhängig.
  • Kinder und Jugendliche so auszubilden, dass sie mit und ohne digitale Systeme überlebensfähig sind.
  • Technologien stets so zu nutzen, dass sie die Autonomie stärken, nicht schwächen.

VIII. Der Schluss: Warum dieser Weg notwendig ist

Wir erklären diese Unabhängigkeit nicht aus Trotz, sondern aus Weitsicht.

Die kommenden Jahrzehnte werden nicht von denen überstanden, die am tiefsten integriert sind, sondern von denen, die unabhängig bleiben.

Nicht die Vernetztesten sind zukunftsfähig, sondern die, die ihre Lebensgrundlagen ohne Erlaubnis fremder Systeme sichern können. 

Offline ist die Rückkehr der menschlichen Kontrolle.

Lokal ist die Rückkehr politischer Selbstbestimmung.

Autonom ist die Rückkehr der Würde.

Wir erklären feierlich:

Die Zukunft gehört nicht den global vernetzten Vasallen, sondern den lokal souveränen Menschen.

Dies ist unsere Unabhängigkeitserklärung gegen ein System, das alle Menschen auf Funktion, Datensatz und Verfügbarkeit reduziert.

Wir treten aus dieser Ordnung aus.

Wir wählen die Freiheit, die im Offline beginnt, die im Lokalen lebt und in der Autonomie ihren höchsten Ausdruck findet.

IX. Die neue Ökonomie der Freiheit: Nachbarschaft als Währung, Resilienz als Reichtum

Die digitale Welt verkauft uns die Illusion, dass Wert digital entstehe – in Wallets, in Tokens, in künstlichen Märkten, die jederzeit abgeschaltet werden können. Doch die Geschichte freier Gemeinschaften zeigt das Gegenteil: Die wahre Währung war nie Daten, nie Geld, nie Kapital. Die wahre Währung hieß immer Beziehung. Vertrauen. Nachbarschaft.

Die kommenden Jahre werden diese Wahrheit freilegen wie ein freigespültes Fundament. Die Währung der Zukunft heißt nicht Bitcoin, Dollar, Euro oder irgendeine staatlich lizenzierte digitale Zentralbankeinheit. Die Währung der Zukunft heißt:

Nachbarschaft.

Menschen, die füreinander einstehen können, ohne erst ein Konto freizuschalten. Menschen, die Versorgungsketten überbrücken können, weil sie sich kennen, nicht weil sie Zugang zu einer Plattform haben. Menschen, die im Ernstfall schneller handeln als jede App.

Eine Welt, die alles digitalisiert, zerstört nicht unsere Technik – sie zerstört unsere Bindungen. Und genau diese Bindungen sind das, was Gemeinschaften in Krisen trägt. Eine Nachbarschaft, die vernetzt ist, nicht über WLAN, sondern über Loyalität, ist stärker als jede digitale Identität. 

Wir erklären:

Wer seine Nachbarn kennt, besitzt mehr echte Sicherheit als jeder, der sich auf Cloud-Policen verlässt.

Wer lokal eingebettet ist, ist schwerer manipulierbar, schwerer isolierbar, schwerer kontrollierbar.

In einer Epoche, in der Staaten beginnen, den Bürger nicht mehr als Souverän zu behandeln, sondern als verwalteten Risikofaktor, wird Nachbarschaft zur neuen Form des Vermögens. Nicht akkumuliert, sondern gepflegt. Nicht spekulativ, sondern stabil. Nicht übertragbar, sondern gelebt.

Und in dieser neuen Ökonomie der Freiheit gilt ein uraltes Prinzip, das jede generationelle Erfahrung bestätigt:

Reale Sicherheit entsteht nicht durch Reichtum, sondern durch Widerstandsfähigkeit. 

Wenn frühere Generationen sagten, Gold sei der letzte Rettungsanker in Zeiten staatlicher Übergriffe, so zeigt die moderne Geschichte ein anderes Muster: 

Gold kann eingefroren, beschlagnahmt, digital gesperrt werden. Der Staat hat Mittel, um jeden externen Wert zu neutralisieren. Was er nicht neutralisieren kann, ist die innere Struktur einer Gemeinschaft, die sich nicht einschüchtern lässt.

Wer die Geschichte des Widerstandes gegen feudale Strukturen nachverfolgt erkennt, dass nicht Gold sondern Blei die Freiheit des Einzelnen und seiner Gruppe gewährleistete. Nicht ohne Gewähr - sondern mit. 

„Eine gut regulierte Miliz, gilt als notwendig für die Sicherheit eines freien Staates, und darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht verletzen.“

Dieses Recht eines jeden US Bürgers eine Waffe zu besitzen und zu tragen um sich auch gegen einen übergriffigen Staat und seine Regierung zur Wehr setzen zu können stammt aus dem Jahre 1791 und gilt bis heute. Die Gründerväter der USA setzten also schon damals eher auf Blei denn auf Gold um die Freiheit des Individuums zu verteidigen. 

Blei ist das Metall der Konsequenz – das Material, aus dem Menschen Würde schmieden, wenn Staaten den Bürger zum Objekt degradieren.

Die Übergriffigkeit moderner Staaten wächst proportional zur Ohnmacht ihrer Bürger.

Doch eine Gemeinschaft, die sich offline organisiert, lokal verankert und autonom erhält, ist kein Staatsschutzfall – sie ist ein Bollwerk.

Ihre Loyalität gilt nicht Algorithmen, sondern Menschen.

Nicht Plattformen, sondern Beziehungen.

Nicht Versprechen, sondern gelebten Strukturen.

Die Amish People 2.0 wissen:
Ein Staat greift zuerst jene an, die isoliert sind.
Nie jene, die verbunden sind.
Nie jene, die vorbereitet sind.
Nie jene, die sich selbst gehören.

Nachbarschaft ist die Versicherung, die nicht kündbar ist.

Offline ist das neue Bio – weil alle echten Lebensprozesse offline stattfinden: Geburt, Tod, Mut, Widerstand, Glaube, Gemeinschaft.

Und alles, was der Mensch verteidigt, verteidigt er nicht in der Cloud, sondern auf dem Boden, den er sein Eigen nennt.

Die Würde des Menschen ist unantastbar?

Corona hat und gelehrt, dass dem nicht so ist.

Wer die Würde des Menschen verteidigen will muss erkennen, dass dazu am Ende des Tages  Worte nicht ausreichen. Der souveräne Bürger muss erkennen und vor allem muss er signalisieren,  dass er bereit ist,  sich tatsächlich zur Wehr zu zeigen. Oder wie es schon Bertolt Brecht in einem Satz zusammenfasste:

„Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“

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Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. 

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Bild: LANCASTER, USA – 25. JUNI 2016 – Amische in Pennsylvania. Die Amischen sind bekannt für ihre einfache Lebensweise im Einklang mit der Natur, ihre schlichte Kleidung und ihre Abneigung gegen moderne Technologien.

Bildquelle: Andrea Izzotti /shutterstock 


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