Warum wir Frieden und Freundschaft mit Russland brauchen

Aufruf für eine neue Friedenspolitik

94 Prozent der Deutschen halten nach einer Umfrage des forsa-Instituts für Politik und Sozialforschung gute Beziehungen zu Russland für wichtig. Das wird von den Berliner Politikern und den „staatstragenden“ Medien in der weit überwiegenden Mehrzahl ignoriert. Auch nachdem sich das Verhältnis zwischen den USA und der EU in letzter Zeit abgekühlt hat, folgt die deutsche Regierung nahezu blind der Aggressionspolitik und den militärischen Vorgaben der USA mit ihrer NATO. Jetzt ist im Westend Verlag das Buch „Warum wir Frieden und Freundschaft mit Russland brauchen“ mit 27 friedenspolitischen Beiträgen namhafter Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Gesellschaft erschienen.
https://www.westendverlag.de/buch/warum-wir-frieden-und-freundschaft-mit-russland-brauchen/

Die Autorinnen und Autoren: Adelheid Bahr, Egon Bahr, Wolfgang Bittner, Peter Brandt, Mathias Bröckers, Daniela Dahn, Friedrich Dieckmann, Frank Elbe, Justus Frantz, Sigmar Gabriel, Peter Gauweiler, Richard Kiessler, Gabriele Krone-Schmalz, Wolfgang Kubicki, Harald Kujat, Oskar Lafontaine, Albrecht Müller, Matthias Platzeck, Detlef Prinz, Herwig Roggemann, Florian Rötzer, Evgeniya Sayko, André Schmitz-Schwarzkopf, Hans-Joachim Spanger, Antje Vollmer, Konstantin Wecker und Willy Wimmer.

Ein Beitrag aus dem Buch von Wolfgang Bittner.

Russland gehört zur europäischen Familie
Was um Himmels willen treibt Deutschland gegen Russland?

Russland ist das größte Land Europas, das wird verdrängt und gerät allmählich in Vergessenheit. Zwischen Deutschen und Russen gab es jahrhundertelang intensive Handelsbeziehungen, kulturellen und wissenschaftlichen Austausch. Was wäre unsere Kultur ohne die russische Literatur, Kunst, Musik, ohne das russische Theater? Ich nenne nur die Schriftsteller und Dichter Tolstoi, Dostojewski, Tschechow, Gorki, Puschkin und Jewtuschenko, die Maler Jawlenski, Malewitsch und Repin (ich habe sofort die Wolgatreidler vor Augen), die Musiker Prokofjew, Schostakowitsch und Tschaikowski (ich höre die Nussknacker-Suite). Puschkin las Goethe, Goethe las Puschkin, bis heute wird in Russland Heinrich Heine verehrt und Beethoven widmete der Zarin Elisabeth seine Polonaise Op. 89, wofür ihm zum Dank eine großzügige Zuwendung gewährt wurde. Zar Peter I. arbeitete 1607 inkognito auf einer niederländischen Werft, um die Techniken des Schiffsbaues zu erlernen, und Albert Lortzing verfasste nach dieser historischen Episode das Libretto für seine Oper „Zar und Zimmermann“.

In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag 2001 – das war damals noch möglich! – nannte Wladimir Putin Goethe, Schiller und Kant, und er sagte, dass die Kultur immer unser gemeinsames, völkerverbindendes Gut war. Sollte das wirklich der Vergangenheit angehören? Es sieht danach aus. Über das Deutsch-Russische Jahr der Kommunalen und regionalen Partnerschaften 2017/2018 wurde kaum berichtet, ebenso wenig ist über das Jahr des wissenschaftlichen Austauschs 2018/2019 zu erfahren. Zur Olympiade und zur Fußballweltmeisterschaft bemühte sich Russland, ein guter Gastgeber zu sein, doch wie gewohnt berichteten die westlichen Medien – als seien sie die fünfte Kolonne Washingtons – schon vorab über Regimegegner, Doping und die „grausame Abschlachtung“ streunender Hunde („Putin lässt WM-Städte durch ‚Hunde-KGB‘ säubern“, titelte die Bild-Zeitung).

Die atomare Bedrohung

Im Januar 2018 hat der US-amerikanische Präsident Donald Trump Nordkorea gedroht, er habe einen roten Knopf, der viel größer, mächtiger und funktionstüchtiger sei, als der des nordkoreanischen Staatschefs Kim Jong-un. Und im April richtete Trump – kurz vor einem Angriff der USA, Englands und Frankreichs auf das mit Russland verbündete Syrien – per Twitter eine ungeheuerliche Drohung an die Russische Föderation: „Mach dich bereit, Russland. Denn die Raketen werden kommen: hübsch, neu und intelligent!“(1) Am 14. April 2018 wurde die Drohung wahrgemacht: Mehr als 100 Raketen wurden unter Missachtung des Völkerrechts auf den souveränen Staat Syrien abgefeuert.

Schon im Februar 2018 hatte Trump angekündigt, die Atomwaffen der USA umfassend zu modernisieren. Alle strategischen Systeme sollen ersetzt und atomare Gefechtsköpfe mit geringerer Zerstörungskraft bereitgestellt werden, um die atomare Abschreckung zu verstärken und damit der angeblichen Bedrohung durch Russland, China, Nordkorea und Iran zu begegnen. Allerdings verfügt das US-Militär bereits über etwa 1.000 sogenannte Mini-Nukes, wie man diese menschheitsgefährdenden Atombomben nennt.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2018, einem Think-Tank, der US-Interessen vertritt, warnten namhafte Politiker vor einem Krieg mit Russland. Wir stünden am Abgrund, hieß es. Vor Beginn erklärte der Vorsitzende, Wolfgang Ischinger: „Wir haben noch nie seit dem Ende der Sowjetunion eine so hohe Gefahr auch einer militärischen Konfrontation von Großmächten gehabt.“(2) Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen war sich mit US-Verteidigungsminister James Mattis hinsichtlich der „Abwehrbereitschaft“ gegen Russland einig. Während Mattis die deutsche Führungsrolle in Europa hervorhob, betonte von der Leyen die Bedeutung der NATO als „Wertegemeinschaft“ und den Willen der deutschen Regierung, weiter aufzurüsten. Im Deutschlandfunk hieß es am 18. Februar 2018: „Gibt es also noch ein Zurück vom Abgrund? Am Ende musste Ischinger einräumen, dass das Fragezeichen dort wohl zurecht steht.“(3)

Kriegsvorbereitungen

Aber die Europäer folgen weiterhin nahezu widerspruchslos den militärischen Vorgaben aus den USA, obwohl sich das Verhältnis aufgrund der von der Regierung Trump verhängten Schutzzölle, der Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran und einem Eklat nach dem G7-Gipfel 2018 binnen weniger Wochen abgekühlt hat. Es sind – trotz allem – offensichtlich Kriegsvorbereitungen, die stattfinden. Man mag noch so zerstritten sein, hinsichtlich der militärischen Aufrüstung ist man sich nach wie vor einig. Die Anschuldigungen wegen dubioser und unbewiesener Giftgasanschläge in Syrien und London sowie nach einem angeblichen Journalistenmord in der Ukraine kennzeichnen die Zielrichtung.

Ebenso die NATO-Manöver “Saber Strike” (Säbelhieb) im Baltikum und das Herbstmanöver „Trident Juncture” (Dreizackiger Verbindungspunkt) mit 40.000 Soldaten, 8.000 davon aus Deutschland. In Ulm wird das neue NATO-Hauptquartier für schnelle Truppen- und Materialtransporte eingerichtet. Die bestehende “NATO-Speerspitze”, also die „Very High Readiness Joint Task Force“ (VJTF), die „NATO Response Force“ (NRF) und die „Enhanced Forward Presence“ (eFP), sollen für den Konfliktfall durch weitere Truppen verstärkt werden, und zwar mit zusätzlich 30.000 Soldaten, 360 Flugzeugen und 30 Schiffen. Deutschland soll für diese Bereitschaftstruppe eine besondere Verantwortung übernehmen. Des Weiteren ist im Gespräch, Raketenabwehrsysteme des Typs „Terminal High Altitude Area Defense“ (THAAD) nach Deutschland zu verlegen. Hinzu kommen Pläne für Neuaufnahmen in die NATO. Etwaige Kandidaten sind Georgien, die Ukraine, Makedonien, eventuell auch Schweden, Finnland, Irland, Serbien und Moldawien.

Ende 2017 wurde ein europäisches Militärbündnis für „permanente strukturierte Zusammenarbeit“, das sich PESCO nennt, gegründet. Unter anderem ist geplant, Westeuropa unabhängig von staatlichen Grenzen durchgängig zu machen, und zwar für die schnelle Verlegung von schwerem militärischem Gerät und Soldaten an die östlichen Grenzen. Die NATO braucht neue Straßen, Brücken und Infrastrukturen, um effektiver Krieg führen zu können. Und Verteidigungsministerin von der Leyen erklärte begeistert: „Europa muss handlungsfähiger und effizienter werden.“ Was daraus folgt, scheint den Berliner Politikern noch nicht klar zu sein: Nämlich eine Auflösung deutscher Souveränität, die im Übrigen durch die fortdauernde Stationierung ausländischer Truppen mit Sonderbefugnissen ohnehin nicht vollständig gegeben ist (wie sich aus dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut von 1993 ergibt).

Weiter folgt daraus die Festigung der Bindung – man kann auch sagen, der Unterwerfung – an die USA und die NATO sowie der Ausschluss Russlands aus Europa. Damit wird nicht nur der wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Austausch zunehmend erschwert, wenn nicht verhindert. Damit wird auch die Gefahr eines Krieges mit Russland virulent, wobei Europa und insbesondere Deutschland der Brückenkopf der USA mit der von ihr dominierten NATO ist, die entgegen allen Vereinbarungen bis an die russischen Grenzen vorgerückt ist.

Dazu hatte sich der russische Präsident Wladimir Putin in den vergangenen Jahren eher abwartend verhalten, von den „Partnern“ im Westen gesprochen und mehrfach für Kooperation geworben. In seiner Rede an die Nation vom März 2018 sagte er jedoch – und das sind völlig neue Töne: „Obwohl wir die zweitgrößte Nuklearmacht geblieben sind, wollte niemand uns hören. Mit uns wollte niemand sprechen. Hören Sie uns jetzt zu!“, und er fügte noch hinzu: „Das ist kein Bluff“. Zuvor hatte er Videos einblenden lassen, mit denen er eine Reihe neuer, angeblich nicht abfangbarer Nuklearwaffen zeigte, die entwickelt und bereits getestet wurden, unter anderem die mehr als 200 Tonnen schwere Interkontinentalrakete “Sarmat” und die Hyperschallrakete “Kinschal” sowie einen nuklear bestückbaren Torpedo.

Wir haben akute Kriegsgefahr, und zwar schon seit dem von den USA initiierten Putsch 2014 in der Ukraine, das ist großen Teilen der Bevölkerung überhaupt nicht bewusst. Wir lesen, hören und sehen allerdings schon seit mehreren Jahren, dass wir bedroht werden. Deswegen – so wird uns gesagt – müssen wir aufrüsten. Die Militärausgaben der USA im Jahr 2017 betrugen nach einem Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI 610 Milliarden Dollar. Deutschlands Quote lag mit 44,3 Milliarden Dollar bei 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und soll auf Betreiben der US-Regierung auf zwei Prozent erhöht werden. Denn wir müssen uns angeblich schützen. Vor wem? Das wird seit Anfang 2017 ausgesprochen: Vor den Russen, die uns überfallen wollen. Besonders gefährdet sind angeblich die Anrainerstaaten Russlands: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Bulgarien, Rumänien und nicht zuletzt die Ukraine. In diesen Staaten wird von den USA und der NATO eine gewaltige Militärmaschinerie aufgebaut, und Deutschland ist daran beteiligt.

Aber den Militärausgaben der USA und der europäischen NATO-Staaten in Höhe von insgesamt etwa 900 Milliarden Dollar steht der Militäretat Russlands von lediglich 66,3 Milliarden Dollar jährlich gegenüber. Damit stellt sich unabweisbar die Frage, warum der Westen gegen Russland aufrüstet, wenn doch die Militärausgaben der westlichen Allianz mehr als dreizehn Mal höher sind als die des potenziellen Gegners. Daraus ergibt sich eine zweite Frage: Wem dient dieses Bedrohungsszenario, das uns da vorgegaukelt und aufgeschwatzt wird? Wer profitiert davon? Doch jedenfalls nicht die Bevölkerung in den USA und Europa, deren Staatsetats gewaltige Summen entzogen werden, die anderweitig dringend benötigt würden, zum Beispiel für die Erhaltung der Infrastruktur, für Bildung, Gesundheit, Armutsbekämpfung und so weiter.

Die Entwicklung zum Kalten Krieg

Bereits 1961 warnte der US-Präsident und ehemalige Generalstabschef der Armee, Dwight D. Eisenhower, vor den verhängnisvollen Verflechtungen und Einflussnahmen des „militärisch-industriellen Komplexes“ auf die Politik der USA. „Das Potenzial für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen“, sagte Eisenhower. „Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet.“(4) Wie recht Eisenhower hatte und wie sehr die destruktive „Macht dieser Kombination“, also des „militärisch-industriellen Komplexes“, die Wirklichkeit bestimmt, wird deutlich, wenn wir uns die gegenwärtige politische Weltlage ansehen. Wohin wir auch blicken: Konflikte, fortschreitende Verschärfung der sozialen Verhältnisse, Chaos, Gewalt, Kriege, zumeist verursacht von den USA oder unter deren maßgeblicher Beteiligung. Daran hat sich auch nach dem Regierungswechsel im Frühjahr 2017 in Washington und der Ablösung einer mafiösen Politiker-Kaste durch eine kapitalorientierte Interessengruppe nichts Grundlegendes geändert. Im Grunde ist es ein Bandenkrieg, der sich da seit dem Regierungswechsel intern abspielt.

Seit mehreren Jahren herrscht nun in Europa wieder Kalter Krieg, und wir stellen uns eine dritte Frage: Wie ist es dazu gekommen, wie hat das angefangen? Bis vor Kurzem waren doch Russland, als bedeutender Teil Europas, und die Europäische Union auf dem Wege zu gutnachbarlichen und für beide Seiten wirtschaftlich nutzbringenden Beziehungen. Wladimir Putin hat seit seinem Amtsantritt als Präsident der Russischen Föderation im Jahre 2000 wiederholt um eine Zusammenarbeit zum Wohle Europas geworben. Aber auf einmal betreibt er angeblich eine Aggressionspolitik gegenüber dem Westen.

Wenn wir den westlichen Politikern und ihren Medien glauben, trifft Wladimir Putin die Schuld am neuen Kalten Krieg. Er wird als der Aggressor hingestellt, als derjenige, der hinter allem steckt, was schlecht und böse ist – wir kennen die diffamierenden Meldungen in den westlichen Medien. Angeblich hat Putin das Flugzeug MH17 abgeschossen, einen Mordanschlag auf einen britischen Doppelagenten befohlen und die syrische Regierung bei einem Giftgasangriff auf islamische „Freiheitskämpfer“ – wie diese Islamisten nach westlicher Sprachregelung genannt werden – unterstützt. Sofort erfolgte die Verurteilung bis hin zum Raketenangriff auf Syrien vom April 2018, obwohl es keine Beweise gibt.

Diffamierung und Indoktrination

Wenn irgendwo ein Anschlag verübt wird oder wenn ein Krieg beginnt, hilft zur Beurteilung der Situation die Frage, wem das nützt. Vier Fragen, die Licht ins Dunkel bringen:

1. Warum sollte der russische Präsident ein Zivilflugzeug abschießen lassen?

2. Welches Interesse sollte Russland daran gehabt haben, sein Nachbarland Ukraine, mit dem es umfangreiche Handelsbeziehungen hatte, ins Chaos zu stürzen?

3. Ist es bei der fragilen Sicherheitslage in Europa rational erklärbar, dass der russische Präsident einen Giftgasanschlag auf einen Spion in London befiehlt, wie ihm unterstellt wurde? Dieser Spion war vorher bereits in Russland inhaftiert und wurde von England freigekauft.

4. Zu Syrien: Warum sollte der syrische Präsident Assad kurz vor seinem Sieg über die islamischen Terrormilizen unter den Augen der Weltöffentlichkeit Giftgas eingesetzt haben? Und was unternimmt die UNO gegen die verbrecherischen Raketenangriffe der USA und Israels auf Syrien?

Russland wird verleumdet, beleidigt und beschuldigt, aber nichts wird bewiesen. Eine Tatsache ist dagegen, dass der westukrainische Präsident Petro Poroschenko kurz nach seinem Amtsantritt Truppen in die Ostukraine schickte, wo nach dem Putsch in Kiew lediglich Forderungen nach mehr Autonomie gestellt wurden. In der Folge entwickelte sich aus einem ursprünglich innerstaatlichen friedlichen Konflikt der bis heute andauernde Bürgerkrieg.

Festzustellen ist, dass auf Seiten Kiews von vornherein nationalistische Kampfverbände, wie zum Beispiel das Asow-Regiment, und auch US-amerikanische Söldner zum Einsatz kamen. Neben regulärem Militär wurden insgesamt etwa 80 paramilitärische Freiwilligenbataillone, die dem ukrainischen Innenministerium unterstellt sind, mit schweren Waffen, also Panzern, Artillerie und Raketenwerfern, in die Ostukraine geschickt. Daraufhin versicherten sich die Aufständischen der Unterstützung Russlands. Es ist davon auszugehen, dass der Kriegsherr Poroschenko und die Freiwilligenbataillone das Minsker Waffenstillstandsabkommen ignorieren, sodass der Bürgerkrieg weitergehen wird.

Strategien und Hintergründe

Immer deutlicher zeichnet sich die Strategie der westlichen Allianz unter Führung der USA ab, Russland als Machtfaktor in der internationalen Politik auszuschalten und durch Wirtschaftssanktionen, Beeinflussung der Kapital- und Energiemärkte sowie durch die aufgebürdeten Nachrüstungskosten zu ruinieren. Ganz offensichtlich ist es das Ziel, Osteuropa einschließlich Russland den westlichen Kapitalinteressen aufzuschließen und den imperialen Zielen der USA unterzuordnen. Wer sich nicht beugt, wird – so lehrt es die Vergangenheit – entweder bombardiert oder ruiniert. Das hat der ehemalige US-Außenminister Joe Biden in einer Rede in Cambridge offen zugegeben. Und Präsident Obama hat von einem „Deal zur Machtübernahme“ in der Ukraine gesprochen, womit man Putin überrascht habe. Er sagte auch, man müsse gelegentlich Ländern den Arm umdrehen, wenn sie nicht das täten, was man von ihnen verlangt.(5) Das wird in den Medien nicht berichtet, und wer diese verbrecherische Politik kritisiert, wird als Verschwörungstheoretiker, „Putin-Versteher“, „Russenfreund“ und Antiamerikaner diffamiert. Das sind die Schlagworte, die immer dann zu hören sind, wenn unerwünschte Themen angesprochen werden.

Zum Vorwand für die Aggressionspolitik gegen Russland wurde und wird weiterhin die angebliche Annexion der Krim genommen. Jeder Politiker führt das als Kampfbegriff im Munde, wir lesen es in der Zeitung und hören es in Rundfunk und Fernsehen: Annexion! Völkerrechtlich ist es jedoch keine Annexion, sondern eine Sezession gewesen – ein wesentlicher Unterschied. Denn es gab keine gewaltsame oder kriegerische Aneignung der Autonomen Republik Krim durch Russland, sondern nach dem Staatsstreich eine friedlich verlaufene Abspaltung von der Kiewer Ukraine, in dessen Parlament bis heute Faschisten sitzen. Es fand ein Referendum statt, eine Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit und danach der Beitritt zur Russischen Föderation.

Das ist unter Berücksichtigung der blutigen Ereignisse in Kiew nicht zu beanstanden. Ebenso wenig, dass in Sewastopol stationierte russische Einheiten die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen und ihren Flottenstützpunkt absicherten, nachdem bereits ukrainisches Militär einsatzbereit war und sich nationalistische Verbände aus Kiew auf den Weg auf die Krim gemacht hatten. Die weit überwiegende russischstämmige Bevölkerung fürchtete zu Recht ernsthafte Repressalien. Bei einer Wahlbeteiligung von 83 Prozent sprachen sich mehr als 96 Prozent der Krimbewohner für den Anschluss an Russland aus. So ein Ergebnis lässt sich unter den Augen der Weltöffentlichkeit nicht fingieren.

Der russische Präsident Putin hat seit Jahren – ohne Resonanz im Westen – weitgehende Kooperationsangebote gemacht und von einem gemeinsamen europäischen Wirtschafts- und Kulturraum von Wladiwostok bis Lissabon gesprochen. 2001 sagte er in seiner Rede im Deutschen Bundestag: „Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich bin der Meinung, dass Europa seinen Ruf als mächtiger und selbstständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Natur-Ressourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotenzialen Russlands vereinigen wird. Die ersten Schritte in diese Richtung haben wir schon gemeinsam gemacht. Jetzt ist es an der Zeit, daran zu denken, was zu tun ist, damit das einheitliche und sichere Europa zum Vorboten einer einheitlichen und sicheren Welt wird.“ Es wäre vernünftig und existenziell wichtig gewesen, das zu überdenken. Doch CDU/CSU, SPD und Grüne schlossen sich widerspruchslos der Konfrontationspolitik der USA an, statt sich auf eigene Grundsätze zu besinnen.

Unipolarer Anspruch und Langzeitstrategie der USA

Das Vorgehen der westlichen Allianz unter Führung der USA mit ihrer NATO hat Methode. Es entspricht einer Langzeitstrategie der USA, und zwar unabhängig davon, wer dort an der Regierung ist.(6) Das ist der Rede eines der Bellizisten der Republikaner, George Friedman, zu entnehmen. Er war Direktor des einflussreichen US-Think Tanks „Stratfor“ und sagte 2015 in Chicago: „Für die Vereinigten Staaten ist die Hauptsorge, dass sich … deutsches Kapital und deutsche Technologie mit russischen Rohstoff-Ressourcen und russischer Arbeitskraft zu einer einzigartigen Kombination verbinden.“ Das wird – so Friedman – verhindert durch den neuen Eisernen Vorhang vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer und einen Sicherheitsgürtel, einen „Cordon sanitaire“ zwischen Westeuropa und der Russischen Föderation.

Weiter stellte Friedman fest: „Die Vereinigten Staaten kontrollieren aus ihrem fundamentalen Interesse alle Ozeane der Welt. Keine andere Macht hat das jemals getan. Aus diesem Grund intervenieren wir weltweit bei den Völkern, aber sie können uns nicht angreifen.“ Das ist der unipolare Anspruch in einer multipolaren Welt, was heißt: Die USA beanspruchen die Weltherrschaft – auch Donald Trump mit den ihm zum Teil aufgezwungenen Ministern und Beratern.

Durch die einseitige Anbindung an die USA geraten Westeuropa und insbesondere Deutschland im Fall eines militärischen Konflikts in den Fokus der russischen Abwehr. Diese Gefahr ist präsent. Abgesehen davon entstehen irreparable Schäden, nicht nur hinsichtlich des Handels mit Russland. Namhafte Wirtschaftsanalysten beklagen, dass sich die deutsche Wirtschaft nicht an dem „größten Wachstumsprojekt der neueren Geschichte“ beteiligen kann: Nämlich an dem sogenannten „One Belt, One Road“-Projekt. Das scheint erst langsam in die Berliner Politik Eingang zu finden, nachdem sich die Mitglieder der „Shanghai Cooperation Organisation“ (SCO) im Juni 2018 in Qingdao/China getroffen und sich Ihrer Zusammenarbeit versichert haben, insbesondere Wladimir Putin und Xi Jinping. Worum geht es dabei?

Moskau und Peking planen im Rahmen der 2001 gegründeten SCO unter Einbeziehung der übrigen BRICS-Länder den Aufbau eines interkontinentalen Infrastruktur-Netzes von Moskau über Sibirien und Wladiwostok bis nach China und Indien. Dazu gehört die verkehrsmäßige und wirtschaftliche Erschließung bisher peripherer Regionen. Gelingt dies, würde unabhängig von den Flugzeugträgern der USA ein gigantischer Binnenmarkt entstehen, und zwar mit der Folge, dass die Vereinigten Staaten nur noch eine übermäßig hochgerüstete Regionalmacht zwischen Pazifik und Atlantik wären. Von China werden für dieses Vorhaben, das auch den Ausbau der Seidenstraße umfasst, mehr als eine Billion Dollar zur Verfügung gestellt. Die USA versuchen, dieses Projekt mit allen Mitteln zu boykottieren, unter anderem durch die allein dem eigenen Vorteil dienende Abspaltung Westeuropas von Russland sowie durch die Entziehung von Wirtschaftskraft. Die Sanktionen, unter denen die deutsche Wirtschaft besonders leidet, sind eine von zahlreichen Maßnahmen.

Die Regierung Trump

Wie wird es weitergehen? Wie sieht die Zukunft aus? Die Einstellung Trumps und seiner Regierung zu Russland wird längerfristig zeigen, wohin der Weg führt. Inzwischen lässt bedauerlicherweise nichts mehr darauf schließen, dass Trumps Denken und seine Ziele primär dem Frieden in der Welt gelten. Vielmehr steht über allem seine Botschaft: „America First!“, und es hat den Anschein, dass ihm dieser nicht durch Ethik, Moral oder Vernunft gezügelte „Patriotismus“ Macht und Mehrheit in seiner Partei, im Kongress und in der Wirtschaft sichern soll, auch in Kreisen des militärisch-industriellen Komplexes, der Waffen- und der Bankenlobby und in der verarmten, verunsicherten Bevölkerung, die ihn gewählt hat.

Das alles hat selbstverständlich weitgehende internationale Auswirkungen. In Europa befeuert es starke zentrifugal-nationalistische Kräfte, die zunehmend die EU als politische Institution in ihre existenzielle Krise führen, wofür die bereits gescheiterte Flüchtlings-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik unter Merkels Führung den Boden bereitet hat. Was daraus für Europa und Deutschland folgen müsste, liegt auf der Hand: Eine eigenständige Perspektive entwickeln.

Womöglich deutet sich tatsächlich eine Neubesinnung in Europa an. Das könnte man hoffnungsvoll aus Stellungnahme einiger europäischer Politiker, wie zum Beispiel des österreichischen Ex-Bundeskanzlers Christian Kern, schließen. Schon auf dem EU-Gipfel in Malta stellte er 2017 fest: „Die USA tragen durch ihre Interventionen eine Mitverantwortung für die Flüchtlingsströme.“ Kern und auch sein Nachfolgen Sebastian Kurz haben das gesagt, was Bundeskanzlerin Merkel seit Jahren verschweigt oder verschleiert. Das Problem ist erkannt, und es wurde in letzter Zeit mehrmals ausgesprochen. Ob diese Erkenntnis Konsequenzen für die europäische Politik haben wird, bleibt abzuwarten.

Die Situation ist und bleibt brandgefährlich. Donald Trump ist unberechenbar, und das ihn umgebende Personal garantiert keine seriöse Friedens- und Sozialpolitik. Er wollte zwar ursprünglich für eine Beendigung der Interventionskriege der USA und für eine Verständigung mit Russland eintreten, aber er wird seit seinem Amtsantritt systematisch boykottiert. Sämtliche friedensorientierten Berater wurden diskreditiert und mussten abtreten, und Trump wurde nach und nach auf Linie gebracht. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass er psychisch gestört ist, was gleichermaßen, wenn auch anders, auf seine Gegner, zum Beispiel Hillary Clinton oder John McCain, zutrifft. Die USA sind seit Langem eine Bedrohung für Frieden und Wohlergehen in der Welt, und innerpolitisch sind sie ein Pulverfass, das jederzeit explodieren kann.

Europa zweimal geteilt

Als folgenschwere Erkenntnis ergibt sich, dass Europa nicht nur in Westeuropa und Russland geteilt ist, sondern auch Westeuropa in Gestalt der EU zweigeteilt wird: Auf der einen Seite befinden sich die von den USA aufgerüsteten militanten Baltischen Staaten, Polen, Bulgarien, und Rumänien, wozu nach dem Brexit noch Großbritannien stößt, das sich mehr und mehr den USA annähern und damit Probleme im Festlandeuropa herbeiführen wird. Das ist eine gefährliche Phalanx gegen Russland. Auf der anderen Seite stehen die übrigen EU-Staaten, die sich – mehr oder weniger – um ein vernünftigeres Verhältnis zu Russland bemühen werden und auch bemühen müssen, um eine militärische Auseinandersetzung abzuwenden.

Diese Konstellation wird in nächster Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Gefahr eines Krieges zwischen den USA mit der NATO gegen die Russische Föderation ist akut. Dass diese Katastrophe vor allem den europäischen Kontinent treffen würde, liegt auf der Hand. Die Grenze zum Wahnsinn ist längst überschritten, wenn es in einem Washingtoner Report heißt, begrenzte taktische Atomschläge seien möglich, ohne »die amerikanische Heimat« zu gefährden.

Damit haben wir es zu tun und damit hat es die Menschheit zu tun. Die Welt braucht eine machtvolle Friedensbewegung, damit sich etwas ändert und die Menschheit einer sich anbahnenden Katastrophe noch entgehen kann! Aufgefordert, sich endlich zu Wort zu melden, sind die bisher überwiegend schweigenden Vertreter der Gewerkschaften, Universitäten, Kirchen und sonstigen demokratischen Organisationen. Eine erste Antwort auf die Zumutungen aus Politik und Medien wäre rückhaltlose Aufklärung und Wiederaufnahme friedlicher, gutnachbarlicher Beziehungen zu Russland.

Aus: „Warum wir Frieden und Freundschaft mit Russland brauchen“, hrsgg. von Adelheid Bahr, Westend Verlag, Frankfurt am Main 2018, 208 S., 18,– Euro.

Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag in Frankfurt am Main das Buch „Die Eroberung Europas durch die USA – eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“.

Quellennachweise:

(1) Ganslmeier, Martin: Der entfesselte Präsident. In: ARD-Tagesschau vom 12.04.2018. https://www.tagesschau.de/kommentar/kommentar-trump-syrien-101.html
(2) Hohe Gefahr einer militärischen Konfrontation von Großmächten. In: Spiegel Online vom 16.02.2018. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/muenchner-sicherheitskonferenz-wolfgang-ischinger-warnt-vor-kriegsgefahr-a-1193817.html
(3) Deutschlandfunk vom 18.02.2018. http://www.deutschlandfunk.de/fazit-der-muenchner-sicherheitskonferenz-einmal-abgrund-und.720.de.html?dram:article_id=411068
(4) Dwight D. Eisenhower, Abschiedsrede 1961, vgl: https://www.youtube.com/watch?v=CwSk5Jqoadk
(5) Barack Obama, Wir müssen Ländern den Arm umdrehen, wenn sie nicht das machen, was wir wollen, vgl. https://www.youtube.com/watch?v=eeWlljKoNjk, sowie RT Deutsch, Obamas Diplomatie-Verständnis: Wir müssen Gewalt anwenden, wenn andere nicht das machen, was wir wollen. https://deutsch.rt.com/11745/international/obamas-diplomatie-verstaendnis-wir-muessen-gewalt-anwenden-wenn-laender-nicht-das-machen-was-wir-wollen
(6) Dazu: Bittner, Wolfgang: Die Eroberung Europas durch die USA – Eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung. Westend, Frankfurt am Main 2017, S. 107ff

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