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Weidel: „Hitler war Kommunist“ – Blödsinn oder Volksverhetzung? | Von Wolfgang Effenberger

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Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.

Der Autor dieses Artikels hatte zunächst nicht vor, sich nach Adolfs umstrittener Äußerung in den Chor der alleswissenden Schnell-Antwortgeber einzureihen. Nach dem Besuch der Jubiläums-Vorstellung der "Blechtrommel" im Berliner Ensemble fühlte er sich jedoch herausgefordert, ein wenig historische Klärung in die Debatte einzubringen. In der "Blechtrommel", die wesentliche Züge eines Schelmenromans hat, setzt sich Günter Grass mit der Geschichte der Deutschen vor und während der zwölfjährigen Herrschaft der Nationalsozialisten auseinander. Diese Geschichte brachte Oskar Matzerath-Darsteller Nico Holonics in einer grandiosen Leistung als Monolog auf die Bühne. Im anschließenden Publikumsgespräch mit Oliver Reese (Regie) und Nico Holonics (Oskar Matzerath) wurde dann auch auf die Aussage von Alice Weidel in ihrem Gespräch mit Elon Musk, Adolf Hitler sei ein Linker, ein Kommunist und Sozialist gewesen (1), eingegangen.

Elon Musk hatte in dem 95-minütigen Gespräch Frau Alice Weidel direkt gefragt, wie sie zu Hitler und der nationalsozialistischen Vergangenheit des Landes stehe. Mit dieser Frage sollte wohl jegliche Verwirrung in der deutschen Öffentlichkeit über die demokratische Glaubwürdigkeit der AfD ausgeräumt werden. Frau Weidel versicherte dem Publikum, dass Hitler in Wirklichkeit kein echter Konservativer war, wie ihre Partei. Er habe deutsche Unternehmen verstaatlicht, was ihn in den Augen von Frau Weidel zum verkappten Kommunisten mache.

Diese saloppe Antwort, die von den Medien sofort begierig ausgeschlachtet wurde, wird dem wahren Sachverhalt in keiner Weise gerecht, und das hätte Frau Weidel wissen müssen. Gerade diesen dunklen Teil der deutschen Geschichte darf man nicht in so fahrlässiger Weise simplizifieren. Die Wirklichkeit ist wie immer höchst komplex – daher soll hier eine differenzierte historische Klärung versucht werden.

Hitler: vom Wiener Männerwohnheim 1914 freiwillig zum deutschen Militär

In seiner grandiosen Doppelbiografie "Hitler und Stalin  Parallele Leben"(2) skizziert Alan Bullock mit wenigen Strichen die Entwicklung Hitlers in den Jahren von 1908 bis 1919, zwischen seinem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr:

„Die ersten sechs Jahre verbrachte er in Wien, mit kurzen Aufenthalten in München. Doch wußte er noch immer nicht, welchem Ziel er sein Leben widmen wollte, seine Existenz beschränkte sich aufs Überleben: Als ein Stückchen Treibholz schwamm er unter vielen im trüben Wasser der Großstadt. Dann aber, zwischen 1914 und 1918, fand er endlich, was er wollte. Er fand es im Soldatenleben, im Krieg, im »Fronterlebnis«, in der gefühlsmäßigen Identifizierung mit dem deutschen Nationalismus - nur um dann den Schock der deutschen Niederlage erleben zu müssen, den Zusammenbruch des deutschen Heeres, gefolgt von einer Revolution, die seine heiligsten Überzeugungen in Frage stellte. Aus purer Verzweiflung wandte Hitler sich der Politik zu; der unbekannte Kriegsveteran fing an, in fanatischen Predigten von der Wiedergutmachung der deutschen Niederlage und von der Bestrafung der »Novemberverbrecher« zu reden, die dem kämpfenden Heer den Dolch in den Rücken gestoßen hätten“.(3)

Nach 51 leidvollen Kriegsmonaten führte am 7. November 1918 in München Kurt Eisner (USPD) die Revolution an. Am 8. November – gerade als die Waffenstillstandsverhandlungen aufgenommen wurden – siegte die Revolution in Bayern – und einen Tag später in Berlin.

Am 10. November meldete der französische Leutnant Desgranges – als Nachrichtenoffizier in Deutschland eingesetzt - zufrieden an seinen Vorgesetzten, General Boucabeille:

Die Ereignisse, die sich im Augenblick überstürzen, beweisen, dass wir recht hatten. Die deutsche Revolution ist in dem Augenblick ausgebrochen, den wir vorausgesehen hatten, ... Diese Revolution geht von den Leuten aus, die wir kennen, und wird, wie wir vorhergesagt haben, bis zum Äußersten gehen.“(4)

Als am 11. November 1918 morgens kurz nach 5 Uhr im Wald von Compiègne Erzberger der Waffenstillstandsvertrag zur Unterschrift vorgelegt wurde, erreichten amerikanische Angriffsspitzen Sedan. Sechs Stunden später war der Kampf zu Ende – die deutschen Truppen standen durchweg im Feindesland. Daraus leiteten viele ab, dass Deutschland unbesiegt war. „Der Patriotismus war jetzt zur Erkennungsparole derer geworden, die sich gegen das Regime [der „Novemberverbrecher“, W.E.] verschworen hatten, während er bis 1918 das Bindemittel zwischen den das Regime stützenden Kräfte gewesen war.“(5), so Alan Bullock.

Der seit 1917 in der Schweiz für die USA tätige Agent George D. Herron, Verbindungsmann zu den Revolutionären in Bayern, forderte am 17. November Kurt Eisner, seit dem 8. November 1918 selbsternannter Ministerpräsident von Bayern, dringend auf, „…die ersten Schritte zu einem vollen und offenen Bekenntnis der Schuld und Untaten der deutschen Regierung am Anfang des Krieges und an den Grausamkeiten der Kriegführung zu unternehmen. Die moralische Wirkung einer solchen Handlung wäre gewaltig und entscheidend“.(6)

Prompt legte Eisner bereits am 23. November 1918 zum Beweis der deutschen Schuld „…die bayerischen Gesandtschaftsberichte zum Kriegsausbruch in einer gekürzten Form“(7) vor, heißt es lapidar in der Online-Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Gekürzt" ist ein absoluter Euphemismus. Eisner manipulierte für seine so genannte "Enthüllung" den Originalbericht des Geheimrats v. Schön dermaßen, dass es so aussah, als habe Deutschland den Krieg gewollt. Die Westminster Gazette dankte Herrn Eisner höhnisch für seine Aufrichtigkeit; die britische Morning Post erkannte in den Enthüllungen Eisners eine genaue Aufdeckung der Schuldfrage und forderte, die Urheber des Verbrechens der Gerechtigkeit zu überantworten.

Lord Ponsonby kritisierte, dass durch Eisners Kürzungen der Eindruck entstehe, die deutsche Regierung habe einen Weltkrieg entfachen wollen. Der Vorfall führte zu einem Prozess. Zwölf ausländische Sachverständige prüften das Schriftstück, und alle kamen zur Auffassung, dass eine Fälschung vorliege.(8)

Die Aufgeregtheit der aktuellen Auseinandersetzung wirkt ein wenig grotesk, wenn man bedenkt, welche Gefühlswallungen viele Deutsche in den ersten Monaten nach dem ersten Weltkrieg durchleben mussten – zumal die britische Blockade bis zum 28. Juni 1919 in Kraft blieb.

In München wurde im April 1919 die gemäßigte sozialdemokratische Regierung der Republik Bayern, die seit der Ermordung Eisners am 21. Februar 1919 amtierte, durch einen kommunistischen Putsch in die Flucht geschlagen und eine Räterepublik ausgerufen. Die Führung übernahmen drei russische Emigranten, von denen zwei Juden waren. Bei der Maiparade auf dem Roten Platz erklärte Lenin:

Die befreite Arbeiterklasse feiert ihren Ehrentag nicht nur in Sowjetrussland, sondern auch in Sowjet-Ungarn und Sowjet-Bayern.“(9)

Der Kriegsfreiwillige und heimatlose Hitler war nach Kriegsende in der Armee geblieben. Nach dem Räteputsch trat Hitler als Zeuge vor einer Militärkommission in Erscheinung, die nach Mitgliedern und Sympathisanten des Räteregimes suchte. Hitler, der nach wie vor Wehrsold bezog, kam nun in ein Aufklärungskommando und begann seine Redegabe zu schulen. Während der vier Kriegsjahre hatte Hitlers Vorgesetzte ihn für unfähig gehalten, irgendwelche Verantwortung zu übernehmen.

Wenige Tage vor der ersten Wahl in der Republik Bayern, am 5. Januar 1919, gründete der Werkzeugmacher Anton Drexler (1884-1942) zusammen mit dem Sportjournalisten Karl Harrer in München die sozialistisch ausgerichtete "Deutsche Arbeiterpartei" (DAP).(10)

Adolf Hitler kam erstmals am 12. September 1919 im Münchner Sterneckerbräu in Kontakt mit der DAP, wo Gottfried Feders über das Thema "Wie und mit welchen Mitteln beseitigt man den Kapitalismus?" referierte. Hitler war dort vermutlich auf Veranlassung der „Propagandaabteilung Ib/P“ des Reichswehrgruppenkommandos 4 als V-Mann.(11) Schon einen Monat später hielt Hitler am 16. Oktober 1919 im Münchener Hofbräukeller auf einer im "Münchener Beobachter" angekündigten DAP-Veranstaltung, zu der 111 Besucher erschienen, seine erste öffentliche Parteirede.(12)

Hitler formt die DAP zur "NationalSozialistischen" Deutschen Arbeiterpartei

Für den 24. Februar 1920 setzte Hitler gegen Bedenken von Drexler die erste „Massenversammlung“ der DAP unter dem Motto „Was uns Not tut!“ an. Veranstaltungsort war der Festsaal des Hofbräuhauses am Platzl. Am besagten Abend erschienen dann 2.000 Menschen. Hitler verkündete das 25-Punkte-Programm der nun in NSDAP umbenannten Partei an. In diesem maßgeblich von Gottfried Feders mitbestimmten Parteiprogramm hatte man sich deutlich für eine Aufhebung des Versailler Vertrags ausgesprochen. 

Darin hatten die Alliierten Deutschland – im Gegensatz zu Frankreich im Jahr 1871 – elementarste Rechte und ökonomischer Kräfte beraubt. Deutschland musste alle Kolonien abgeben und verlor 90 Prozent seiner Handelsflotte. Es verlor 13 Prozent seines vorherigen Gebietes und 10 Prozent seiner Bevölkerung. Wladimir Iljitsch Lenin am 15. Oktober 1920:

"Deutschland wurde ein Frieden aufgezwungen, aber das war ein Frieden von Wucherern und Würgern, ein Frieden von Schlächtern, denn Deutschland und Österreich wurden ausgeplündert und zerstückelt. Man nahm ihnen alle Existenzmittel, ließ die Kinder hungern und sterben. Das ist ein ungeheuerlicher Raubfrieden."(13)

Im Mai 1921 wurde die deutsche Reparationsschuld auf 132 Milliarden Goldmark festgelegt (14) - etwa das Dreifache des Sozialprodukts, das ein größeres und reicheres Deutschland einschließlich seiner Kolonien im Vorkriegsjahr 1913 erreicht hatte, und annähernd 300 Prozent der Wirtschaftskraft (Frankreich musste 1871 nur 25 Prozent seiner Wirtschaftskraft an Reparationskosten zahlen). Seit 1870 war die gesamte Wertschöpfung von knapp 14,2 Milliarden Mark auf knapp 48,5 Milliarden Mark im Jahr 1913 angestiegen.(15) Der Erste Weltkrieg setzte 1914 der positiven Entwicklung vorerst ein Ende. Diese horrende finanzielle Strafe machte Deutschland zum Hauptopfer in der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933. So dürfte der Versailler Vertrag mit seinen Folgen den damaligen Menschen tagtäglich immer wieder vor Augen gestanden habe.

Die 25 Punkte des Parteiprogramms der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei

In der Einführung des von Alfred Rosenberg ab 1922 immer wieder neu herausgegebenen Parteiprogramms wird der 9. November 1918 als Sieg des seelenlosen Internationalismus bezeichnet, als

„Börsenrevolution mit dem Zwecke, die noch nicht ganz von den Weltbanken in Besitz gebrachte Industrie und Landwirtschaft Deutschlands in die Hände überstaatlichen Leihkapitals zu spielen“.(16a)

Der Marxismus sei nicht die die Krönung, sondern die Verhöhnung des sozialistischen Gedankens. Hinter Weltkapitalismus und Weltrevolution steckten die gleichen Kräfte.

In seinen ersten drei Punkten richtete sich das Programm gegen den Versailler Vertrag und den Vertrag von Saint-Germain, die ein Anschlussverbot für Österreich vorschrieben.(16b) Gefordert wurde ein „Zusammenschluss aller Deutschen“ zu einem Groß-Deutschland, wozu man sich durch das Selbstbestimmungsrecht der Völker berechtigt sah.

Die folgenden Punkte 4 bis 8 waren antisemitisch geprägt.(17) Juden – rassisch definiert – sollten aus der deutschen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen und unter Fremdengesetzgebung gestellt werden.

In Punkt 9 und 10 war von den Rechten und Pflichten der Staatsbürger die Rede. Sie müssten für alle Staatsbürger gleich sein, wie es auch in der Weimarer Reichsverfassung garantiert war.(18) Außerdem wurde eine Pflicht, „geistig oder körperlich zu schaffen“ formuliert, was „zum Nutzen aller erfolgen“ solle. Hier klang bereits der Grundsatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ an, der fettgedruckt in Punkt 24 aufgeführt wird.

Den Schlagworten „Brechung der Zinsknechtschaft“, „Abschaffung des zins- und mühelosen Einkommens“ (11) und Gewinnbeteiligung an Großbetrieben (Punkt 14), folgten willig weite Teile der der Arbeiterschaft und der Forderung „Einziehung der Kriegsgewinne“ (12) große Teile der ehemaligen Kriegsteilnehmer.

Die Punkte 11 bis 18 beschäftigten sich mit der Umsetzung dieses Gemeinnutzprinzips. Einleitend, und im Sperrdruck, wurde in Punkt 11 die Brechung der Zinsknechtschaft gefordert. 1919 hatte Feders sein „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes“ veröffentlicht.  Die nachfolgenden Forderungen betrafen die „Einziehung der Kriegsgewinne“ (Punkt 12), die Verstaatlichung der Trusts (Punkt 13), eine Gewinnbeteiligung an Großbetrieben (Punkt 14), einen Ausbau der Altersversorgung (Punkt 15), Schaffung eines gesunden Mittelstands, Kommunalisierung der großen Warenhäuser zugunsten kleiner Gewerbetreibender, die bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen besonders zu berücksichtigen seien (Punkt 16), eine Bodenreform, die die Möglichkeit schaffen sollte, Boden für gemeinnützige Zwecke entschädigungslos zu enteignen (Punkt 17) und die Todesstrafe für „Wucherer und Schieber“ (Punkt 18).

Punkt 19 verlangte, das ganze Römische Recht, das angeblich dem Materialismus diene, durch ein „deutsches Gemeinrecht“ zu ersetzen. Punkt 20 beschäftigte sich mit der Bildungspolitik, die allen Deutschen die Chance auf einen Aufstieg durch höhere Bildung zu geben hätte, etwa indem der Staat die Ausbildung begabter Kinder aus sozial schwachen Familien finanzierte. Die Lehrpläne sollten auf praktische Lebensfragen umgestellt werden und auch Staatsbürgerkunde enthalten. Besonderer Wert wurde auf den Sport gelegt, zu dem Punkt 21 im Sinne der „Hebung der Volksgesundheit“ alle Bürger verpflichtete; demselben Ziel sollten MutterschutzKinderschutz, „Verbot der Jugendarbeit“ und eine staatliche Förderung von Sportvereinen für Jugendliche dienen. In Punkt 22 wurde mit der „Bildung eines Volksheeres“ die Wiedereinführung der vom Versailler Vertrag verbotenen Wehrpflicht verlangt.

Punkt 23 forderte die Einführung einer Pressezensur; Juden sollte die Arbeit in Zeitungen und die finanzielle Beteiligung an ihnen untersagt werden, besondere Kontrollbestimmungen seien für ausländische Presseerzeugnisse einzurichten. Punkt 24 forderte eine Einschränkung der Religionsfreiheit, die nicht den Bestand des Staates gefährden „oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen“ dürfe. Die Partei bekannte sich zu einem „positiven Christentum“ und zur Bekämpfung des „jüdisch-materialistischen Geistes in und außer uns“(19) – eine Formulierung, die auf Dietrich Eckart zurückging.(20) Gemeinnutz gehe vor Eigennutz.

Punkt 25 verlangte schließlich, eine starke Zentralgewalt des Reiches zu schaffen; Abschließend gelobten die Führer der Partei, für die Durchführung der 25 Programmpunkte „wenn nötig unter Einsatz des eigenen Lebens rücksichtslos einzutreten“.

Programm der NSDAP: antisemitisch und antimarxistisch

Im Gegensatz zu den antijüdisch eingestellten Organisationen in der völkischen Bewegung propagierte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, kurz NSDAP, einen Antisemitismus, der in letzter Konsequenz die Entfernung der Juden vorsah. Wie die "Völkischen" hielten auch die Nationalsozialisten die Juden für die Drahtzieher von Niederlage, Revolution und Räterepublik.(21) Der später zum Chef der CIA aufgerückte und unmittelbar nach Kriegsende in der Schweiz stationierte amerikanische Geheimdienstler Allen Dulles (1893-1969) hielt in einem Bericht vom 10. April 1920 über die Folgewirkungen der Münchener Raterepublik fest:

Als Ergebnis der oft leitenden Mitgliedschaft bayerischer Juden in kommunistischen Gruppen hat sich inzwischen die Toleranz der Vorkriegszeit geändert, und eine stark antisemitische Bewegung ist entstanden“.(22)

Dieser Einstellung trug das NSDAP-Parteiprogramm vom 24. Februar 1920 in verschiedenen Punkten Rechnung: Punkt 4 lautete etwa:

„Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.“(23)

Über die Gründe sagte Göring während des Nürnberger Prozesses aus, dass die Bewegung diesen Punkt in ihr Programm aufnahm, weil er bei großen Kreisen des deutschen Volkes auf Zustimmung stieß:

Kurz vorher war in München die Räterepublik gewesen, die Geiselmorde, und auch hier waren die Führer durchwegs Juden gewesen. Man mag; verstehen, dass hierbei ein Programm, das in München von einfachen Leuten entstand, diesen Punkt ganz klar mit als Abwehr aufnahm.“(24)

Punkt 23 forderte dass die Presse nur von Volksgenossen geführt werden dürfe, und richtete sich, wie Alfred Rosenberg im Erläuterungstext schrieb, unter anderem gegen den jüdischen Einfluss im Pressewesen. In Punkt 8 sollten mit der Forderung, alle Nichtdeutschen, die seit dem 2. August 1914 in Deutschland eingewandert waren, abzuschieben, die Ostjuden getroffen werden. Aber auch Punkt 11— Abschaffung des "arbeits- und mühelosen Einkommens" konnte als Vorstoß gegen die Vorherrschaft der Juden im Finanzsektor gesehen werden. Dabei vereinten die Nationalsozialisten gleich mehrere Gegner, ja sogar teilweise gegensätzliche Ideologien in einer Person: Liberalismus und Marxismus, Kapitalismus und Kommunismus.

Der "Jude" wurde zum Medium, das für Liberalismus, Marxismus Kapitalismus und Kommunismus gleichermaßen stand. Diese klare Sprache veranlasste schon zu Beginn der Zwanziger-Jahre eine große Anzahl von Mitgliedern des "Deutschvölkischen Schutz-und Trutz-Bundes" in München und Bayern zum Übertritt zu den Nationalsozialisten.

Weitere Entwicklungen: Hitler sucht den Schulterschluss zum Kapital

1924, ein Jahr nach seinem misslungenen Putsch-Versuch vorzeitig aus der Festungshaft entlassen, versuchte er, Spender in Unternehmerkreisen für den Wiederaufbau der NSDAP zu gewinnen. Hierbei war jedoch die Forderung nach Verstaatlichung, Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter und einer „Brechung der Zinsknechtschaft“ äußerst hinderlich.(25) Nun wurde deutlich gemacht, dass der Passus zur unentgeltlichen Enteignung sich „in erster Linie gegen die jüdischen Grundspekulations-Gesellschaften“ richte.(26) Weiter erteilte Hitler der Forderung nach Kolonien (Punkt 3) eine Absage. Dafür erschien im zweiten Band von Mein Kampf (Ende 1926) stattdessen die Eroberung von Lebensraum im Osten auf dem Gebiet der Sowjetunion.(27)

Hitler hatte inzwischen verstanden, dass er die territorialen Ergebnisse von Versailles nicht antasten dürfe. So blieb für ihn in der Folge Südtirol italienisch (1915 durch einen Geheimvertrag von London als Morgengabe für den italienischen Seitenwechsel)

Um klarzustellen, dass das Wirtschaftskonzept der NSDAP weder antikapitalistisch noch sozialistisch war, veröffentlichte Hitler im Völkischen Beobachter, in dem Sinn, dass vom 19. April 1928 eine Erklärung zu Punkt 17 (Bodenspekulation), das die N.S.D.A.P. auf dem Boden des Privateigentums steht.(28)

Stand der geschichtswissenschaftlichen Forschung

Sie weist darauf hin, dass das Programm diverse Parolen ganz unterschiedlicher Herkunft vereinigte, namentlich antikapitalistische, antisemitische und nationalistische Quellen sowie mittelständisch orientierte Einzelforderungen. Diese intellektuell schlichten, disparaten Elemente würden durch das Partei-Schlagwort „Nationaler Sozialismus“ nur unzureichend zusammengehalten.(29)

Für den Berliner Historiker Wolfgang Wippermann sind die wirtschaftlichen Forderungen mit den Bezügen auf Kriegsgewinnler, Wucherer und Brechung der Zinsknechtschaft (was auf ein Verbot aller Bankgeschäfte hinaus gelaufen wäre) in einem modernen Industriestaat wie Deutschland „schlichtweg unsinnig“.(30)  Dass dies explizit unabhängig von „Rasse und Konfession“ gelten solle, zeigt, dass die NSDAP hier nicht nur ihrem Antisemitismus folgte, sondern an ein Stimmungsmuster anknüpfte, das in den Wirren der Nachkriegszeit verbreitet war.(31)

Im schwammigen Punkt 19 wurde weder gesagt, wie die Ersetzung des Römischen Rechts durch ein „deutsches Gemeinrecht“ aussehen noch worin dieses bestehen könne. Insgesamt werden die wirtschaftlichen Forderungen des Programms von einigen Historikern für „sozialistisch“ gehalten.(32) Laut dem Wirtschafts- und Sozialhistoriker Friedrich-Wilhelm Henning stimmte das Programm in sechs Punkten mit dem marxistischer Parteien überein, während es mit den Programmen der national ausgerichteten Parteien der Mitte und der Rechten nur die Forderung nach Kolonien gemeinsam habe.(33) Ernst Nolte und Henry A. Turner gehen davon aus, dass die sozialistischen Forderungen im Programm für Hitler von vornherein „nur demagogischer Natur“ waren.(34)

Mit diesem ambivalent schillernden Programm konnten die Nationalsozialisten jedenfalls bis 1929 keine nennenswerten Wählergruppen mobilisieren. Das änderte sich nach dem 25. Oktober 1929, dem "Schwarzen Freitag" – der Börsenimplosion an der Wall Street.

Von New York als Epizentrum des Erdbebens erreichten die Ausläufer schnell Europa, auch Deutschland, mit katastrophalen Folgen. Um ihre Verluste zu decken, forderten nun amerikanische Kreditgeber ihr kurzfristig in Deutschland angelegtes Geld zurück. Damit wurde dem wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands der Motor genommen – die Agitation der Nationalsozilisten fiel nun auf fruchtbaren Boden.

Als nach dem ersten Wahlerfolg der NSDAP bei den Reichstagswahlen vom September 1930 über eine Einbindung der NSDAP in die Regierungsverantwortung diskutiert wurde, nannte Jakob Wilhelm Reichert vom Verein Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller als Bedingung, die NSDAP müsse „ihr halb sozialistisches und halb nebelhaftes Parteiprogramm“ aufgeben und „in wahrhaft konservativem Sinne“ arbeiten."(35) Obwohl das propagandistische Schlagwort von der „Brechung der Zinsknechtschaft“ auch noch lange nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ Teil des nationalsozialistischen Jargons blieb, war der Inhalt schon früh wesentlich geändert worden, so dass es statt um Aufhebung jeglichen Zinses lediglich um Zinssenkung bzw. „gerechten Zins“ ging.

Reichstagswahlergebnisse in der Weimarer Republik 1919-1933 (36)

Zur Unterstützung Hitlers und seiner Partei fand im Mai 1932 (zwei Monate vor der Reichstagswahl) zwischen Hermann Schmitz von den I.G. Farben (ein Konsortium, das im Rahmen des Dawes-Reparationsplans 1924 zusammen mit den Vereinigten Stahlwerken entstanden war), Max Ilgner von den American I.G. Farben und weitere Industriegrößen ein Treffen statt, das sogenannte "Kaiserhof-Treffen". Es brachte mehr als 500.000 Mark ein, die Summe wurde auf das Rudolf-Heß-Konto der Deutschen Bank überwiesen. 100.000 kamen allein von der American I.G. Chemical, in deren Vorstand Paul Warburg saß.(37) Mit dieser Finanzhilfe konnte die NSDAP bei der Reichstagswahl im Juli 1932 den höchsten Stimmenanteil vor der Machtübernahme erzielen. Bei der Neuwahl im November 1932 verlor sie über 2 Millionen Stimmen — blieb allerdings stärkste Partei. Viele Parteigenossen hatten inzwischen wohl erkennen müssen, dass manche Programmpunkte, so zum Beispiel die "Abschaffung der Zinsknechtschaft und des mühelosen Einkommens", für Hitler Makulatur geworden waren, was angesichts seiner engen Bindung zu Teilen der Hochfinanz und Industrie nicht weiter verwunderlich war. Im Kampf um die Regierungsbildung wurde Hitler am 4. Januar 1933 in das Haus des Bankiers und Barons Kurt von Schröder nach Köln eingeladen. Von Schröder stand in enger geschäftlicher und familiärer Beziehung zu den Bankhäusern J. Henry Schroeder (Name anglisiert) in London und der J. Henry Schroeder Corporation in New York und arbeitete mit der Investment-Bank Schroeder/Rockefeller & Comp. und der Dillon, Read & Co.- Gruppe (Baruch) zusammen. Die Rechtsangelegenheiten dieser Finanzgruppen betreute die Anwaltsfirma Sullivan & Cromwell.

US-Finanz-Elite und Wall Street mit im Boot

So verwundert es nicht, dass deren Inhaber, John Foster Dulles, der spätere Außenminister Amerikas, an diesem Tag ebenfalls in Köln war. Dulles, der wiederum die italienischen Faschisten finanziell als Anwalt der Bank Dillon, Read & Co. unterstützte, hatte in den 20er Jahren die Vereinigten Stahlwerke in Deutschland aufgebaut und wurde Generalanwalt der I.G. Farben. Neben Hitler war noch ein konservativer Politiker geladen: der päpstliche Kammerherr und vormalige Reichskanzler Franz von Papen, im Ersten Weltkrieg Militarattaché in Washington. Diese Herren handelten eine Vereinbarung über eine gemeinsame Regierungsbildung aus. Um Hitler den Geruch der Straße zu nehmen, sollte der adlige Papen dessen Vizekanzler werden. Der generöse Bankier Schröder sollte auch nicht leer ausgehen und als Reichsbank-Repräsentant für die "Bank für Internationalen Zahlungsausgleich" in Basel fungieren, aufgrund seiner vielfältigen Beziehungen eine ebenso sinnvolle wie praktische Wahl.

Insgesamt sind Hitlers Geheimfonds von Ende 1929 bis Ende Januar 1933 nahezu 300 Millionen Mark, davon 150 Millionen in Devisen, zugeflossen. Die Herkunft von 35 Millionen konnte bis zum Ölkönig Sir Henry Detering zurückverfolgt werden. Ansonsten bedienten sich die Einzahler unzähliger Kniffe der Tarnung. Das Bankgeheimnis tat das übrige. So konnte nur ermittelt werden, dass die Überweisungen in amerikanischer, englischer, holländischer, italienischer und Schweizer Währung erfolgten. Ebenso wie in Amerika wollten die Nationalsozialisten die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Aber außenpolitisches Ziel war vorrangig die Revision des Versailler Vertrages. Das musste den Widerstand Roosevelts, der unter Wilson als Marineminister gedient und an der Gestaltung des Versailler Vertrages beteiligt war, hervorrufen, und Hitler muss es gewusst haben, war doch Ernst F. Hanfstaengl, im engsten Kreis um Hitler »Putzi« genannt, schon 1922 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) eingetreten. Aus seinen Harvardverbindungen war die Freundschaft mit Roosevelt hervorgegangen. Dagegen war die Familie des Finanzgenies und Reichsbankpräsidenten Hjalmar Horace Greely Schacht eng mit New York verbunden und arbeitete für das prominente Wall-Street-Bankhaus Equitable Trust. Hjalmar Schacht sprach fließend englisch, was ihm dann für die Nachkriegsverhöre zugutekommen sollte (Er wurde als einziger in Nürnberg freigesprochen). Seine engen Beziehungen zu Owen Young (Direktor von General Electric! A.E.G./OSRAM) und W. S. Farish (Vorsitzender der Standard Oil of New Jersey) sind belegt. Die Kontakte zur Wall Street sollten Schacht während seines ganzen Lebens begleiten. Für Antony C. Sutton ist Schacht das Scharnier zwischen der Wall-Street-Elite und dem inneren Kreis um Hitler.

Was die Finanzierung der NS-Bewegung betrifft, so scheint der Sachverhalt inzwischen weitgehend geklärt. Da war zuerst die vom völkischen Gedankengut inspirierte "Boheme" Berlins und Münchens, da waren die Parteigenossen und ein wenig die deutsche Wirtschaft von Hanfstaengl bis Flick,Thyssen und der I. G. Farben-Konzern und dazu noch ein paar germanophile Ausländer wie der Automobilkönig Henry Ford und der Öl-Gewaltige von der Royal Dutch Shell , Sir Henry Detering, den Hitler schon 1921 beeindruckt haben soll. Henry Ford und General-Motor-Boss James Mooney wurden sogar persönliche Freunde des Führers und erhielten von ihm das "Verdienstkreuz vom Deutschen Adler".

Die Erkenntnisse lassen folgendermaßen zusammenfassen: Es gab keine nennenswerten deutschen Hitler-Förderer, die nicht in irgendeiner Verbindung zur amerikanischen Hochfinanz standen. Am 20. Februar 1933 wurden im Haus des Reichstagspräsidenten Hermann Göring Vertreter der I.G. Farben und der Vereinigten Stahlwerke von Hjalmar Schacht um eine Wahlspende gebeten. Prompt wies I.G. Farben noch am 27. Februar 1933 das Bankhaus Delbrück, Schickler & Co. an, auf das Konto der "Nationalen Treuhand" 400.000 Mark zu überweisen.(38) Die deutschen Industriellen, die nun Hitler finanzierten, waren überwiegend Direktoren von Kartellen mit direkten amerikanischen Verbindungen oder von amerikanischen Tochterunternehmen. So hielt vom gesamten Farben-Komplex Rockefeller ungefähr 50 Prozent. Als nächstgrößte »stockholder« folgten ihm die Dulles-Brüder. Wie die I.G. Farben waren auch A.E.G., DAPAG u.s.w. multi-nationale Unternehmen. Da mochte das Finanz-Establishment nicht beiseite stehen, so der Nazi-Finanzier Hendrik Jozef Kouwenhoven, ein Direktor-Kollege von Roland Harriman bei der Union Banking Corporation in New York.

1934: Hitler befielt die Ermordung des sozialistischen Flügels

Hitler verstand es nun mit Hilfe des einst kaiserlichen Hauptmanns Ernst Röhm, aus diesen unzufriedenen Gruppen eine schlagkräftige paramilitärische Organisation, die Sturmabteilung (SA) zu formen. Ihr Ziel war es, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) zu unterstützen und politische Gegner einzuschüchtern. Den Straßenkampf führten sie vor allem gegen Thälmanns Roten Frontkämpferbund (RFB), die paramilitärische Schutz- und Wehrorganisation der KPD. Beim Aufstieg der NSDAP zur Macht spielte die an die sozialistische Komponente der NSDAP glaubende SA eine entscheidende Rolle und verhalf Hitler letztlich zur Reichskanzlerschaft; sie wurde ein wichtiges Instrument eines noch nicht fest im Sattel sitzenden Kanzlers. So unterdrückten die SA-Leute politische Gegner und verübten zahlreiche Gewalttaten gegen Juden, Kommunisten und andere Oppositionelle. Nachdem Hitler sich immer mehr vom sozialistischen Programm der NSDAP entfernt hatte, begann es in der SA zu rumoren. Hitler handelte unverzüglich. Zur Tagung der SA-Führer in Tegernsee vom 30. Juni bis 2. Juli 1934 ließ Hitler seine von Himmler geführten Kettenhunde, die Schutzstaffel (SS) von der Leine. Während in der SA vornehmlich Mitglieder aus der Arbeiterschaft waren, nahm die SS bevorzugt die Söhne aus den besseren Kreisen auf.

In dieser verniedlichend als Röhm-Putsch bezeichneten Mordorgie mit über 100 Opfern wurden neben der SA-Führungsebene, einschließlich Röhm, auch für Hitler gefährliche Oppositionelle wie der ehemalige Kanzler General Schleicher ermordet.(39)

Die nationalsozialistische Propaganda stellte die Morde als präventive Maßnahme gegen einen angeblich bevorstehenden Putsch der SA unter Röhm dar, den sogenannten Röhm-Putsch.

Keine 24 Stunden nach dem die letzten Morde geschehen waren, unterschrieb derjenige, der die Morde befohlen hatte, das nur aus einem einzigen Artikel bestehende "Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr" der Reichsregierung („Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens“), mit dem die politische Führung des Dritten Reiches unter Adolf Hitler rückwirkend die Handlungen der Nationalsozialisten gegen die so genannten Röhm-Putschisten rechtfertigte. Aufgrund des Ermächtigungsgesetzes vom 24. März 1933 war für dieses Gesetz kein Beschluss des Reichstags erforderlich.

Dieses Gesetz gilt als Prototyp des nationalsozialistischen Unrechts, da sich die Regierung zum Richter in eigener Sache erhob. Der Reichstag billigte die Erklärung und dankte Hitler ausdrücklich für die Rettung vor Bürgerkrieg und Chaos. Carl Schmitt rechtfertigte Hitlers Vorgehen in der Deutschen Juristen-Zeitung vom 1. August 1934(40) in einem Artikel mit dem Titel „Der Führer schützt das Recht“.(41)

Alle Beamten des Höheren Dienstes – Richter, Staatsanwälte, Studienräte, Stabsoffiziere, Diplomaten, die nach dem 3. Juli 1934 weiter einem nun offensichtlich verbrecherischen Staat dienten (ein Richter quittierte den Dienst), hätte nach 1945 keine Anstellung und keine Pension bekommen dürfen.

US-Botschafter Dodd berichtet aus Berlin dem Präsidenten über die Rüstungsgeschäfte der US-Multis mit den Nationalsozialisten

Das Geschäftstreiben der US-Multis in Deutschland beobachtete US-Botschafter William E. Dodd (1933-1937) mit großer Sorge. Als Geisteswissenschaftler wenig mit dem finanziell-industriell-militärischen Komplex vertraut, hoffte er mit seinem Bericht vom 19. Oktober 1936 den Präsidenten zu erschrecken: „Ich glaube an den Frieden als unsere beste Politik [...] Der Zusammenbruch der Demokratie in Gesamteuropa wäre ein Desaster für die Bevölkerung. Aber was kann man tun? Gegenwärtig haben hier mehr als hundert amerikanische Unternehmungen Tochtergesellschaften oder Übereinkommen auf Zusammenarbeit. Die DuPonts haben in Deutschland drei Partner, die im Rüstungsbereich tätig sind. Ihr Hauptpartner ist die I.G. Farben A.G., die die Meinung beeinflussen soll. Die Standard Oil Company (New Yorker Unterabteilung ) transferierte im Dezember 1933 zwei Millionen Dollar nach hier und erhält nun 500.000 jährlich dafür, dass sie den Deutschen bei der Herstellung von Ersatzbenzin hilft, was die Kriegswahrscheinlichkeit erhöht. [...] Der Präsident der Internationalen Harvester Company erzählte mir, dass ihr Umsatz um 33 Prozent im Jahr steigt (Waffenindustrie, glaube ich), aber sie können nichts ausführen. Selbst unsere Flugzeugleute haben geheime Arrangements mit Krupp. Die General Motor Company und Ford machen hier mit ihren Tochtergesellschaften riesige Umsätze, aber sie entnehmen keine Gewinne. Ich meine, dass diese Fakten die Dinge komplizieren und die Kriegsgefahr vergrößern.“(42) Dem Wissenschaftler Dodd waren die amerikanischen Investitionen in Hitler-Deutschland und der Sowjetunion ein Rätsel. Im Folgejahr wurde er von seinem Posten abberufen.

Die weitsichtigen Macher hatten rechtzeitig die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel installiert. Carrol Quigley zeigt auf, daß genau diese Bank, geführt von Repräsentanten der internationalen Bankhäuser aus Europa und den Vereinigten Staaten, die Spitze des internationalen Finanzsystems darstellte.(43) Mit diesen Freunden im Rücken konnte Hitler 1936 mit schwachen Regimentern – Frankreich hatte eine moderne Panzerdivision einsatzbereit (!) in die entmilitarisierte Rheinlandzone einmarschieren. Zu diesem Zeitpunkt war der US-Militärattaché kein anderer als Colonel Truman Smith, der 1922 als Captain und 2. Militärattaché Hitler in München zum Gespräch aufgesucht hatte.

Was war das Ziel der großzügigen Förderung Hitlers?

Neben den Profiten ging es um die Festigung der Macht des Geldes in Europa, ähnlich wie im 1. Weltkrieg, in dem erst einmal die Macht der kontinentalen Monarchen gebrochen werden musste, wie es wenige Tage vor Kriegsausbruch 1914 der Erzbischof von New York, Kardinal John Murphy Farley, während des Eucharistischen Weltkongresses in Lourdes (22-26. Juli 1914) treffend formulierte:

„Der Krieg, der in Vorbereitung ist, wird ein Kampf zwischen dem internationalen Kapital und den regierenden Dynastien sein. Das Kapital wünscht niemanden über sich zu haben, kennt keinen Gott oder Herrn und möchte alle Staaten als großes Bankgeschäft regieren lassen. Ihr Gewinn soll zur alleinigen Richtschnur der Regierenden werden ..Business … einzig und allein.“(44)

Auch heute bestimmen US-Finanzgewaltige über Krieg und Frieden.

Der heutige Schlachtruf lautet: „No borders No Nations“. Das bedeutet (nach Kant) die Abschaffung nationaler Rechtstaatlichkeit und die grenzenlose Herrschaft des internationalen Kapitals.

Zusammenfassend lässt sich über das Musk-Weidel-Gespräch sagen, dass die Befürchtungen der Herren Scholz und Merz bezüglich dieses Interviews stark übertrieben waren, denn von Frau Weidel kam wenig Substantielles im Hinblick auf eine nachhaltige Änderung der deutschen Politik. Unsere Hoffnungen, dass Deutschland Europa aus der US-Vorherrschaft herausführen und den imperialen Plänen der USA eine entschiedene Absage erteilen könnte, sahen sich enttäuscht.

Stuttgarter Stadtrat zeigt Weidel wegen Hitler-Aussage an:

Der Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano (LINKE) zeigte AfD-Chefin Alice Weidel wegen Volksverhetzung an, weil diese in dem Gespräch mit Elon Musk behauptet hatte, dass Hitler ein Kommunist gewesen sei. Pantisano argumentiert, dass Weidels Äußerung eine „Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus und eine deutliche Relativierung der Verbrechen der Nationalsozialisten“(45) sei. Kommunisten seien in Wahrheit vom Verbrechensregime der Nationalsozialisten verboten, aus Verwaltungen und Parlamenten entfernt, verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet worden. Auch das hätte Frau Weidel wissen können. Eine Anzeige ist vielleicht übertrieben, aber man muss sich schon sehr wundern, dass Alice Weidel sich zu so einer unreflektierten Äußerung hat hinreißen lassen.

Hitler als Kommunisten zu bezeichnen, ist „geschichtsvergessener Blödsinn“,(46) aber auch sicher nicht Volksverhetzung im strafrechtlichen Sinn.

Eine Bemerkung in eigener Sache:

Die Nationalsozialisten werden in bestimmten Kreisen gerne mit Faschisten gleichgesetzt, während andere auf der Differenzierung "Nationalsozialisten" bestehen. Die Forderung nach der Stigmatisierung als "Faschisten" ist von Seiten der Sozialisten durchaus nachvollziehbar, bedeutet aber eine sträfliche Bagatellisierung des Nationalsozialismus.

Die Nationalsozialisten mit den Faschisten Italiens oder Spaniens, die nicht aus rassistischen Gründen gemordet haben, auf eine Stufe stellen heißt, die grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten in den Hintergrund treten zu lassen. Das darf nie passieren!

Ebenso ist der heute beliebte Ausdruck "NAZIS", der gern und schnell zur Diffamierung des politischen Gegners eingesetzt wird, irreführend und nichtssagend. 

Anmerkungen und Quellen

Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)

1) https://www.watson.ch/international/analyse/580120599-weidel-behauptet-hitler-war-kommunist-weshalb-das-quatsch-ist

2) Alan Bullock: "Hitler und Stalin Parallele Leben". Gütersloh 1991

3) Ebda. S. 34

4) Urlaub von der Geschichte. Meditationen in Saint-Germain-en-Layel, Erstveröffentlichung in Cricticón Nr. 41, Mai 1977, hier unter https://efantperdu.wordpress.com/litera/erik-maria-ritter-von-kuehnelt-leddihn/urlaub-von-der-geschichte/ [26.2.2013] (Archiv Effenberger)

5) Alan Bullock: "Hitler und Stalin  Parallele Leben". Gütersloh 1991,S. 104

6) Bayerischer Landtag (Hg.): Bayerische Dokumente zum Kriegsausbruch und zum Versailler Schuldspruch, München Berlin 1922, S. 39

7) Kurt Eisner im Online-Katalog der Bibliothek der FES vom 27. Juni 2006

8) Arthur Ponsonby: Lügen in Kriegszeiten, Faksimile der 1930 erschienen Ausgabe, Viöl/Nordfriesland 1999, S. 160

9) Zitiert wie Alan Bullock, a.a.O., S. 107; siehe auch Wolfgang Effenberger: Europas Verhängnis 14/18 Revolution, Rätewirren und Versailles. Höhr-Grenzhausen 2019

10) Sabine Schalm: Drexler, Anton (publiziert am 19.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/drexler-anton-163

11) Othmar Plöckinger: Unter Soldaten und Agitatoren. Paderborn 2013, S. 149

12) Paul Bruppacher: Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP. Eine Chronik. Teil 1: 1889–1937. 4. Auflage. Books on Demand, Norderstedt 2018, ISBN 978-3-7322-6870-2, S. 68.

13) W. I. Lenin: Werke, Bd. 31, S. 317

14) https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/aussenpolitik/reparationen

15) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1047031/umfrage/wertschoepfung-des-deutschen-reiches/

16a) Alfred Rosenberg: Wesen, Grundsätze und Ziele der N.S.D.A.P. München 1935, S. 7

16b) Gottfried Feder: Das Programm der NSDAP und seine weltanschaulichen Grundgedanken. Franz Eher Nachf., München 1927

17) Vgl. Michael Mayer: NSDAP und Antisemitismus 1919-1933. https://epub.ub.uni-muenchen.de/9/1/0205_mayer.pdf Volkswirtschaftliche Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München 2002

18) Peter Glanninger: Rassismus und Rechtsextremismus. Rassistische Argumentationsmuster und ihre historischen Entwicklungslinien. Peter Lang, Frankfurt am Main 2009, S. 121.

19) Avraham Barkai: Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Ideologie, Theorie, Politik 1933–1945. Erweiterte Neuausgabe. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1988, S. 30 f.

20) Albrecht Tyrell: Vom „Trommler“ zum „Führer“. Der Wandel von Hitlers Selbstverständnis zwischen 1919 und 1924 und die Entwicklung der NSDAP. Fink, München 1975, S. 85.

21) Wolfgang Effenberger/ Reuven Moskovitz: Deutsche und Juden vor 1939 Stationen und Zeugnisse einer schwierigen Beziehung. Ingelheim 2013, S. 296f.

22) Diamond 1985, S.41

23) Rosenberg 1933, S. 18

24) Internationaler Militärgerichtshof 1947, Bd. IX, S. 309

25) Dietrich Orlow: History of the Nazi Party. 1919 to 1933. University of Pittsburgh Press, Pittsburgh 1969, S. 137.

26) Bärbel Dusik (Hrsg.): Hitler. Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. Band II: Vom Weimarer Parteitag bis zur Reichstagswahl. Juli 1926–Mai 1928. Teil 2: August 1927–Mai 1928. Saur, München u. a. 1992, ISBN 3-598-21937-7, Dok. 254, S. 771 f.

27) Adolf Hitler: Mein Kampf. Zwei Bände in einem Band. ungekürzte Ausgabe, 9. Auflage. Franz Eher Nachf., München 1932, S. 742

28) Avraham Barkai: Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Ideologie, Theorie, Politik 1933–1945. Erweiterte Neuausgabe, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1988, S. 32.

29) Kurt Bauer: Nationalsozialismus. Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall. UTB Böhlau, Wien 2008, S. 106.

30) Wolfgang Wippermann: Ideologie. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 11 f.

31) Malte Zierenberg: Stadt der Schieber. Der Berliner Schwarzmarkt 1939–1950. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, S. 40.

32) Georg May: Ludwig Kaas. Der Priester, der Politiker und der Gelehrte aus der Schule von Ulrich Stutz (= Kanonistische Studien und Texte. Band 35). Band 3. B. R. Grüner, Amsterdam 1982, ISBN 90-6032-199-5, S. 32; Hans-Ulrich Thamer: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933–1945. Siedler, Berlin 1994, S. 60; Henning Köhler: Deutschland auf dem Weg zu sich selbst. Eine Jahrhundertgeschichte. Hohenheim-Verlag, Stuttgart 2002, S. 226.

33) F.-W. Henning: Das industrialisierte Deutschland von 1914 bis 1986. 6. Auflage. Schöningh, Paderborn 1988, S. 141 f.

34) Ernst Nolte: Der Faschismus in seiner Epoche. Action française – Italienischer Faschismus – Nationalsozialismus. München 1963 [zuletzt Neuausgabe 2000], ISBN 3-7610-7248-1, S. 391.

35) Reinhard Neebe: Großindustrie, Staat und NSDAP 1930–1933. Paul Silverberg und der Reichsverband der Deutschen Industrie in der Krise der Weimarer Republik. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1981, S. 76.

36) https://www.bundestag.de/resource/blob/190456/f8d637d1039a06a614cff0264f8b5d10/reichstagswahlergebnisse-data.pdf

37) Wolfgang Effenberger/Konrad Löw: Pax americana Die Geschichte einer Weltmacht von ihren angelsächsischen Wurzeln bis heute. München 2004, S. 287

38) Ebda., S. 288

39) https://nsarchiv.wordpress.com/2016/07/14/roehm-putsch-niederschlagung-der-sa-revolte-1934/

40) Carl Schmitt: Der Führer schützt das Recht. Zur Reichstagsrede Adolf Hitlers vom 13. Juli 1934. In: Deutsche Juristen-Zeitung. 39, 1934, S. 945–950.

41) Das Gesetz wurde durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom 30. Januar 1946 (ABl. S. 55) aufgehoben.

42) Zitiert wie Effenberger/ Löw 2004, S. 295

43) Effenberger/ Löw 2004, S. 265

44) Michael von Taube: Der großen Katastrophe entgegen, Leipzig 1937, S. 379

45) https://www.focus.de/politik/deutschland/stadtrat-zeigt-weidel-wegen-hitler-aussage-an-welche-chancen-er-gegen-die-afd-frau-hat_60b96a8a-ebd0-4d73-8370-439f89ff13de.html

46) https://www.focus.de/politik/deutschland/in-talk-mit-musk-weidel-nennt-hitler-sozialist-und-kommunist-wo-afd-chefin-recht-hat-und-wo-nicht_id_260623095.html

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Juergen Nowak / shutterstock 


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