Auswirkungen auf TRADOC 525-3-1 bzw. auf H. Res. 758?
Ein Meinungsbeitrag von Wolfgang Effenberger.
"America First"
Donald Trumps neue Sicherheitsstrategie stellt eine stark national orientierte "America First"-Linie ins Zentrum und kündigt eine militärische und politische Schwerpunktverlagerung in die westliche Hemisphäre – beide amerikanischen Kontinente – und in den Indo-Pazifik an samt Wiederbelebung der Monroe-Doktrin von 1823 ("Amerika den Amerikanern"). (1)
Daher stammt auch der Begriff "Korollar zur Monroe-Doktrin". Ein Korollar bezeichnet eine Ergänzung, die Entwicklung eines bestimmten geopolitischen Projekts, und genau dieses Korollar Trumps ist im Wesentlichen die Schwerpunktverlagerung der Großmacht USA in die westliche Hemisphäre.
Mit Russland soll nun eine „strategische Stabilität“ angestrebt werden. So finden sich im Strategiepapier keine scharfen öffentlichen Schuldzuweisungen im Ukraine‑Kontext.
Bevor Trump am 13. Juli 2025 zum Treffen mit Putin nach Alaska flog, erklärte er, dass das Hauptanliegen für ihn bei der Teilnahme am Treffen ein Waffenstillstand in der Ukraine sei und er sehr verärgert wäre, wenn er keine Einigung mit Putin erzielen könne, und die Sanktionen fortsetzen würde.
Nach dem Gipfeltreffen übernahm Trump die Position des Kremls: einen schnellen Frieden, aber auf Grundlagen, die der Kreml für solide hält (im Wesentlichen die Punkte, die Putin für ein Sicherheitsabkommen am 17. Dezember 2021 an die USA und die NATO adressiert hatte). Im anschließenden Interview mit dem US-Sender Fox News bewertete Trump das "Alaska-Treffen":
„Also, ich denke, das Treffen war eine Zehn [in einer Skala von 1 bis 10, W.E.], in dem Sinne, dass wir uns sehr gut verstanden haben. Es ist gut, wenn sich zwei Großmächte verstehen, insbesondere wenn es sich um Atommächte handelt. Wir sind die Nummer eins, sie sind die Nummer zwei in der Welt – und das ist eine große Sache" (2)
Der russische Strategie-Philosoph Alexander Dugin begrüßte in der Sendung "Escalation" von Radio SPUTNIK am 11. Dezember 2025 die neue nationale Sicherheitsstrategie der USA als Rückkehr zur "Make American Great"-Politik und einer "Ordnung der Großmächte".
Allerdings dürfte Trump wohl keine zweite Großmacht gleichberechtigt neben den USA akzeptieren.
Laut der ehemaligen Geheimdienstanalytikerin im Pentagon, Karen Kwiatkowski, signalisieren die USA in dem Sicherheitspapier, in dem die Ukraine nur noch viermal erwähnt wird, dass sie Frieden und eine Art "lebensfähigen souveränen Staat" erwarten. Dies sei ein faktisches Eingeständnis, dass sich der Stellvertreterkrieg der USA und der NATO gegen Russland nicht lohne. Die neue Nationale Sicherheitsstrategie beinhalte die Erkenntnis, dass "keine NATO-Armee oder Armeekoalition Russlands Vormarsch oder die Erreichung seiner Ziele aufhalten kann". (3)
Gleichzeitig wird in der Sicherheitsstrategie der geopolitische Wettbewerb mit China verschärft, indem wirtschaftliche Verflechtungen als Sicherheitsrisiko definiert und härtere Handels‑ und Technologiekonflikte in Aussicht gestellt werden. (4)
Europa wird eher als Problemfeld denn als klassischer Partner definiert.
Als oberste Prämisse sollen nun die nationalen Interessen der USA ("America First") konsequent über Bündnis- oder Ordnungspolitik gestellt werden. (5)
Das erfordert die Neuausrichtung der weltweiten Militärpräsenz. Sie soll in weniger wichtigen Regionen reduziert und in aus Sicht Washingtons strategisch entscheidenden Räumen verstärkt werden, insbesondere in der westlichen Hemisphäre und im indo-pazifischen Raum. Wirtschaftliche Machtinstrumente (Handel, Sanktionen, Technologie- und Finanzhebel) werden ausdrücklich als sicherheitspolitische Werkzeuge definiert. (6)
Die USA wollen ihre Truppenpräsenz in Europa perspektivisch verringern und Ressourcen auf Lateinamerika und Fernost umlenken. (7)
In Lateinamerika wird ein klarer Anspruch auf Dominanz formuliert unter Rückgriff auf die Monroe-Doktrin und ein ergänzendes "Trump Corollary", das auch militärische Einsätze und Seewegkontrolle vorsieht. (8)
Europa wird als wirtschaftlich und menschenrechtlich im "Abstieg" beschrieben und befinde sich in einer kulturellen oder zivilisatorischen Krise. (9) Ziel der USA wird es sein, den anti-russischen Kurs Europas zu ändern und das Konfliktrisiko zwischen Russland und europäischen Staaten zu verringern. Das US-Hauptinteresse besteht darin, sich auf eine rasche Beendigung des Konflikts in der Ukraine zu einigen und die strategische Stabilität mit Russland wiederherzustellen.
Infolge des Krieges in der Ukraine haben sich die europäisch-russischen Beziehungen erheblich verschlechtert. Da viele Europäer inzwischen Russland als eine existenzielle Bedrohung betrachten, wird eine Normalisierung der Beziehungen Europas zu Russland erhebliche diplomatische Anstrengungen der USA erfordern. Zunächst sind die USA hauptsächlich daran interessiert, sich auf eine rasche Beendigung des Konflikts in der Ukraine zu einigen. Das sei schwierig angesichts der unrealistischen Erwartungen von Europas Vertretern.
Die EU und Teile ihrer Politik werden sogar als Risiko bzw. als Hindernis für amerikanische Interessen eingeordnet; es ist von Demokratiedefiziten und Einschränkungen der Meinungsfreiheit die Rede. (10)
Washington kündigt an, "Widerstand gegen den aktuellen Kurs Europas" zu fördern und in Europa jene Kräfte zu unterstützen, die dem aktuellen Kurs der EU widersprechen, also explizit „patriotische“ oder EU-skeptische Parteien und Regierungen. (11)
Das Dokument verbietet ausdrücklich die weitere Expansion der NATO – damit ist ein Beitritt der Ukraine zur NATO faktisch vom Tisch, da die sogenannte „Koalition der Willigen“ eine solche Mitgliedschaft gegen den Willen der USA nicht durchsetzen kann. Das Konzept einer "Globalen NATO" scheint damit Geschichte, ebenso wie eine weitere Verschmelzung der EU mit den Interessen der NATO.
Europas Reaktion
Trumps Absicht, rechte und patriotische Parteien zu stärken wird als direkte Einmischung in EU-Innenpolitik gewertet. So nehmen die Warnungen vor einer "doppelten Bedrohung" für Europa durch ideologische Angriffe und verminderte Ukraine-Unterstützung zu. (12)
Die Strategie würde Demokraten weltweit schwächen, Autokraten wie Russland stärken und die Ukraine mit unklaren Finanzierungen für EU-Waffenlieferungen an Kiew verunsichern. Langfristig drohe ein "ernsthafter Fall" für europäische Souveränität. (13)
Die Reaktion führender Kreise im EU/NATO-Europa auf die neue US-Nationale Sicherheitsstrategie unter Präsident Trump, in der Europa scharf kritisiert wird für seine Migrationspolitik, zunehmende Zensur und Demokratiedefizite, äußerte sich in einer Mischung aus Zähneknirschen, Wutanfällen und Verzweiflung. Ein überkommenes transatlantisches Weltbild droht sich aufzulösen. So darf die Reaktion der transatlantischen Elite Europas von scharfer Ablehnung bis hin zur Verteidigung "eigener Werte" – die aber nicht genauer konkretisiert werden – nicht verwundern. (14)
Trotzig erklärte der deutsche Außenminister Johann Wadephul, Deutschland brauche keine "äußeren Ratschläge"; Bundeskanzler Friedrich Merz betonte, Europa schütze Grundrechte und Demokratie als zentrale Werte und werde dafür kämpfen. Der Präsident des BND sah keinen Grund für einen Bruch mit den USA trotz der Forderung nach mehr europäischer Verantwortung in der NATO. (15)
Die Französin Valérie Hayer, Fraktionschefin der "Renew-Gruppe" (16) im EU-Parlament, nannte das Dokument sogar „unannehmbar und gefährlich“. EU-Ratspräsident Antonio Costa warnte die USA vor der Einmischung in europäische Angelegenheiten. Experten wie Kristine Berzina vom "German Marshall Fund" sehen in Trumps neuer Nationaler Sicherheitsstrategie massive politische Angriffe auf Verbündete. (17) Fast sieht es so aus, als sei Trump wie ein Fuchs in den Hühnerstall der Obama/Biden-Paladine eingedrungen, nun laufen sie aufgeregt durcheinander.
Trumps Warnung vor einer „zivilisatorischen Auslöschung“ Europas durch Migration verbunden mit der Forderung, patriotische Parteien zu unterstützen, wird zu massiven Spannungen in der NATO-EU führen und die Ukraine-Politik verschärfen. So plant Europa, NATO-Beiträge zu stärken und EU-Fähigkeiten auszubauen, um Abhängigkeit von den USA zu mindern. (18)
Stellungnahmen aus Brüssel
Die EU-Spitzenvertreterinnen Ursula von der Leyen und Kaja Kallas betonten die Notwendigkeit, den Druck auf Russland zu erhöhen, zugleich wurde auf den Schutz europäischer Grundwerte verwiesen. Die EU bekräftigte ihr starkes Engagement für regionale Sicherheit und wies Warnungen der US-Regierung vor einer „zivilisatorischen Krise“ in Europa zurück. Es wurde unterstrichen, dass Europa seine Souveränität schützt und auf multilaterale Kooperation aufbaut. (19)
Das EU-Parlament verurteilte die US-Sicherheitsstrategie als „unannehmbar und gefährlich“ und warnte vor Einmischung in europäische Angelegenheiten. Es fordert die Wahrung der europäischen Werte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die Abgeordneten unterstrichen die Bedeutung einer eigenständigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die nicht von außen diktiert werden darf. Zudem wird betont, dass die EU gegen Desinformationskampagnen und politische Angriffe auf ihre Institutionen und Mitgliedstaaten entschlossen vorgeht. (20)
Diese Positionen verdeutlichen den entschiedenen Widerstand Europas gegen die Sicherheitsdirektive der Trump-Administration, die als Affront gegenüber der europäischen Einheits- und Selbstbestimmung verstanden wird. (21)
Die USA fordern, dass Europa bis 2027 den Großteil der NATO-Kapazitäten übernimmt, inklusive Geheimdienste und Raketenproduktion, was zu einem Ende der transatlantischen Partnerschaftsrhetorik führen könnte. Dies birgt das Risiko eines US-NATO-Austritts, falls EU-Regulierungen US-Tech-Firmen wie X weiter treffen, wie Vizepräsident Vance andeutete. Europäische Staaten planen bereits höhere Ausgaben, etwa Deutschlands 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen, um Abhängigkeiten zu mindern. (22)
Russlands Reaktion
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nahm in einem Interview mit der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS am 7. Dezember 2025 zu der wenige Tage zuvor veröffentlichten US-National Security Strategy (NSS) der Trump-Regierung Stellung und begrüßte sie als großen Fortschritt für die beiderseitigen Beziehungen:
„Die Änderung der nationalen Sicherheitsstrategie der USA durch die Regierung von Präsident Donald Trump, in der Russland nicht mehr als direkte Bedrohung erwähnt wird, ist ein positiver Schritt“. (23)
Russland wird erstmals seit der Krim-Annexion 2014 und der Ukraine-Invasion 2022 nicht mehr explizit als "direkte Bedrohung" oder "akute Gefahr" klassifiziert, im Gegensatz zu den Strategien der Vorgängerregierungen. Der Kreml sieht darin eine Übereinstimmung mit der russischen Vision, einschließlich eines Kriegsendes in der Ukraine als US-Kerninteresse. (24)
Chinas Reaktion
US-Präsident Joe Biden unterstellte in seiner Nationalen Sicherheitsstrategie vom Oktober 2022 (NSS 2022) China einen Weltordnungsanspruch und forderte primär in Bezug auf China den Abbau wachsender multidisziplinärer Bedrohung (ebenso wie in TRADOC 525-3-1 vom September 2014). Russland tritt als Bedrohung in den Hintergrund.
Und nun priorisiert Trump wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit zwar unter „America First“-Bedingungen, aber ohne einen Regime-Change oder einen Wertekonflikt zu betonen. Wie muss dieser Shift zu einem rein interessenbasierten Engagement gesehen werden? Trump hat bisher Pekings Einfluss in Asien und Lateinamerika und Pekings bedeutende Rolle in der BRICS- und Shanghai-Organisation realistisch eingeschätzt. (25) Hat Trump hier eine Nebelkerze gezündet?
Die Herabstufung Chinas vom Partner zum strategischen Konkurrenten liegt 20 Jahre zurück und war ausschließlich durch den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas begründet. So schrieb Trump in seinem im Wahljahr 2016 erschienenen Buch "Great Again – Wie ich Amerika retten werde":
„Es gibt Menschen, die sich wünschen, ich würde China nicht als unseren Feind bezeichnen. Aber genau das ist das Land doch! Die Chinesen haben mithilfe von Niedriglöhnen ganze Industriezweige vernichtet, sie haben uns Zehntausende Arbeitsplätze gekostet, sie haben unsere Unternehmen ausspioniert, unsere Technologie gestohlen und sie haben ihre Währung manipuliert und abgewertet, was es für uns schwerer und manchmal auch unmöglich macht, unsere Produkte dort loszubekommenn“ (26)
Diese Trump-Zitat stammt aus seiner Wahlkampfphase 2015/2016 und fasst seine wirtschaftliche Kritik an China prägnant zusammen, um Handelsdefizite, IP-Diebstahl, Währungsmanipulation und Jobverluste zu dramatisieren, was seine „America First“-Agenda untermauert. (27) Es spiegelt die harte Linie seiner ersten Amtszeit (2017–2021) wider, inklusive des "Phase-One-Deals" 2020 (28)
Dieser Ton kontrastiert scharf mit der aktuellen "National Security Strategy" vom 4. Dezember 2025, die eine „gegenseitig vorteilhafte wirtschaftliche Beziehung“ (mutually advantageous economic relationship) anstrebt und China als wirtschaftliche Herausforderung, nicht als Feind, einordnet – ein pragmatischer Shift hin zu Reziprozität unter "America First"-Bedingungen, kombiniert mit militärischer Abschreckung im Indopazifik . (29)
Das Kapitel über Asien ist überschrieben: "Den wirtschaftlichen Zukunftsmarkt gewinnen, militärische Konfrontation verhindern – Aus einer Position der Stärke"
Es beginnt mit der Feststellung, dass Präsident Trump eigenhändig mehr als drei Jahrzehnte falscher amerikanischer Annahmen über China umkehrt:
„Nämlich, dass wir durch die Öffnung unserer Märkte für China, die Ermutigung amerikanischer Unternehmen zur Investition in China und die Auslagerung unserer Fertigung nach China Chinas Eintritt in die sogenannte „regelbasierte internationale Ordnung“ [hervorgehoben durch W.E.] erleichtern würden. Das ist nicht geschehen. China wurde reich und mächtig und nutzte seinen Reichtum und seine Macht zu seinem erheblichen Vorteil. Amerikanische Eliten – über vier aufeinanderfolgende Verwaltungen beider politischer Parteien hinweg – waren entweder willige Ermöglicher von Chinas Strategie oder leugneten die Realität“. (30)
Allein das Stichwort „regelbasierten internationale Ordnung“ dürfte in Peking alle roten Lampen aufleuchten lassen. Seit dem ohne UN-mandat geführten völkerrechtswidrigen Krieg gegen Restjugoslawien 1999 stehen die USA nicht mehr auf dem Boden des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen. China und alle anderen BRICS-Staaten lehnen vehement die von Washington willkürlich vorgegebene „regelbasierte internationale Ordnung“. Sie wollen eine Friedensordnung auf Basis des Völkerrechts und der UN-Charta.
Ungeniert wird im Asien-Kapitel der Indopazifik – Quelle von fast der Hälfte des globalen BIP nach Kaufkraftparität (PPP) – als eines der zentralen wirtschaftlichen und geopolitischen Schlachtfelder des nächsten Jahrhunderts an die Wand gemalt: „Um zu Hause zu gedeihen, müssen wir dort erfolgreich konkurrieren – und das tun wir. (31) Es folgt der Verweis auf Amerikas enormen Vorteile: „stärkste Wirtschaft und das stärkste Militär der Welt, weltweit führende Innovation, unvergleichliche „Soft Power“ und eine historische Bilanz des Nutzens für unsere Alliierten und Partner –, die uns ermöglichen, erfolgreich zu konkurrieren“.
Die NSS platziert den Indopazifik als "Schlüsselökonomie und geopolitischer Schlachtgrund" direkt unter die Westliche Hemisphäre, mit Fokus auf "Abschreckung gegen Aggression", "Taiwan-Status-quo-Verteidigung" und Freiheit der Navigation im Südchinesischen Meer.
Trumps Prinzipien der Abschreckung basieren auf drei Säulen: Kapazität (ausreichende militärische Mittel), Glaubwürdigkeit (Wille zur Anwendung) und Wahrnehmbarkeit (klare Kommunikation der roten Linien). Im Kontext der US-National Security Strategy (NSS) 2025 zielt sie auf chinesische Aggression im Indopazifik ab, etwa gegen Taiwan oder im Südchinesischen Meer, durch US-Überlegenheit bezüglich Seemacht, Allianzen (Quad, AUKUS) und Führen aus der Stärke heraus (leading from strength) (32) – mit Fokus auf Hightech-Fähigkeiten und ein tödlicheres" Militär. (33)
Politisch-rechtliche Einbindung von NSS 2025
Die aktuelle Nationale Sicherheitsstrategie (National Security Strategy, NSS) von Präsident Trump ist ein politisch-programmatisches Dokument des Präsidenten, dient als Leitlinie der Exekutive und ändert keine Gesetze des Kongresses oder militärinterne Doktrinen; sie steht also weder „über“ TRADOC 525‑3‑1 noch „hebelt“ sie eine House Resolution wie H.Res. 758 aus. Sie setzt aber politische Leitplanken, an denen sich Ministerien, Streitkräfte und Behörden in ihrer Planung orientieren und die andere Dokumente de facto stark beeinflussen können. (34)
Formale Hierarchie
- Verfassung und Bundesgesetze (Acts of Congress)
- völkerrechtliche Verträge, ratifiziert vom Senat
- nachgeordnet: Strategiepapiere der Exekutive wie NSS, Präsidialerlasse, Richtlinien
- darunter: militärische Doktrinen/Handbücher wie TRADOC‑Publikationen
- parallel, aber eigenständig: nichtbindende Kongress-Resolutionen wie H.Res. 758
Damit ist klar: Die NSS steht politisch über TRADOC‑Papieren, aber rechtlich unter Gesetzen und hebt weder TRADOC 525‑3‑1 noch H.Res. 758 im juristischen Sinne auf. (35)
Zur Umsetzung der National Security Strategy (NSS) nutzt die US-Regierung keine „Sondervollmachten“, sondern den normalen Werkzeugkasten der Exekutive: vor allem Präsidialerlasse, Leitlinien an Ministerien, Budgetsteuerung, militärische Planungsdokumente und Sanktions- bzw. Exportkontrollbefugnisse der Ministerien und Behörden. Die NSS selbst schafft keine neuen Rechtsgrundlagen, sondern bündelt und priorisiert, wie bestehende Kompetenzen eingesetzt werden sollen. (36)
Verhältnis zu TRADOC 525-3-1
Sieben Monate nach dem Maidan-Putsch 2014 verabschiedeten die USA das Strategie-Papier TRADOC 525-3-1 "Win in a Complex World 2020-2040" mit dem Auftrag an die Streitkräfte, sich auf den „Abbau der Bedrohung durch Russland und China“ vorzubereiten. Und schon im gleichen Monat (Strategie-Papier und Manöver brauchen eigentlich eine entsprechende Vorlaufzeit) startete die NATO ungeachtet der Kämpfe ukrainischer Regierungstruppen und prorussischer Separatisten im Donbass im Westen der Ukraine in der Nähe der Großstadt Lwiw (Lemberg) mit 1.300 Soldaten aus 15 Ländern die elftägige Übung Schneller Dreizack (Rapid Trident).
Russland bezeichnete die NATO-Präsenz in der Ukraine als Provokation. Unterdessen begannen mehrere NATO-Staaten nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministers Waleri Geletej mit Waffenlieferungen für die Regierungstruppen. „Der Prozess der Übergabe läuft“ (37), sagte Geletej dem Fernsehsender 5. Kanal, der dem ukrainischen Unternehmer Petro Poroschenko gehört. Und der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin bestätigte Mitte September 2014 im Fernsehen Verhandlungen über Waffenlieferungen: „Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass es um mehr als fünf Länder geht. Es handelt sich um viele“ (38).
TRADOC Pamphlet 525-3-1 („The U.S. Army Operating Concept“ o.ä.) ist ein internes Konzeptpapier der US Army, das unterhalb der gesetzlich definierten Befehlskette steht. Die NSS formuliert übergeordnete strategische Ziele, während TRADOC‑Dokumente beschreiben, wie das Heer operativ-konzeptionell handeln soll; formal ersetzt die NSS diese Papiere nicht, sie gibt aber den Rahmen vor, innerhalb dessen sie ggf. überarbeitet werden. (39)
Verhältnis zu H. Res. 758 (2014)
Am 4. Dezember 2014 wurde im US-Kongress die Resolution H.Res. 758 mit überwältigender Mehrheit (nur 10 Gegenstimmen) angenommen. Noch am gleichen Tag nahm die Kongresslegende Ron Paul auf seiner Homepage mit dem Artikel „Reckless Congress 'Declares War' on Russia“ (40) Stellung:
„Heute wurde im US-Repräsentantenhaus meiner Meinung nach eines der übelsten Gesetze verabschiedet. Mit H. Res. 758 wurde eine Resolution vorgelegt, die, so wörtlich, 'das Vorgehen der russischen Föderation unter Präsident Wladimir Putin als eine Politik der Aggression gegen Nachbarstaaten mit dem Ziel der politischen und wirtschaftlichen Dominanz scharf verurteilt.'“ (41)
Der Vorbemerkung folgt ein umfangreiches Sündenregister Russlands. Gebetsmühlenartig wird die Russische Föderation u.a. beschuldigt,
- in die Ukraine einmarschiert zu sein und deren Souveränität verletzt zu haben,
- Computerattacken in den USA durchzuführen,
- 2008 in Georgien einmarschiert zu sein,
- an Syrien Waffen verkauft zu haben etc.
Am Ende der langen Reihe meist unbewiesener oder fraglicher Vorwürfe bzw. eines aus Halbwahrheiten und dreisten Lügen bestehenden Sündenregisters folgen 22 Forderungen, die den Kongress und den Präsidenten zu Handlungen zwingen. So soll unter anderem der Präsident
- auf die US-Verbündeten und Partner in Europa und die anderen Staaten der Welt hinwirken, gezielte Sanktionen gegen die Russische Föderation und ihre Führung zu verhängen, sowie den Abzug der russischen Truppen samt ihrer Ausrüstung von ukrainischem Territorium durchzusetzen,
- in Abstimmung mit dem Kongress den Zustand und die Einsatzbereitschaft der US-Streitkräfte und der Streitkräfte der anderen NATO-Staaten überprüfen sowie die aus der Beistandsklausel (Art. 5) erwachsene Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung ernst nehmen und dafür Sorge tragen, dass eventuelle Mängel abgestellt werden.
Hier sei an den 11. September 2001 erinnert:
Nur 24 Stunden nach dem Terroranschlag wandte sich der damalige US-Außenminister Colin Powell in einer dramatischen Video-Konferenz an die NATO-Ratsmitglieder. Am Ende stand die Ausrufung des Bündnisfalles nach Art. 5 für den Fall, dass der kriminelle Anschlag außerhalb des US-Territoriums geplant, finanziert oder organisiert worden sei. Obwohl Art. 5 den Bündnisfall nur für zwischenstaatliche Konflikte vorsieht – und 9/11 bisher keinem Staat angelastet werden konnte – wurde am 4. Oktober 2001 der NATO-Bündnisfall durch den NATO-Rat gegen den vorherigen Widerstand Belgiens, Portugals und der Niederlande bestätigt. Nicht festgelegt waren die konkreten Konsequenzen für die NATO und ihre Mitgliedstaaten, das Verhältnis des NATO-Bündnisfalls zu unilateralen militärischen Aktionen der USA sowie eine zeitliche Begrenzung. Am 6. Oktober begannen die US-Militäroperationen in Zusammenarbeit mit der afghanischen Nordallianz. Seither ist die NATO endgültig ein Instrument der USA geworden.
So hebt die Resolution 758 die Bedeutung der NATO als Eckstein einer kollektiven euro-atlantischen Verteidigung (EURO-ATLANTIC-DEFENSE) hervor.
Vor diesem Hintergrund fordert das Abgeordnetenhaus unter Pkt. 12 die NATO-Verbündeten sowie die anderen US-Partner in Europa und in der ganzen Welt auf, die militärische Zusammenarbeit mit Russland einzustellen, und unter Pkt. 13, den Verpflichtungen aus Art. 5 nachzukommen. Dazu müssten alle Mitgliedstaaten ihren vollen finanziellen Beitrag zur Sicherung der kollektiven Verteidigungsbereitschaft leisten.
Unter Pkt. 14 wird der US-Präsident gedrängt, den Zustand der Kampfbereitschaft zu überprüfen und festzustellen, ob die Aktivitäten ausreichen, um den aus Art. 5 erwachsenen Verpflichtungen zur kollektiven Verteidigung gerecht zu werden. Unter Pkt. 19 fordert das Abgeordnetenhaus die Ukraine und andere Staaten auf, „sich um Alternativen in der Energieversorgung zu bemühen, um der Russischen Föderation die Möglichkeit zu nehmen, ihre Energielieferungen als Mittel zur Ausübung politischen oder wirtschaftlichen Drucks einzusetzen, die Erdgasströme nach Westeuropa umzukehren und mehr Flüssiggas aus den USA zu importieren.“
Der Aufbau der Resolution 758 spiegelt das Österreichische Ultimatum vom 23. Juli 1914.
In beiden Dokumenten werden zunächst die Verfehlungen der Gegenseite aufgelistet – Österreich konnte damals mit einem Untersuchungsbericht und den Namen eines Teils der Täter aufwarten – und es folgt ein Katalog von Forderungen. Beide Dokumente geißeln die Feindpropaganda: In Pkt 1 des Ultimatums heißt es „jede Publikation zu unterdrücken, die zum Hasse und zur Verachtung der Monarchie aufreizt und deren allgemeine Tendenz gegen die territoriale Integrität der letzteren gerichtet ist“. In der Resolution 758 werden die USA aufgefordert, die aggressive Propaganda der Russischen Föderation gegen die Ukraine zu beenden, da dadurch die legitime Autorität der ukrainischen Regierung untergraben, ethnische Konflikte geschürt und Gewalt gesät wird.
In der K&K-Resolution können bis auf die Punkte 5 und 6 alle von der serbischen Regierung akzeptiert werden. Im Punkt 5 wird verlangt, „das in Serbien Organe der K&K-Regierung bei der Unterdrückung der gegen die territoriale Integrität der Monarchie gerichteten subversiven Bewegung mitwirken“ (42). Und in Punkt 6 sollen bei der gerichtlichen Untersuchung gegen die Teilnehmer des Komplotts vom 28. Juni Delegierte der K&K-Regierung teilnehmen. Nur diese beiden Forderungen wurden abgelehnt und unmittelbar die Mobilmachung befohlen. Der englische Außenminister Edward Grey hatte kein Verständnis für Österreichs Forderungen, er sprach von einer unzulässigen Demütigung und verstieg sich sogar dazu, das Ultimatum als „das übelste Schriftstück, das je von einem Staat an einen anderen gerichtet wurde“ (43), zu bezeichnen. Wie würde Grey heute H.Res. 758 bezeichnen müssen?
In dieser Resolution zeigen sich die parteiübergreifenden Leitlinien einer unipolaren „Pax americana“.
H. Res. 758 drückt im Dezember 2014 die politischen Positionen des Repräsentantenhauses aus, ohne selbst ein bindendes Gesetz zu sein. Eine Präsidenten-Strategie kann eine solche Resolution jedoch nicht „aufheben“; sie kann ihr aber politisch zuwiderlaufen, indem sie andere Schwerpunkte und Formulierungen zu Russland, NATO-Erweiterung und Europa setzt. (44)
Ron Paul sah in diesem 16-seitigen Gesetzentwurf reine Kriegspropaganda, die selbst Neocons die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste. Auch erinnert 758 Paul an das Jahr 1998, in dem er mit Vehemenz gegen eine Verabschiedung des "Iraq Liberation Act" (Gesetz zur Befreiung des Irak) argumentierte. Zu jener Zeit erklärte er, dass dieses Gesetz zu einem Krieg führen würde.
„'Ich stimmte damals nicht gegen das Gesetz', so Paul, 'weil ich ein Bewunderer von Saddam Hussein gewesen wäre. Ebenso wenig bin ich ein Bewunderer von Wladimir Putin oder irgendeinem anderen ausländischen Staatsführer. Was mich damals gegen das Gesetz stimmen ließ, war die persönliche Annahme, dass ein weiterer US-Krieg gegen den Irak die zugrundeliegenden Probleme nicht lösen würde. Vielmehr zeichnete sich schon damals ab, dass ein solcher Krieg die Dinge in der Region eher verschlechtern würde. Wir wissen heute alle, was in der Folge passierte.'“ (45)
Es ist einer der Gründe, „warum ich es kaum fassen kann, dass sich diese Entwicklung nun wiederholt und die Verantwortlichen auf rücksichtslose Weise ihren Willen durchsetzen. Und diesmal geht es um weitaus mehr: nämlich das Provozieren eines Krieges gegen Russland, der in einer totalen Zerstörung der uns bekannten Welt enden könnte!“ (46)
Innerhalb der Streitkräfte werden Doktrin‑ und Konzeptpapiere (Joint Publications, Service-Doktrinen, TRADOC‑Papiere) an die in der NSS gesetzten Prioritäten angepasst, etwa durch Schwerpunktbildung auf bestimmte Regionen oder Fähigkeitsprofile. (47)
Operationspläne (OPLANs), Truppenstationierungen und Übungen werden entsprechend neu gewichtet, ohne dass dafür eigene Gesetze nötig wären, solange der Rahmen bestehender Einsatz- und Budgetbewilligungen eingehalten wird. (48)
Der Geist von TRADOC 525-3-1 und von H.Res. 758 wird also weiter durch die Hallen des Pentagon wehen.
Ausblick
Trumps neue Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) verschiebt die globale Sicherheitslage vor allem politisch: Europa wird abgewertet, die westliche Hemisphäre und der Indo‑Pazifik werden sicherheitspolitisch aufgewertet, und wirtschaftliche Instrumente werden noch stärker als Machtmittel eingesetzt. Die NSS verstärkt den Kurs auf „America First“-geprägte Industriepolitik und protektionistische Maßnahmen, was neue Zollkonflikte und Gegenmaßnahmen anderer Volkswirtschaften wahrscheinlicher macht. Das erhöht
Militärisch stärkt die NSS den Fokus auf den Indo‑Pazifik als Hauptoperationsraum gegen China und stellt China als zentrale Herausforderung für die US‑Vormachtstellung und die Sicherheit regionaler Verbündeter dar. Typische Konsequenzen sind: (49)
Ausbau von US‑Präsenz, Übungen und Bündnissen (z.B. mit Japan, Australien, Philippinen) sowie verstärkte Rüstungskooperation, um Chinas Einfluss im Südchinesischen Meer und um Taiwan einzuhegen. (50)
Anpassung von Doktrin und Kapazitäten (Raketenabwehr, Marine‑ und Luftstreitkräfte, Cyber und Weltraumkapazitäten), um einen möglichen militärischen Konflikt mit China abschrecken oder führen zu können, was auf beiden Seiten zu weiterer Aufrüstung führt. (51)
US-Präsident Joe Biden schrieb im Vorwort zu seiner neuen Sicherheitsstrategie vom Oktober 2022:
„Seit den ersten Tagen meiner Präsidentschaft vertrete ich die Auffassung, dass unsere Welt an einem Wendepunkt steht. Die Art und Weise, wie wir auf die enormen Herausforderungen und die noch nie dagewesenen Chancen reagieren, mit denen wir heute konfrontiert sind und denen wir heute gegenüberstehen, wird die Richtung unserer Welt bestimmen und sich auf die Sicherheit und den Wohlstand des amerikanischen Volkes für die kommenden Generationen auswirken. In der Nationalen Sicherheitsstrategie 2022 wird dargelegt, wie meine Regierung dieses entscheidende Jahrzehnt nutzen wird, um Amerikas lebenswichtige Interessen zu fördern und die Vereinigten Staaten zu positionieren, um unsere geopolitischen Konkurrenten auszumanövrieren, gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen und unsere Welt [die westliche, W.E.] fest auf den Weg in eine hellere und hoffnungsvollere Zukunft zu bringen.“ (52)
Viele konnten diese Sätze nur als eine Kampfansage an den Rest der Welt empfinden - vor allem Russland, Nordkorea, Iran und China.Zeigt sich ein Bruch in der neuen Sicherheits-Strategie vom November 2025 mit der Sicherheitsdoktrin der Biden-Administration von 2022? Während Trump eine stark national orientierte "America First"-Linie ins Zentrum seiner Politik stellt, strebte Biden die amerikanische Führungsrolle in einer unipolaren Weltordnung an.
Erkenne den Fehler!
Trotz Trumps auf Ausgleich bedachter Politik gegenüber Rußland bleibt das mehrstufige Planungs- und Konzeptschema TRADOC 525-3-1vom September 2014 bestehen, kalibriert aber nun gegen ein China‑zentrisches Bedrohungsbild. Die Planung betont frühzeitiges Vorbereiten des Operationsumfelds, Fähigkeiten zur Überwindung mehrschichtiger Stand‑off‑Systeme und die kontinuierliche Integration von multidomain Fähigkeiten zur schnellen Übergabe in bewaffnete Auseinandersetzungen. Dazu gehört auch verstärkte Ausbildung, Vernetzung und gemeinsame Übungen, damit Effekte aus Raumfahrt, Cyber, EMS, Luft, See und Land simultan wirken können sowie Vorbereitung des Informations- und „grey zone“ Felds:
Der Ausbau von Fähigkeiten zur Gegenwirkung gegen Desinformation, Einflussoperationen und hybride Werkzeuge Chinas. (53)
Die neue US-NSS bietet für uns die dringend benötigte Gelegenheit, aus der NATO auszutreten, denn diese verfolgt eine Strategie, die mit den fundamentalen Sicherheitsinteressen Deutschlands schon seit geraumer Zeit nicht mehr übereinstimmt. Die NATO hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges, als sie sich eigentlich genauso wie der Warschauer Pakt 1991 zugunsten einer damals absolut möglichen Friedensordnung für das 21. Jahrhundert hätte auflösen müssen, von einem vormals defensiven Verteidigungsbündnis in eine offensive Allianz verwandelt.
Warum werden von den europäischen EU-Eliten keine Anstrengungen unternommen, den Krieg in der Ukraine auf dem Verhandlungsweg zu beenden? Das Gegenteil ist der Fall: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, die baltischen Staaten und die EU-Kommission – die europäische „Koalition der Willigen“ – zielt weiter darauf hin ab, Russland eine „strategische Niederlage“ zuzufügen und das gegen die stärkste Nuklearmacht der Welt.
Und im Osten stimmt die asiatische „Koalition der Willigen“ in den Chor mit ein. So stellte Japans Premierministerin Takaichi die völkerrechtlich unbestreitbare Ein-China-Politik in Frage und drohte sogar mit einer militärischen Intervention Japans in Taiwan. Während in Deutschland zunächst nur der "rhetorische" Militarismus wiedererwacht ist, wächst im gesamten indopazifischen Raum die Sorge vor dem erneut erwachten Militarismus in Japan, der dem in Europa ganz genau gleicht und die furchtbarsten Erinnerungen an das gemeinsame Vorgehen der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg wachruft, das 27 Millionen Tote in der Sowjetunion und 35 Millionen Tote in China zu verantworten hat.
Die NATO ist kein atlantisches Verteidigungsbündnis mehr, sondern versteht sich als militärischer Arm, um die nach dem Ende des Kalten Krieges angestrebte unipolare Weltordnung zu verteidigen. Wir sollten daher eine multipolare Weltordnung, die 500 Jahre Kolonialzeit zu Ende bringt und es den Nationen der Globalen Mehrheit zum ersten Mal erlaubt, Armut und Unterentwicklung zu überwinden, nicht bekämpfen, sondern mit diesen Staaten kooperieren und damit ein neues Kapitel in der Menschheitsgeschichte aufschlagen!
„Wir sind an einem Punkt in der Universalgeschichte der Menschheit angekommen, an dem wir nicht nur ein halbes Jahrtausend Kolonialismus hinter uns lassen müssen, sondern auch die Geisteshaltung, der wir zwei Weltkriege im 20. Jahrhundert zu verdanken haben: die Geopolitik. Wir müssen die barbarische Vorstellung, wir bräuchten immer einen Feind und der Mensch sei des Menschen Wolf, wie Thomas Hobbes als Ideologe des Britischen Empire behauptete, ein für alle Mal hinter uns lassen“, so Frau Helga Zepp-LaRouche vom Schillerinstitut. (54)
Die neue NSS priorisiert "America First"-Politik, fokussiert auf China im Indopazifik als geopolitisches Schlachtfeld und warnt vor "forever wars", während sie Migration, Drogen und Kriminalität in der Westlichen Hemisphäre als Bedrohungen nennt. Sie kritisiert Europa scharf wegen "Zensur", Einwanderung und demografischem Verfall. Russland wird ohne Aggressionsvorwürfe implizit in den Kontext einer Stabilisierung mit Moskau eingeordnet. (55)
Eine erstaunliche Koinzidenz zwischen T2COM und NSSD
Die Koinzidenz zwischen dem im Oktober 2025 neugeschaffenen T2COM (Training and Doctrine Command, einem zentralen US-Heer-Kommando für Ausbildung und Doktrin) und Trumps neuer Nationaler Sicherheitsstrategie (NSS) von Dezember 2025 ist bemerkenswert und strategisch bedeutsam. T2COM (Vorgänger TRADOC) hat historisch US-Militärdoktrinen geprägt, etwa durch Anpassungen an "America First"-Prinzipien seit Trumps erster Amtszeit, und könnte nun die NSS umsetzen. (56)
Trumps Strategie betont "America First", fordert höhere Verteidigungsausgaben von Alliierten (bis zu massivem GDP-Anteil) und kritisiert Europa scharf: als "Risiko" durch Migration, demokratischen Rückschritt und unrealistischen Ukraine-Erwartungen. Sie signalisiert Truppenabzüge aus weniger relevanten Regionen Europas, lehnt eine weitere NATO-Erweiterung ab und zielt auf Stabilität mit Russland sowie Förderung Anti-EU-Stimmungen in Europa. (57)
T2COMs Rolle in Doktrinen-Entwicklung (z. B. Multi-Domain Operations) passt nahtlos zur NSS, da es Ausbildungen auf die US-Hemisphäre fokussieren kann– eine Evolution der post-Cold-War-Strategien, die an Trumps Slogan "Make America Great Again"(MAGA) von 2016 erinnert. Sie stellt eine nationalistische, protektionistische und isolationistische Agenda dar, die Donald Trump seit 2016 als zentrale Ideologie seiner Präsidentschaft etabliert hat. Sie zielt auf die Wiederherstellung vermeintlicher US-Stärke ab, indem sie globale Engagements minimiert, wirtschaftliche Souveränität priorisiert und "America First" gegen Schwächen wie Freihandel oder Allianz-Abhängigkeiten stellt. (58)
Neben wirtschaftlichem Protektionismus (Hohe Zölle auf Importe, Förderung heimischer Industrie und Energieunabhängigkeit durch "Buy American"-Regeln) sollen Auslandstruppen (z. B. Europa) reduziert, Burden-Sharing-Beiträge von NATO-Partnern verlangt und anstatt Konfrontation pragmatische Deals mit Rivalen wie Russland oder China möglich gemacht werden.
Dies erklärt die "Verwunderung": T2COM operationalisiert Trumps Vision schneller als erwartet. (59)
Unter dem Stichwort "Burden-Sharing" fordert NSS massive Verteidigungsausgaben von Alliierten (bis 5% des GDP), damit aus Sicht Washingtons die europäischen "Free-Rider"(Trittbrettfahrer)-Szenarien beendet werden, um US-Truppen für neue, eigenständige Operationen vorzubereiten. (60)
So macht die Abkehr von Europa (Truppenreduktionen) hin zu hemisphärischer Verteidigung durchaus Sinn; TRADOC passt Übungen an hybride Bedrohungen an, passend zur NSS-Kritik an EU-Migration und Ukraine-Politik. (61)
Die TRADOC- bzw T2COM-Kernaufgabe, Doktrinen wie "Air Land Battle" oder aktuelle "Joint All-Domain Concepts" zu entwickeln, spiegelt NSS-Themen wider: Stärkung konventioneller Kräfte gegen Russland/China, Integration von KI und Cyber in Trainings, sowie Annäherung an pragmatische Russland-Politik statt NATO-Erweiterung. Diese Synergie ermöglicht eine schnelle Umsetzung, da TRADOC seit Trumps erster Amtszeit entsprechende Anpassungen vornimmt. (62)
Aus einer Position der Stärke militärische Konfrontation verhindern?
Dieses Ziel stellt die NSS 2025 in den Mittelpunkt. Am 11. Dezember 2025 rief NATO-Generalsekretär Mark Rutte in einer Grundsatzrede die Mitgliedsstaaten der Allianz eindringlich zu verstärkten Verteidigungsanstrengungen auf:
„Wir sind Russlands nächstes Ziel, und wir sind bereits in Gefahr“. (63)
Für die NATO gehe es nun darum, einen Krieg zu stoppen, bevor dieser beginne. Dieser Krieg könnte "von einem Ausmaß sein, wie es unsere Großeltern und Urgroßeltern erlebt haben", so Rutte. Russland könnte innerhalb von fünf Jahren bereit sein, militärische Gewalt gegen die NATO anzuwenden. Hier wieder die ominöse Jahreszahl 2030, wie wir sie ja auch im Grünbuch des Bundestags vom April 2025 finden.
Abschließend stellt Rutte fest:
„Der Konflikt steht vor unserer Tür. Russland hat den Krieg nach Europa zurückgebracht. Und wir müssen vorbereitet sein.“ (64)
Hier offenbaren sich bei Rutte gravierende Geschichtslücken. Den Krieg nach Europa haben die USA am 24. März 1999 mit dem völkerrechtswidrigen (ohne UN-Mandat) Angriffskrieg gegen Restjugoslawien (Serbien und Montenegro) gebracht. Damit hebelten die USA das Völkerrecht und die UN-Charta aus.
In einer positiven Auslegung der Äußerungen des NATO-Generalsekretärs Rutte könnte man den Willen zur Kriegsverhinderung durch Abschreckung herauslesen., denn wer Stärke und Entschlossenheit demonstriert, kann dem Gegner glaubhaft versichern, dass ein Angriff keine gute Idee wäre. Das immer wiederkehrende Problem mit der vorgegebenen Abschreckung und Kriegsvorbereitung: Wenn sie nicht gleichzeitig mit diplomatischen Mitteln kombiniert wird, verkommt die Abschreckung zur reinen Drohgebärde. Sie zerstört dann die letzten Brücken, über die Frieden ausgehandelt werden könnte. Und so muss man wie im Kalten Krieg davon ausgehen, dass die Abschreckung wie die Bedrohung durch Russland vorgeschoben wird, um selbst den Krieg ungestört vorzubereiten.
Anmerkungen und Quellen
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm: „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)
2) https://jowiinter.blogspot.com/2025/08/schwarzer-freitag-fur-kiew-west-europa.html
3) https://freedert.online/kurzclips/video/264068-neue-us-sicherheitsstrategie-scharfe-kritik/
9) https://de.euronews.com/my-europe/2025/12/05/us-sicherheitsstrategie-trump-europa
11) https://de.euronews.com/my-europe/2025/12/05/us-sicherheitsstrategie-trump-europa
12) https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-vorwuerfe-europa-100.html
15) https://www.bbc.com/news/articles/c04vdengk3do
16) Renew Europe (kurz Renew) ist eine liberale, pro‑europäische Fraktion im Europäischen Parlament, die Abgeordnete aus verschiedenen liberalen, zentristischen und teils mitte‑rechts orientierten Parteien aus den EU‑Mitgliedstaaten bündelt. Sie ist seit der Wahlperiode ab 2019 Nachfolgerin der früheren ALDE‑Fraktion (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) und bildet dort die „dritte Kraft“ zwischen EVP und Sozialdemokraten.
18) https://www.iss.europa.eu/publications/commentary/keeping-eu-nato-cooperation-alive-under-trump-20
23) https://www.reuters.com/world/china/kremlin-says-new-us-security-strategy-accords-largely-with-russias-view-2025-12-07/; https://tass.com/politics/2054865; https://www.n-tv.de/politik/Kreml-lobt-umstrittene-US-Sicherheitsstrategie-id30114340.html
24) https://taz.de/Neue-US-Sicherheitsstrategie/!6135750/
25) https://www.cfr.org/expert-brief/unpacking-trump-twist-national-security-strategy
26) Donald Trump. "Great Again Wie ich Amerika retten werde", Kulmbach 2016, S. 60
27) https://www.brookings.edu/articles/breaking-down-trumps-2025-national-security-strategy/
28) Der „Phase-One-Deal“ von 2020 war ein vorläufiges Handelsabkommen zwischen den USA und China, unterzeichnet am 15. Januar 2020 von Präsident Donald Trump und Vize-Premier Liu He, das den Handelskrieg seit 2018 teilweise entschärfen sollte https://finanzmarktwelt.de/trump-oeffnet-usa-fuer-china-der-grosse-rueckzug-366029/
29) https://www.cfr.org/expert-brief/unpacking-trump-twist-national-security-strategy
30) https://www.brookings.edu/articles/breaking-down-trumps-2025-national-security-strategy/
31) https://foreignpolicy.com/2025/12/08/2025-us-national-security-strategy-trump-asia-china-taiwan/
32) https://www.cfr.org/expert-brief/unpacking-trump-twist-national-security-strategy
34) https://www.lawfaremedia.org/article/trump-administration-releases-2025-national-security-strategy; https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2025/12/2025-National-Security-Strategy.pdf
35) https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2025/12/2025-National-Security-Strategy.pdf
36) https://www.lawfaremedia.org/article/trump-administration-releases-2025-national-security-strategy
37) https://www.zeit.de/politik/ausland/2014-09/nato-manoever-ukraine-russland-waffenlieferungen
38) Kiewer Kanal Perwy Nationalny
39) https://www.lawfaremedia.org/article/trump-administration-releases-2025-national-security-strategy
41) www.congress.gov/bill/113th-congress/house-resolution/758/titles
42) Eva Philippoff (Hrsg.): Die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Paris 2002, S. 153
43) Zitiert aus: Wolfgang Effenberger/Willy Wimmer:“Wiederkehr der Hasardeure“, Höhr-Grenzhausen 2014, S. 184
44) https://www.n-tv.de/politik/Trumps-Sicherheitspapier-gleicht-Kampfansage-an-Europa-id30112539.html
45) Ron Paul: Rücksichtsloser US-Kongress hat Russland gerade den Krieg erklärt, Institute for Peace and Prosperity unter http://www.ronpaulinstitute.org/ [08.12.14]
46) Ebda.
47) https://www.lawfaremedia.org/article/trump-administration-releases-2025-national-security-strategy
48) https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2025/12/2025-National-Security-Strategy.pdf
49) https://www.swp-berlin.org/10.18449/2023S02/
50) https://table.media/china/analyse/china-usa-auf-konfliktkurs-die-strategien-der-grossmaechte
53) https://adminpubs.tradoc.army.mil/pamphlets/TP525-3-1.pdf
54) https://6faai.r.sp1-brevo.net/mk/cl/f/sh/SMK1E8tHeGEm8pr1DSxS3L9QeEWx/NzUf5cMTFqu3
55) https://www.brookings.edu/articles/breaking-down-trumps-2025-national-security-strategy/
58) https://www.britannica.com/topic/MAGA-movement
63) https://www.tagesschau.de/inland/rutte-rede-100.html
64) Ebda.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: US-Präsident Donald Trump
Bildquelle: aaronschwartzphoto / shutterstock
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