
Die Bundesregierung will Ziele tief in Russland angreifen. Anstatt dazu Taurus-Raketen zu schicken, wie von Kiew bisher gefordert, werden dazu nun ukrainische Langstreckendrohnen modernisiert und deren Produktion finanziert. Trotzdem wird Deutschland damit unweigerlich Kriegspartei gegen Russland.
Ein Standpunkt von Thomas Röper.
Die Diskussion um die Lieferung von deutschen Taurus-Raketen an Kiew scheint beendet zu sein, der Wunsch von Bundeskanzler Merz, Ziele tief im russischen Hinterland anzugreifen, bleibt jedoch bestehen – und wird umgesetzt, ohne dass das in Deutschland große Schlagzeilen macht.
Dass die Lieferung von Taurus-Raketen, die nur von Bundeswehrsoldaten programmiert und bedient werden können, eine unbestreitbare deutsche Kriegsbeteiligung wäre, scheint man inzwischen auch Bundeskanzler Merz erklärt zu haben, denn seit knapp einem Monat hört man von ihm nichts mehr über die zuvor von ihm versprochene Lieferung der Taurus an Kiew. Trotzdem redet Merz davon, die Ukraine bei Angriffen tief ins russische Hinterland unterstützen zu wollen, er nannte das „Long-Range-Fire“, das man der Ukraine ermöglichen wolle.
Um das zu ermöglichen und gleichzeitig die direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands zu verschleiern, hat sich die Merz-Regierung einen Trick ausgedacht. Am 12. Juni war Verteidigungsminister Pistorius in der Ukraine und hat mit Selensky über Kooperation im Bereich der Drohnenproduktion gesprochen. Die Tagesschau berichtete an dem Tag:
„'Das Bild des Krieges hat sich verändert. Angefangen von Jets und Panzern, die im Mittelpunkt standen, war es dann über viele Jahre die Artillerie und ist es immer noch', sagte Pistorius. Nun gehe es aber verstärkt um die elektromagnetische Kriegsführung und den Kampf mit Drohnen. 'Alleine daraus wird schon deutlich, was wir lernen können voneinander. Und deswegen ist es gut, wenn wir auch gemeinsam in die Produktion einsteigen', sagte er. (…) Die ukrainische Regierung sieht in der eigenen Rüstungsbranche ungenutzte Kapazitäten im Umfang von jährlich insgesamt 30 Milliarden Euro. 'Was die Produktion angeht, dann sprechen wir über die Produktion in der Ukraine, aber auch in Deutschland', sagte Selenskyj während der Pressekonferenz. Gesprochen werde 'über unsere weitreichenden Waffen, unsere Drohnen, ukrainische Raketentechnologien, Marschflugkörper und andere weitreichende Möglichkeiten'.“
Außerdem meldete die Tagesschau, dass Deutschland dafür Milliarden zur Verfügung stellen will, um die Produktion in der Ukraine zu finanzieren. Aber deutsche Medien berichten nur sehr allgemein über diese Themen, um die Leser nicht mit den bedrohlichen Details dieser Entscheidungen zu behelligen.
Was das tatsächlich bedeutet
Nach allem, was bekannt ist, wird Deutschland die Massenproduktion der ukrainischen Drohne AN-196 finanzieren, die eine Reichweite von bis zu 2.000 Kilometern haben und einen bis zu 75 Kilogramm schweren Gefechtskopf tragen können soll. Die Drohne wird mit Satellitennavigation und KI gesteuert.
Allerdings belässt Deutschland es offenbar nicht dabei, die Produktion der Drohne nur zu finanzieren, sondern Deutschland scheint die Drohne auch verbessern zu wollen. Und die Erprobungen scheinen bereits zu laufen.
In der Nacht vom 2. auf den 3. Juni gab es einen massiven ukrainischen Drohnenangriff auf die Stromversorgung der Gebiete Saporoschje und Cherson, nach dem zehntausende Haushalte stundenlang ohne Strom waren. Die eingesetzten Drohnen waren mit Komponenten eines deutschen Herstellers versehen, die russische Spezialisten zuvor noch nicht gesehen hatten und die die Leistungsfähigkeit der Drohnen massiv verbessert haben. Offenbar wurde deren Einsatz bei diesem Angriff das erste Mal im Kampfeinsatz erprobt und man muss den Angriff als erfolgreich bezeichnen.
Da ich die Einheiten in Saporoschje von meinen Reisen in die Region gut kenne, haben sie mich damals kontaktiert und mir Details über die in den Drohnen verbauten Komponenten berichtet und mich gefragt, was ich über den Hersteller der Komponenten herausbekommen kann. Ich kann dazu jetzt nur sagen, dass die Drohnen durch die verbauten Komponenten technisch wesentlich leistungsfähiger geworden sind, die Details werden derzeit von russischen Spezialisten ausgewertet.
Natürlich kann man sagen, dass die Ukraine Komponenten bei deutschen Herstellern kaufen kann, aber der zeitliche Zusammenhang mit den Erklärungen aus Deutschland lässt den Schluss zu, dass es sich bereits um das von Pistorius genannte Programm zur Unterstützung der Ukraine mit deutschen Steuergeldern handeln dürfte.
Es ist daher zu erwarten, dass Deutschland sich an der Modernisierung der ukrainischen Langstreckendrohnen beteiligt, wie Pistorius ja auch offen gesagt hat, als er davon sprach, man könne viel voneinander lernen. Deutschland liefert Verbesserungen für ukrainische Drohnen, die Ziele bis zu 2.000 Kilometer tief im russischen Hinterland angreifen können, und Deutschland lernt dabei einiges über die Fähigkeiten seiner Systeme im echten Kriegseinsatz.
Der große Unterschied zu den bisherigen Angriffen auf Ziele tief im russischen Hinterland ist, dass Länder wie Frankreich, Großbritannien oder die USA der Ukraine keine Waffen geliefert haben, die dafür auch eingesetzt wurden. Deren Waffen wurden in Frontnähe oder gegen Ziele auf russischem Gebiet nahe der ukrainischen Grenze eingesetzt, aber Angriffe auf Ziele tief im russischen Hinterland wurden – zumindest formell – bisher nicht mit westlicher Technik durchgeführt.
Das scheint die Merz-Regierung nun ändern zu wollen.
Die deutsche Kriegsbeteiligung verschleiern
Wenn Deutschland sich so direkt daran beteiligt, der Ukraine die Fähigkeiten zu geben, Ziele weit über tausend Kilometer tief im russischen Hinterland anzugreifen, dann kann die deutsche Kriegsbeteiligung kaum mehr bestritten werden. Hinzu kommt, dass die Ukraine nicht die geheimdienstlichen Fähigkeiten hat, Ziele tief im russischen Hinterland anzugreifen. Dazu braucht es Daten von Satelliten zur Zielidentifikation und Bodenreliefkarten von Russland zur Navigation, die die Bundeswehr hat.
Wenn die ukrainischen Langstreckendrohnen nun tatsächlich mit deutschen Steuergeldern produziert und verbessert werden und dann gegen Ziele tief in Russland eingesetzt werden, ist die deutsche Kriegsbeteiligung aus mehreren Gründen nicht mehr bestreitbar. Erstens, weil Deutschland dafür die technischen Möglichkeiten liefert, und zweitens weil dazu deutsche Aufklärungsdaten und Bodenreliefkarten nötig sind, die die Drohnen brauchen, um auch dann ihre Ziele zu erreichen, wenn das GPS-Signal gestört wird.
Die Merz-Regierung will das vor der Öffentlichkeit verschleiern, indem sie keine Taurus-Raketen liefert, sondern stattdessen harmlos klingend von der Finanzierung der Drohnenproduktion in der Ukraine spricht. Was tatsächlich dahinter steckt, sagen aber weder deutsche Politiker noch erklären die deutschen Medien es ihrem Publikum.
Passend dazu schrieb Selensky am 22. Juni, die Ukraine habe Russlands „wichtigste Schwachstellen“ im Blick. Er kündigte an, „angemessene Schläge“ zu führen, um das militärische Potenzial Moskaus „erheblich zu verringern“. Außerdem erklärte er, man werde mit den westlichen Partnern „gemeinsame Verteidigungslösungen vorbereiten“. Am gleichen Tag sagte auch der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte Alexander Syrsky gegenüber Reportern, dass Kiew „das Ausmaß und die Tiefe“ seiner Angriffe auf russische Militäreinrichtungen im Landesinneren erhöhen werde.
Auch dieser zeitliche Zusammenhang mit den deutschen Ankündigungen, die Ukraine bei Angriffen tief ins russische Hinterland zu unterstützen, dürfte kein Zufall sein.
Und am 30. Juni ist Außenminister Wadephul in Kiew eingetroffen und hat eine ganze Delegation von Managern deutscher Rüstungskonzerne mitgebracht, die in der Ukraine die gemeinsame Produktion von Waffen gegen Russland organisieren sollen. Das Geld, mit dem angeblich Kiew unterstützt werden soll, fließt also direkt zurück zu deutschen Konzernen.
Das Rundum-Sorglos-Paket für deutsche Konzerne
Der Spiegel schrieb über Wadephuls Besuch in Kiew einen emotionalen Artikel mit der Überschrift „Außenminister in der Ukraine – Was Wadephul Putins Raketenterror entgegensetzen will“, in dem es weniger um Wadephuls Kiew-Besuch als um Geschichten über angeblich gezielte russische Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine ging. Der lange Artikel war reine anti-russische und pro-ukrainische Stimmungsmache und enthielt nur wenige greifbare Informationen über Wadephuls Besuch in Kiew, aber gegen Ende des langen Artikels konnte man darin trotzdem die Bestätigung dessen finden, was ich gerade ausgeführt habe:
„Ein neues Modell der Zusammenarbeit soll nun Abhilfe schaffen. Statt aus Bundeswehrbeständen oder direkt von der Industrie Waffensysteme in die Ukraine zu liefern, sollen deutsche Rüstungsfirmen sie künftig direkt in der Ukraine herstellen. »Wir wollen neue Joint Ventures aufbauen, damit die Ukraine selbst schneller und mehr für die eigene Verteidigung produzieren kann«, kündigt Wadephul an. Der Bedarf sei enorm. Er hat eine hochrangige Delegation aus der Branche mit in die Ukraine genommen. Auch für Deutschland soll sich die Zusammenarbeit auszahlen, nicht nur wirtschaftlich. »Mit eurem Ideenreichtum und euren Erfahrungen werden auch wir besser«, sagt Wadephul. (…) Drei deutsche Unternehmen arbeiteten bereits in der Ukraine, berichtet Selenskyj. Man warte auf das vierte. Mit Bundeskanzler Merz und Verteidigungsminister Pistorius habe er schon über die gemeinsame Produktion von Drohnen verhandelt. (…) In den nächsten Tagen könne die Zahl der Partnerschaften auf zwanzig steigen, kündigt er an.“
Für deutsche Konzerne besteht dabei keinerlei Risiko, obwohl sie in einem Kriegsgebiet für wahrscheinlich Millionen Euro Produktionsstätten aufbauen wollen, denn schon 2023 hat der damalige Bundeswirtschaftsminister Habeck deutschen Firmen staatliche Garantien für ihre Investments in der Ukraine gegeben.
Sollten die Produktionsstätten also von Russland bombardiert und zerstört werden, haftet der deutsche Steuerzahler für die Schäden. Das geht so weit, dass Habeck den deutschen Konzernen sogar zugesagt hat, ihnen nicht nur etwaige Kriegsschäden, sondern auch ihre erwarteten Gewinne zu erstatten.
Deutschland bewusst in den Krieg führen
Als Kanzler Merz Ende Mai mit seinen Ankündigungen, der Ukraine Taurus liefern zu wollen, Schlagzeilen machte, hat RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan auf Telegram über die Reaktionen in der russischen Regierung darauf berichtet. Auf Telegram schrieb sie:
„In den Moskauer Büros wird besprochen, dass wir keine andere Wahl haben, als Berlin anzugreifen, wenn deutsche Soldaten Moskau mit deutschen Waffen angreifen würden (und die Erlaubnis, mit Taurus-Maschinen anzugreifen, kann nur dies bedeuten, da die Ukrainer diese weder warten noch eine Flugmission erstellen können).“
Wenn die Chefredakteure von staatlichen Medien über Hinterzimmergespräche aus Regierungskreisen ihres Landes schreiben, kann man davon ausgehen, dass sie diese Gespräche in Regierungskreisen mitbekommen und die Erlaubnis erhalten haben, darüber zu berichten. So funktioniert das in jedem Land der Welt, führende Journalisten schreiben solche Meldungen nicht einfach aus einer Laune heraus und ohne „grünes Licht“ ihrer Quellen.
Wichtig ist, dass es dabei generell um deutsche Waffen ging, und dass das keineswegs auf den Einsatz von Taurus begrenzt wurde. Wenn also ganz offensichtlich mit deutscher Hilfe und deutschem Geld verbesserte ukrainische Drohnen in Moskau (oder anderen wichtigen Orten in Russland) einschlagen, dann ist ein russischer Gegenangriff auf entsprechende Ziele in Deutschland mehr als nur wahrscheinlich.
Natürlich werden deutsche Medien und Politiker das zum Anlass nehmen, Russland wieder einen „unprovozierten“ Angriff vorzuwerfen, denn über all das, was ich hier ausgeführt habe, haben sie die deutsche Öffentlichkeit nicht informiert. Die Mehrheit der Deutschen wird diese Propaganda daher glauben und sich – wie schon früher in der Geschichte – in den Krieg gegen Russland treiben lassen.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 1. Juli 2025 auf anti-spiegel.ru.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: Boris Pistorius (Bundesverteidigungsminister) und Wolodymyr Selenskyj (Präsident der Ukraine)
Bildquelle: photowalking / shutterstock
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