Völkerrechtsbruch in Ramstein

Führen die USA über ihre Airbase in Deutschland verfassungswidrige Kriege? Darüber verhandelt am kommenden Dienstag das Bundesverwaltungsgericht Leipzig.

Von Susan Bonath.

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Von der US-Airbase Ramstein aus werden bewaffnete Drohnen gesteuert. Den willkürlichen Angriffen, teils auf Verdacht geführt, fallen auch Zivilisten zum Opfer. Damit werde Völkerrecht gebrochen, meinte Peter Becker in einem Interview mit der Zeitung junge Welt vom 26. März. Der Rechtsanwalt vertritt den Kläger Wolfgang J. im Ramstein-Prozess gegen die Bundesrepublik.

Er und sein Mandant fordern von der deutschen Regierung, die Airbase zu überwachen. Weigere sie sich, müsse sie der US-Regierung die Nutzung der Steuerungseinrichtungen in Ramstein verbieten. In den beiden ersten Instanzen sind sie gescheitert. Am kommenden Dienstag, dem 5. April, verhandelt ab 9 Uhr das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Leipzig öffentlich im Revisionsverfahren.

Das Verfahren zieht sich bereits seit 2012 hin. Zunächst hatte der Kläger vom Verteidigungsministerium verschiedene Auskünfte zum US-Stützpunkt verlangt, wie das Leipziger Gericht in der Prozessvorschau informiert. Er habe Details über militärische Flugbewegungen und diesbezügliche Unterstützungsleistungen deutscher Streitkräfte begehrt. Das Ministerium habe schwammig geantwortet: Es habe »Auskunft über die Rechtsgrundlagen für die Genehmigung der Airbase« erhalten. Allerdings lägen ihm »keine Informationen über die Zahl der stattfindenden Einzelflüge vor«.

Weiter schreibt das BVerwG: »Das Verwaltungsgericht Köln hat die auf Auskunft, Feststellung und Unterlassung gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen.« Das Oberverwaltungsgericht Münster habe später auch die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe gar keine Befugnis, zu klagen. So sei sein individuelles Recht nicht berührt. Dies lasse sich »insbesondere nicht aus dem völkerrechtlichen Gewaltverbot und dem Verbot eines Angriffskrieges ableiten«, so die Leipziger Bundesrichter.

»Es ist in Deutschland so: Klagen sollen nur Unmittelbar Geschädigte«, erklärte Anwalt Becker dazu im junge Welt-Interview. Kläger sollten nicht politische Ziele durchsetzen. Allerdings wohne sein Mandant nur 12 Kilometer von der Airbase entfernt, direkt einer Flugschneise. »Damit ist er durchaus der Gefahr terroristischer Anschläge ausgesetzt«, so Becker. Die Argumentation hätten die Kölner Richter aber abgewiesen: Eine tatsächliche Gefahr lasse sich nicht ermitteln.

Dass die Bundesregierung nichts über Flugbewegungen wissen will, hält der Anwalt für eine »Schutzbehauptung«. Bereits im Juli 2013 habe sie auf eine Anfrage im Bundestag geantwortet, dass zwei Verbindungsoffiziere der Bundeswehr in Ramstein tätig sind. Darüber hinaus habe sein Mandant seiner Ansicht nach durchaus ein Recht, zu klagen. Zwar seien Drohnen rechtlich zulässig. Würden Zivilpersonen angegriffen, verstoße dies jedoch gegen das in der UN-Charta verankerte Gewaltverbot. »Das heißt: Ein Staat darf nicht über den anderen herfallen«, erklärte Becker gegenüber der Zeitung. Dies gelte in der BRD sogar innerstaatlich. Der Artikel 25 des Grundgesetzes regele das Völkerrecht als innerstaatliches Recht. »Danach kann im Grunde jeder klagen, wenn er das Gewaltverbot verletzt sieht.«

Becker gab sich in dem Gespräch optimistisch. Es habe auch schon interessante Entscheidungen gegeben, wie etwa das Urteil zum Irak-Krieg. Seine Klagebegründung bezeichnete er als »sehr dicht«. »Ein erneutes Abweisen könnte wohl nur wieder damit begründet werden, dass der Kläger ein politisches Ziel verfolge und selbst angeblich nicht betroffen sei«, blickte er voraus. Um dem Gericht die Entscheidung »nicht einfacher« zu machen, hoffen Wolfgang J. und sein Anwalt auf rege Teilnahme.

Prozessbeobachter sollten sich beim Bundesverwaltungsgericht unter der Rubrik »Termine« anmelden. Für den Fall des erneuten Scheiterns kündigte Becker an, darüber nachzudenken, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Danach bleibe noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg.

 

Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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