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Trumps Trick und Irans Sieg? | Von Thomas Röper

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Der überraschende Waffenstillstand zwischen dem Iran und Israel wirft einige Fragen auf und lässt Raum für Spekulationen. Auf jeden Fall kann man aber von einem Sieg des Iran über Israel und von einem geschickten Manöver von Trump sprechen.

Ein Standpunkt von Thomas Röper.

Es war für viele mehr als überraschend, dass US-Präsident Trump den iranischen Vergeltungsangriff auf US-Basen im Nahen Osten nicht etwa als Grund dafür nahm, wie von ihm zuvor angedroht, mit noch heftigeren Angriffen auf den Iran zu reagieren, sondern stattdessen verkündet hat, nun sei es Zeit für Frieden.

Dabei kam das gar nicht so überraschend, denn das hat es – übrigens auch unter Trump – schon einmal gegeben. Im Januar 2020 haben die USA auf Anweisung von Trump im Irak den iranischen General Soleimani, der im Iran schon zu seinen Lebzeiten eine Legende gewesen ist, bei einem Raketenangriff ermordet. Der Iran hat darauf einige Tage später mit einem Angriff auf US-Basen im Irak reagiert, die USA aber zuvor gewarnt, sodass es zu keinen Opfern und nur wenigen Schäden gekommen war.

Trump hatte dem Iran damit die Möglichkeit gegeben, sein Gesicht zu wahren. Der Iran hat auf die Ermordung seines wichtigen Generals militärisch reagiert, aber eine Eskalation hin zu einem heißen Krieg konnte vermieden werden.

Und genau das scheint nun wieder passiert zu sein. Nur, warum?

Schließlich war es Trump selbst, der die Krise um das iranische Atomprogramm und damit letztlich den Krieg zwischen Israel und dem Iran provoziert hat, indem er 2018 das zuvor ausgehandelte Atomabkommen mit dem Iran einseitig gebrochen und neue Sanktionen gegen den Iran verhängt hat.

Da heute niemand sicher weiß, was tatsächlich hinter den Kulissen passiert ist, müssen wir nun ein wenig spekulieren, aber das Bild scheint recht klar zu sein.

Was war das Ziel der israelischen Angriffe?

Netanjahu wollte das iranische Atomprogramm ausschalten. Netanjahu warnt seit über 20 Jahren, dass der Iran in nur noch wenigen Wochen, Monaten oder maximal einem Jahr eine Atombombe bauen würde. Passiert ist das zwar nie, aber kein westlicher Journalist hat Netanjahu je damit konfrontiert, dass er diesen Unsinn seit über 20 Jahren verkündet.

Man muss schließlich festhalten, dass der Bau von Atombomben technisch heute kein großes Problem mehr ist. Und der Iran hatte genug Zeit, das nötige Uran zu produzieren. Wenn der Iran eine Atombombe haben wollte, dann hätte er sie schon lange. Offensichtlich will der Iran die Bombe nicht und nimmt die vom iranischen Staatschef ausgesprochene Fatwa gegen den Bau einer Atombombe ernst.

Wie Netanjahu wollte auch Trump das iranische Atomprogramm ausschalten. Das hat er schon im Wahlkampf 2016 gesagt und daran hatte sich nichts geändert.

Netanjahu hat den Iran nun angegriffen und als Ziel verkündet, das iranische Atomprogramm auszuschalten. Und Trump wusste von dem Angriffsplan und hat ihn unterstützt.

Das Ziel der israelischen Angriffe war aber offenbar gar nicht das iranische Atomprogramm, denn Israel hat die bunkerbrechenden Waffen, die man dazu bräuchte, gar nicht. Hinzu kommt, dass das iranische Atomprogramm schon seit über 60 Jahren besteht und mit Unterstützung der USA noch unter dem Schah begonnen wurde. Das nötige Wissen ist im Iran also vorhanden – und das lässt sich nicht mehr wegbomben.

Auch wenn es alle im Westen bestreiten, das Ziel der israelischen (von Trump genehmigten) Angriffe war offensichtlich nicht das Atomprogramm, sondern ein Regimechange. Die Hoffnung war es wohl, dass es Israel gelingt, bei seinem ersten Angriff genug iranisches Führungspersonal zu liquidieren, um das Regime zu destabilisieren und dann eine Revolte auszulösen, die die Mullahs hinwegfegt.

Dafür sprechen auch die westlichen Medienberichte aus der Zeit der israelischen Angriffe, denn darin wurde aktiv spekuliert, dass das iranische Regime nun geschwächt sei und bald fallen würde. Auch der Sohn des ehemaligen Schahs hat in einer Videoansprache zu einem Aufstand aufgerufen und seine baldige Rückkehr in den Iran angekündigt.

Nur hat all das nicht geklappt, das iranische Regime blieb stabil und konnte Israel sogar militärisch widerstehen und in Israel große Schäden anrichten.

Das Problem

Am 17. Juni habe ich in einem Artikel erklärt, warum Israel einen langen Krieg gegen den Iran nicht gewinnen kann und dass die USA daher gezwungen sein würden, in den Krieg einzugreifen, wenn sie nicht wollen, dass Israel den Krieg verliert oder dass die USA gezwungen sein würden, Israel langfristig und im großen Stil kostenlos mit Waffen zu versorgen, damit es den Krieg fortsetzen kann.

Experten haben den Angriff der USA daher erwartet, weil es keine andere Möglichkeit gab, eine peinliche Niederlage Israels zu verhindern, nachdem der offenbar geplante Enthauptungsschlag gegen den Iran gescheitert war.

Allerdings haben sich die meisten Experten (auch ich) mal wieder in Trump getäuscht, denn aufgrund seiner so offen pro-israelischen und anti-iranischen Haltung wurde erwartet, dass Trump Israel bedingungslos unterstützen würde. Ich denke, die meisten Experten haben Trumps Drohungen, auf iranische Vergeltungsangriffe mit aller Härte zu reagieren, geglaubt.

Und das gilt ganz sicher auch für die europäischen Politiker, die Trump offenbar weder bei der Ukraine noch beim Nahen Osten in seine Pläne einweiht. Anders lässt es sich beispielsweise nicht erklären, warum Kanzler Merz so vorgeprescht ist und Israel gelobt hat, weil es angeblich die „Drecksarbeit für uns alle“ mache. Merz war so sehr damit beschäftigt, Trump gefallen zu wollen, dass er Deutschland mit seinen Aussagen, die weltweit für großes Aufsehen gesorgt haben, international schweren Schaden zugefügt hat.

Ob Merz sich auch so geäußert und damit dem internationalen Ruf Deutschlands so sehr geschadet hätte, wenn er gewusst hätte, dass Trump ganz andere Pläne gehabt hat?

Trumps Plan war es offenbar, eine Ausweg zu finden, bei dem alle Beteiligten einigermaßen das Gesicht wahren konnten. Einen langen Krieg, das sagte die Trump-Regierung ja auch immer, wollte er nicht. Aber ein Krieg gegen den Iran wäre ein langer Krieg geworden, denn ein hochgerüstetes Land mit 90 Millionen Einwohnen ist nicht schnell zu besiegen.

Trump scheint sich mit dem Atomprogramm abgefunden zu haben

Also hat Trump die iranischen Atomanlagen bombardiert und sofort großspurig verkündet, das iranische Atomprogramm sei zerstört.

Inzwischen wurde jedoch gemeldet, dass der Iran sein Uran vor dem US-Angriff aus der unterirdischen Anlage in Fordo mit vielen LKW abtransportiert hat. Und Satellitenbilder bestätigen das, man sieht darauf vor dem US-Angriff eine lange Schlange von LKW.

Wenn Trump das iranische Atomprogramm wirklich hätte zerstören wollen, wäre das der Moment für den Angriff gewesen. Aber Trump hat gewartet, bis das Uran an einen anderen Ort gebracht wurde. Und diesen Ort haben weder die USA noch Israel angegriffen.

Was auch immer hinter den Kulissen passiert sein mag, Trump hat offenbar akzeptiert, dass der Iran ein Atomprogramm haben kann. Vielleicht gab es die Warnungen, dass der Iran auf eine totale Zerstörung seines Atomprogramms mit einem totalen Krieg inklusive der Versenkung vieler US-Kriegsschiffe in der Region und mit einer langfristigen Blockade der Straße von Hormus reagieren würde. Vielleicht konnte Putin Trump in den vielen Telefonaten davon überzeugen, dass der Iran tatsächlich keine nukleare Bedrohung darstellt. Niemand weiß heute, was passiert ist, aber irgendetwas muss passiert sein, weil Trump seine Meinung offenbar geändert hat.

Trump ist mit dem Versprechen angetreten, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten zu beenden. Und das meint er offenbar ernst, auch wenn das offensichtlich nicht so einfach ist, wie er sich das vorgestellt hat.

Dass Trump das ernst zu meinen scheint, sieht man daran, dass auch Israel dem von Trump verkündeten Waffenstillstand sofort zugestimmt hat, nachdem Netanjahu zuvor ständig einen totalen Sieg über den Iran als Bedingung für die Einstellung der Bombardierungen genannt hat. Trump dürfte also auch auf Netanjahu Druck gemacht haben.

Operation Gesichtswahrung

Trump hat offenbar eine Lösung gesucht, bei der alle mehr oder weniger das Gesicht wahren können. Er hat sein Gesicht gewahrt, weil er einen spektakulären Angriff auf den Iran veranstaltet hat, von dem Trump für die Öffentlichkeit nun behaupten kann, er habe das iranische Atomprogramm zerstört, auch wenn Experten sagen, das Atomprogramm sei bestenfalls ein wenig gestört und verzögert worden, denn die Schäden, die auf Satellitenbildern zu sehen sind, lassen die Vermutung zu, dass die USA nicht einmal vorhatten, die iranischen Anlagen komplett zu zerstören.

Dass der Iran den US-Angriff nicht ungestraft stehen lassen konnte, war – vor allem angesichts des bereits laufenden Krieges mit Israel – allen klar. Ganz offensichtlich gab es, wie schon im Jahr 2020 nach dem Mord am iranischen General Soleimani, wieder eine Absprache zwischen Trump und dem Iran. Trump hat dem Iran einen Vergeltungsschlag gegen US-Einrichtungen im Nahen Osten erlaubt und der Iran hat die exakt gleiche Zahl von Raketen und Bomben auf US-Stützpunkte abgefeuert, wie die USA auf den Iran abgefeuert haben.

Der Iran hat die USA und die betroffenen Länder, die die US-Stützpunkte beherbergen, vorher vor seinem Vergeltungsangriff gewarnt. Die Schäden waren daher überschaubar und es gab keine Opfer.

Wer auch immer diese Absprache hinter den Kulissen vermittelt hat – die Golfstaaten, die bisher meistens zwischen dem Iran und den USA vermittelt haben, oder Russland, denn der iranische Außenminister hat Präsident Putin nur Stunden vor dem iranischen Vergeltungsangriff besucht –, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass es diese Absprache offensichtlich gab.

Obwohl Trump zuvor mit härtesten Konsequenzen gedroht hat, sollte der Iran US-Stützpunkte angreifen, hat Trump auf den iranischen Angriff mit einem Aufruf zu Frieden reagiert. Um selbst sein Gesicht wahren zu können, betonte er noch, wie schwach der iranische Angriff gewesen sei, weshalb keine amerikanische Antwort nötig sei.

Und überraschenderweise war auch Netanjahu sofort bereit, den von Trump angekündigten Waffenstillstand mit dem Iran umzusetzen. Wahrscheinlich musste Trump dazu eine Menge Druck auf Netanjahu ausüben, der de facto der große Verlierer ist, denn er hat seine großspurig verkündeten Ziele nicht erreicht und der Iran sieht wie der Sieger über den israelischen Angriff aus.

Aber auch Netanjahu kann versuchen, das als Sieg zu verkaufen und behaupten, sein wichtigstes Ziel, das iranische Atomprogramm auszuschalten, sei erreicht worden.

Es bleibt abzuwarten, ob der Waffenstillstand hält. Es bleibt abzuwarten, ob damit Stabilität im Nahen Osten entstehen kann. Und vor allem bleibt abzuwarten, wie Netanjahus Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser weitergeht, den Trump offenbar weiterhin unterstützt, was wiederum dem Iran nicht gefällt und daher immer noch Konfliktpotenzial birgt.

Was bedeutet das für die Ukraine-Verhandlungen?

Allen Lesern, die kein Interesse an verrückten Theorien haben, rate ich, die Lektüre dieses Artikels hier zu beenden, denn nun wird es tatsächlich sehr spekulativ. Ich behaupte ausdrücklich nicht, dass sich die Dinge so zugetragen haben, wie ich gleich spekulieren werde. Aber es ist auch nicht vollkommen unmöglich.

Nach Trumps Angriff auf den Iran habe ich darüber spekuliert, ob Trump Putin über seine Pläne hinsichtlich Iran angelogen hat. Der Grund war, dass es nach dem ukrainischen Angriff auf die russischen strategischen Bomber ein Telefonat zwischen Putin und Trump gegeben hat, über das beide Seiten meldeten, dass Trump Putin gebeten habe, bei den Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran zu vermitteln.

Da Israel den Iran nur wenige Tage später und mit Wissen von Trump angegriffen hat, und zwar einen Tag vor einer geplanten weiteren Verhandlungsrunde zwischen dem Iran und den USA, lag die Vermutung nahe, dass Trump Putin bei dem Telefonat getäuscht hat.

Wir wissen nicht, was Putin und Trump bei dem Telefonat besprochen haben, und aus Russland kam heftige Kritik an den israelischen und amerikanischen Angriffen auf den Iran, aber aus Russland kamen keine harten Signale darüber, dass das Vertrauen, das Moskau und Washington gerade aufzubauen versuchen, schon wieder zerstört ist.

Es ist also durchaus denkbar, dass Trump und Putin vieles abgesprochen haben, um den Streit um das iranische Atomabkommen mit einer für alle einigermaßen gesichtswahrenden Lösung zu beenden. Oder um zumindest die Schärfe aus dem Streit zu nehmen und dann später eine Lösung finden zu können, die für alle – auch für Israel – akzeptabel ist.

Die Frage, über die ich hier spekuliere, ist also, inwieweit sich Trump und Putin bei den Ereignissen im Nahen Osten abgesprochen haben könnten.

Sollten die Ereignisse der letzten Tage (und wir wissen ja nicht, was in den nächsten Tagen und Wochen noch kommt) zwischen Trump und Putin abgesprochen gewesen sein, um im Nahen Osten eine für alle Beteiligten einigermaßen gesichtswahrende Lösung zu finden, dann würde das bedeuten, dass das Vertrauen zwischen Putin und Trump inzwischen sehr groß sein muss, denn bei so einem komplexen Plan kann auch viel schief gehen. Und natürlich könnte eine Seite das auch nutzen, um die Absprachen zu brechen, die andere Seite zu übervorteilen und sich selbst einen Vorteil zu verschaffen.

Das ist wirklich ausgesprochen spekulativ und ich bin kein Freund solcher Theorien, weil die Welt meist einfacher funktioniert. Aber es ist zumindest denkbar, dass es hier weit mehr Absprachen zwischen Trump und Putin gegeben hat, als öffentlich bekannt ist.

Sollte das so sein, könnten Trump und Putin dieses, in der schwierigen Lage im Nahen Osten erfolgreich auf die Probe gestellte, gegenseitige Vertrauen nutzen, um in der Ukraine zu einer Lösung zu kommen. Und diese Lösung würde den Europäern und dem Selensky-Regime sicher nicht gefallen.

Dieses Szenario wirft jedoch viele Fragen auf, denn es ist nur schwer vorstellbar, dass Putin von Trump über den geplanten israelischen Angriff auf den Iran informiert wurde und dem in irgendeiner Form zugestimmt hat.

Aber wir wissen nicht, was die beiden wirklich besprochen haben, was genau hinter den Kulissen passiert ist und über wen in den letzten Tagen die Kontakte zwischen dem Iran und den USA gelaufen sind.

Das ist eine wirklich wilde Spekulation, aber in den nächsten Wochen werden wir sehen, ob sie vielleicht einen wahren Kern hat. Ich bin, das sage ich offen, dabei eher skeptisch, aber ausschließen will ich das angesichts von Trumps (zunächst meist chaotisch wirkenden, im Nachhinein aber oft erfolgreichen) Manövern der letzten Monate nicht.

Trump wirkt unberechenbar, aber das ist er offenbar nur bedingt. Die Fakten zeigen bisher, dass Trump seinem Versprechen, die Kriege beenden zu wollen, treu geblieben ist, denn das Ergebnis seines Einschreitens im Krieg zwischen Israel und dem Iran ist nun einmal ein Waffenstillstand, den es ohne Trumps Einschreiten wohl nicht so schnell gegeben hätte.

Die Frage ist nur, ob der Waffenstillstand hält.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 24. Juni 2025 auf anti-spiegel.ru.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Oberster Führer des Iran Ali Khamenei und US-Präsident Donald Trump
Bildquelle: miss.cabul / shutterstock


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