Ein Meinungsbeitrag von Dirk C. Fleck.
Hinter dem geopolitischen Wahnsinn, den ein paar durchgeknallte weiße Männer zurzeit in Szene setzen, lauert eine Gefahr, die seit langem aus- und hausgemacht ist, der aber kaum mehr Beachtung geschenkt wird. Dabei wird der drohende Ökozid auf diesem Planeten gründlicher aufräumen als alles, was der Bombenstimmung kranker Hirne entspringen kann.
Die Erde pfeift auf dem letzten Loch. Das ist das Ergebnis einer groß angelegten Studie der 2012 gegründeten UN-Organisation IPBES. Der internationale Wissenschaftsrat hat sich zum Ziel gesetzt, politischen Entscheidungsträgern Informationen über den Status quo und die zukünftige Entwicklung der biologischen Vielfalt an die Hand zu geben. Sein 8000 Seiten umfassender Bericht, an dem mehr als 500 Experten in 50 Ländern mitgearbeitet haben, ist der bisher umfangreichste Versuch, den Zustand des Ökosystems Erde zu beschreiben und zu beurteilen. Die zentralen Erkenntnisse der Studie lauten:
· Zehntausende von Arten werden schon bald von der Erde verschwunden sein.
· Die Menschheit verbraucht natürliche Ressourcen in einer Geschwindigkeit, die weit über die Fähigkeit des Planeten zur Selbsterneuerung hinausgeht.
· Die Fähigkeit der Natur, Nahrung und Wasser für die wachsende Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, ist in jeder Region der Erde gefährdet.
· Infolgedessen ist mit Flüchtlingsströmen nie gekannten Ausmaßes zu rechnen. In rund 30 Jahren werden bis zu einer Milliarde Menschen ihre Heimatländer verlassen haben.
„Die politische Aufmerksamkeit für die Umwelt wurde weitgehend auf den Klimawandel ausgerichtet, da die Energiepolitik für das Wirtschaftswachstum von zentraler Bedeutung ist”,
sagt R. Watson, Leiter der IPBES-Studie.
„Aber die Entwicklung der Biodiversität ist für die Zukunft der Erde nicht minder bedeutend.”
Der Atmosphärenforscher ist sich sicher: „Wir stehen an einem Scheideweg.” Die Zerstörung der Natur untergrabe die Lebensgrundlagen der heutigen und der künftigen Generationen.
„Bodendegradation, Verlust der biologischen Vielfalt und Klimawandel sind drei verschiedene Aspekte derselben Ursache: der Auswirkungen menschlichen Handelns auf den Zustand der Umwelt.”
Laut dem World Wildlife Fund ist die Tierpopulation seit 1970 um fast 70 (!) Prozent zurückgegangen. Auch die Zahl der Insekten, die für die Ernährung anderer Tiere und für die Bestäubung von Pflanzen lebenswichtig sind, nimmt dramatisch ab. Bodenverbrauch und ein erhöhter Pestizideinsatz zerstören nicht nur Lebensräume, sondern reduzieren die Insektenpopulationen ganz erheblich.
Man weiß das alles, aber die atomaren Sandkastenspiele in Verbindung mit der Kriegspropaganda einer mächtigen Medienmaschine verhindern massiv, was wir am dringendsten brauchen: die Einsicht, dass es allemal besser ist, mit der Natur zu wirtschaften, als gegen sie. Aber was rede ich, der Drops ist gelutscht.
Erstaunlich ist, zu welchen Schlüssen der internationale Wissenschaftsrat angesichts des fortdauernden Desasters kommt, das unsere Gier gesteuerte Kurzsichtigkeit anrichtet. In der IPBES-Studie wird behauptet, dass die Erhaltung eines Großteils des verbleibenden Naturreichtums von den indigenen Völkern abhängen wird, die in den abgelegensten Gebieten der Welt leben. Studien-Leiter Watson:
„Ich bin überrascht, wie wichtig die Rolle der indigenen Völker geworden ist. Niemand sollte indigene Völker romantisieren, aber wir können von ihnen viel darüber lernen, wie man den Planeten schützt.”
In Lateinamerika haben sich indigene Völker dazu verpflichtet, eines der weltweit größten Naturschutzgebiete zu schaffen. Es erstreckt sich von der Südspitze der Anden bis zum Atlantik. Einige „zivilisierte“ Länder haben inzwischen ebenfalls mutige Initiativen ergriffen. Pakistan beispielsweise will 10 Milliarden Bäume pflanzen. Äthiopien hat Gemeinden im ganzen Land mobilisiert, 15 Millionen Hektar Land zu renaturieren. Das „Green Wall Projekt”* will einen fast 8000 Kilometer langen Vegetationsgürtel durch ganz Afrika schaffen. Die UNO-Umweltbehörde (UNEP) vermeldet, dass die Größe und Anzahl an Meeresschutzgebieten gestiegen ist. Überall auf der Welt entstehen neue soziale Bewegungen, die Druck auf Regierungen ausüben. Die „Extinction Rebellion”-Bewegung beispielsweise hat sich innerhalb kürzester Zeit auf 35 Länder ausgeweitet. Unterstützt wird sie von, Wissenschaftlern, religiösen Führern, Intellektuellen und Aktivisten wie Noam Chomsky, Vandana Shiva oder Naomi Klein.
Trotz der zahlreichen positiven Keime bleibt das Gesamtbild besorgniserregend. Ehrgeizige internationale Umweltabkommen wie die 2010 in Japan festgelegten Aichi-Ziele oder die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen können nicht mehr mit dem Tempo der Umweltzerstörungen mithalten. Studienleiter Watson glaubt dennoch daran, dass die katastrophale Situation noch umzukehren ist – sofern Regierungen das wollen. Wollen Sie? Dazu müssten sie erst einmal aus dem Sandkasten krabbeln und ihr hochexplosives Spielzeug aus der Hand geben.
„Es gibt kein Wundermittel oder die eine Lösung,“
konstatiert R. Watson nüchtern,
„die besten Optionen liegen in einer besseren Regierungsführung, welche die Belange von Biodiversität in den Mittelpunkt von Landwirtschafts- und Energiepolitik rückt, wissenschaftliche Erkenntnisse und Technologien anwendet und ein größeres Bewusstsein schafft und Verhaltensänderungen anstrebt.“
Es gebe Anzeichen dafür, dass das bereits gelinge. „Wir wissen, was zu tun ist.” Na denn.
Quellen und Anmerkungen
*Vom Green Walk Projekt ist in FEUER AM FUSS, dem dritten Band meiner Maeva-Trilogie, ab Seite 336 die Rede
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Melinda Nagy / shutterstock
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