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Afghanistan: Trumps Bagram-Vorstoß und das neue Great Game | Von Michael Hollister

Afghanistan: Trumps Bagram-Vorstoß und das neue Great Game | Von Michael Hollister

Ein Meinungsbeitrag von Michael Hollister.

Bagram soll wieder amerikanisch werden. Donald Trumps Ankündigung, den 2021 überstürzt aufgegebenen Luftwaffenstützpunkt nördlich von Kabul zurückzufordern, markiert womöglich das Ende einer kurzen Atempause. Die Taliban haben bereits abgelehnt – scharf und unmissverständlich. Afghanistan, totgesagt nach dem chaotischen NATO-Abzug, könnte erneut zum Brennpunkt globaler Machtpolitik werden. Mit fatalen Folgen für die Bevölkerung und gefährlichen Implikationen für die gesamte Region.

Doch wer glaubt, es ginge Washington um Terrorbekämpfung oder regionale Stabilität, unterschätzt die Dimension. Afghanistan war nie nur Afghanistan. Es ist Chinas Hinterhof, Russlands Sicherheitszone, Pakistans strategische Tiefe und Irans Einfallstor nach Zentralasien. Wer Bagram kontrolliert, sitzt im Herzen des neuen Great Game – jenes geopolitischen Schachspiels, das seit zwei Jahrhunderten über die Köpfe der Afghanen hinweg gespielt wird.

Bagram: Mehr als ein Stützpunkt

Der Luftwaffenstützpunkt Bagram war während der US-Präsenz das logistische Rückgrat der Intervention: Drohneneinsätze, Luftschläge, Gefangenenlager, Nachschubzentrum. Seine Lage, nur 50 Kilometer nördlich von Kabul, macht ihn strategisch unersetzbar. Von hier aus lassen sich nicht nur Afghanistan, sondern auch die zentralasiatischen Nachbarstaaten, der Westrand Chinas und der Norden Pakistans überwachen und bei Bedarf attackieren.

Der Abzug im Juli 2021 – still und leise, mitten in der Nacht, ohne Absprache mit den afghanischen Verbündeten – war ein Symbol der Niederlage. Zurück blieben laut Medienberichten Tausende Fahrzeuge, Ausrüstung und eine funktionierende Infrastruktur, die heute von den Taliban kontrolliert wird. Trumps Forderung, Bagram zurückzunehmen, ist deshalb mehr als Symbolpolitik. Sie signalisiert: Die USA betrachten Afghanistan weiterhin als Spielfeld eigener Interessen, nicht als souveränen Staat.

Die Taliban-Reaktion lässt keinen Zweifel: Eine Rückkehr amerikanischer Truppen werde man mit allen Mitteln verhindern. Beobachter warnen, dass ein erneuter US-Vorstoß nicht nur den fragilen Status quo erschüttern, sondern auch China, Russland und den Iran auf den Plan rufen würde. Denn diesmal stünden die regionalen Mächte bereit, jede westliche Intervention sofort zu kontern – mit Waffen, Geld und diplomatischem Druck.

Das Great Game: Eine Geschichte der Interventionen

Afghanistan ist seit Jahrhunderten Spielball fremder Mächte. Bereits das britische Empire versuchte im 19. Jahrhundert dreimal, das Land zu unterwerfen – und scheiterte jedes Mal blutig. Das Ziel war stets dasselbe: Afghanistan als Pufferzone gegen das expandierende Russische Reich zu kontrollieren, um Indien, die Kronkolonie, abzusichern.

Die sowjetische Intervention ab 1979 folgte einer ähnlichen Logik, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Moskau intervenierte, um eine befreundete kommunistische Regierung gegen islamistische Aufstände zu stützen. Die Sowjetunion sprach von „internationalistischer Pflicht" und „Bündnishilfe", der Westen von „brutaler Invasion". Beide Narrative verschleierten die eigentlichen Motive: geostrategische Kontrolle über Zentralasien. Der zehnjährige Krieg endete 1989 mit einem sowjetischen Rückzug – ökonomisch ruiniert, politisch delegitimiert, militärisch gescheitert. Zurück blieb ein vom Krieg zerstörtes Land und schwer bewaffnete Mujahedin-Gruppen, die der Westen, Saudi-Arabien und Pakistan jahrelang finanziert und ausgerüstet hatten.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 betraten die USA die Bühne. Offiziell ging es um die Zerschlagung von Al-Qaida und die Entmachtung der Taliban. Tatsächlich aber bot Afghanistan weit mehr: eine geostrategische Drehscheibe im Herzen Asiens. Von hier aus ließ sich Druck auf den Iran ausüben, China beobachten, Russland in Schach halten und Zugriff auf die immensen Bodenschätze – Kupfer, Lithium, Seltene Erden – sichern. Über zwei Jahrzehnte und mehr als zwei Billionen Dollar später endete auch diese Intervention in einer Niederlage. Die Taliban kehrten 2021 an die Macht zurück, als hätte es die zwanzig Jahre westlicher Besatzung nie gegeben.

Die Akteure und ihre Interessen

USA: Hegemoniale Ambitionen und strategische Widersprüche

Washingtons Afghanistan-Politik war von Anfang an widersprüchlich. Einerseits sollte ein demokratischer, stabiler Staat aufgebaut werden, andererseits wurden massive Militäroperationen, Drohnenangriffe und die Zusammenarbeit mit korrupten Warlords toleriert, die genau diese Stabilität untergruben. Das Ergebnis: Eine afghanische Regierung, die nur durch westliche Waffen und Dollars am Leben gehalten wurde – und nach deren Wegfall binnen Tagen zusammenbrach.

Kritiker haben den USA immer wieder vorgeworfen, nicht ernsthaft an Staatsbildung interessiert gewesen zu sein. Stattdessen sei es um militärische Präsenz, Kontrolle über Rohstoffe und die Eindämmung regionaler Rivalen gegangen. Für diese These sprechen die mangelnde Investition in zivile Strukturen, die Duldung der Opiumproduktion (die während der US-Präsenz auf Rekordniveau stieg) und die Tatsache, dass strategische Stützpunkte wie Bagram prioritär ausgebaut wurden, während Schulen und Krankenhäuser vernachlässigt wurden.

Trumps jetziger Vorstoß passt in dieses Muster: Nicht Wiederaufbau oder Entwicklungshilfe stehen im Vordergrund, sondern militärische Kontrolle. Doch die Rechnung könnte diesmal nicht aufgehen.

China: Wirtschaft statt Waffen

China verfolgt in Afghanistan einen radikal anderen Ansatz. Peking hat nie Truppen geschickt, sondern setzt auf wirtschaftliche Penetration. Afghanistan verfügt laut geologischen Schätzungen über Kupfer-, Lithium- und Seltene-Erden-Vorkommen im Wert von bis zu einer Billion Dollar – Rohstoffe, die China dringend für seine Hightech-Industrie und die Energiewende benötigt. Bereits vor der Taliban-Machtübernahme hatte Peking Bergbaukonzessionen ausgehandelt, etwa für das Kupferbergwerk Mes Aynak. Nach 2021 intensivierten sich die Kontakte.

China bietet den Taliban, was der Westen verweigert: Anerkennung auf Raten, wirtschaftliche Kooperation ohne politische Vorbedingungen, Infrastrukturprojekte im Rahmen der „Belt and Road Initiative". Im Gegenzug erwartet Peking Sicherheitsgarantien: Afghanistan darf kein Rückzugsraum für uigurische Separatisten oder dschihadistische Gruppen werden, die in der chinesischen Provinz Xinjiang aktiv werden könnten.

Diese Strategie ist pragmatisch und effektiv. China bleibt präsent, ohne militärisch verwundbar zu sein. Es kauft sich Einfluss, ohne Besatzungstruppen zu schicken. Und es bietet den Taliban einen Ausweg aus der internationalen Isolation – gegen strategische Zugeständnisse.

Russland: Pragmatismus und Sicherheitsinteressen

Moskau hat aus dem sowjetischen Desaster gelernt. Statt erneut zu intervenieren, setzt Russland auf diplomatische Kanäle und sicherheitspolitische Kooperation mit den Taliban. Das Kalkül: Ein stabiles, Taliban-kontrolliertes Afghanistan ist besser als ein Chaos, das islamistische Gruppen nach Zentralasien exportiert. Moskau hat die Taliban nie offiziell als Terrororganisation eingestuft und lädt regelmäßig Delegationen nach Moskau ein.

Gleichzeitig koordiniert sich Russland mit China und dem Iran, um westlichen Einfluss zu begrenzen. Die Botschaft ist klar: Afghanistan liegt in der russischen Sicherheitssphäre, und eine Rückkehr der USA wird nicht hingenommen. Sollte Trump tatsächlich versuchen, Bagram zurückzuerobern, dürfte Moskau die Taliban mit Waffen und nachrichtendienstlicher Unterstützung versorgen – eine bittere Ironie der Geschichte, denn in den 1980er-Jahren waren es die USA, die afghanische Kämpfer gegen sowjetische Truppen bewaffneten.

Pakistan: Strategische Tiefe und gefährliches Doppelspiel

Für Pakistan ist Afghanistan existenziell. Die Doktrin der „strategischen Tiefe" besagt, dass Islamabad im Falle eines indischen Angriffs im Osten einen sicheren Rückzugsraum im Westen benötigt. Deshalb hat der pakistanische Geheimdienst ISI in den 1990er-Jahren eine Schlüsselrolle beim Aufbau der Taliban gespielt, bot Rückzugsräume, Training und Nachschub. Nach 2001 stellte sich Pakistan offiziell an die Seite der USA im „Krieg gegen den Terror", duldete jedoch weiterhin Taliban-Führer auf seinem Territorium.

Dieses Doppelspiel ist hochgefährlich. Einerseits ist Pakistan der wichtigste externe Unterstützer der Taliban-Regierung und kontrolliert zentrale Transitwege. Andererseits nutzen pakistanische Taliban-Gruppen (TTP) afghanisches Gebiet als Rückzugsraum und verüben Anschläge in Pakistan selbst. Die Taliban erkennen zudem die umstrittene Durand-Linie, die Grenze zwischen beiden Staaten, nicht an.

Gleichzeitig bekämpft Pakistan jeden indischen Einfluss in Afghanistan mit aller Kraft. Der iranische Hafen Chabahar, den Indien nutzt, um pakistanische Transitrouten zu umgehen, wird in Islamabad als strategische Bedrohung wahrgenommen. Sollten die USA versuchen, über Bagram zurückzukehren, dürfte Pakistan erneut eine Doppelstrategie fahren: öffentlich kooperieren, heimlich sabotieren.

Indien: Soft Power gegen Pakistanische Hegemonie

Indien hat über Jahre Milliarden in Afghanistan investiert – nicht militärisch, sondern zivil. Neu-Delhi baute Straßen, Dämme, das afghanische Parlament und liefert bis heute humanitäre Hilfe. Das Ziel: Ein freundliches Kabul, das Pakistan von zwei Seiten unter Druck setzt und verhindert, dass Afghanistan zum Rückzugsraum für Pakistan-gestützte Terrorgruppen wird.

Die Taliban-Machtübernahme 2021 war ein Schlag für diese Strategie. Dennoch hält Indien vorsichtige Kontakte und liefert weiter Lebensmittel und Medikamente – teils über den Luftweg, teils über den iranischen Hafen Chabahar. Neu-Delhi kann es sich nicht leisten, in Afghanistan komplett abwesend zu sein. Denn ein von Pakistan und China dominiertes Afghanistan wäre ein geostrategischer Albtraum.

Iran: Grenzstaat, Schutzmacht, Pragmatiker

Teheran unterhält eine der komplexesten Beziehungen zu Afghanistan. Kulturell und religiös bestehen enge Verbindungen, insbesondere zur schiitischen Hazara-Minderheit. In den 1980er-Jahren unterstützte Iran schiitische Mujahedin gegen die Sowjets, später gegen die Taliban. Nach 2001 kooperierte Teheran kurzzeitig mit den USA, distanzierte sich aber nach Bushs „Axis of Evil"-Rede und begann, auch mit Taliban-Fraktionen zu reden.

Heute ist Iran pragmatisch: Die 900 Kilometer lange Grenze ist eine Hauptroute für Opiumschmuggel, den Teheran mit massivem Aufwand bekämpft. Millionen afghanischer Flüchtlinge leben im Iran. Der Helmand-Fluss ist eine ständige Konfliktquelle – Iran wirft den Taliban vor, Wasser zurückzuhalten, das iranische Provinzen dringend benötigen.

Wirtschaftlich ist der Hafen Chabahar Irans Trumpf: Über ihn ermöglicht Teheran Indien den Zugang nach Afghanistan und umgeht damit Pakistan. Trotz Sanktionen exportiert Iran Ölprodukte, Strom und Lebensmittel nach Afghanistan. Politisch verfolgt Teheran eine Doppelstrategie: Kritik an Taliban-Exzessen, aber Kooperation gegen US-Einfluss. Sollte Washington Bagram zurückerobern wollen, würde Iran sofort gegensteuern.

Die Opium-Ökonomie: Kriegsfinanzierung und Kontrollfrage

Keine Analyse Afghanistans ist vollständig ohne einen Blick auf die Drogenökonomie. Afghanistan produziert seit Jahrzehnten bis zu 90 Prozent des weltweiten Opiums. Bereits im sowjetisch-afghanischen Krieg nutzten Warlords und Mujahedin den Schlafmohnanbau zur Finanzierung. Die Drogenökonomie wurde zur Lebensader bewaffneter Gruppen und zum strukturellen Bestandteil der afghanischen Wirtschaft.

Ein bemerkenswerter Einschnitt erfolgte im Jahr 2000, als die Taliban den Mohnanbau verboten. Die Produktion sank innerhalb weniger Monate fast auf null – ein in der Drogenökonomie einzigartiger Vorgang. Die Motive sind umstritten: religiöse Überzeugung, internationales Verhandlungspfand oder Marktverknappung zur Preissteigerung. Nach der US-Intervention 2001 explodierte die Produktion. Zwischen 2002 und 2017 erreichte sie historische Höchststände, zeitweise über 8.000 Tonnen jährlich.

Während der NATO-Präsenz wurde der Mohnanbau offiziell bekämpft, faktisch jedoch oft toleriert. Westliche Programme zur Förderung von Alternativpflanzen scheiterten kläglich, während korrupte afghanische Beamte, Sicherheitskräfte und lokale Machthaber weiter vom Opiumhandel profitierten. Es gibt keine Belege für eine direkte US-Kontrolle der Drogenproduktion, aber die faktische Duldung trug zur Finanzierung des Taliban-Aufstands bei – eine der vielen Widersprüche der Intervention.

Nach ihrer Rückkehr an die Macht kündigten die Taliban 2022 erneut ein Opiumverbot an. UN-Daten zeigen tatsächlich einen massiven Rückgang. Gleichzeitig aber steigt die Produktion synthetischer Drogen wie Methamphetamin. Ob das Verbot Bestand hat oder pragmatischen Finanzierungsinteressen weichen wird, bleibt offen. Die Drogenökonomie hat sich über Jahrzehnte in die Strukturen des Landes eingebrannt – sie ist nicht mit einem Dekret zu beseitigen.

Wechselwirkungen: Alle gegen alle

Die geopolitischen Interessen in Afghanistan überlagern sich und erzeugen ein komplexes, instabiles Gleichgewicht:

USA vs. Russland: Washington sieht Afghanistan als Hebel gegen russischen Einfluss in Zentralasien. Moskau kontert mit Taliban-Kontakten und sicherheitspolitischer Kooperation mit Peking und Teheran.

USA vs. China: Für die USA ist Afghanistan ein Instrument, um Chinas Landkorridore zu bedrohen. China antwortet mit wirtschaftlicher Penetration statt militärischer Präsenz – und ist damit erfolgreicher.

Indien vs. Pakistan: Neu-Delhi versucht, über Entwicklungshilfe und den iranischen Hafen Chabahar Einfluss zu bewahren. Islamabad kontrolliert mit ISI-Netzwerken und Transitwegen die Taliban-Regierung – ein struktureller Vorteil.

Iran vs. USA: Teheran unterminiert systematisch jede US-Präsenz und baut Netzwerke zu schiitischen und pragmatischen Akteuren auf.

Regionalmächte vs. Taliban: Keine Großmacht erkennt die Taliban formal an, aber alle verhandeln mit ihnen. Moskau lädt Delegationen ein, China verhandelt Minenrechte, Indien liefert Hilfe, Iran regelt Grenzfragen, die USA halten indirekte Kanäle offen. Die Taliban balancieren diese Kontakte geschickt aus, um maximale Autonomie zu bewahren.

Alle beteiligten Mächte verfolgen Nullsummenstrategien: Gewinn für den einen bedeutet Verlust für den anderen. Afghanistan selbst ist dabei selten Subjekt, fast immer Objekt fremder Interessen.

Was Trumps Bagram-Vorstoß bedeutet

Vor diesem Hintergrund wird klar, was Trumps Ankündigung auslösen könnte. Eine Rückkehr nach Bagram wäre kein isolierter Schritt, sondern ein Signal an alle regionalen Akteure: Die USA beanspruchen ihre Rolle als dominierende Macht zurück. China, Russland, Iran und Pakistan würden sofort reagieren – mit Waffenlieferungen, diplomatischen Initiativen, wirtschaftlichem Druck.

Das Resultat wäre nicht Stabilität, sondern eine neue Runde des Great Game, ausgetragen auf dem Rücken von 40 Millionen Afghanen. Die Taliban würden erneut zu einem Guerillakampf gezwungen, den sie beherrschen. Der Westen hätte militärisch die Oberhand – aber keine Aussicht auf politischen Sieg. Die Geschichte der vergangenen 200 Jahre zeigt: Afghanistan lässt sich besetzen, aber nicht kontrollieren.

Ausblick: Souveränität oder Schachbrett?

Afghanistan steht an einer Weggabelung, an der es schon oft stand – und jedes Mal die falsche Abzweigung genommen hat oder genommen wurde. Das Land verfügt über alles, was eine erfolgreiche Entwicklung ermöglichen könnte: immense Bodenschätze, eine geostrategisch vorteilhafte Lage zwischen Iran, Zentralasien, China, Pakistan und Indien, eine junge Bevölkerung. Doch ohne innere Einigung, ohne eine legitime und durchsetzungsfähige Ordnung, bleibt Afghanistan Schachbrett, nicht Spieler.

Eine Alternative zum endlosen Stellvertreterkrieg gäbe es: Ein von den Regionalmächten garantierter Neutralitätsstatus nach österreichischem oder schweizerischem Vorbild, kombiniert mit einem Entwicklungsprogramm, das Konzessionen für Rohstoffe gegen Infrastruktur, Bildung und Gesundheitsversorgung tauscht. In diesem Szenario würde Kabul nicht um Anerkennung betteln, sondern Konditionen verhandeln: Zugang zu Kupfer und Lithium gegen verbindliche Investitionen und Sicherheitsgarantien durch alle Beteiligten.

Doch dafür müssten alle Seiten – USA, China, Russland, Iran, Pakistan, Indien – Afghanistan als Subjekt akzeptieren, nicht als Objekt ihrer Interessen. Die Geschichte lehrt: Dazu ist keine Großmacht bereit. Zu wertvoll ist die geostrategische Lage, zu verlockend die Rohstoffe, zu tief die wechselseitige Rivalität.

Trumps Bagram-Vorstoß ist deshalb mehr als ein innenpolitisches Manöver. Er ist ein Test: Akzeptieren die regionalen Mächte eine erneute US-Militärpräsenz – oder ziehen sie eine rote Linie? Die Taliban haben ihre Antwort bereits gegeben. Peking, Moskau und Teheran dürften folgen. Was dann geschieht, hängt davon ab, ob Washington bereit ist, für einen Luftwaffenstützpunkt einen regionalen Flächenbrand zu riskieren.

Afghanistan, rohstoffreich und strategisch bedeutsam, droht erneut Verlierer auf dem eigenen Brett zu werden. Nicht weil es keine Alternativen gäbe, sondern weil keine der beteiligten Mächte bereit ist, das Spiel zu beenden.

Quellen und Anmerkungen

(1) Reuters (2023): Reports on China's mining interests in Afghanistan.

(2) Al Jazeera (2023): Belt and Road discussions with Taliban authorities / Disputes over Helmand River water sharing.

(3) Brookings Institution (2022): Security implications for Xinjiang.

(4) Asia Society (2022): China's gradualist approach to Taliban recognition.

(5) Council on Foreign Relations (2019): Soviet Invasion of Afghanistan / (2018): Pakistan's double game in Afghanistan.

(6) BBC (2019): Soviet withdrawal from Afghanistan / Germany's unification under Bismarck / (2020): India's infrastructure projects in Afghanistan.

(7) Carnegie Moscow Center (2021): Russia's Afghanistan policy.

(8) The Diplomat (2021): India's use of Chabahar port for Afghan trade / (2022): Iran's Afghanistan strategy.

(9) Hindustan Times (2022): India's humanitarian aid to Afghanistan.

(10) Observer Research Foundation (2022): India's Afghanistan policy post-2021.

(11) New York Times (2017): Iran's ties with Taliban factions.

(12) UNODC (2020): World Drug Report / (2017): Afghanistan Opium Survey / (2023): Afghanistan Opium Survey.

(13) Carnegie Endowment (2022): Iran's pragmatic Afghanistan strategy.

(14) Brookings (2021): Pakistan's role in the Taliban's rise.

(15) Al Jazeera (2019): Afghanistan opium economy under US watch / (2022): China eyes role in Afghan reconstruction.

(16) SIGAR (2018): Counternarcotics Lessons from the U.S. Experience in Afghanistan.

(17) Reuters (2021): Russia hosts Taliban talks in Moscow.

(18) Foreign Policy (2023): Afghanistan as the chessboard of great powers.

(19) DW (2021): Pakistan's 'strategic depth' policy and Taliban ties.

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Michael Hollister analysiert seit vielen Jahren die globalen Machtstrukturen hinter Politik und Wirtschaft. Sein Schwerpunkt liegt auf geopolitischen Strategien, einflussreichen Netzwerken und den historischen Wurzeln heutiger Konflikte.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Karte von Zentralasien mit afghanischer Flagge
Bildquelle: hyotographics / shutterstock


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