
Ein Kommentar von Paul Clemente.
Wie kaum ein anderer Politiker arbeitet Donald Trump mit Schockeffekten und Irritation. Seine Amtskollegen drehen jedes Mal am Rad, wenn der Ex-Baulöwe nach kürzester Zeit den Standpunkt wechselt, plötzlich das Gegenteil vom zuvor Gesagten behauptet. Nein, das ist weder Wirrnis noch Charakterschwäche. Das ist Taktik. Das kocht den härtesten Gegner weich. Nicht umsonst hat der Maler Jonathan Meese den US-Präsidenten zum weltbesten Performance-Künstler erklärt. Ein weiteres Stilelement von Trump: Sein maßloses Übertreiben. Etwa bei seiner aktuellen Ankündigung von Strafzöllen. Dazu kreiert er ein dramatisches Narrativ, das nach Rache schreit. Diesmal bekommt die Weltmacht USA eine Opferrolle zugewiesen. Eine, die jede Notwehr rechtfertigt. O-Ton Trump:
„Jahrzehntelang wurde unser Land geplündert, ausgebeutet, vergewaltigt und beraubt, von Nationen nah und fern, sowohl von Freund als auch von Feind.“
Das müsse ein Ende haben: Dank seiner Zollbarriere, so verspricht der Ex-Baulöwe, würden Jobs, Firmen und Geschäfte in die USA zurückkehren. Und zwar so viele wie nie zuvor.
„Dies ist eine wirtschaftliche Revolution, und wir werden siegen." Die EU, so der US-Präsident, sei gegründet worden, „um die USA über den Tisch zu ziehen!“
Diesem Missbrauch stelle er sich entgegen. Die Strafzölle als Aufstand der geknechteten Amis! Der Tag, an dem sie in Kraft treten, gilt Trump als „Tag der Befreiung“. Ganz so, als sei die USA keine Supermacht, sondern ein kolonialisiertes Entwicklungsland. In einer Kabinettssitzung gab Trump die Höhe seiner Strafzölle bekannt,
„Es werden 25 Prozent sein, allgemein gesprochen, und zwar für Autos und alle anderen Dinge.“
Damit lasse sich die Handelsbilanz zwischen USA und der EU wieder ins Lot bringen. Aber nicht nur die EU muss in den kommenden vier Jahren mit einem Verlust von 180 Milliarden Euro rechnen. Auch Kanada, Mexiko und China dürfen sich auf 25 prozentigen Importzoll freuen. Das Mainstream-Magazin Die Zeit deutet die Handlung des US-Präsidenten als pure Willkür,
„Donald Trumps Strafzölle erschüttern die Weltwirtschaft – auch in den USA versteht kaum noch jemand, was der Präsident tut und will. Doch niemand stoppt ihn.“
Wie denn auch? Womit könnte man ihm drohen? Etwa nach dem Vorbild des englischen Autoherstellers Jaguar Land Rover? Der will aus Protest seine US-Exporte einstellen. Vorerst. In der Stellungnahme des Konzerns heißt es:
„Die USA sind ein wichtiger Markt für die Luxusmarken von JLR.“
Ein Embargo von Luxusartikeln dürfte Trump allerdings kaum beeindrucken.
In ungeschminkter Verzweiflung präsentiert sich Frankreich: Premierminister François Bayrou bezeichnete Trumps Zölle als Katastrophe für die Weltwirtschaft. Allein Frankreich könnten sie mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten. Es drohe der Verlust von Arbeitsplätzen, wirtschaftliche Verlangsamung und Investitionsstop. Auf EU-Ebene plant man als Gegenmaßnahme einen erhöhten Zoll auf US-Importwaren. Stéphane Séjourné, Vizepräsident der EU-Kommission, verkündet auf X:
„Europa wird reagieren, sofort und entschlossen.“
Im Mainstream-Magazin t-online orakelt man bereits über einen „Geheimplan“ gegen Trumps Zollerhöhung. Zuvor aber will EU-Präsidentin Ursula von der Leyen sich mit diversen Unternehmen der Stahl- und Autobranche absprechen. Mitte April sollen erste Gegenzölle in Kraft treten. O-Ton von der Leyen:
„Wir finalisieren bereits das erste Maßnahmenpaket als Reaktion auf die Stahlzölle und bereiten nun weitere Maßnahmen vor, um unsere Interessen und Unternehmen zu schützen, falls die Verhandlungen scheitern“.
Nur Handelsgüter, die ausschließlich in den USA hergestellt würden, blieben zollbefreit. Eine ganz krasse Wunderwaffe hat der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange, im Gepäck: Eine ökonomische Atombombe, die Zugänge zu öffentlichen Ausschreibungen oder Investitionen einschränkt. Außerdem würden Abgaben von digitalen Dienstleistern wie Netflix, Google oder Amazon in der EU eingefordert. Oder man sperrt sie gleich.
Für unfreiwillige Komik sorgt hingegen die Reaktion der deutschen Polit-Kaste: Der arme Kanzler in Spe, Friedrich Merz, dürfte seinen eigenen Transatlantiker-Ohren nicht getraut haben. Jedenfalls ist er und SPD-Chef Lars Klingbeil am Wochenende diskret abgetaucht. Konträr dazu: Der Märchen-Dichter Robert Habeck. Der vergleicht laut Spiegel die Verkündung der US-Zölle mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Nein, das kein Witz. Aus wirtschaftlicher Perspektive sei beides durchaus vergleichbar. Er hoffe nur, dass dabei keine Menschen sterben müssten. Europa, so glaubt Habeck, müsse nun Druck auf die USA ausüben.
„Was ich sehe, ist, dass Donald Trump unter Druck einknickt, unter Druck Ansagen korrigiert.“
Die EU müsse dem US-Präsidenten glasklar signalisieren.
„Wenn du den Kampf haben willst, dann kriegst du ihn, und du wirst ihn verlieren.“
Habecks Kollegin, Annalena Baerbock setzt derweil auf Freihandelsbeziehungen zu anderen Partnern, etwa Australien oder Ländern aus dem indopazifischen Raum. Immerhin: Bundeskanzler Olaf Scholz widerspricht Trumps Opfermythologie: Die USA sei eindeutig ein Gewinner der Globalisierung, mit deutlich höheren Wachstumsraten als die EU. Eine goldenen Himbeere hingegen das das SPD nahe Redaktionsnetzwerk Deutschland verdient. Dort visioniert eine Autorin von einem aufziehenden Handelskrieg. Der verlange „sinnvolles“ Einsparen von staatlichen Ausgaben. „So müsste die Union auf die Ausweitung der Mütterrente verzichten und die SPD Abstriche beim Bürgergeldsystem machen.“ Natürlich, gleich wieder bei den Bedürftigen sparen. Da ist kein Anlass zu billig.
Als gelassen und ironisch lässt sich Chinas Reaktion bezeichnen. Als Trump gegenüber seinen Exportprodukten einen Zoll von 34 Prozent verpasste, revanchierte sich Chinas Regierung mit einem ebenso hohen Zoll für US-Waren. Durch die Versklavung von Arbeitern ist das Reich der Mitte in der Lage, Autos für wesentlich geringere Kosten in die USA zu exportieren. Die genießen im finanziell abgestürzten Amerika eine hohe Popularität. Im Internet kursieren chinesische Videos, die Trumps Zollanhebung verspotten. Eins trägt den Titel „Liberation Day or a Price to Pay?" Während Trump redet, sitzt eine Frau an einem leeren Tisch. Auch auf ihrer Gabel befindet sich nichts Essbares. Der Strafzoll als ökonomischer Harakiri. Ein weiteres Video zeigt einen Roboter, der von einer Wissenschaftlerin mit der Eintreibung von Zöllen beauftragt wird, Aber der Roboter zögert, formuliert Einwände.
„Ich sehe die Konsequenzen. Die Handelskriege. Die Revolten. Die Menschen, die leiden."
Dazu werden Fotos eingespielt, die leere Supermärkte und wütenden Demonstrationen zeigen. In der Tat scheint die Wall Street der chinesischen Dystopie Recht zu geben: Wegen der angekündigten Strafzölle sollen sich US-Börsen auf Talfahrt befinden. So stürzte der Dow Jones um 2.231 Punkte ab. Immerhin ein Minus von 5,5 Prozent.
Nun bliebe dieses globale Spektakel unter Trumps Niveau, wenn nicht zugleich ein Widerspruch aus seiner Richtung käme. Diesmal nicht von ihm selbst, sondern von seinem Buddy und Berater Elon Musk. Der Multimilliardär äußerte sich dazu im Interview mit Italiens Vize-Präsidenten Matteo Salvini. Das wurde vergangenen Samstag beim Parteitag der Lega in Florenz abgespielt. Darin äußerte Musk seinen Wunsch nach einer wirtschaftlichen Partnerschaft mit Europa.
„Und was die Zölle anbelangt, hoffe ich, dass wir uns auf eine Null-Zoll-Situation zubewegen mit einer Freihandelszone zwischen Europa und Nordamerika.“
Sofort titelte die News-Plattform Merkur.de,
„Musk fällt Trump in den Rücken.“
Wirklich? Oder ist Musks Äußerung mit dem Präsidenten abgesprochen? Als Bestandteil der trumpschen Verwirrungs-Dramaturgie? Wir bleiben dran.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: petrugusa94 / shutterstock
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