Vor einem halben Jahrhundert: Die Nelkenrevolution in Portugal | Von Hermann Ploppa

Ein Kommentar von Hermann Ploppa.

Mittlerweile erkennen wir die Tricks der Aufstandsbekämpfung durch die westliche Wertegemeinschaft. Diese Tricks waren schon vor einem halben Jahrhundert wirksam. Nur waren die Leute damals noch viel zu gutgläubig, um die Raffinesse zu durchschauen.

In der Nacht vom 24. auf den 25 April des Jahres 1974 spielten Radioanstalten in Portugal eine vollkommen unpolitische Schnulze. Nämlich Portugals Beitrag zum europäischen Schlagerwettbewerb Grand Prix de Eurovision. Paulo de Carvalho intonierte sein Liedchen „Und nach dem Abschied“ <1>. Was war schon dabei? Doch nicht einmal die gefürchteten Lauscher und Horcher der faschistischen Geheim-Stasi Portugals begriffen, dass das Liedchen das Angriffssignal einer Revolution war. Denn wenn Carvalhos Schnulze ertönte, wussten die jungen Offiziere der Bewegung der Streitkräfte MFA, dass sie sich jetzt bereit halten mussten. Stunden später wussten auch die berüchtigten Lauscher und Gucker von der Geheimpolizei DGS, dass hier was nicht mehr in Ordnung war. Denn aus den Radios erklang jetzt das verbotene Lied „Grandola, vila morena“ des antifaschistischen Sängers Zeca Alfonso <2>. Nun rückten die unzufriedenen Jungoffiziere der MFA mit Panzern und Fußsoldaten in die wichtigen Städte ein. Die seit einem halben Jahrhundert von der Diktatur unterjochte Bevölkerung, die von den Faschisten erklärtermaßen „arm und dumm“ gehalten werden sollte, wusste, dass es jetzt nur besser werden konnte. Die einrückenden Soldaten wurden von Frauen mit Frühstück empfangen. In die Gewehrläufe ließen die Soldaten sich bereitwillig rote Nelken stecken. Ein Zeichen der sozialistischen Bewegung.

Offenkundig war die Diktatur des Marcelo Caetano so selbstzufrieden eingeschläfert, dass eine herannahende Revolution unbemerkt blieb. Die aufgebrachte Volksmenge belagert zunächst die Zentrale der verhassten Geheimpolizei DGS. Die DGS-Leute reagieren im gewohnten Muster: sie schießen auf die Menge. Vier Todesopfer und 43 Verletzte sind zu beklagen. Doch die Menge bleibt auf dem Platz. Am darauf folgenden Morgen ergeben sich die Geheimpolizisten den revoltierenden Militärs.

Noch-Diktator Caetano hat sich verschanzt und schickt Truppen gegen die Revolutionäre. Dummerweise schließen sich die Regierungssoldaten sofort den Revolutionären an. Caetano will jetzt aber seine Macht nur an einen ordentlichen Militärgeneral übergeben. Er will den schneidigen Militär Antonio de Spinola als Nachfolger. Das kann man gut nachvollziehen. Denn Spinola, der im Stil wilhelminischer Generäle ein Monokel als Sehhilfe zu tragen wusste, war ein bewährter faschistischer Haudegen alter Schule. Im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte er als portugiesischer Militär auf der Seite Francos. Für die deutsche Wehrmacht war er als Beobachter bei der grauenhaften Belagerung Leningrads dabei. Doch Spinola hatte sich jetzt gerade im Frühjahr 1974 bei den Mächtigen vollkommen unbeliebt gemacht.

Damit kommen wir zu einer der Ursachen, warum ausgerechnet Militärs in Portugal der faschistischen Diktatur den Saft abdrehten. Denn Portugal unterhielt zu jener Zeit immer noch Kolonien. Vom Goldbringer Brasilien hatte sich Portugal schon im Neunzehnten Jahrhundert verabschieden müssen. Dafür hatte Portugal in Afrika eine Reihe von Kolonien erobert, die allerdings nicht halb so gewinnbringend waren wie Brasilien. Und nun wurden die Widerstandsbewegungen in Angola, Mosambik oder portugiesisch Guinea immer stärker. Portugal drohte an diesen Kolonialkriegen komplett kaputt zu gehen. Immer verlustreicher wurden diese Kriege. Und weil die erste Garnitur von portugiesischen Offizieren nun schon weitgehend gefallen war, mussten jetzt junge Männer aus der portugiesischen Unterschicht in die Offiziersränge nachrücken. Und die hatten nicht vergessen, wo sie herkamen. Und mit welcher Geringschätzung das einfache Volk unter Caetano und dessen Vorgänger und Dauer-Diktator Antonio Salazar behandelt wurde. Die neuen Offiziere aus der Unterschicht waren nicht betriebsblind wie ihre aristokratischen Vorgänger. Sie sahen sich eher als Leidensgenossen der afrikanischen Kolonialvölker. Sie schlossen sich zusammen in der Bewegung der Streitkräfte, kurz: der MFA, und dachten gemeinsam darüber nach, wie man diesen verheerenden Kolonialkrieg beenden könne. Und wie ein modernes, gerechtes Portugal aussehen sollte.

Ja, und zur Überraschung nicht zuletzt jener jungen Offiziere kam ihnen just jener Haudegen-General Spinola zu Hilfe. Der hatte Anfang des Jahres 1974 ein kluges Buch mit dem Titel „Portugal und die Zukunft“ geschrieben. Da führt er aus, dass dieser verdammte Kolonialkrieg der Portugiesen militärisch nicht zu gewinnen ist. Zudem geht dabei die Wirtschaft Portugals, der es sowieso nicht gut geht, vollkommen vor die Hunde. Denn für diesen Kolonialkrieg muss glatt die Hälfte des Staatshaushaltes vergeudet werden. Die Kolonien müssen folglich in die Unabhängigkeit entlassen werden. Portugal braucht das Geld für wichtigere Dinge, als irgendwelche absolut unrentablen Kolonien um jeden Preis zu behalten. Spinola weiß, wovon er spricht. Im Jahr 1973 befehligte er die schmutzige Operation Grünes Meer. Dabei attackierte Spinola mit portugiesischen Truppen und einheimischen Kollaborateuren den Nachbarstaat Guinea. Ziel der Aktion: portugiesische Gefangene raushauen. Obendrein dem unabhängigen Staat Guinea eine Lektion erteilen. Den charismatischen politischen Führer Amilcar Cabral und den Staatspräsident von Guinea, Sekou Touré ermorden. Spinolas Coup endet als Teilsieg. Die gefangenen Portugiesen hat er rausgehauen. Aber Sekou Touré und Amilcar Cabral hat er nicht gekriegt.

Wenn jetzt der bedrängte Diktator Caetano den revoltierenden Offizieren in Lissabon den Monokel-General Spinola als seinen Nachfolger aufs Auge drücken will, haben die jungen Offiziere verständlicherweise Schluckbeschwerden. Doch vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, einen berühmten General, der in seinem letzten Buch erstaunliche Lichtblicke offenbarte, zum neuen Staatschef zu machen? Spinola wird neuer Staatschef. Vielleicht war das schon der erste Fehler der jungen Bewegung der Streitkräfte. Jedenfalls wird jetzt eine Übergangsregierung gebildet, die ein demokratisches Portugal vorbereiten soll. Und wie jeder unvorbereitete politische Neuanfang beginnt auch die Nelkenrevolution rührend unschuldig und chaotisch zugleich. Tausende von politischen Ideen sprießen aus dem Boden wie Blumen nach einem warmen Regen. Es ist aber klar, dass es gewisse gut genährte politische Kreise gibt, die dieses rührende Chaos in ihrem Sinne umlenken können.

Ihre Opfer sind zunächst einmal die Kräfte der Basisdemokratie. Nämlich jene Leute, die einfach in ein Vakuum hinein geschubst wurden. Das alte Regime ist eigentlich ganz von selber kollabiert. Urplötzlich muss das Vakuum mit neuen Inhalten gefüllt werden. Niemand hat sich zunächst vor gedrängelt und hat diese Situation als Sprungbrett für seine Karriere angesehen. Es bilden sich Selbsthilfeorganisationen, die die kollabierte Gesellschaft von unten her neu aufbauen wollen. Der Nachteil dieser Basisbewegungen: sie müssen das Rad andauernd neu erfinden. So wird wild herumexperimentiert und es werden neue Formen der Organisation ausprobiert. Fehler werden gemacht. Wertvolle Zeit wird vergeudet. So bilden sich im Zuge der Nelkenrevolution unzählige Arbeiterräte und Genossenschaften. Die Gesellschaft soll von unten her völlig neu organisiert werden.

Doch während da unten so munter herumexperimentiert wird, haben andere Kreise schon längst einen Plan. Es sind im Groben drei Gruppen, die in den wilden Jahren der Nelkenrevolution zwischen 1974 und 1976 aktiv sind. Neben den bereits erwähnten Basisdemokraten gab es ja immer noch jene Leute, die gerne wieder alles so haben wollten wie unter der Diktatur von Salazar und Caetano. Neben rechtsextremen Militärs ist hier vor allem die Katholische Kirche zu nennen, der es unter der Diktatur prächtig erging. Auch die Kommunisten sowjetischer Prägung hatten ihren, wie immer gänzlich realitätsfernen, erfolglosen Masterplan, um auch Portugal im Sinne sowjetischer Geopolitik zu beeinflussen. Die Sowjetkommunisten unter Alvaro Cunhal verloren in diesem Prozess immer weiter an Rückhalt.

Doch weder die faschistische Fraktion der Salazar-Nostalgiker noch die Sowjetkommunisten machten das Rennen. Für die Eingliederung Portugals in ein modernisiertes Europa erwiesen sich die Sozialdemokraten einmal wieder als die am besten geeigneten Strategen. In jenen Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts war der Siegeszug der international vernetzten Sozialdemokraten noch ungebrochen. Letztlich war es die der SPD nahestehende Friedrich-Ebert-Stiftung, die der Basisdemokratie in Portugal das Genick brechen sollte. Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist ja auch benannt nach jenem SPD-Politiker Friedrich Ebert, der die Basisbewegung in Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mit faschistischen Freikorpsverbänden niedermetzeln ließ und auf diese Weise schon damals dem Siegeszug der Nationalsozialisten unter Hitler den Weg bereitete. Die deutschen Sozialdemokraten erkannten schon frühzeitig, dass sich das Caetano-Regime nicht mehr lange halten würde. Sie bauten rechtzeitig den Politiker Mario Soares als ihren Mann in Portugal auf. Willy Brandt protegierte den Exilpolitiker nach Kräften. Und so wurde nach dem Gusto der SPD in den Räumen der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bad Münstereifel im Jahr 1973 die portugiesische Sozialistische Partei PS gegründet <3>.

Kaum dürfen alle Exilpolitiker wieder in Portugal einreisen, beginnt Mario Soares, dick gepolstert mit Geld und taktischen Ratschlägen der SPD, das Ruder in Portugal herumzureißen. Dem Politiker kommt zugute, dass die Basispolitiker sich immer mehr zerstreiten. Und dass die zu einer politischen Strategie unfähigen Salazar-Nostalgiker jede Gelegenheit nutzen, um Unruhe zu stiften. Schon im März 1975 versucht der einstige General und kurzfristige Staatschef Spinola einen Staatsstreich gegen die verhassten Jungoffiziere – und scheitert. Der Vorstoß von ganz rechts veranlasst wiederum die Übergangsregierung, das Steuer ganz weit nach links zu drehen. Viele Unternehmen in Portugal werden jetzt verstaatlicht. Das wiederum treibt verunsicherte Bürger in das eher rechte Lager. Im November 1975 kommt es zu einem erneuten Staatsstreich, dessen Hintergründe bis heute im Dunkeln liegen. Wichtigstes Resultat ist, dass der Mastermind der Nelkenrevolution, der Offizier Otelo Saraiva de Carvalho, politisch ausgeschaltet wird. Und dass den Basisdemokraten dieser seltsame Putsch in die Schuhe geschoben wird. Das dient als Begründung, die Nelkenrevolution hiermit als beendet zu erklären.

Im Jahre 1976 übergibt das Militär die politische Verantwortung wieder an die Zivilgesellschaft. Eine Verfassunggebende Versammlung hat eine demokratische Verfassung ausgearbeitet. Die Parlamentswahlen gewinnen die aus Bad Münstereifel exzellent trainierten „Sozialisten“ des Mario Soares. Als Zweiteerreichen selbst erklärte rechte Sozialdemokraten das Ziel. Auf dem dritten Platz finden sich zunächst die Sowjetkommunisten unter Alvaro Cunhal wieder. In der nachfolgenden Wahl zum Staatspräsidenten unterliegt der mittlerweile kriminalisierte und von den Medien diffamierte Otelo Carvalho dem erfolgreichen Putschistenführer vom November 1975, Antonio Ramalho Eanes, mit 16 zu 62 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Der Weg ist frei für den aus Deutschland kontrollierten und gelenkten Sozialdemokraten Mario Soares. Portugal geht jetzt den selben Weg wie Spanien oder Griechenland. Hinein in die Europäische Gemeinschaft. Hinein in die Euro-Zone. Und damit unweigerlich unter die Kontrolle amerikanisch-deutsch-französischer Investorengruppen. Heute gehört Portugal weniger denn je den Portugiesen. Die Filetstücke dieses schönen Landes haben sich ausländische Konglomerate unter den Nagel gerissen.

Wenn man mit ansehen muss, wie immer nach dem gleichen Schema Völker auf diesem Planeten unter dem Anschein von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und sozialem Fortschritt fortlaufend enteignet und entrechtet werden, fragt man sich doch: warum lernen wir nicht endlich aus diesen bitteren Lektionen, und fangen an, selber Strategien zu entwickeln? Wann bilden wir endlich selber Denkfabriken und Netzwerke, um diesem Treiben einen Riegel vorzuschieben?

Es ist immer noch nicht zu spät.

Quellen und Anmerkungen

<1> https://www.youtube.com/watch?v=LEoqusKeqxk

<2> https://www.youtube.com/watch?v=Ha-h5bPSxQE

<3> https://www.fes.de/archiv-der-sozialen-demokratie/artikelseite-adsd/fes-portugal

„Kurz nachdem die FES in Bad Münstereifel ihre neue Bildungsstätte eröffnet hatte, stellte sie den portugiesischen Sozialist_innen sowohl Mittel als auch Logistik für einen Gründungskongress in eben jener Bildungsstätte zur Verfügung. Damit wird das FES-Bildungszentrum zu einem historischen Ort.

Während der Nelkenrevolution fokussierte die FES ihre Tätigkeit zunächst auf die Infrastruktur der zukünftigen PS und auf die Ausbildung neuer Akteur_innen der Partei. Die Bildungsarbeit war zentral für eine Organisation, die zu Beginn der Demokratisierung nur 50 Aktivisten zählte und sich in radikalisierter Rhetorik erging, in der sie scheinbar eine der bestorganisierten kommunistischen Parteien Europas zu übertreffen suchte. Zwar erreichte man bis 1976 einiges bei der Entwicklung der Parteistruktur der PS, erzielte aber fast keine Fortschritte bei der Bildungsarbeit.“

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Max Zvonarev / shutterstock

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Kommentare (6)

6 Kommentare zu: “Vor einem halben Jahrhundert: Die Nelkenrevolution in Portugal | Von Hermann Ploppa

  1. Mike Ahrend sagt:

    Wie ich schon in mehreren Artikeln geschrieben habe: Wir brauchen eine Vision. Das WEF, bzw. die Handvoll Geldsäcke, die hinter allem stehen, haben ein gesamtgesellschaftliches Modell entwickelt. Von Finanzen (CBDC) über "Gesundheit" (regelmäßige "Impfungen" für Gesunde), Bildung (KI und Google benutzen lernen reicht) bis zu Politik (Wahlen werden unnötig, weil die KI viel besser als wir weiß, was wir wählen würden) ist an alles gedacht. Der Mensch nur noch als Nutzmensch. Ekelhaft.
    Wo ist unsere Vision? Wie wollen wir leben? Wann wollen wir anfangen, uns auf die größten gemeinsamen Nenner zu einigen?
    WIR fangen da schon mal für die Wirtschaft an: wirkraft.org

  2. _hog sagt:

    Ich war dabei als 1974 die Nelkenrevolution ihre Schatten warf. Wir hatten mehrere Veranstaltungen in der Folge in Norddeutschland organisiert und ich war beeindruckt von den portugiesischen Rednern, die in den Messehallen in HH zu uns sprachen.
    Es war fuer uns wie im Traum auch von der angolanischen Befreiungsbewegung zu hören, die mit der MPLA die Unabhägigkeit 1975 erkämpfte.
    Noch heute bekomme ich Gäsehaut, wenn ich das Lied „Grandola, vila morena“ höre.

  3. _Box sagt:

    Wie richtig angemerkt, kommt es auch darauf an mit wem man sich ins Bett legt:

    Von der Diktatur in die Freiheit und dann zur Troika: Portugals Nelkenrevolution

    Rückblende: Etwas ganz anderes als in Griechenland, nämlich eine Kulturrevolution, fand über 4000 km entfernt in Portugal statt.
    (…)
    Der Diktator António Salazar, ein ehemaliger Hochschulprofessor, war für politische Unterdrückung, schwere Verletzung der Menschenrechte gegenüber seinem Volk und für Massaker in den damaligen afrikanischen Kolonien Angola und Mosambik verantwortlich.“
    (…)
    „Wer in Deutschland will sich heute noch daran erinnern, dass dieser Salazar-Dikatatur von den USA, der NATO und von konservativen deutschen Politikern wie Unternehmern gehuldigt wurde. Ob Franz Josef Strauß, Ludwig Erhard, Konrad Adenauer, der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke, sie alle machten im Laufe der Jahre dem Diktator ihre Aufwartung.“
    (…)
    Im Frühjahr 1974 planten junge Offiziere und Unteroffiziere einen Putsch um diese Diktatur zu beenden und waren damit recht erfolgreich.
    Ab diesem Zeitpunkt bekämpfte die deutsche Wirtschaft und Politik, die neue portugiesische Regierung.

    „Auch die westlichen NATO-Staaten erhöhten den Druck, befürchteten sie doch bereits eine kommunistische Machtübernahme, nur weil es Anfänge einer Basisdemokratie gab und die Arbeiter ebenso wie die arme Landbevölkerung plötzlich selbst über ihr Schicksal bestimmen wollte.“
    (…)
    „In dieser Phase, also zwei Jahre nach der Nelkenrevolution spielte die neu gegründete Sozialistische Partei (PS) unter Führung von Mário Soares (und die Schwesterpartei SPD in Deutschland) eine unheilvolle Rolle.“
    (…)
    (Mário Soares) „In Portugal hielt er radikale Reden, im Frankfurter Interconti erklärte er Unternehmern: Wir kriegen das schon hin.“
    (…)
    Dabei gab es aufschlussreiche Reaktionen auf den Versuch, den demokratischen Sozialismus zu sabotieren. Schon wenige Tage nach der Nelkenrevolution, als der Revolutionsrat seinen Aktionsplan vorstellte, erklärte der SPD-Vorsitzende Brandt, die europäische Sozialdemokratie würde nicht zulassen, dass in Portugal ideologische Exportmodelle auf Kosten der pluralistischen Demokratie errichten werden. (…) Alfred Moos, 1933 Mitstreiter von Willy Brandt in der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), schrieb wegen dieses Verhaltens der deutschen Sozialdemokraten gegenüber den Repräsentanten der Nelkenrevolution einen Brandbrief an seinen alten Freund. »Bist Du Dir dessen bewusst, welche Schuld die SPD wieder einmal durch ihr Versagen auf sich lädt, und dass wieder einmal eine Hoffnung auf einen demokratischen Sozialismus, der modellhaft für die Entwicklung in den Ländern der Dritten Welt sein könnte, stirbt, wenn die Konterrevolution in Portugal siegen sollte? Soll nachher keiner kommen und sagen, dies und jenes sei nicht vorhersehbar gewesen! Es war vorhersehbar! Es grüßt dich dein alter Genosse – Alfred Moos.« Eine Antwort hat er nicht erhalten. Er starb am 1. April 1997.
    (Jürgen Roth, Der stille Putsch – Wie eine geheime Elite aus Wirtschaft und Politik sich Europa und unser Land unter den Nagel reißt, S. 191/192, 199/200, 201/202)

    Die Situation ist heutzutage sehr verfahren, die Machteliten unterhalten ein eng gewobenes Netzwerk aus Desinformation und willfährigen billig zu habenden Helferlein, das während das Gros der Bevölkerung einen immer größeren Realitätsverlust, entsprechend der Herren, erleidet und dazu in Apathie versinkt.

    • Angesichts der Entdemokratisierung und Abwicklung Portugals durch die ausländischen Konzerne hat Otelo Carvalho resigniert feststellen müssen, daß, wenn er es noch einmal zu tun hätte, er mit den Erfahrungen, die er später gemacht hat, die Revolution nicht mehr geleitet oder unterstützt hätte.

    • Ja, danke. Das hört sich schon eher danach an, was ich erinnere.

      Ich frage mich immer häufiger, ob die Verfasser von politischen Beiträgen auf deutsch merken, wie arrogant sie manchmal daherkommen. Als ob die Menschen in anderen Ländern nicht selber merken würden wann und wenn die manipuliert werden, als würden sie als einzige nie und niemals eigene Entscheidungen treffen, trotz oder gerade weil sie die Manipulation deutlich sehen.

      In Portugal hat sich weit mehr politischer Pluralismus erhalten, als der hämmernde Begriff 'soviet-Kommunismus' des Verfassers uns weiss machen will.
      Aber vielleicht liegt es daran, dass ich in Spanien lebe und wir einen eigenen Wendehals haben, 'uns' Felipito.

  4. wolfcgn sagt:

    Wie immer hochinteressant! ich freue mich schon auf Ihren nächsten Beitrag!

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