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Die Hamas wirft Israel vor, das Waffenstillstandsabkommen nicht umzusetzen und hat die Aussetzung des Geiselaustausches verkündet. Trump droht der Hamas, die Hölle werde losbrechen, wenn sie die Geiseln nicht freilässt, und verkündet gleichzeitig Pläne zur Vertreibung der Palästinenser aus Gaza. Blufft Trump, oder wie ernst meint er all das?
Ein Kommentar von Thomas Röper.
Die Vorgänge im Nahen Osten bleiben unberechenbar. Die Hamas hat den nächsten geplanten Geiselaustausch abgesagt und Israel vorgeworfen, das Waffenstillstandsabkommen nicht umzusetzen. Trump drohte der Hamas umgehend, die Hölle werde losbrechen, wenn sie die Geiseln nicht freilässt.
Gleichzeitig plant Trump die Vertreibung der Palästinenser aus Gaza, was die arabische Welt unter großen Druck setzt und die ganze Welt, ausnahmsweise sogar einige EU-Staaten, gegen die USA aufgebracht hat.
Was steckt hinter Trumps großspurigen Ankündigungen, Gaza zu einer „Riviera des Nahen Ostens“ zu machen und die Palästinenser in arabische Länder zu deportieren? Meint Trump das ernst, oder ist das wieder der Versuch, einen „Deal“ zu machen, bei dem Trump mit hohen Forderungen in Verhandlungen einsteigen will, um danach hier und da nachzugeben, aber trotzdem mehr zu erreichen, als eigentlich denkbar war?
Ein russischer Experte hat dazu seine Analyse in der russischen Nachrichtenagentur TASS veröffentlicht und ich habe den Artikel übersetzt.
BEGINN DER ÜBERSETZUNG:
Soll die Hölle doch losbrechen: Wovor Trump die Hamas warnt
Konstantin Matschulsky über die Idee einer „Riviera des Nahen Ostens“ gebaut auf Blut
US-Präsident Donald Trump hat die radikale palästinensische Bewegung Hamas aufgefordert, bis Samstagmittag alle Geiseln freizulassen, andernfalls werde der Waffenstillstand im Gazastreifen gebrochen.
Er reagierte damit auf eine Erklärung des Sprechers des militärischen Flügels der Hamas Abu Ubaid, der warnte, dass die Widerstandsbewegung die Freilassung einer neuen Gruppe von Geiseln, die im Gazastreifen festgehalten werden, verschoben habe. Sie sollten am 15. Februar nach Hause zurückkehren. Nach Ansicht der Hamas hat Israel gegen die Vereinbarung verstoßen, als es
„die Rückkehr der Vertriebenen aus dem Süden der Enklave in den Norden verzögerte, das Feuer auf die Bewohner des Gazastreifens eröffnete und die Lieferung aller Arten von humanitärer Hilfe in der erforderlichen Menge nicht gewährleistete“.
Der Waffenstillstand im Gazastreifen trat am 19. Januar in Kraft. Die Vereinbarung sieht vor, dass die erste Phase der Vereinbarung 42 Tage dauert. In dieser Zeit muss die Hamas mindestens 33 Geiseln im Austausch gegen palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen freilassen. Die letzte Runde der Geiselbefreiung fand am 8. Februar statt, als drei Israelis aus dem Gazastreifen nach Hause zurückkehrten. Im Gegenzug ließ Israel 183 palästinensische Gefangene frei.
Heute, am 11. Februar, ist ein Treffen zwischen Trump und dem jordanischen König Abdullah II. in Washington geplant. Vor dem Treffen erklärte Trump, Jordanien werde im Rahmen seines Angebots so oder so Palästinenser aus dem Gazastreifen aufnehmen, andernfalls werde er Hilfe zurückhalten.
„Riviera des Nahen Ostens“ mit Blut
Der Vorschlag, der auf eine ethnische Säuberung des Gazastreifens hinausläuft, sieht vor, den Gazastreifen in eine luxuriöse „Riviera des Nahen Ostens“ zu verwandeln. Er zeigt nicht nur die anhaltende Missachtung palästinensischer Leben und Opfer, sondern bestätigt auch die tief verwurzelte Unterstützung für das zionistische Projekt in den politischen Kreisen Washingtons.
Seit 75 Jahren wehren sich die Palästinenser gegen Versuche, sie vom Boden ihrer historischen Heimat zu tilgen. Jetzt, nach 15 Monaten Krieg, hat die Widerstandsfähigkeit der Gaza-Bewohner Israel gezwungen, die neue Realität auf dem Schlachtfeld anzuerkennen. Trumps Vorschlag zielt darauf ab, diesen Widerstand zu brechen, indem er die ethnische Säuberung als Investitionsmöglichkeit darstellt und die amerikanisch-israelische Koordinierung auf Kosten der arabischen Staaten stärkt.
Besonders beunruhigend an diesem Punkt ist, dass Trump sich selbst als Architekt einer umfassenden regionalen Neuordnung positioniert, bei der die Staaten des Nahen Ostens jeglicher Autonomie beraubt werden.
Sein Versuch, die Massenumsiedlung als Teil einer „Friedensinitiative“ darzustellen, deutet auf eine umfassendere Strategie hin: die arabischen Staaten sollen unter Druck gesetzt werden, sich weiterhin an das Abraham-Abkommen von 2020 über die Normalisierung der Beziehungen zu Israel zu halten, wobei die palästinensische Frage völlig ausgeklammert wird.
Sogar in den USA selbst haben viele Trumps Vorschlag, zwei Millionen Menschen aus dem Gazastreifen umzusiedeln, als „verrückte“ Idee bezeichnet. Und in Jordanien und Ägypten hallte seine schockierende Erklärung ohrenbetäubend wider und schürte Ängste vor einer Zwangsumsiedlung von Palästinensern, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Saudi-Arabien, das nach Meinung vieler das nächste Land sein sollte, das seine Beziehungen zu Israel normalisiert, wenn Trump seinen Willen bekommt, verurteilte Washington scharf.
Für die Palästinenser und einen Großteil der Welt scheint Trumps Plan ein Versuch zu sein, die Widerstandsbewegung Hamas im Gazastreifen zu brechen, die sich nach 15 Monaten unerbittlicher Kriegsführung nicht nur der von den USA unterstützten israelischen Kriegsmaschinerie widersetzt, sondern in einem „Next Day“-Szenario ihre eigenen Bedingungen durchgesetzt hat. Die Hamas kam mit erhobenen Gewehren aus den Schützengräben hervor und zwang die Israelis, ihre Stärke anzuerkennen.
Letzte Woche sprachen Trump und Netanjahu im Weißen Haus mit bemerkenswerter Lässigkeit über die Zukunft des Gazastreifens und seiner Bewohner. Doch selbst Netanjahu schien bei der Radikalität von Trumps Vision einer von den USA geführten Übernahme des palästinensischen Gebiets erstarrt zu sein.
Die arabische Welt steht vor einem Dilemma
Die arabische Welt sieht in Trumps Darstellung der Situation im Gazastreifen als „Immobiliengeschäft“ nichts weniger als den dreisten Versuch, die Staaten des Nahen Ostens ihres verbliebenen politischen Einflusses zu berauben. Saudi-Arabien, das lange versucht hat, den Anschein des Engagements für die Zweistaatenlösung aufrechtzuerhalten, befindet sich nun in einer Lage, in der seine diplomatische Position völlig untergraben wurde. Die wiederholten Erklärungen Riads, dass ein palästinensischer Staat die Voraussetzung für die Normalisierung der Beziehungen zu Israel sei, stehen zunehmend im Widerspruch zu denen der USA und Israels.
Trump hat diesen Druck noch verstärkt, indem er sagte, Saudi-Arabien strebe Frieden mit Israel an, ohne die palästinensische Staatlichkeit zur Bedingung zu machen. Netanjahu bestätigte diese Aussage schnell voller Sarkasmus, indem er andeutete, dass die Saudis „einen palästinensischen Staat in Saudi-Arabien gründen können; sie haben dort eine Menge Land“.
Diese amerikanisch-israelische Abstimmung verdeutlicht einen gefährlichen Trend: Zunehmenden Druck auf Saudi-Arabien, das sich bisher allen Forderungen der USA nach einer Normalisierung der Beziehungen widersetzt hat.
Angesichts seiner symbolischen und strategischen Rolle in der muslimischen Welt befindet sich Riad in einem schwierigen Dilemma, denn eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel ohne einen palästinensischen Staat könnte die Legitimität der Herrscherfamilie gefährden.
Das wirtschaftlich schwache Jordanien befindet sich derweil in einer noch weniger beneidenswerten Lage. Trump hat Jordanien und Ägypten als potenzielle Zielländer für die vertriebenen Palästinenser genannt und damit eine Flut diplomatischer Aktivitäten im Dreieck Kairo-Riad-Amman ausgelöst.
Die Geschichte zeigt jedoch, dass arabische diplomatische Reaktionen oft zu spät kommen. Für den 27. Februar ist ein arabischer „Notgipfel“ zur Lösung der Krise geplant, was man kaum als eilig einberufene Veranstaltung bezeichnen kann.
Kairo, das sich vor Trumps Vorgehen fürchtet, hat Washington, die europäischen Verbündeten und Israel gewarnt, dass der 50 Jahre alte ägyptisch-israelische Friedensvertrag gefährdet wird, wenn eine Zwangsumsiedlung beginnt. Der jordanische Außenminister Ayman Safadi ging sogar noch weiter und bezeichnete jeden Versuch, Palästinenser umzusiedeln, als „Kriegserklärung“.
Doch trotz der harten Rhetorik bleiben sowohl Kairo als auch Amman verwundbar. Trumps Fähigkeit, Finanzhilfe als Druckmittel einzusetzen, könnte Jordanien noch abhängiger von Saudi-Arabien machen. Ägypten, das sich bereits in einer Wirtschaftskrise befindet, steht vor einem ähnlichen Geldmangel.
Der ehemalige Geheimdienstchef Saudi-Arabiens, Prinz Turki Al Faisal, erklärte gegenüber CNN, er erwarte, dass arabische und muslimische Länder sowie andere Nationen das Thema bei den Vereinten Nationen zur Diskussion stellen, um zu zeigen, dass die Welt den „wahnsinnigen Plan der ethnischen Säuberung“ ablehnt.
„Es ist eine Fantasie zu glauben, dass ethnische Säuberungen im 21. Jahrhundert von der Weltgemeinschaft, die sich zurücklehnt und nicht darauf reagiert, akzeptiert werden können. Das Problem in Palästina sind nicht die Palästinenser. Das Problem ist die israelische Besatzung. Und das ist klar und für jeden verständlich“,
sagte der ehemalige Geheimdienstchef. Prinz Turki ging noch weiter und schrieb in der emiratischen Zeitung The National einen offenen Brief an Präsident Trump, in dem er erklärte:
„Die meisten Bewohner des Gazastreifens sind Flüchtlinge, die durch Israels Völkermord in den Jahren 1948 und 1967 aus ihrer Heimat im heutigen Israel und im Westjordanland vertrieben wurden. Wenn sie aus dem Gazastreifen umgesiedelt werden, sollten sie in ihre Häuser und Orangen- und Olivenhaine in Haifa, Jaffa und anderen Städten und Dörfern zurückkehren dürfen, aus denen sie geflohen sind oder von den Israelis gewaltsam vertrieben wurden.“
Der israelische Kolumnist Zvi Bar’el schreibt in Haaretz: „Bisher wurden die Länder des Nahen Ostens nach ihrer geopolitischen Ausrichtung kategorisiert: die gemäßigte sunnitische Achse oder die pro-amerikanische Achse, die schiitische Achse oder die sogenannte iranische Achse des Bösen.“
Am Dienstag stellte Trump eine neue Kategorie vor: die „Achse der Angst“.
Bar’el sagt jedoch voraus, dass Kairo und Amman wegen ihrer Haltung Trumps Zorn zu spüren bekommen könnten und Saudi-Arabien nicht in der Lage sein werde, sie wirklich zu unterstützen.
Die weltweite Mehrheit ist dagegen
International ist Trumps Vorschlag auf breite Verurteilung gestoßen. Von den Vereinten Nationen über europäische Hauptstädte bis hin zu Moskau, Peking und dem Globalen Süden hat niemand die Gaza-Idee des US-Präsidenten unterstützt. Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi machte sich sogar über den Plan lustig und schlug vor, dass Trump, wenn er so scharf auf eine Deportation sei, die Israelis stattdessen nach Grönland schicken solle, „um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen“, und bezog sich dabei auf Trumps Äußerungen über den Erwerb dänischen Territoriums.
Obwohl Trump angesichts der zunehmenden Kritik versucht hat, die Bedeutung seines Plans herunterzuspielen und ihn als „nicht dringend“ bezeichnete, ist der Schaden bereits angerichtet. Experten sind der Meinung, dass den arabischen Erklärungen größere und entschiedenere Maßnahmen folgen müssen.
Die arabischen Staaten müssen über bloße diplomatische Erklärungen hinausgehen und durch ein koordiniertes Engagement mit Moskau, Peking und der islamischen Welt Wege finden, um dem Plan von Trump und Netanjahu, der die Ideen der israelischen Rechten umzusetzen versucht, entgegenzuwirken.
Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hat das Militär bereits angewiesen, einen eigenen Plan auszuarbeiten, der es den Palästinensern erleichtern soll, den Gazastreifen „freiwillig“ zu verlassen – ein Versuch, die ethnische Säuberung als humanitäre Initiative darzustellen.
Gaza liegt in Trümmern, zerstört von Netanjahus Kriegsmaschinerie, und es gibt keine Verurteilung durch die USA und sie ist nicht zu erwarten. Anstatt Netanjahus Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, schlägt Trump ein neues Kapitel in der Geschichte von Umsiedlung und Normalisierung vor – eine Politik, die die Region für viele kommende Generationen verändern wird.
ENDE DER ÜBERSETZUNG
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 12. Februar 2025 auf anti-spiegel.ru.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Anas-Mohammed / shutterstock
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