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Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Zwei Katzen sind in den Taubenschlag eingedrungen und das Federvieh fliegt wild schreiend chaotisch durcheinander. An dieses Bild wurde man diese Woche gleich zwei Mal bei hochrangigen diplomatischen Gipfeltreffen erinnert, eins am Montag in Paris, das andere am Mittwoch in Brüssel. Diesen Effekt hatten die beiden Trump-Emissäre auf ihre europäischen Kollegen: US-Vizepräsident J.D. Vance als er am Montag an dem Aktionsgipfel für Künstliche Intelligenz in Paris teilnahm und Trumps neuer Verteidigungsminister Pete Hegseth beim NATO-Ministertreffen am Mittwoch in Brüssel. Und in diesem Stil wird es wahrscheinlich am Wochenende bei der „Münchner Unsicherheitskonferenz“ weitergehen. Aber der Reihe nach.
US-Vizepräsident Vance hatte auf dem KI-Gipfel in Paris für einen Eklat gesorgt, weil er ganz undiplomatisch kein Blatt vor den Mund genommen und in einer gut 15-minütigen Rede scharf die politischen Kontroll- und Zensurmaßnahmen der Europäischen Kommission angegangen ist, die in allen EU-Ländern Gesetz sind. Dabei geht es um das harmlos klingende Digitale Dienstleistungsgesetz, das Vance als „autoritäre Zensur“ verurteilte. Mit Blick auf die strengen EU-Regulierungen sagte Vance:
"Natürlich möchten auch wir sicherstellen, dass das Internet ein sicherer Ort ist, aber es ist eine Sache, einen Verbrecher daran zu hindern, ein Kind im Internet zu verführen, und es ist etwas ganz anderes, einen erwachsenen Mann oder eine erwachsene Frau daran zu hindern, Zugang zu einer Meinung zu erhalten, die die Regierung für Fehlinformationen hält."
Die anschließende Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wartete Vance gar nicht erst ab und verließ den Saal. Eine gemeinsame Erklärung zur KI unterzeichnete er nicht. Damit setzen die USA auf eine von staatlichen Barrieren freie Entwicklung der KI-Branche. Zweifellos wird das einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen, von Zensur- und „Ethik“-Überlegungen behinderte KI-Entwicklung in der EU darstellen.
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth. Foto: Facebook / CBS News
Zwei Tage später, am Mittwoch dieser Woche, erhielten die anti-russischen Kriegstreiber unter den europäische Regierungseliten beim NATO-Gipfel in Brüssel eine weitere Schockbehandlung, diesmal von Präsident Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth. Alle, die ihre Karriere eng mit dem Krieg in der Ukraine verbunden haben und deshalb vehement die Fortsetzung des Krieges unterstützen, müssen einen schweren Schlag erhalten haben.
Viele von ihnen müssen schockiert sein und nach Luft ringen.
Tatsächlich waren die Erklärungen von Hegseth atemberaubend:
- Die Frage der Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO nahm Washington ohne wenn und aber ein für alle Mal vom Tisch. Ein erklärtes US-Veto gegen eine Einladung der Ukraine, der NATO beizutreten, egal in welcher Form.
- Die USA werden unter keinen Umständen Truppen in die Ukraine entsenden, auch nicht zur Friedenssicherung.
- Die USA werden keine Waffen und Unterstützung mehr liefern ohne dafür bezahlt zu werden. Wenn die europäischen NATO-Mitglieder die Ukraine unterstützen wollen, dann können sie das tun aber die USA haben damit nichts mehr zu tun.
- Wenn die Europäer Truppen in die Ukraine schicken wollen, dann ist es ihre Sache aber die Truppen dürfen nicht unter NATO-Flagge dort einmarschieren und für sie gilt nicht die NATO-Artikel 5-Beistandspflicht, mit anderen Worten: Ihr Europäer könnt in der Ukraine tun und lassen, was ihr wollt, aber ihr müsst die Konsequenzen alleine tragen und könnt nicht auf US-Unterstützung rechnen.
- Wenn die NATO-Länder in Zukunft unabhängig von der aktuellen Situation in der Ukraine amerikanischen Schutz wollen, dann müssen sie Ihre Militärausgaben erheblich erhöhen.
- Die Ukraine wird nicht zu den Grenzen zurückkehren können, die sie vor 2014 oder noch 2022 hatte, was bedeutet, dass die USA wichtige territoriale Zugeständnisse von der Ukraine erwarten.
Zeitgleich zu der Rede von Hegseth gab Präsident Trump in Washington bekannt, dass er ein anderthalbstündiges Telefonat mit dem russischen Präsidenten Putin und ein 7 minutiges Gespräch mit Selenskij geführt hat. Das wichtigste Fazit ist, dass Putin bereit ist, Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten über eine neu und dauerhafte, europäische Sicherheitsordnung und auch andere drängende Probleme (nukleare Rüstungskontrolle) zu beginnen und auch über die Ukraine zu sprechen.
Den ukrainischen Präsidenten Selenskij hat Trump lediglich in einem kurzen Gespräch über seinen Kontakt mit Putin informiert und ihm gesagt, dass er bei den Verhandlungen nicht dabei sein kann. Trump stellte auch sofort sein Verhandlungsteam mit den Russen vor: Außenminister Marco Rubio, Direktor der CIA John Ratcliffe, den Nationalen Sicherheitsberater Michael Waltz und den Botschafter und Sondergesandten, seinen alten und vertrauten Freund Steve Witkoff als Leiter der Verhandlungen.
Bedeutend hier ist, dass der Name des pensionierten Generalleutnants Keith Kellogg auf der Liste der Teilnehmer fehlt. Bisher war Kellogg das Sprachrohr für Trumps eventuelle Kontakte zu Russland gewesen. Aber Kellogg kommt aus dem Tiefen Staat und hatte wiederholt offen die Idee vertreten, die Sanktionen gegen Russland müssten noch erheblich verschärft werden, um Zugeständnisse in Bezug auf die Ukraine zu erlangen. Laut Kellogg liegen aktuell die Sanktionen gegen Russland nur bei drei auf einer Schmerz-Skala von eins bis zehn. Er schlug vor, die Schmerzgrenze für die Russen deutlich zu erhöhen, was jedoch jeglicher realistischen Basis entbehrt. Kellogg ging auch mit der Mär hausieren, die russische Wirtschaft liege am Boden. Aber vor wenigen Tagen haben die Weltbank und der IWF, die nicht unter russischem Einfluss stehen, berichte, dass die russische Wirtschaft letztes Jahr um fast 4 % real gewachsen ist.
Kellogs Kommentare untergruben Trumps Ansatz für einen direkten Kontakt mit Putin. Zudem schien Kellogg darauf aus, gemeinsam mit den Europäern sicherzustellen, dass der Krieg in der Ukraine fortgesetzt würde. Ob Trump für Kellogg noch eine andere Verwendung hat, bleibt abzuwarten.
Tatsächlich hat Trump den kriegsgeilen europäischen Führungseliten den Teppich unter den Füßen weggezogen. Aus ihren Kommentaren und aus denen ihrer Schreiberlinge in den so genannten Qualitätsmedien wird klar, dass sie noch gar nicht richtig verstanden haben, was da vor sich geht, welche tektonische Veränderung der politischen Platten stattgefunden hat.
Die Europäer haben weder die Waffen, die Truppen noch das Geld, um den Krieg in der Ukraine fortzuführen. Sie werden auch wenig Unterstützung in der Bevölkerung für die Fortsetzung des Krieges erhalten, erst recht nicht, wenn die Vereinigten Staaten nicht mitspielen oder gar freundliche Deals mit Russland machen. Tatsächlich würde die Zukunft der NATO in Frage gestellt, falls Europa versuchen würde, ohne die Vereinigten Staaten in der Ukraine weiter Krieg zu spielen.
Viele der Führer in Europa haben inländische Probleme. Deutschland, Frankreich, Polen – und sogar Rumänien, wo Präsidentschaftswahlen abgesagt wurden, um zu verhindern, dass der führende Oppositionskandidat gewählt wurde – sind Beispiele für die wachsende Instabilität in der europäischen Führungsschicht.
Zugleich betonen die Enthüllungen über US- und EU-Einmischung in den Wahlprozess in Georgien, Serbien und der Slowakei, vielleicht auch Moldawien, die schmutzige Natur der heutigen Politik in Europa.
Die Trump-Administration löst USAID auf, die in vielen der oben genannten Länder, einschließlich der Ukraine, als eine Art harmlose CIA-Frontorganisation agiert hat. Mit dem Wegfall dieser Geld- und Unterstützungsquelle für pro-EU-NGOs und Demonstrationen steht Brüssel vor einem weiteren ernsthaften Problem, das weit über Finanzfragen hinausgeht. Das falsche Argument, dass die EU (und mit ihr die NATO) die Demokratie aufrechterhalte, ist nun entlarvt. Der Verlust an Legitimität ist eine reale Bedrohung für die herrschenden Eliten.
Trumps geopolitische Perspektive sieht in etwa so aus: Europäische Sicherheit ist wichtig, aber sie ist nicht wirklich durch Russland bedroht. Die USA stehen einer wiedererstarkenden China gegenüber, das eine sehr moderne industrielle Basis, eine massive Arbeitskraft und eine zunehmend gut ausgestattete und mächtige Armee hat.
Aus Trumps Sicht braucht er ein freundliches Russland, das helfen kann, die globalen Machtverhältnisse auszugleichen. Um dorthin zu gelangen, muss er Wege finden, die US-Russland-Beziehung neu zu definieren, die in tiefer Unordnung steckt und von gegenseitiger Feindseligkeit durchdrungen ist. In seinem 90-minütigen Gespräch mit Putin hat Trump an wirtschaftlichen und technologischen Fähigkeiten gerührt, die in Zukunft eine Grundlage für verbesserte Beziehungen bieten könnten.
Niemand kann im Moment sagen, ob jetzt schnell ein Deal für eine Waffenruhe in der Ukraine gefunden werden kann, aber ein solcher Deal ist vor dem Hintergrund der geo-strategischen russischen und amerikanischen Zielsetzungen ohnehin nur eine Nebensache, auch wenn sie für die EU-Eliten von existenzieller Bedeutung ist. Aber es gibt durchaus Grund, optimistischer zu sein, dass beide Seiten mit entsprechendem Druck auf die Ukraine und deren EU-Unterstützer eine Lösung gefunden werden kann.
Zwar könnten die Europäer versucht sein, einen Deal über die Ukraine zu sabotieren, aber die Realität ist, dass Europa wenig tun kann, wenn Putin und Trump sich auf einen Deal einigen.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Phil Mistry / shutterstock
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