Die ersten Amtshandlungen des neuen amerikanische Präsident erwecken den Eindruck von Entschlossenheit und radikalem Umbruch. Mit seinem rücksichtslosen Auftreten hat er erste Erfolge erzielt, nicht aber für das Kernproblem der USA. Das sind die Defizite im Staatshaushalt.
Ein Kommentar von Rüdiger Rauls.
Markige Worte
Trump legt los, und nichts scheint ihn aufhalten zu können. Vieles findet die Zustimmung der Bevölkerung, die den Wokismus in den USA leid ist. Der Triumph darüber und die klare Kante, die er gegenüber all jenen zeigt, die nicht nach seiner Pfeife tanzen, gibt vielen Amerikanern das Gefühl, dass Amerika endlich wieder groß ist. Niemand scheint sich mehr zu trauen, den Amerikanern auf der Nase herum zu tanzen. Wer nicht spurt, dem droht Trump mit Zöllen, die sich gewaschen haben, oder gar mit Militäreinsätzen.
Hatte er das schmächtige Kolumbien mit seinem herrischen Auftreten noch einschüchtern können, so ist er beim größeren Mexiko schon vorsichtiger, ganz zu schweigen von den ganz Großen wie China, Russland und selbst der Europäischen Union. Vielleicht ist ihm klar geworden, dass die ebenbürtigen Staaten sich anders als bei seiner ersten Präsidentschaft schon auf seine Angriffe vorbereitet haben, was beispielsweise Zollfragen angeht. Auch die USA haben Schwachstellen, wo sie verletzbar sind.
Dass er im Kampf gegen Inflation und Defizite keinen Plan zu haben scheint, darüber kann er seine Anhänger und Wähler durch sein rüpelhaftes Auftreten nach innen vorerst noch hinweg täuschen. Sein unverzügliches Vorgehen gegen die woken Programme und deren Nutznießer in den Behörden und Ministerien hat ihm viel Beifall gebracht. Auch in den Razzien gegen Einwanderer konnte er das im Wahlkampf versprochene harte Durchgreifen unter Beweis stellen. All das gehört zwar zu seiner „Revolution des gesunden Menschenverstands“, jedoch an der Inflation ändert es nichts.
Das aber erwarten die Menschen im Land. Damit hatte Trump im Wahlkampf Hoffnungen geweckt, und daran wird er gemessen werden. Um deutlich zu machen, dass er den Kampf gegen die Teuerung ernst nimmt, hatte er im ersten Dekret seine Minister angewiesen,
„alle Mittel auszuschöpfen, die Preise zu senken“(1)
und bei seinem Videoauftritt in Davos hatte er die amerikanische Notenbank öffentlich aufgefordert, die Zinsen zu senken. Er selbst in seiner Funktion als Präsident hat
„bisher aber wenige Maßnahmen zur Eindämmung der Teuerung verkündet“(2).
Harte Realität
Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass Maßnahmen zur Inflationssenkung nicht so einfach umzusetzen sind. Das kann man nicht per Dekret regeln wie Abschiebungen. Schon jetzt scheitert so mancher seiner Pläne am mangelnden Geld. Zwar hat er mit seinen Razzien auf Illegale, deren Festnahme und unverzügliche Abschiebungen den Eindruck hinterlassen, endlich mit der illegalen Migration aufzuräumen. Um aber seine Versprechen wahr zu machen, „Millionen und Abermillionen“ auszuweisen, müsste der „Kongress Trump aller Voraussicht nach mehr Geld zur Verfügung stellen“(3).
Allein um die aktuelle Zahl an Abschiebungen aufrecht zu erhalten, fehlen der dafür zuständigen Einwanderungspolizei ICE „schon mehr als 200 Millionen Dollar“(4). Eine weitere Aufstockung von Mitteln aus dem Staatshaushalt wäre nötig. Das passt aber ganz und gar nicht zu Trumps Plänen, die Staatsausgaben zu senken. Nicht nur dass es durch solche Maßnahmen zu Mehrausgaben kommt, es gehen auch Staatseinnahmen verloren. Viele dieser Illegalen leben schon seit Jahren im Land und zahlen Steuern, die dann ausfallen. Zudem arbeiten sie „in Branchen wie der Landwirtschaft und der Gastronomie, die dringend auf ausländische Arbeiter angewiesen sind“(5).
Nicht nur in Hinblick auf die wirtschaftlichen Schäden sind Razzien und Ausweisungen ein zweischneidiges Schwert. Sie führen auch im Land selbst zu Spannungen zwischen den politischen und gesellschaftlichen Gruppen. Schon jetzt sind viele Klagen gegen Trumps Verordnungen bei den Gerichten anhängig. Zudem haben Staaten, Städte und Gemeinden, die von Demokraten regiert werden, zu verstehen gegeben,
„dass sie sich dem Druck aus Washington nicht beugen werden“(6).
In Los Angeles und Chicago zum Beispiel „dürfen Ressourcen oder Beamte der Stadt nicht bei Einwanderungsmaßnahmen der Bundesregierung eingesetzt werden“(7). Vor den Folgen der Trump’schen Maßnahmen für die öffentliche Sicherheit warnte neulich der Polizeichef von Minneapolis, wenn illegale Bürger aus Angst um ihr Aufenthaltsrecht in Zukunft zögerten, bei Gefahren Polizei oder Feuerwehr zu rufen.
Die Abschiebemaßnahmen selbst werden für zusätzliche Kosten für den Staatshaushalt sorgen, die der neue Präsident eigentlich hatte senken wollen. So soll das Migrantenlager auf Guantanamo wieder in Betrieb genommen und ausgebaut werden. Es soll Platz bieten für etwa 30 Tausend Menschen. Das Geld dafür muss vom Kongress erst einmal bewilligt werden. Aber was sind dreißig Tausend im Verhältnis zu den geschätzten 12 Millionen Menschen in den USA ohne Aufenthaltserlaubnis? Das wirft ein Schlaglicht auf die Kosten, wollte Trump „Millionen und Abermillionen“ ausweisen.
Guantanamo als Zwischenlösung zeigt aber auch, dass es mit Trumps Vorstellungen über die Ausweisungen doch nicht so einfach ist, wie er in Aussicht gestellt und vielleicht auch selbst geglaubt hatte. Kolumbien hatte man über den Tisch ziehen können, mit der Rückführung von Migranten aus Mexiko ist es schon schwieriger. Es wird Zeit dauern, „bis die amerikanischen Behörden die notwendigen Absprachen getroffen hätten, um sie in Drittländer zu schicken“ (8). Ob es dann auch zu spürbaren Entlastungen für den Staatshaushalt und die Defizite kommt, wird sich noch zeigen.
Staatssanierung
Ausweisungen aber werden der schwierigen finanziellen Lage der USA nicht helfen und die Lebenslage der Bürger aufgrund der Teuerungen nicht verbessern. Einschnitte müssen her oder eine Steigerung der Ertragskraft der amerikanischen Wirtschaft. Um die Kosten des Staates zu senken, hat Trump eigens Elon Musk in sein Beraterteam berufen. Er soll den Staatsapparat auf ineffiziente oder gar überflüssige Behörden und Beamten durchforsten. Er gilt in den Augen der Öffentlichkeit als erfolgreicher Unternehmer, weil er Twitter auf Vordermann brachte, indem er 80% der Belegschaft vor die Tür setzte. Das scheint ihn auch für die Staatssanierung zu qualifizieren.
In diesem Sinne wurde bereits den 2,4 Millionen Beamten und Behördenangestellten die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder freiwillige Kündigung unter Fortzahlung ihrer Bezüge bis Oktober 2025 oder aber sie hätten „keine Garantie auf ihren Arbeitsplatz in der Zukunft“(9). Der Staat soll schlanker werden. Die Rechnung ist einfach: Wenn nur fünf bis zehn Prozent der Staatsbediensteten dieses Angebot annehmen, könnten damit „rund 100 Milliarden Dollar im Jahr eingespart werden“(10).
Dazu gehört auch, dass Trump jene Staatsdiener entfernen lässt, die nach seiner Ansicht seine Wiederwahl 2021 behindert haben oder sich ihm gegenüber illoyal verhalten haben sollen. Neben seinen Rachegelüsten bedient das auch die Sanierung der Staatskassen. Aber auch in anderen Bereichen soll gespart werden. Was nicht die Ertragskraft der amerikanischen Wirtschaft steigert, muss weg, scheint die Devise der neuen Regierung zu sein. Das betrifft natürlich auch soziale Programme. So wurde in Aussicht gestellt,
„Bundeszuschüsse, Darlehen und andere Hilfsprogramme im Volumen von vielen Milliarden Dollar zu stoppen“(11).
Umverteilung
Diese Staatssanierung ist kein Selbstzweck. Die Defizite und Kosten müssen runter. Gelder müssen frei werden für andere Aufgaben. Trump und seine Leute machen Politik nach ihren Neigungen und überkommenen Denkmustern, wenig daran ist strategisches Denken. Sie lehnen alles ab, was den USA schadet, und die USA sind sie selbst. Auch die Armen in ihrem Land sind Amerikaner, aber sie sind nicht dieselben Amerikaner wie sie. Die Armen sind Amerikaner, die Kosten verursachen. Sie dagegen sind Amerikaner, die Werte schaffen und verteidigen, materielle Werte.
Dabei sind auch Chinesen und Europäer im Weg. Erstere bedeuten Konkurrenz. Letztere behandeln die USA unfair, weil sie nicht genug Geld für die NATO ausgeben, Panama, weil es Kanalgebühren von den USA verlangt, Dänemark, weil es Grönland nicht verkaufen will. Sie alle wollen Geschäfte in Trumps „wunderbarer“ amerikanischen Wirtschaft machen, aber ohne dafür bezahlen zu wollen. Deshalb sollen sie alle Zölle bezahlen, die Kanadier, die Mexikaner, die Europäer und besonders die Chinesen. Denn sie alle behandeln die USA unfair. Trump ist angetreten, dem ein Ende zu machen.
Das ist das Denken des amerikanischen Exzeptionalismus, von dem Trump in seiner Antrittsrede sprach. Die Welt hat sich nach den Bedürfnisse der USA zu richten. Es gibt keine Hilfszahlungen mehr an andere Staaten, keine Beiträge mehr an die Vereinten Nationen. Das Geld soll im Land bleiben, denn Amerika ist knapp bei Kasse, und die Zinsen für die Schulden fressen das Land auf.
Deshalb keine Einschränkungen mehr für Banken und Ölgesellschaften. „Drill, baby, drill“. Holt das Geld aus dem Boden, das die USA brauchen. Überschwemmt die Märkte mit Öl, damit der Preis fällt und der amerikanische Verbraucher nicht mehr leidet unter hohen Preisen. Rüstet das US-Militär auf, damit weder die Chinesen noch die Russen Amerikas Vormachtstellung in Frage stellen können.
Nebenwirkungen
Aber diese Pläne haben Kehrseiten, deren sich Trump nicht bewusst zu sein scheint. Wenn die Märkte mit Öl überschwemmt werden, sinken die Preise und um so geringer werden die Erträge gerade der amerikanischen Ölförderer. Das von Trump geplante Raketenabwehrsystem ist enorm teuer, zumal wenn es zu 100 Prozent in den USA hergestellt werden soll, wie Trump plant. Eine Batterie sollen 100 Millionen Dollar kosten, eine einzelne Rakete 50 Millionen. Woher soll das Geld kommen bei einem Haushaltsdefizit von 2 Billionen Dollar und Gesamtschulden von 36 Billionen?
Trump setzt große Hoffnungen auf die Künstliche Intelligenz, von der er glaubt, dass sie Amerikas Vormachtstellung festigen und ausbauen kann. Dafür hat er mit den Tech-Konzernen das KI-Projekt „Stargate“ ins Leben gerufen, in das 500 Milliarden Dollar zum Teil auch von der US-Regierung investiert werden sollen. Hunderte Milliarden will er durch Entlassungen im öffentlichen Dienst und Streichungen bei Zuschüssen für Bedürftige einsparen, gleichzeitig aber füttert er Rüstungs- und Tech-Konzerne mit gewaltigen Summen. Alle das geschieht im Interesse der US-Wirtschaft und zur Sicherung der amerikanischen Vormachtstellung.
Doch gerade am Beispiel von Stargate wird die Verschiebung der Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft deutlich. Während die USA seit Jahren versuchen, den Aufstieg Chinas zur Technologiemacht zu behindern, und durch Investitionen in Höhe von Hunderten von Milliarden die eigene Spitzenstellung zu erhalten und auszubauen, hat China mit seinem System „Deepseek“ die Amerikaner in die Schranken verwiesen. Den Chinesen gelang es, zu einem Bruchteil der Kosten in kürzester Zeit ein KI-System zu entwickeln, das dem amerikanischen ebenbürtig ist.
Das zeigt: Der Vorsprung der USA wird schrumpfen, und sie können den Wettlauf nicht gewinnen. Chinas Bevölkerung ist viermal so groß wie die amerikanische, sie ist hoch qualifiziert und hoch motiviert. Bei gleichem Bildungsstand verfügt China über das Vierfache an Wissenschaftlern, Technikern und sonstigen qualifizierten Arbeitskräften. Das wird Wirkung zeigen. China verfügt über die finanzielle und industrielle Kraft, um Trumps Zöllen zu begegnen. Die amerikanische Wirtschaft ist schon jetzt im Hintertreffen. Die Welt kauft in China ein, in den USA nur die Amerikaner.
Quellen und Anmerkungen
(1) Frankfurter Allgemeine Zeitung(FAZ) vom 22.1.2025: Trumps Preisfrage
(2) FAZ vom 28.1.2025: EZB und FED im Bann von Donald Trump
(3) FAZ vom 23.1.2025: Was passiert nach Trumps vielen Dekreten?
(4) ebenda
(5) ebenda
(6) FAZ vom 30.1.2025: Nur ängstliche Beamte sind gute Beamte
(7) ebenda
(8) FAZ vom 31.1.2025: Migranten nach Guantanamo
(9) FAZ vom 30.1.2025: Zur Kündigung reicht eine Mail mit einem Wort
(10) ebenda
(11) ebenda
+++
Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++
Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
+++
Bildquelle: Chip Somodevilla / shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut