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Weidel-Tweet sorgt in Russland für Empörung | Von Wolfgang Effenberger

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Alice Weidel-Tweet von 2020 zur Januar-Offensive der Roten Armee (1945) sorgt angeblich in Russland für Empörung - was steckt dahinter?

Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.

Am 12. Januar 1945 begann unter Marschall der Sowjetunion Iwan Stepanowitsch Konew die Großoffensive der 1. Ukrainischen Front über die Weichsel nach Schlesien. Einen Tag später griff die 3. Weißrussische Front unter Armeegeneral Tschernjachowski gegen die Front der deutschen 3. Panzer-Armee an der östlichen Grenze von Ostpreußen an, um nach Königsberg (dem heutigen Kaliningrad) durchzubrechen. Am 14. Januar folgte die Offensive der 2. Weißrussischen Front unter Marschall Rokossowski mit dem Ziel, die Provinz Ostpreußen auch von Süden her zu überrennen und bei Elbing zur Ostsee durchzubrechen. Die sowjetischen Truppen drängten vom 19. bis zum 24. Januar 1945 auf breiter Front über die ostpreußische Grenze und damit erstmals auf deutsches Gebiet.

Die Soldaten der Roten Armee hatten schweres Gepäck im Tornister: 

Drei Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion begann die Rote Armee auf den Tag genau mit der "Operation Bagration" (benannt nach General Pjotr Iwanowitsch Bagration) - einer Großoffensive an der deutsch-sowjetischen Front.(1) Sie weitete sich bald zu einem umfassenden operativen Erfolg der sowjetischen Truppen aus, der erst Ende August 1944 an der Weichsel, an den Grenzen Ostpreußens und bei Riga vorübergehend aufgehalten wurde. Damit war der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte eingeleitet, die deutsche Kriegsführung im Osten lag in Agonie, und die Tore nach Deutschland standen weit offen.

Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die Zeitung der Roten Armee einen Artikel des sowjetrussischen Revolutionärs, Romanciers, Essayisten und Propagandisten Ilja Ehrenburg, eines tonangebenden sowjetischen Autors der Kriegsjahre, in dem die Leser an den höheren Sinn des Krieges erinnert wurden: „Unser Marsch nach Deutschland folgt auf drei finstere Jahre, folgt auf die Ukraine, Weißrussland, die Asche unserer Städte, das Blut unserer Kinder. Wehe dem Land der Mörder! An der deutschen Grenze stehen nicht nur unsere Truppen. Die Schatten der Opfer stehen dort. Wer pocht an Preußens Tore? Die Toten, Ermordeten, im Gas Erstickten, im Feuer Umgekommenen, die Alten von Trostinez, die Kinder von Babi Jar, die Märtyrer von Slawuta, der Staub und die Asche aus den Öfen, in denen die Deutschen Millionen wehrloser Menschen verbrannt haben. (…) Wohin ziehen diese Schatten? Nach Königsberg, nach Berlin. Und die Lebenden folgen den Toten. Nichts hält uns jetzt noch auf: Kummer und Zorn rauben uns den Schlaf. Wehe dem Land der Verbrecher! Wehe Deutschland!"(2)

Die sowjetischen Soldaten wurden also aufgefordert, Rache zu nehmen an den Deutschen für die Verbrechen der Wehrmacht.

Die Blockade Leningrads zwecks Aushungerung

Am 22. Juni 1941 hatte die deutsche Wehrmacht den Krieg gegen die Sowjetunion begonnen. Seither eilten ihre Armeen von Sieg zu Sieg. Doch was von der NS-Propaganda als Präventivkrieg gegen den Bolschewismus verkauft wurde, entpuppte sich schnell als rassenideologischer Vernichtungskrieg. Das sollte bald Leningrad (heute Sankt Petersburg), die damals zweitgrößte Stadt der Sowjetunion, zu spüren bekommen. Schon am 8. September 1941 fiel Schlüsselburg am Ladogasee in deutsche Hände. Damit war Leningrad auf dem Landweg vom Mutterland abgeschnitten. 2,5 Millionen Menschen saßen in der Falle. Eine Eroberung blieb aus. Der entscheidende Grund für den Entschluss zur Blockade von Leningrad, die am Ende fast zweieinhalb Jahre dauern sollte, dürfte darin gelegen haben, dass Hitler die Ernährung der 2,5 Millionen Einwohner nicht übernehmen wollte. Die Stadt des ehemaligen russischen Kaisers Peter der Große und des Ausgangspunktes der Oktoberrevolution (1917) sollte nach ihrer Einnahme vollkommen zerstört, das Gebiet umgepflügt und die Bevölkerung bis dahin möglichst durch Aushungern beseitigt werden. Tatsächlich starben in den 872 Tagen der deutschen Belagerung etwa 1,1 Millionen Bewohner.(3)

Der deutsche Rückzug hinterließ „verbrannte Erde“

Mit Beginn der ersten sowjetischen Winteroffensive Anfang Dezember 1941 wies Hitler die Heeresgruppen an, „…in dem zur Räumung freigegebenen Gelände sämtliche Unterkunftsmöglichkeiten rücksichtslos zu zerstören“. Die Truppe müsse wissen, dass „…jegliche Rücksichtnahme auf die Lage der Bevölkerung im Interesse der Kampfführung zu entfallen habe“.(4)

Beim großräumigen Rückzug seit Herbst 1943 dehnten sich die Zerstörungen der Wehrmacht weiter aus: insbesondere Wasser- und Elektrizitätswerke, Trafo-Stationen, Bergwerke, Fabrikanlagen, Produktionsmittel aller Art, Ernte, die nicht abtransportiert werden konnte, Dörfer und Häuser.

Unvorstellbare Verbrechen an den Gefangenen der Roten Armee

Über 5 Millionen sowjetische Soldaten gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Mindestens 2,6 Millionen, wahrscheinlich sogar bis zu 3,3 Millionen kamen in deutscher Gefangenschaft durch Aushungern, Quälen oder durch Genickschussanlagen ums Leben, also ungefähr die Hälfte oder sogar mehr. Die Todesrate bei anderen Kriegsgefangenen lag bei maximal zwei Prozent.(5) Der Großteil der annähernd 27 Millionen sowjetischen Soldaten dürfte schon Mitte Januar 1945 gestorben sein.

Der angeblich Wogenschlagende Weidel-Tweet

Die AfD-Politikerin Alice Weidel, damals im Bundesvorstand der AfD und Fraktionsvorsitzende im Bundestag (am 15. Februar 2020 zur Vorsitzenden des Landesverbandes Baden-Württemberg und am 12. Januar 2025 auf dem AfD-Parteitag in Riesa zur Kanzlerkandidatin gewählt), veröffentlichte anlässlich des 75. Jahrestages der Ostpreußen-Offensive der Roten Armee 1945 eine dramatische Schilderung der furchtbaren Flüchtlingstragödie. 2,5 Millionen Menschen flüchteten im Januar 1945 überstürzt mit dem nur Allernötigsten in den kalten Winter bei minus 20 Grad Celsius. Sie ging dabei auf einzelne Details des heute unvorstellbaren Leids der Flüchtlinge und der Grausamkeiten der Roten Armee ein. Die etwa 20.00 Menschen, die es bis zu den Hafenstädten Pillau und Danzig und auf eines der Evakuierungsschiffe geschafft hatten, kamen durch die Versenkung der Schiffe durch sowjetische U-Boote in der Ostsee ums Leben. (Originaltext)

Das Leid der ostpreußischen Flüchtlinge kann jedoch nicht losgelöst vom Leid der ausgehungerten Menschen in Leningrad und vom industriellen Morden der SS gesehen werden. So muss Frau Weidels einseitiger Tweet von 2020 Widerspruch und bei manchen auch Empörung hervorrufen. Als Politikerin mit großen Ambitionen hätte sie sich an den athenischen sowie römischen Rechtsgrundsatz "Audiatur et altera pars" (lat. für „Gehört werde auch der andere Teil“ bzw. „Man höre auch die andere Seite“) (6) halten sollen. Nur das Verstehen beider Seiten ist die Voraussetzung für eine spätere Versöhnung.

Deutsch.news-pravda.com: „Russische Öffentlichkeit fordert Entschuldigung von Alice Weidel“

Der Autor des Artikels war überzeugt, dass es sich beim oben genannten Artikel um einen Text der russischen Tageszeitung  Prawda (russisch Правда, „Wahrheit“) handelt. Sie wurde 1912 gegründet und war von 1918 bis 1991 das Zentralorgan der KPdSU. Die Initiative zur Gründung des Blattes kam von dem im Exil lebenden Wladimir Iljitsch Lenin.(,7)

Unter https://deutsch.news-pravda.com/world/2025/01/15/286652.html war zu lesen: „Ein vor fünf Jahren veröffentlichter Text der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel sorgt aktuell für Aufregung in russischen sozialen Netzwerken. Weidel hatte im Januar 2020 negativ über den Start der Ostpreußen-Offensive der Roten Armee geschrieben und dabei die Geschichte verfälscht, wie russische Historiker meinen“.(8) Dann wird im Artikel behauptet:

„Auf RT.DE wird das heute als russlandfeindlicher Geschichtsrevisionismus diskutiert“. Gibt man jedoch den Link RT.DE ein, erscheint die Warnung: „Der Link rt.de scheint verdächtig zu sein. Um Risiken zu vermeiden, folgen Sie diesem nicht, auch wenn er Ihnen von einem Freund geschickt wurde. Wenn Sie dem Link folgen, geben Sie weder Ihr rt.de Passwort noch Ihre rt.de Telefonnummer, Ihre rt.de Bankkartendaten oder andere persönliche Informationen ein“. Auch ein Verfasser des Artikels lässt sich nicht finden, dafür eine weitere Quelle (https://de.rt.com), die nicht erreichbar ist. Das löste beim Verfasser dieses Artikel Zweifel an der Glaubwürdigkeit aus. Umgehend bat er seine Freunde in Moskau und Jekaterinenburg um Hilfe bei der Recherche. Die Antworten waren eindeutig. Einer schrieb „Ich habe auch durch unseren Suchsystem Yandex versucht diesen Artikel zu finden - es gibt nix! Bei uns wird dieses Thema gar nicht diskutiert! Ich lese News auf den unterschiedlichen Kanälen jeden Tag, über dieses Thema erfahre ich nur von Dir! Wer in Deutschland macht dieses Thema heiß, um den Wiederaufbau der russisch-deutschen Beziehungen nicht zuzulassen?“

Ein anderer: „Igor Schischkin ist ein drittrangiger Politologe, sehr sehr selten im Fernsehen und hat in Instituten für Kultur und Ökomomie gearbeitet.“

Die anderen äußerten sich ähnlich und schickten die korrekten Links zur Moskauer Prawda: (московская правда) https://mospravda.ru bzw. https://www.pravda.ru/. Mit der Moskauer Prawda hat "Pravda DE" also wenig zu tun, es handelt sich um einen deutschsprachigen Telegram-Kanal (466 subscribers) mit kritischen „aktuellen Nachrichten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und der Welt. Expertenmeinungen, Artikel, Fotos und Videos“.(9)

Wer steckt hinter diesem Angriff auf die deutsch-russischen Beziehungen?

Im oben erwähnten Artikel kritisiert der Politologe und Historiker Igor Schischkin die Äußerungen von Weidel besonders scharf und stellt vor diesem Hintergrund die "Russlandfreundlichkeit" der AfD infrage. Er könne die weit verbreitete Begeisterung für die Erklärung von Weidel, Nord Stream wieder in Betrieb nehmen zu wollen, nicht verstehen, schreibt Schischkin auf seinem Telegram-Kanal.(10) Besonders am 80. Jahrestag des sowjetischen Sieges im Großen Vaterländischen Krieg dürfe man die "russophobe und pro-nazistische" Äußerung aus dem Jahr 2020 nicht einfach vergessen, appelliert er. Schischkin, der, so ist es in dem deutsch.news-pravda.com-Artikel zu lesen, besonders in linkspatriotischen Kreisen über großen Einfluss verfügt und im russischen Fernsehen als Experte auftritt, formulierte die zu erfüllenden Bedingungen an die kommende Regierung in Deutschland, sofern sie wieder russisches Gas erhalten wollen:

  • Reparatur der drei von Terroristen beschädigten Stränge der Nord-Stream-Pipeline auf Kosten der BRD;
  • Nachträglicher angemessener Schutz dieser Pipeline auf Kosten der BRD vor weiteren Zerstörungen;
  • Vollständiges Ende der finanziellen Unterstützung für das Ukroreich, der Lieferung von militärischen Gerät, Drohnen sowie Munition und des Einsatzes von deutschen Militärberatern und Söldnern;
  • Öffentliche Entschuldigung von Weidel für die Desavouierung ihrer oben erwähnten falschen Worte über die Soldaten der Roten Armee sowie öffentliche Demonstration der Rückkehr Deutschlands zur Reue für die menschenverachtenden Taten der Nazi-Vorfahren;
  • Wiederherstellung der vollen Freiheit von Massenveranstaltungen zu Ehren des Tages des Sieges im Treptower Park in Berlin und in ganz Deutschland;
  • Rücknahme der Unterstützung für die extremistische internationale LGBT-Bewegung.
    Mindestens. Und nicht anders.(11)

In Kommentaren und Reposts soll Schischkin dabei überwiegend Zustimmung für seine wirren Forderungen erhalten haben. 

Zweifellos war der besagte Tweet von Alice Weidel in seiner Kontextlosigkeit eine Provokation für Russland - der Angriff Schischkins wird nun sicherlich von vielen Deutschen als Provokation empfunden und ist nicht geeignet in der jetzigen angespannten Situation zum Abbau der Spannungen beizutragen. So etwas ist äußerst gefährlich im Hinblick auf die Instrumentalisierung für die Kriegspropaganda auf beiden Seiten. Die NATO-Strategen werden sich insgeheim die Hände reiben.

Ein tragfähiger Friede muss nach Karl Jaspers auf dem Boden der Wahrheit gegründet sein. Das ist nur möglich, wenn die Narrative unter diesem Gesichtspunkt hinterfragt werden und auf jegliche Doppelstandards verzichtet wird. Das ermöglicht in der Folge das Verstehen und daraus kann dann Versöhnung erwachsen. Die einseitige Instrumentalisierung von Kriegsgräueln läuft einer Friedens- und Verständigungspolitik extrem zuwider.

Heroisierung der Versenkung des MS "Wilhelm Gustloff" am 30. Januar 1945 - eine der verlustreichsten Katastrophen der Seefahrt in Europa

Das ehemalige "Kraft-durch-Freude" (KdF) Kreuzfahrtschiff "Wilhelm Gustloff" wurde ab dem 1. September 1939, wie die anderen KdF-Schiffe auch, von der Kriegsmarine als Lazarettschiff, Wohnschiff und Truppentransporter verwendet. Am 30. Januar 1945 wurde die mit Flüchtlingen und Wehrmachtsangehörigen überfüllte Gustloff vor der Küste Pommerns vom sowjetischen U-Boot S-13 torpediert. Bei der Versenkung kamen je nach Schätzung zwischen 4.000 und mehr als 9.000 Menschen ums Leben.(12) Nur 1.252 Menschen konnten gerettet werden.(13)

Für die Versenkung wollte U-Boot-Kapitän Alexander Iwanowitsch Marinesko (1913-1963) als Held der Sowjetunion anerkannt werden. Da er aber sonst durch mangelnde Disziplin aufgefallen war, wurde ihm dies verwehrt. Nach dem Krieg unehrenhaft aus der Marine entlassen, verbrachte er wegen Diebstahls zwei Jahre im Straflager. 1963 starb er in Leningrad. 1990 jedoch, 27 Jahre nach seinem Tod, wurde Marinesko auf Bestreben eines eigens gegründeten Komitees von Präsident Michael Gorbatschow rehabilitiert und posthum zum Helden der Sowjetunion ernannt. Sicher kein Beitrag zur Verständigung zwischen Deutschen und Russen, die sich einander im Krieg so viele schreckliche Dinge angetan haben.

In Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg, wird Marinesko durch die Namensgebung eines Pregelufers  - dem Spazierweg von Kant - und einem monumentalen Ehrenmal am Schlossteich geehrt.(14) Auf der Tafel ist zu lesen: „Der Held der Sowjetunion hatte am 30. Januar 1945 in der südlichen Ostsee den deutschen Truppentransporter Wilhelm Gustloff (ehem. Kreuzfahrtschiff) mit 6.000 Wehrmachtsoffizieren und Mannschaften versenkt“ - das, obwohl es 1990 ausreichend gesicherte Literatur über diese Flüchtlingskatastrophe gab. Wieso gerade unter Michail Gorbatschow, der ab 1989 sich um die deutsche Wiedervereinigung verdient gemacht und den Deutschen versöhnlich die Hand gereicht hatte, diese unnötige Heroisierung? Sie lässt keine Differenzierung, keine Empathie für die andere Seite mehr zu.

Unbestreitbar waren unter den erwachsenen Ertrunkenen auch viele, die dem NS-Regime kritisch gegenüberstanden. Sie und die Kinder waren ebenfalls Opfer des von Hitler angefachten Vernichtungskriegs gegen Russland.

Im Juni 1941 waren die deutschen Wehrmachtssoldaten von der Goebbelschen Propaganda nachhaltig vergiftet worden. Es wurde ein negatives Bild von den russischen Soldaten gezeichnet und die Russen wurden im NS-Rassenwahnsinn allgemein als Untermenschen diffamiert.

Ilja G. Ehrenburg: russischer Berichterstatter und Propagandist im Ersten Weltkrieg, Spanischen Bürgerkrieg und vor allem Zweiten Weltkrieg

Ehrenburg wurde in erster Linie als Autor von Romanen sowie als Journalist bekannt; er gehörte zu den produktivsten und profiliertesten Autoren der Sowjetunion und veröffentlichte rund hundert Bücher. Großen Wert legte er auf seine russische Herkunft und verleugnete nie sein Jüdischsein. Noch in einer Radiorede zu seinem 70. Geburtstag erklärte er: „Ich bin ein russischer Schriftsteller. Und solange auf der Welt auch nur ein einziger Antisemit existiert, werde ich auf die Frage nach der Nationalität stolz antworten: Jude“.(15)

Seine Propagandaartikel im Zweiten Weltkrieg lösten noch nachträglich in der Bundesrepublik Deutschland heftige und kontroverse Debatten aus, vor allem in den 1960er Jahren.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs hatte sich Ehrenburg freiwillig zum Kampf für Frankreich gemeldet, wurde aber als untauglich abgewiesen. So verfasste er Reportagen von der Front, u. a. aus Verdun, in denen er den mechanisierten Krieg in seiner ganzen Entsetzlichkeit beschrieb. Seine Berichte über zum Kriegsdienst gezwungene Kolonialsoldaten aus dem Senegal brachten ihm Probleme mit der französischen Zensur ein.(16) Notgedrungen verlegte er in der Folge seinen Wohnsitz von Paris nach Berlin. Dort lebten damals mehrere Hunderttausend Russen aller politischen Schattierungen, russischsprachige Verlage und kulturelle Institutionen blühten.(17)

Ab 1931 verfasste er eine Reihe von Artikeln für die sowjetische Presse, in der er seine tiefe Besorgnis über den Aufstieg des Nationalsozialismus ausdrückte. Im Angesicht dieser Bedrohung glaubte er, Partei nehmen zu müssen: für die Sowjetunion, gegen den Faschismus, was nun grundsätzliche öffentliche Kritik am politischen Kurs der Sowjetunion ausschloss:

Es heißt mit zusammengebissenen Zähnen leben und eine der schwersten Wissenschaften erlernen: das Schweigen“.(18)

Ab Mai 1939 druckte die landesweit erscheinende, regierungsnahe russische Tageszeitung Iswestija plötzlich seine Artikel nicht mehr, vermutlich, weil die Sowjetunion einen Politikwechsel von der antifaschistischen Volksfrontpolitik hin zum Bündnis mit Deutschland erwog.(19) Als im August 1939 der Hitler-Stalin-Pakt gemeldet wurde, erlitt Ehrenburg einen Zusammenbruch. Er konnte nichts mehr essen, monatelang nur flüssige Nahrung zu sich nehmen und magerte stark ab; Freunde und Bekannte befürchteten, dass er sich umbringen werde.(20)

Anfang 1941 erschien unter großen Schwierigkeiten der erste Teil seines Romans "Der Fall von Paris" in der Literaturzeitschrift Snamja („Banner“), - der Begriff Faschisten musste durch Reaktionäre ersetzt werden. Der zweite Teil wurde monatelang blockiert und nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion konnte der dritte Teil erscheinen. 1942 wurde Ehrenburg unter den nun gänzlich veränderten politischen Umständen für das Werk mit dem Stalinpreis geehrt.

Nun war er nicht nur bei den sowjetischen Soldaten populär, sondern auch bei vielen Alliierten der Sowjetunion. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen berichtete Ehrenburg auch über die Niederlagen der Roten Armee, was zu Beginn des Krieges noch strikt untersagt war (21), so z.B. über den Fall von Kiew und die Bedrohung von Moskau im November 1941. Die riesigen Verluste an Menschen und Gebieten in den ersten Monaten des deutschen Überfalls, hatten demoralisierende Wirkung auf die Rote Armee. Das wurde noch verstärkt durch die sowjetische Propaganda, die den deutschen Nationalsozialismus zunächst allein als Projekt des Finanzkapitals gesehen hatte, was bei vielen Rotarmisten ein unrealistisches Bild der Wehrmacht erzeugt hatte. Verstärkt wurde das zusätzlich durch die Erfahrung älterer Soldaten, die Anfang August 1914 den zaristischen Angriff auf Ostpreußen erlebt hatten; andere hatten als Sowjetsoldaten während der Weimarer Republik geholfen, die Beschränkungen des Versailler Vertrags zu umgehen und die deutsche Luft- und Panzerwaffe aufzubauen. Im August 1939 kam es dann sogar überraschend zu einem Nichtangriffs-Vertrag zwischen Deutschland und Russland.

Deutsch-sowjetische Militärparade am 22. September 1939 in Brest-Litowsk

Mit dem Angriff Deutschlands am 1. September 1939 auf Polen kam die im Vertrag von Versailles gelegte Zündschnur am Pulverfass für einen neuen großen Krieg in Europa zur Explosion. Selbst der „Hardliner“ Marschall Ferdinand Foch, der Architekt des Waffenstillstands vom 11. November 1918, hatte im Versailler Friedensvertrag keine Grundlage für einen dauerhaften Frieden gesehen:

„Das ist kein Frieden. Es ist ein Waffenstillstand auf 20 Jahre.“(22)

Im zweiten Punkt des geheimen Zusatzprotokolls des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts vom August 1939 wurde die ehemals russisch-polnische Grenze (die nach dem britischen Außenminister Curzon genannte Demarkationslinie von 1919) festgelegt.(23) An ihr befand sich auch Brest-Litowsk (hier wurde 1918 der deutsch-sowjetische Friedensvertrag des Ersten Weltkriegs unterzeichnet).(24)

Nach dem die deutschen Truppen über die Curzon-Linie hinaus vorgestoßen waren, wurde General Heinz W. Guderian am 21. September 1939 angewiesen, sich auf die vereinbarte Linie zurückzuziehen und vor allem die Stadt Brest-Litowsk bis zum 22. September 1939 zu räumen und dem sowjetischen General Semjon Kriwoschein zu übergeben.(25)

Guderian und Kriwoschein nahmen die gemeinsame Parade ab, welche die Übergabe von Brest-Litowsk und der Brester Festung an die sowjetischen Panzerdivisionen markierte.(26)

In der deutschen Wochenschau wurde die gemeinsame Parade gefeiert, in der sowjetischen Presse wurde sie ignoriert.

Für die deutsche Regierung sollte die gemeinsame Parade den Westalliierten das positive Verhältnis zwischen dem NS-Staat und der Sowjetunion darstellen und der deutschen Bevölkerung demonstrieren, dass keine Auseinandersetzung mit Russland oder ein Zweifrontenkrieg zu befürchten sei.(27)

Zwei Jahre später überfiel dann Deutschland die Sowjetunion.

Bei manchen Soldaten der Roten Armee war noch in den ersten Kriegsmonaten die Vorstellung verbreitet, die einfachen Soldaten der Wehrmacht würden sich bei einem Krieg auf die Seite der russischen Revolution schlagen.(28) Dazu kam noch der abrupte Politikwechsel im Zusammenhang des Hitler-Stalin-Pakts. In dieser verzweifelten Situation erschien den sowjetischen Schriftstellern und Propagandisten, von Alexei Tolstoi über Michail Scholochow und Konstantin Simonow bis zu Ehrenburg, die Parole des Hasses auf die deutschen Invasoren als das einzige Mittel, die Kampfkraft der Truppen zu stärken.

So begannen Ehrenburgs flammende Propagandaartikel häufig mit Zitaten aus Fronttagebüchern und Briefen gefallener oder gefangengenommener deutscher Soldaten,(29) um dann zum Töten aufzurufen. Sein bekanntester Aufruf war "Töte!": „… Zähle nicht die Tage. Zähle nicht die Werte. Zähle nur eins: die von dir getöteten Deutschen. Töte den Deutschen! Bittet dich die alte Mutter. Töte den Deutschen! Fleht dich das Kind an. Töte den Deutschen! Schreit die Heimaterde. Ziel nicht vorbei. Triff nicht daneben. Töte!“(30)

Derartige Aufrufe richteten sich im Sommer 1942 eindeutig gegen die angreifenden Wehrmachts-Truppen; von einem Zusammentreffen mit der deutschen Zivilbevölkerung konnte zu dieser Zeit noch keine Rede sein, da die Front tief im Inneren der Sowjetunion verlief (Ende 1942 bis an die Wolga).

Auch richtete Ehrenburg den Blick auf den gebildeten deutschen SS-Mann oder Offizier, der methodisch-systematisch die Folterung und Ermordung der russischen und speziell der jüdischen Bevölkerung betrieb, den „…faschistischen Soldaten, der mit seinem auserlesenen Füller in seinem hübschen Büchlein blutrünstig fanatischen Unfug über seine rassische Überlegenheit vermerkte, schamlos grausame Dinge, über die sich jeder Wilde entsetzt hätte“.(31)

Es gab auch besonnene Aufrufe von Ehrenberg. So schrieb er am 5. Mai 1942: „Der deutsche Soldat mit dem Gewehr in der Hand ist für uns kein Mensch, sondern ein Faschist. Wir hassen ihn. […] Wenn der deutsche Soldat seine Waffe loslässt und sich in Gefangenschaft begibt, werden wir ihn mit keinem Finger anrühren - er wird leben.“(32) Drei Wochen später rechtfertigte er den Hass: „Doch unser Volk lechzt nicht nach Rache. Nicht dazu haben wir unsere jungen Männer erzogen, dass sie auf das Niveau hitlerscher Vergeltungsmaßnahmen herabsinken. Niemals werden Rotarmisten deutsche Kinder ermorden, das Goethehaus in Weimar oder die Bibliothek von Marburg in Brand stecken. Rache ist Zahlung in gleicher Münze, Rede in gleicher Sprache. Aber wir haben keine gemeinsame Sprache mit den Faschisten. […] Für alle wird sich auf der Erde Platz finden. Auch das deutsche Volk, geläutert von den grauenhaften Missetaten des Hitlerschen Jahrzehnts, wird leben. Aber jede Großzügigkeit hat eine Grenze: Im Moment möchte ich über das Glück, das ein von Hitler befreites Deutschland erwartet, weder sprechen noch nachdenken. Solche Gedanken und Worte sind fehl am Platz, sie könnten auch nicht aufrichtig sein, solange Millionen Deutsche auf unserem Boden ihr Unwesen treiben“.(33)

Nach der Schlacht von Stalingrad schrieb Ehrenburg nicht mehr „Töte den Deutschen“, auch nicht, als die Rote Armee den Boden des Deutschen Reichs erreichte und auf die deutsche Zivilbevölkerung traf, Am 14. März 1945 schließlich erschien in Krasnaja Swesda ein Artikel Ehrenburgs, der auch als Flugblatt in der Roten Armee verteilt wurde: „Der sowjetische Soldat wird keine Frauen belästigen. Der sowjetische Soldat wird keine deutsche Frau misshandeln, noch wird er irgendeine intime Beziehung mit ihr unterhalten. Er ist über sie erhaben. Er verachtet sie dafür, dass sie die Frau eines Schlächters ist. […] Der sowjetische Soldat wird an der deutschen Frau schweigend vorbeigehen.“(34)

Ehrenburgs Aufrufe und Artikel reizten auch damals in der Sowjetunion zum Widerspruch. So kritisierte ihn der junge Germanist und Propagandaoffizier der Roten Armee, Lew Kopelew,  dass er zu wenig zwischen Deutschen und Faschisten unterscheide.

Nach dem deutschen Überfall hatte sich Kopelew 1941 als Freiwilliger zur Roten Armee gemeldet, in der er wegen seiner guten Deutschkenntnisse „Instrukteur für Aufklärungsarbeit im Feindesheer“ wurde. Später wurde er in einer Propagandaabteilung eingesetzt und arbeitete mit Angehörigen des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) zusammen, um Soldaten der deutschen Wehrmacht zum Überlaufen auf die sowjetische Seite zu bewegen. Er nahm an verschiedenen Schlachten des Krieges teil, unter anderem an der Schlacht um Moskau oder der sowjetischen Sommeroffensive 1944.(35) Während des Einmarschs der Roten Armee in Deutschland im Januar 1945 wurde er Zeuge zahlreicher Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung Ostpreußens, die ihn zutiefst erschütterten und ein starkes Gefühl der Scham in ihm auslösten.

Sein Einsatz für eine menschenwürdige Behandlung der deutschen Bevölkerung und seine Versuche, Gräueltaten zu verhindern, brachten ihm eine Anzeige beim Militärnachrichtendienst SMERSCH ein. Wegen „Propagierung des bürgerlichen Humanismus, Mitleid mit dem Feind und Untergrabung der politisch-moralischen Haltung der Truppe“ wurde er trotz seiner Tapferkeit und seiner militärischen Verdienste zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. In dieser Zeit lernte er Alexander Solschenizyn kennen, der ihn in seinem berühmten Buch „Im ersten Kreis der Hölle“ zu einem seiner Helden (Lew Rubin) machte.(36)

Kopelews autobiografischer Bericht über seine Kriegserlebnisse in Ostpreußen 1945 zeigt deutlich, dass Ehrenburgs Name damals zumindest von Kopelew selbst als Synonym für gnadenlose Rache verstanden wurde: „ […] und wir alle - Generäle und Offiziere - uns nach Ehrenburgs Rezept verhalten haben. Welche Rache lehrten wir: Deutsche Weiber aufs Kreuz legen, Koffer, Klamotten wegschleppen …“(37) 

Der britische Kriegsberichterstatter Alexander Werth fasste zusammen:

Was Alexej Tolstoj und Scholochow und Ehrenburg über die Deutschen geschrieben haben, war nichts im Gegensatz zu dem, was die russischen Soldaten mit ihren eigenen Ohren hören, mit ihren eigenen Augen sehen - und mit ihrer eigenen Nase riechen konnten. Denn wo auch immer die Deutschen gewesen waren, hing der Geruch verwesender Leichen in der Luft. […] Es gab den „gewöhnlichen Fritz“ des Jahres 1944, und es gab Tausende von Himmlers Berufsmördern - aber konnte man zwischen ihnen eine klare Trennungslinie ziehen? (38) Diese Sichtweise bestätigt auch Kopelew;

„Und komischerweise wurde ich hier irgendwo darauf angesprochen, ob es nicht Ehrenburg war, der diesen Hass erzeugte, im ausgehungerten Leningrad, in ausgebrannten Städten und Dörfern. Das stimmt nicht, das ist ja wirklich naiv - denn Ehrenburg war wohl einer von den eifrigsten hasserfüllten Journalisten. Aber nicht er hat diesen Hass gesät, der kam durch diese Kriegsereignisse“.(39)

Ilja Ehrenburg selbst resümierte in seinen Memoiren zwanzig Jahre später:

„Man kann sagen: Ein schlechtes, hässliches Gefühl. Ja, gewiss. Auch mir war der Hass nicht leicht gefallen, er ist ein grauenhaftes Gefühl: Er macht innerlich kalt. […] Die Jungen von heute werden kaum begreifen, was wir durchgemacht haben. Jahre der totalen Verdunkelung, Jahre des Hasses, ein bestohlenes, verunstaltetes Leben …“(40)

1948 wurde Ehrenburg mit dem Stalin-Orden ausgezeichnet, 1952 bekam er den Internationalen Lenin-Friedenspreis. Von 1950 bis zu seinem Tod war Ehrenburg zudem Vizepräsident des Weltfriedensrates. Charles de Gaulle gratulierte ihm zum Leninorden, den er 1944 für seine Kriegsartikel erhalten hatte, und verlieh ihm 1945 das Offizierskreuz der Ehrenlegion.(41)

Die Einordnung Ehrenburgs ist nicht einfach, er bleibt eine schillernde, ambivalente Figur.

Der Name Lew Kopelew hingegen steht eindeutig für Kultur, Humanität, Völkerverständigung und besonders für deutsch-russische Freundschaft. Sein Schicksal spiegelt das dramatische Geschehen des vergangenen Jahrhunderts in Europa wider.

Bleibt die Frage, ob Alice Weidel am Gedenktag 2020 klar war, wie provozierend ihre einseitige Schilderung der „Gräuel“ der Roten Armee auf die Nachkommen der russischen Kriegsopfer wirken mußte – und warum Weidels Äußerung gerade jetzt erneut ans Licht gezerrt wird für eine Gegenprovokation. Wer sich mit der Geschichte der beiden Weltkrieg und besonders des 2. Weltkriegs befaßt, darf niemals die Vorgeschichte eines Ereignisses unerwähnt lassen – wir müssen die Zusammenhänge verstehen, damit wir aus der Spirale von Gewalt und Leid herausfinden.

Heilung und Frieden wird es nur geben, wenn wir uns mit der Vergangenheit versöhnen und sich ihr so wahrhaftig wie möglich nähern. Dann erst ist man in der Lage, gegen Leugnung, Verzerrung und Fälschung der Geschichte anzugehen.

Anmerkungen und Quellen

Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)

1) https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Bagration#cite_note-1

2) Il’ja Ėrenburg, Gore im!, in: Krasnaja zvezda, 19.8.1944, S. 4. (Maly) Trostinez war ein NS-Vernichtungslager bei Minsk. Slawuta ist eine Stadt in der Westukraine, deren große jüdische Gemeinde im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen ausgelöscht wurde. Ehrenburg nannte bewusst Mordstätten aus verschiedenen Unionsrepubliken, um zu betonen, dass die gesamte Sowjetunion von dem Leid betroffen war und den Auftrag zum Kampf erteilte.

3) https://www.mdr.de/geschichte/ns-zeit/zweiter-weltkrieg/verlauf/leningrader-blockade-leningrad-sowjetunion-st-petersburg-100.html

4) https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article182082810/Ostfront-1943-44-Warum-die-Wehrmacht-verbrannte-Erde-hinterliess.html

5) https://www.dw.com/de/ns-verbrechen-an-sowjetischen-kriegsgefangenen/a-18430690

6) https://www.rechteasy.at/wiki/audiatur-et-altera-pars/

7) Eine gleichnamige Zeitung hatte Leo Trotzki 1908 in Wien gegründet.

8) https://deutsch.news-pravda.com/world/2025/01/15/286652.ht

9) https://deutsch.news-pravda.com

10) https://t.me/isshishkin/3250

11) https://deutsch.news-pravda.com/

https://deutsch.news-pravda.com/world/2025/01/15/286652.htm

12) „Mindestens 10.000 Menschen an Bord, ... 950 gerettet“, Quelle: Korrespondent des Sydsvenska Dagbladet fran Gdynia, abgedruckt unter „9000 i djupet med "Gustlow"“ in Dagens Nyheters Klipparkiv vom 21. Februar 1945. Faksimile in Heinz Schön: Die Gustloff-Katastrophe Bericht eines Überlebenden. 2002, S. 407.

„6.100 Hitleristen an Bord, darunter 3.700 Unteroffiziere und Matrosen-Spezialisten, die aus dem Übungszentrum der hitlerischen Flotte von Gotenhafen evakuiert werden.“ (Vladimir Ivanovich Dmitriev: Atakujut podvodnikim (Standardwerk zur russischen Seekriegsgeschichte. Moskau 1964, S. 249/53).

Der MDR berichtete am 30. Januar 2020, dass 10.582 Menschen an Bord waren: 8.956 Flüchtlinge aus Ostpreußen, Westpreußen, Danzig und Pommern, davon rund 5.000 Kinder. 918 Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der 2. Unterseeboot-Lehrdivision Gotenhafen. 373 Marinehelferinnen. 162 Schwerverwundete des Heeres. 173 kriegsverpflichtete Besatzungsmitglieder der Handelsmarine. 9.343 Menschen kommen um, 1.239 werden gerettet unter https://www.mdr.de/geschichte/ns-zeit/zweiter-weltkrieg/1945/untergang-fluechtlingsschiff-wilhelm-gustloff-ostpreussen-100.htm

13) Ebda.

14) https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Iwanowitsch_Marinesko

15) Rede Ilja Ehrenburgs am 27. Januar 1961 (Radio Moskau). In: Menschen Jahre Leben, Buch 7, Anhang, S. 215f. In sowjetischen Formularen gab es eine Rubrik „Nationalität“; Juden wurden als Nationalität verstanden.

16) Die Figur des Ayscha in Ehrenburgs Roman "Die ungewöhnlichen Abenteuer des Julio Jurenito" reflektiert diese Erfahrungen

17) Vgl. Karl Schlögel: Berlin, Ostbahnhof Europas: Russen und Deutsche in ihrem Jahrhundert. Siedler, Berlin 1998.

18) Menschen Jahre Leben, hier und im Folgenden zitiert nach der vollständigen (vierbändigen) deutschen Ausgabe Berlin 1978–1990, Buch 3, S. 223

19) Vgl. Joshua Rubenstein: Tangled Loyalties. The Life and Times of Ilya Ehrenburg. 1st Paperback Ed., University of Alabama Press, Tuscaloosa (Alabama/USA) 1999 (= Judaic Studies Series), ISBN 0-8173-0963-2, S. 179f.; Marcou, S. 184f.; Boris Fresinski: Ilja Ehrenburg und Deutschland. In: Karl Eimermacher, Astrid Volpert (Hrsg.): Stürmische Aufbrüche und enttäuschte Hoffnungen. Russen und Deutsche in der Zwischenkriegszeit. Fink, München 2006, ISBN 3-7705-4091-3, S. 317

20) Rubenstein, S. 420, zitiert beispielsweise die junge Simone de Beauvoir mit dieser Befürchtung.

21) Rubenstein, S. 191

22) Zitiert nach Paul Reynaud: Memoires (1963), Bd 2, Seite 457

23) Nach dem 1. Weltkrieg hat Polen unter dem Machthaber Pilsudski das sich im Bürgerkrieg befindenden Russlan angegriffen. Der ehemalige polnische Staatschef General Woijech Jaruzelski schireb dazu in seinen Memoiren „Mein Leben für Polen“ (München 1993, S.40/41): „Der Krieg von 1920 gegen Sowjetrussland war als erfolgreich angesehen worden“ [während Russland sich im Bürgerkrieg befand, hatte Polen die Ostgrenze ca. 200 Kilometer nach Osten verschoben und damit das sogenannte „Ostpolen“ erobert – von 12 Millionen Einwohnern erklärten sich bei der polnischen Volkszählung von 1936 nur 1,5 Millionen als Polen, Nach Angaben auf Grund polnischer Quellen („Polen, Deutschland und die Oder-Neiße-Grenze; Ostberlin, 1959, S. 863, 928 f.)W.E.]

24) Ray Brandon, Timothy Snyder: Stalin and Europe - Imitation and Domination, 1928-1953. Oxford University Press, 2014, S. 268; Mark Kramer, Vit Smetana: Imposing, Maintaining, and Tearing Open the Iron Curtain -The Cold War and East-Central Europe, 1945–1989. Lexington Books, 2014, S. 8–9.

25) File:Vereinbarung mit sowjetischen Offizieren über die Überlassung von Brest-Litowsk.jpg - Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Vereinbarung_mit_sowjetischen_Offizieren_%C3%BCber_die_%C3%9Cberlassung_von_Brest-Litowsk.jpg

26) Richard Hargreaves: Blitzkrieg Unleashed - The German Invasion of Poland, 1939. Stackpole Books, 2010, S. 186; Alan Axelrod: Victory - World War II in Real Time. Hrsg.: Associated Press. Union Square & Company, 2021, Kapitel 1: „1939“.

27) Dan Diner: Gegenläufige Gemeinsamkeiten – Der Pakt als Ereignis und Erinnerung. In: Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 in den Erinnerungskulturen der Europäer. Hrsg.: Anna Kaminsky, Dietmar Müller und Stefan Troebst, Wallstein, S. 42 f.

28) Vgl. u. a. Dimitri Olejnikow: Von Ritterlichkeit zu Verachtung. Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf das Verhältnis zu den Deutschen. In: Karl Eimermacher, Astrid Volpert (Hrsg.): Verführungen der Gewalt. Russen und Deutsche im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Fink, München 2002, S. 179–204; Elena Senjawskaja: Deutschland und die Deutschen in den Augen sowjetischer Soldaten und Offiziere des Großen Vaterländischen Krieges. In: Elke Scherstjanoi (Hrsg.): Rotarmisten schreiben aus Deutschland. Briefe von der Front (1945) und historische Analysen. München: K.G. Saur 2004, S. 247–266.

29) Vgl. Jochen Hellbeck„The Diaries of Fritzes and the Letters of Gretchens.“ Personal Writings from the German-Soviet War and Their Readers. In: Kritika. Explorations in Russian and Eurasian History, Jg. 10 (2009), Nr. 3, S. 571–606.

30) Dieser Aufruf wurde von der NS-Propaganda nachhaltig instrumentalisiert und wirkt bis heute in entsprechenden Kreisen fort kreis-landskron.de/vertreibung/verbrecher/ehrenburg/

31) Menschen Jahre Leben, Buch 5, S. 27.

32) Über den Hass vom 5. Mai 1942, Übersetzung nach Tischler 2004, S. 330.

33) Das russische Original ist hier zu finden; deutsche Übersetzung nach Menschen Jahre Leben, Buch 5, S. 28 f.

34) Übersetzung nach Tischler 2004, S. 334. Das russische Original findet sich hier

35) Lew Kopelew; Aufbewahren für alle Zeit; Steidl-Verlag Göttingen 1996; ISBN 3-88243-378-7

36) https://www.kopelew-forum.de/lew-kopelew-biographie.aspx

37) Lew Kopelew: Aufbewahren für alle Zeit!, S. 51, dtv 1979, ISBN 3-423-01440-7 und Hoffmann und Campe, ISBN 3-455-03920-0

38) Alexander Werth: Russland im Krieg 1941–1945. München/Zürich 1965, S. 514 f.

39) Heinrich Böll, Lew Kopelew: Warum haben wir aufeinander geschossen? Lamuv Verlag, Bornheim/Merten 1981, S. 88

40) Menschen – Jahre – Leben.  Sechs Bücher. Sowjetski Pisatel, Moskau 1961–1966 (vorabgedruckt in: Nowy Mir, 1960–1965). Vollständige Ausgabe (mit Ergänzung zensierter Kapitel und dem unbeendeten siebten Buch): Sowjetski Pisatel, Moskau 1990. Deutsche Übersetzung (von Alexander Kaempfe): Kindler, München 1962–1965; vollständige Ausgabe übersetzt von Harry Burck und Fritz Mierau: Volk und Welt, Berlin (DDR) 1978–1990.

 Buch 5, S. 35

41) vgl. etwa auch Manfred Zeidler: Die Rolle der Militärpresse innerhalb der politischen Agitationsarbeit: Der Fall Il'ja Erenburg. In: Manfred Zeidler: Kriegsende im Osten. Die Rote Armee und die Besetzung Deutschlands östlich von Oder und Neiße 1944/1945. Oldenbourg, München 1996, S. 115 ff.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: neftali / shutterstock  


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