
Letzte Woche fanden die ersten direkten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine statt. Wie wurde in Russland über die Verhandlungen und die Ergebnisse berichtet?
Ein Standpunkt von Thomas Röper.
Die Verhandlungen in Istanbul, die am letzten Freitag zwischen Russland und der Ukraine stattgefunden haben, haben natürlich keinen Durchbruch gebracht. Dennoch sieht man sie in Russland positiv, weil sie zumindest zu Stande gekommen sind und weil man sich auf eine Fortsetzung der Gespräche geeinigt hat. Das war mehr als viele erwartet haben.
Hier zeige ich, wie das russische Fernsehen darüber am Sonntagabend in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick berichtet und übersetze den Beitrag darüber.
Beginn der Übersetzung:
Verhandlungen in Istanbul: Die wichtigsten Ergebnisse der neuen Phase der Verhandlungen
Am Freitag wurden auf Initiative von Präsident Putin in Istanbul die direkten russisch-ukrainischen Verhandlungen wieder aufgenommen, die Kiew vor drei Jahren auf Betreiben der Briten unterbrochen hatte. Heute werden wir alles im Detail durchgehen, aber schon jetzt können wir definitiv folgende fünf Punkte festhalten:
– Als Initiatoren sind wir mit den stattgefundenen Verhandlungen zufrieden.
– Moskau und Kiew haben sich auf einen groß angelegten Gefangenenaustausch von Tausend gegen Tausend in naher Zukunft geeinigt.
– Die Parteien versprachen, ihre Vorstellungen zu den Bedingungen eines Waffenstillstands bei späteren Gesprächen auszutauschen.
– Wir haben die Bitte der Gegenseite um ein Treffen auf höchster Ebene zur Kenntnis genommen.
– Wir sind bereit, die direkten Kontakte fortzusetzen.
So weit ist alles klar, doch Kreml-Pressesprecher Peskow wurde zum Treffen zwischen Wladimir Putin und Selensky befragt und erklärte: „Seit gestern haben wir viele Fragen zum Thema eines möglichen Treffens zwischen den Präsidenten der beiden Länder, der Ukraine und Russlands, Selensky und Putin, erhalten. So ein Treffen ist als Ergebnis der Arbeit der Delegationen beider Seiten nach dem Erreichen bestimmter Vereinbarungen durch diese Delegationen möglich, wir halten es für möglich, aber eben als Ergebnis der Arbeit und nach dem Erreichen bestimmter Ergebnisse in Form von Vereinbarungen beider Seiten. Nach der Unterzeichnung von Dokumenten, auf die sich die Delegationen einigen müssen. Für uns bleibt die wichtigste und grundlegende Frage, wer genau diese Dokumente von ukrainischer Seite unterzeichnen wird.“
Und hier geht es um die Frage der Legitimität Selenskys als Präsident, die Putin selbst mehr als einmal angesprochen hat, zum Beispiel im Januar:
„Die Frage der endgültigen Unterzeichnung der Dokumente ist eine sehr ernste Angelegenheit, die die Sicherheit sowohl der Ukraine als auch Russlands in einer ernsthaften, langfristigen historischen Perspektive garantieren sollte. Hier darf es keine Fehler und keine Ecken und Kanten geben. Alles muss genau sein, aber gemäß der Verfassung der Ukraine hat der Präsident der Ukraine selbst unter Kriegsrecht nicht das Recht, seine Machtbefugnisse auszuweiten. Wenn jedoch der Wunsch besteht, zu verhandeln und Kompromisslösungen zu finden, kann jeder diese Verhandlungen führen. Wir werden natürlich nach dem streben, was uns passt, was unseren Interessen entspricht. Aber was die Unterzeichnung von Dokumenten betrifft, muss hier natürlich alles so sein, dass die Juristen uns die Legitimität der Personen bestätigen, die vom ukrainischen Staat zur Unterzeichnung dieser Abkommen ermächtigt werden.“
Wenn ich heute über die Verhandlungen und die Bedingungen von Friedensabkommen nachdenke, ist meiner Meinung nach ein anderer Gedanke Putins relevant: Je weiter es geht, desto schlimmer wird die Lage der Ukraine. Wenn sie die russischen Vorschläge heute ablehnen, könnten sie morgen noch mehr verlieren. Das ist die Logik der Situation an der Front.
Putin betonte das, als er bei einem Treffen mit der Führung des russischen Außenministeriums im Juni letzten Jahres unsere Friedensinitiativen vorstellte: „Der Westen, Kiew, hat den Kurs eingeschlagen, uns eine strategische Niederlage zuzufügen. Doch wie wir wissen, ist all das gescheitert. Heute unterbreiten wir einen weiteren konkreten, echten Friedensvorschlag. Sollten Kiew und die westlichen Hauptstädte diesen wie zuvor ablehnen, dann liegt es letztlich ihre Sache und politisch und moralisch sind sie für die Fortsetzung des Blutvergießens verantwortlich. Offensichtlich werden sich die Realitäten vor Ort, an der Kontaktlinie, weiter zum Nachteil des Kiewer Regimes verändern. Und die Bedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen werden andere sein.“
So ist es nun ja auch gekommen.
Aus Istanbul berichtet unser Korrespondent.
Die Mauern der Dolmabahçe-Residenz im Zentrum Istanbuls waren streng bewacht. Es gab Maschinengewehrschützen, zusätzliche Zäune und Wasserwerfer.
Spannung lag in der Luft. Hunderte Journalisten aus aller Welt versammelten sich in der Nähe des Verhandlungsortes. Und schon ab sieben Uhr morgens am Donnerstag begannen sie, die Mauern der Residenz zu bewachen und versuchten, sich den besten Punkt zu sichern, um kein einziges Detail zu verpassen.
Die Aufregung wuchs mit jeder Stunde. Die Zeit verging, aber es herrschte keine Klarheit bezüglich der ukrainischen Delegation, obwohl die russische Delegation seit Donnerstag 10.00 Uhr wartete. Selensky hingegen hetzte in Ankara umher und begann mit der Aussage, er sei mit der Zusammensetzung der russischen Delegation nicht zufrieden. Er versprach, die Namen seiner Delegation zu nennen, und traf sich dann mit Erdogan.
An der Spitze der russischen Delegation in Istanbul stand der Präsidentenberater Wladimir Medinski, mit ihm reiste auch der stellvertretende Außenminister Michail Galusin. Er ist für die GUS zuständig. Der Chef der Hauptverwaltung für Aufklärung des Generalstabs und Held Russlands Igor Kostjukow ist für seine direkte Beteiligung an der Leitung der Operation in Syrien bekannt. Und der stellvertretende Verteidigungsminister Alexander Fomin ist für die internationale militärische und militär-technische Zusammenarbeit verantwortlich.
Die Delegationsmitglieder sprachen über die wichtigsten Parameter, genauer gesagt jene, die auf dem Tisch der russischen Delegation lagen. Alles wartete auf die Ukrainer. Die russische Delegation wartete nun schon seit Stunden. Später am Abend gab Selensky schließlich sein Verhandlungsteam bekannt. Unterdessen machten sich die Journalisten vor dem Palast fast schon für eine Übernachtung bereit.
Am Abend fand dann doch ein Treffen statt, allerdings ein russisch-türkisches. Wladimir Medinski sprach mit Außenminister Hakan Fidan. Später trat er vor die Journalisten und sagte, dass die russische Seite, wie bereits angekündigt, zu Verhandlungen bereit sei und auf ein baldiges Treffen hoffe.
Und so wurde Istanbul morgens durch den bizarren Gleichklang der Rufe des Muezzins und der Polizeisirenen aufgewühlt. Die Autos der Teilnehmer fuhren nacheinander in die Residenz ein. Nachrichtenagenturen meldeten die Ankunft der russischen Delegation mit dem Vermerk „Eilmeldung“. Der Ukrainer war bereits drinnen. Nur wenige Kameras waren in dem Saal und es erscheinen die ersten Aufnahmen des mit großer Spannung erwarteten Treffens. Zunächst einmal war es ein multilaterales Treffen. Unsere Delegation saß rechts, die Ukrainer links und die Gastgeber saßen in der Mitte.
„Wir freuen uns, beide Seiten in Istanbul zu Gast zu haben. Wir glauben, dass diese Gespräche zu einem möglichen Frieden führen werden“, sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan.
Beim Anblick der gesamten Einrichtung hatten viele ein Déjà-vu, schließlich war es derselbe Saal, in dem Russland und die Ukraine vor drei Jahren praktisch eine Einigung erzielt hatten. Die große Tafel, die Wandbeleuchtung und sogar die weißen Tischdecken sind dieselben wie 2022. Nur bei der Sitzordnung war der Unterschied deutlich: Saßen die Delegationen aus Moskau und Kiew sich damals sehr nah gegenüber, quasi auf Armlänge, so herrschte nun eine beeindruckende Distanz zwischen ihnen.
Auch die Situation an der Front hat sich radikal verändert. Vor drei Jahren hat die Ukraine auf Betreiben ihrer westlichen Kuratoren den Verhandlungsprozess einseitig abgebrochen und die bereits paraphierte Vereinbarung landete im Mülleimer.
Die Zusammensetzung der Delegation zeigt, dass Moskau die Istanbuler Gespräche als Chance sieht, den im April 2022 abgebrochenen Prozess wieder aufzunehmen. Und für die Ukraine sind das nicht unbedingt schlechte Nachrichten.
Auf der Kiewer Seite gibt es nun eine andere Zusammensetzung der Verhandlungsführer: Viele Militärs, die in Tarnkleidung gekommen sind, während die russischen Vertreter des Generalstabs bei den Verhandlungen zivile Anzüge bevorzugten. Und noch ein Detail: Die Delegation aus Kiew hatte zu den Verhandlungen eigens einen Übersetzer vom Ukrainischen ins Russische mitgebracht, was man natürlich keineswegs als Wunsch bezeichnen kann, eine gemeinsame Sprache zu finden.
Infolgedessen dauerten die Verhandlungen etwa zwei Stunden. Es fand ein direkter Kontakt statt. Das ist ein wichtiges Ergebnis, wie Wladimir Medinski danach erklärte:
„Im Großen und Ganzen sind wir mit den Ergebnissen zufrieden und bereit, die Kontakte fortzusetzen. Worauf haben wir uns geeinigt? Erstens: In den kommenden Tagen wird es einen groß angelegten Gefangenenaustausch geben, tausend gegen tausend Menschen. Zweitens: Die ukrainische Seite hat direkte Verhandlungen zwischen den Staatschefs gefordert. Wir haben diese Forderung zur Kenntnis genommen.“
Selbst danach eskalierten europäische und insbesondere britische Medien weiter. Verschiedene anonyme Quellen wurden mit der Aussage zitiert, das Gespräch sei angespannt gewesen und alles sei plötzlich beendet worden. In Erwartung skandalöser Aussagen hätten Journalisten Umerow beinahe niedergerannt, als er vor die Presse trat. Sie hörten jedoch nur eine zurückhaltende Erklärung, in der die Vereinbarung zur Vorbereitung des groß angelegten Gefangenenaustauschs Tausend gegen Tausend sowie die Bitte Kiews um ein persönliches Treffen der Präsidenten bestätigt wurden.
Und in einem weiteren Punkt waren sich die Parteien einig, wie Medinski erklärte:
„Wir haben vereinbart, dass jede Seite ihre Vision eines möglichen zukünftigen Waffenstillstands vorlegt. Sie wird diese detailliert darlegen. Nachdem diese Visionen vorgelegt wurden, halten wir es für zielführend, und auch darauf haben wir uns geeinigt, unsere Verhandlungen fortzusetzen.“
Es gibt noch viel Arbeit. Die Ukrainer verbrachten den ganzen Tag in Istanbul und berieten sich mit ihren westlichen Kuratoren – den nationalen Sicherheitsberatern aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Auch Trumps Sondergesandter Kellogg war dort. Anschließend brach die Kiewer Delegation zu Verhandlungen mit den USA unter Beteiligung der Türkei auf.
Eine weitere Wagenkolonne erreichte die Arbeitsresidenz des türkischen Präsidenten. Das war die amerikanische Delegation unter der Leitung von Marco Rubio. Das war nicht schwer zu erkennen, weil in seiner Wagenkolonne sogar ein türkischer Panzerwagen war.
Von Kiewer Seite waren der Bürochef von Selensky, Jermak, Außenminister Sybiga und Verteidigungsminister Umerow dabei. Während seines Aufenthalts im Nahen Osten erhielt Trump ständig Informationen aus Istanbul. Am Samstag telefonierte Rubio mit dem russischen Außenminister Lawrow.
Außenminister Rubio begrüßte die Vereinbarung zum Gefangenenaustausch, die während der ukrainisch-russischen Gespräche am 16. Mai in Istanbul erzielt wurde, und übermittelte die starke Botschaft von Präsident Trump, die USA seien entschlossen, den Krieg zwischen Russland und der Ukraine dauerhaft zu beenden.
Die Konsultationen Kiews mit dem Westen werden natürlich fortgesetzt, der neue Ausgangspunkt sind nun jedoch direkte Verhandlungen mit der russischen Seite.
Ende der Übersetzung
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Dieser Beitrag erschien am 19. Mai 2025 auf dem Blog anti-spiegel.
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Bildquelle: Shutterstock AI / shutterstock
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