Ein Meinungsbeitrag von Rudolf Brandner.
Die Aufgabe der Friedensstiftung
Ist der Krieg durch Sieg und Niederlage militärisch entschieden, so ist damit noch längst kein Frieden gewonnen, sondern nur eine neue Ausgangslage geschaffen, die erst aus der Aufarbeitung und Überwindung der Ursachen eine rundum befriedete Verfassung der antagonistischen Mächte erzeugen kann. Wo es sich um einen Stellvertreterkrieg handelt, müssen diese aus ihrem Schattendasein hervortreten und sich als die eigentlichen Drahtzieher bekennen, die ihren Gegensatz über den Missbrauch des Stellvertreters austrugen. Ihm kommt nunmehr in der Hervorbringung einer Friedensordnung nur eine untergeordnete Zuschauerrolle zu, die ihm aber gleichwohl als die unangenehme Aufgabe auf die Füße fällt, aufzuklären, wie und warum er sich überhaupt zu dieser Stellvertreterfunktion missbrauchen ließ. Auch diese Selbstbesinnung muss nun in die Friedensstiftung mit eingehen; denn nachhaltig ist sie nur, wenn auch die Ursachen aufgearbeitet werden, die jene Stellvertretung ermöglichten.
Ob die neue Trump-Initiative wirklich den Frieden in der Ukraine will, sich überhaupt im Klaren darüber ist, was das heißt, bleibt fraglich. Vielleicht geht es ihm nur – wie zuvor der Biden-Administration in Afghanistan – um den möglichst schadlosen Rückzug aus einem halsbrecherischen Abenteuer, dessen Zielsetzung: Unterwerfung, Dekolonisierung und damit Zerstörung Russlands – von vorneherein zum Scheitern verurteilt war. Den geschundenen Torso der Ukraine mag er dann gerne einem europäischen Management überlassen, wenn er aus der verbliebenen Restmasse noch ein paar profitable Rohstoff-Deals herausziehen kann. Wenn Trump Selenskyj bei dem Disput im »Oval Office« beschied, er habe keine Trümpfe (»You have no cards«), so gilt dies auch für ihn selbst: Denn wenn er keine weiteren Milliarden in ein aussichtsloses Abenteurer mit erheblicher Eskalationsgefahr investieren will, bleibt ihm nur, die militärische Lage auf dem Platz als Grundbedingung eines Friedens zu akzeptieren. »The winner takes it all«, heißt es; und im Krieg ist es der Sieger, der die Friedensordnung bestimmt, also weder Trump noch Selenskyj, sondern einzig und allein Russland, das mit bündnispolitischer Neutralität, Demilitarisierung und demokratischer Rechtsstaatlichkeit (»Denazifizierung«) auch schon seine wesentlichen Kriegsziele in der Ukraine formuliert hat, die es in einer Friedensordnung umzusetzen und nachhaltig zu gewährleisten gilt.
Territoriale Reorganisation
Zu ihr gehört unumgänglich die territoriale Reorganisation der Ukraine: Als bloßer Verwaltungsbereich der ehemaligen UDSSR kann diese aber nicht nach dem völkerrechtlichen Prinzip »Territorialer Integrität» erfolgen, das nur von Nationalstaaten, nicht aber Verwaltungsbezirken beansprucht werden kann, sondern unterliegt einzig und allein dem Prinzip der »Selbstbestimmung« der administrativ zu einer Verwaltungseinheit zusammengefassten Ethnien. Die territoriale Reorganisation der Ukraine betrifft so in erster Linie die von Lenin 1922 der Ukraine zugeteilten originär russischen Gebiete (Donbass) und die von Chrustchow 1954 übereigenete Krim.
Nach dem Selbstbestimmungsrecht wurden sie schon jetzt in die Russische Föderation integriert. Aber dazu mögen auch noch andere Gebiete kommen, die dem ukraischen Zentralstaat aufgrund ihrer ethnischen, sprachlich-kulturellen Zugehörigkeit den Rücken kehren und als polnische, ungarische óder rumänische Minderheiten ihr Selbstbestimmungsrecht zur Aufnahme in ihre korrespondierenden EU-Staaten geltend machen. Was sie nicht nur für die vom ukrainischen Nationalismus erlittene Diskriminierung entschädigen würde, sondern zugleich auch die für eine nachhaltige Friedensordnung unabdingbare Klärung der explosiven Lage in Moldawien/Transnistrien mit sich führen müsste. Die territoriale Reorganisation der Ukraine aus ihrem absehbaren Zerfall reicht damit weit über die bislang von Russland integrierten Gebiete hinaus; was als nationalstaatliche Einheit »Ukraine« übrig bleibt, dürfte sich auf das beschränken, was auch eine ethnisch kulturgeschichtliche Identität zu begründen weiß.
Während die westlichen, sich von der Ukraine sezessionierenden Gebiete automatisch der EU und NATO angehörten, wäre die verbleibende Rest-Ukraine davon ausgeschlossenen eine neutrale und demilitarisierte Pufferzone, wie es den Zielvorgaben der russischen Intervention entspricht. Darum ist nun nicht mehr herumzukommen, und es dürften sich hier auch polnische, ungarische und rumänische Interessen mit denen Russlands verbünden und territorialen Zugewinn erhoffen, zumal damit die betroffenen Gebiete exklusiv mit der EU-Mitgliedschaft belohnt würden, was ja einer der Gründe dafür war, sich für den Stellvertreterkrieg herzugeben. Die sich gen Westen von der Ukraine sezessionierenden Gebiete würden damit zu den innenpolitischen Gewinnern des Krieges auf ukrainischer Seite gehören.
Die Ukraine als politisches Subjekt
Nur ist damit noch lange kein Frieden erreicht. Denn dies setzt ein gesamgesellschaftlich befriedetes Subjekt voraus, das in seiner politischen Verfassung, seinen Institutionen und Rechtsverhältnissen ebenso wie in seinem geschichtlichen Selbstverständnis und Ethos seine Niederlage aus freier Rechtseinsicht ohne Ressentiment übernimmt und seine Ursachen an der Wurzel ausrodet, also »radikal« überwindet (wie Deutschland nach 1945), um jedes neue Aufglimmen der Verwerfungen schon im Ansatz zu ersticken. Davon aber ist die Ukraine in ihrer gegenwärtigen Lage noch denkbar weit entfernt. Wenn sie sich durch äußere hegemoniale Machtagenten wie der US-geführten NATO zu einem Stellvertreterkrieg verführen und zu einem solchen missbrauchen ließ, so liegen die Ursachen dafür doch ihr selbst – ihrer sozio-ökonomischen Zerrüttung zu einer oligarchisch beherrschten Korruptionsgesellschaft, die den plötzlichen Übergang von einer ethnisch zusammengewürfelten Verwaltungseinheit der SU zu einem Nationalstaat nur durch den Rückgriff auf eine rassisch-faschistoide Identitätsbildung neo-nazistischer Ideologie im Gefolge von Stepan Bandera aufzufangen suchte, die nach dem Maidan-Putsch zur politisch maßgeblichen Kraft aufstieg und im Nicht- qua Anti-Russisch-sein alle geschichtlichen und kulturellen Bande mit fanatischem Hass verfolgte. Er wuchert tief in die Selbstverleugnung eigenen Seins hinein und betreibt die Selbstverfälschung geschichtlicher Identität. Dass ein solches, durch Gesetzgebung und mediale Propaganda durchkonditioniertes gesellschaftliches Gesamtsubjekt nicht friedensfähig (und schon gar nicht EU-kompatibel) ist, versteht sich von selbst und erklärt zugleich, warum die »Entnazifizierung« der Ukraine zu den unverzichtbaren Kriegszielen Russlands gehören muss. Kein Frieden in der (Rest-) Ukraine ohne einen grundlegenden Bewusstseinswandel ihrer neo-nazistisch infizierten Identitätsideologie.
Für Friedensverhandlungen gibt es in der Ukraine aber derzeit kein politisch legitimiertes Subjekt. Selenskyj führt mit seiner korrupten Elite ein quasi diktatoriales Regime, das keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung hat. Einen »Diktator ohne Wahlen« nennt Trump ihn deshalb ganz zu Recht. Nicht erst die nach Kriegsrecht ausgesetzten Wahlen, die das seit Mitte 2024 ausgelaufene Mandat Selenskyjs auf eine neue Grundlage stellen sollten, sondern die seit dem (illegalen und illegitimen) Maidan-Putsch 2014 und dem anschließenden Bürgerkrieg gegen die eigene Bevölkerung gesetzlich durchgeführte Ausgrenzung jedweder Opposition, die Aufhebung der freien Presse und Meinungsäußerung bis hin zur Abspaltung und Unterdrückung der Russisch-orthodoxen Kirche haben die Ukraine in ein quasi diktatoriales Regime korrupter Eliten verwandelt, das jeder demokratischen Rechtsordnung Hohn spricht.
Die Aufhebung all dieser seit 2014 ergangenen Erlasse und Gesetze zur Wiederherstellung einer demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung ist deshalb die unabdingbare Voraussetzung für eine Friedensordnung, die von einem frei gewählten politisch legitimierten Gesamtsubjekt »Ukraine« getragen wird. Sie lässt sich aber nicht mehr durch Reformen gewährleisten, die das bestehende autoritäre Regime gewissermaßen als seine Rückabwicklung durchführen könnte, sondern stürzt die Ukraine in eine revolutionäre Nachkriegssituation, aus der sie sich als politisches Subjekt nur durch freie Wahlen wiedergewinnen und neu rekonstruieren muss. Freie Wahlen aber setzen mit einem Vorlauf von mindestens 6 bis 12 Monaten die durchgängige mentale Neutralisierung der politisch vorherrschenden Ausgrenzungen voraus, also
- Freie Medien, Presse- und Meinungsfreiheit unter publizitär gleichen Bedingungen und staatlicher Neutralität
- die Amnestie der politischen Opposition und aller politisch Verfolgten, um sich parteipolitisch zu organisieren
- die Re-integration aller (geflüchteten) Auslandsukrainer, die zur Teilnahme an der Wahl zwangsverpflichtet werden
- ein auch verfassungsrechtlich bewehrtes Verbot neo-nazistischer Parteien und ihrer Ideologie.
Damit sind aber nur die elementaren Minimalbedingungen benannt, die das neue politische Subjekt auch verfassungsrechtlich konstituieren und zum Abschluss von Friedensverhandlungen legitimieren, die der territorialen Reorganisation und bündnispolitischen Neutralität der Ukraine ihre völkerrechtliche Verbindlichkeit zusichern.
Die revolutionäre Nachkriegsphase
Es ist dann Sache des neu konstituierten Rechtssubjekts, die politischen Verhältnisse seit dem Maidan-Putsch einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und im Kampf gegen die Korruption auch juristisch aufzuarbeiten, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsstaatlichkeit wiederzugewinnen. Infrage steht nicht nur die gemeinsam mit Russland zu leistende Aufklärung von Kriegsverbrechen, des illegalen Waffenhandels und des Betriebs der US-finanzierten Biolabore, sondern auch die gesamtökonomische Bilanz des seit Jahren insolventen und nur durch die EU am Laufen gehaltenen Staatshaushalts. Kaum einer mag wissen, wie viel an Staatsvermögen die Ukraine schon an ausländische Unternehmen und Staaten veräußert oder verpfändet hat und wie hoch sich die Kriegsschulden auftürmen.
Eine Neubewertung der von 2014 bis 2025 geschlossenen Verträge auf Landgut (»schwarze Erde«), Bodenschätze und Rohstoffe könnten die internationalen Investitionen für nichtig erklären, zumal die Ressentiments gegen die vorgetäuschten Versprechungen des Westens tief sitzen werden. Auch die Enteignung der Oligarchen und Kriegsprofiteure zugunsten des Staatsvermögens ließe sich erzwingen, von juristischen Verfolgungen noch abgesehen, die auch Selenskyj und sein Umfeld betreffen könnten. Selbst die Trump Administration dürfte sich im Unklaren sein, ob Selenskyj überhaupt noch legitimiert ist, das milliardenschwere Rohstoffabkommen mit den USA abzuschließen; und ob es dann, nach der unvermeidlichen Rückkehr zur rechtsstaatlichen Demokratie, noch Bestand hätte. Die revolutionäre Nachkriegsphase wird sich also auch noch unter dem neuen politischen Rechtssubjekt unvermindert fortsetzen und mag zu neuen innen- und außenpolitischen Verwerfungen führen, die der neue, territorial reduzierte Nationalstaat zu bewältigen hat.
Die Angst vor dem Frieden
Daher die Angst vor dem Frieden: Er wird nur über den Prozess revolutionärer Umwälzungen erreicht, die auch in Europa grundstürzende Erschütterungen auslösen werden, nicht nur als Verlustängste ökonomischer Fehlinvestitionen, die zwischen USA, UK und EU neue Rivalitäten aufbrechen lassen könnten. Es ist tieferliegend die Angst vor dem Bankrott eines politischen Denkens und seiner medialen Propaganda, das sich ganz in die Illusionswelt geopolitischen Machtdenkens verstrickt hat und derzeit noch versucht, sich durch einen aufgesetzten Anti-Trumpismus einen Anschein von Autonomie und Souveränität zu geben, die sie als unmündiger US-Vasall längst für ein sich selbst beschädigendes Marionettendasein verraten haben. Ist der revolutionäre Impuls erst einmal gesetzt, gibt es kein Halten mehr: Die Auflösung oder Teilung der NATO in einen transatlantischen und europäischen Teil mag letztlich in die Neubegründung einer eurasischen Sicherheitsarchitektur münden; der Kollaps der EU, die an ihren ökonomischen und währungspolitischen Unverhältnissen, an Überschuldung durch Deindustrialisierung, institutionellen Fehlkonstruktionen, nationalen Gegensätzen und Demokratieschwund zerbricht, mag sich in die Rückkehr zu nationalstaatlicher Souveränität neu als Bund autonomer Staaten konstituieren und den Brüssler Salon entsorgen. Die Angst vor dem Frieden ist so weit gestreut wie die Verluste, die ein revolutionärer Prozess geschichtlicher Selbstaufklärung zu verschlingen droht, wenn er denn mit dem Frieden ernst machen will.
Aber das ist, rein politisch und menschlich gesehen, unwahrscheinlich. Geschichtlich wahrscheinlich ist die indefinite Verzögerung, das Ausweichen und Aufweichen, Verschieben und Verlagern dessen, was sich als harte Notwendigkeit geschichtlichen Handelns anmeldet, aber der weichen Masse »Mensch« nur über zahllose Umwege katastrophaler Nachwehen in generationsübergreifenden Prozessen zueigen wird. Die Angst wird sich durchsetzen und ihre Früchte säen, aber jeder Fehler in der Stiftung einer Friedensordnung wird sich bitter mit neuen Verwerfungen rächen, wie nicht nur Versailles zeigt. Die Militarisierung der EU, wie sie gegenwärtig als Anti-Trumpistischer Schachzug gegen den Rückzug der US-geführten NATO propagiert wird, gehört ebenso zu diesen Verblendungen wie der Versuch, durch »Russophobie« ein ohnehin labiles Identitätsbewusstsein der Europäer zu stiften. Die Verzweiflung im Untergang erzeugt innereuropäische Repression mit revolutionären Potentialen – siehe Ungarn, Slowakei, Serbien, Rumänien. Es bleibt letztlich eine Frage des politischen Personals, seiner übergreifenden Einsicht, Charakterstärke und Durchsetzungskraft, jeden billigen weil bequemen »Kompromiss« zugunsten grundsätzlicher Klärungen zu überwinden und eine Kehrtwende politischen Denkens und Handelns für Europa zu initiieren.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Roman Malanchuk / shutterstock
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