Tagesdosis

„Wir verteidigen unsere Lebensart“ | Von Paul Clemente

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Pistorius auf Bundeswehrtagung

Ein Kommentar von Paul Clemente.

„Der Russ macht uns das Leben schwer: Tu was, mit der Bundeswehr!“

Nein, das war nicht Motto der Berliner Bundeswehrtagung 2025. Gepasst hätte es dennoch. Andererseits klang das tatsächliche Motto auch nicht schlecht:

„Einsatzbereitschaft stärken. Aufwuchs beschleunigen. Sicherheit garantieren“.

Vor allem „Einsatzbereitschaft stärken“ lässt Schlimmes ahnen. Motivations-Fitness lässt nämlich kaum Platz für Zögern oder Abwägen. 

Verteidigungsminister Boris Pistorius und führende Bundeswehr-Generäle trafen am Freitag auf Vertreter der Politik, Verbänden, Industrie und Think Tanks. Zusammen ergab das 450 Personen. Natürlich durfte auch Bundeskanzler Friedrich Merz nicht fehlen. Der Blackrocker weilte zwar auf der Weltklimakonferenz COP 30 in Brasilien, aber für eine zackige Videobotschaft reichte die Zeit. Tenor: Seit dem Russland-Ukraine-Krieg sei Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit mehr.

Merz alternativloses Statement:

„Wir wollen die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee in Europa machen“.

Also nicht bloß reanimieren, sondern gleich zur Spitze hochrüsten. Was den Kanzler besonders freut:

„Wichtige Vorhaben hat die Bundesregierung bereits auf den Weg gebracht. Eine verlässliche Finanzierung für die Bundeswehr, beschleunigte Beschaffungsverfahren, die Einrichtung eines nationalen Sicherheitsrates.“

Das sei auch ein Verdienst seines großartigen Verteidigungsministers Boris Pistorius. Dann der Appell: „Möglich machen lautet das Gebot der Stunde.“ Auf dass alle Waffenträume wahr werden.

In die gleiche Kerbe schlug die programmatische Rede von Pistorius. Gleich zu Beginn der Appell:

„Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir müssen die Dinge beim Namen nennen.“ Europa „steht im Schatten eines Krieges, wie wir ihn vor Jahren noch für unmöglich gehalten hätten. Russland führt ihn mit maximaler Brutalität, Zynismus, Rücksichtslosigkeit und hybriden Taktiken: militärisch, digital und wirtschaftlich.“

Die Ukrainer befänden sich seit 1300 Tagen im Überlebenskampf. „Der Mut und Kampfgeist der Ukrainer und Ukrainerinnen gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner zeigt sich Tag für Tag aufs Neue und ist zutiefst beeindruckend.“

All den Kritikern, die sagen, dass der Zwist zwischen Russland und Ukraine den Westen nichts angehe, hält Pistorius ein Panik-Szenario entgegen. Danach gehe die russische Aggression weit über die Ukraine hinaus:

„Sie zielt auf unsere Sicherheit, auf unsere Stabilität, auch auf unsere Geschlossenheit und unser Vertrauen in uns selbst.“

Man könnte gegenfragen: Wann hat Russland der Bundesrepublik jemals mit Angriff, Einmarsch oder Ähnlichem gedroht? Das Gegenteil war der Fall. Moskau wollte noch im Herbst 2022 preiswertes Erdgas liefern. Das wurde von der damaligen Ampel-Regierung abgelehnt. Was zum wirtschaftlichen Absturz unseres Landes beitrug.

Aber Pistorius fuhr nicht nur Angriffs-Szenarien auf. Auch seine Warnung vor russischer Unterwanderung sollte für Grusel sorgen:

„Wir erleben Cyberangriffe auf unsere kritische Infrastruktur. Wir erleben gezielte Desinformation, die Zweifel säen und uns spalten und auch Wahlen beeinflussen sollen.“ -

Oh je. Braucht ein Land, das eine Lockdown-Politik ertragen musste, dessen Bürger über Inflation, Horror-Mieten und Sozialabbau stöhnen, noch russische Propaganda, um die Bürger zu spalten? Glaubt Pistorius wirklich, dass den Altparteien die Stammwähler wegen russischer Propaganda davonlaufen?

Auch gegen diesen Einwand hat Pistorius sich gewappnet. Versichert er doch, dass die hybriden Angriffe bloß der Anfang seien. O-Ton: „Und wir alle wissen: das sind Vorboten.“ Russland rüste sich für einen weiteren Krieg. Es werde nicht von dem Versuch ablassen, „weitere Grenzen mit Gewalt zu verschieben.“

Moment! Hat Russland solche Absichten jemals bekundet? Und falls  ja, bis wohin will Putin die Grenzen denn verschieben? Bis nach Polen? Bis nach Deutschland? Oder gleich bis Spanien und Portugal?

Um Russlands unstillbaren Eroberungsdrang zu belegen, erwähnt Pistorius einen Satz des Kremlchefs aus dem vergangenen Jahr: Da habe er von einem „unerbittlichen, ernsten Kampf um eine neue Weltordnung“ gesprochen. Das sei, so Pistorius, keine Einladung zu einem Kaffee-Klatsch. Stimmt. Aber ebenso wenig ist es eine klare Kriegserklärung. Kämpfe finden auf vielen Ebenen statt, wie Pistorius selber weiß.

Jedenfalls doziert der SPD-Verteidigungsminister, dass wir nur „mit glaubhafter Abschreckung den Frieden schützen können.“ Und jetzt kommt’s: Unsere Verteidigungsbereitschaft und Stärke werde künftig klären, ob wir unser Zusammenleben selbst bestimmen oder andere über uns entscheiden. „Es ist kein Alarmismus, wenn ich sage, unsere Art zu leben ist in Gefahr." - Aber welche Lebensart meint der Verteidigungsminister? Glaubt er, dass Russland uns überrollt, um hier anschließend den Gender-Sprech zu verbieten?... Mit diesem Statement erinnert der Verteidigungsminister an das Bonmot seines Amtsvorgängers Peter Struck. Der begründete den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan, dass unsere Freiheit am „am Hindukusch verteidigt“ werde.

Konnte man im Kalten Krieg noch vor der „roten Gefahr“ warnen, mit expandierendem Sozialismus drohen, so haben Kalte Krieger der Gegenwart es wesentlich schwerer. Denn in militärischen Konflikten des 21. Jahrhunderts sind beide Parteien „kapitalistisch“. Allen geht es um Rohstoffe und Gewinnmaximierung. Wie lässt sich da noch die moralische Überlegenheit des Westens begründen? Pistorius Antwort: Über 70 Prozent der Erdbevölkerung lebe in autokratischen Regimen. Großmächte wie China, Russland oder BRICS-Staaten rauften sich zusammen, wenn ökonomische Interessen sich überlappen. Aber: Diese Bündnisse besäßen keine „gemeinsame Wertebasis“. Damit wären wir wieder beim „Werte-Westen“ angekommen. Ein Schlagwort, das schon seit 2022 im Gebrauch ist.

Was Deutschland wirklich gefährden würde, das verriet nicht Pistorius, sondern der Chef des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr, Alexander Sollfrank. Der stellte klar: Im Konfliktfall würde die Bundesrepublik  zum zentralen Aufmarsch-Ort der Nato! Bis zu 800.000 Soldaten verschiedener Nato-Staaten müsse man durch  Deutschland zur Ost-Flanke schieben. Damit ist Deutschland nicht bloß Kriegspartei. Nein, es steht im Zentrum des Krieges.  Ob Gegenwehr oder Vergeltungsschlag: Wir wären die Zielscheibe.

Vielleicht werden künftige Historiker begreifen, warum deutsche Politiker im 21. Jahrhundert alles tun, um ihr Land zu zerstören. Eine Autodestruktivität, eine Lust an der Selbstmassakrierung, die auf allen Ebenen stattfindet. Derzeit kann man es nur mit Staunen registrieren.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Eckernförde, Deutschland, 21. Februar 2023 Verteidigungsminister Boris Pistorius besucht die deutsche Marine in Eckernförde. Gruppenporträt von Minister Boris Pistorius mit einer Sondereinsatzgruppe

Bildquelle: penofoto / shutterstock


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